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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 09.07.2004
Aktenzeichen: 4 K 5742/01 L
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 8 Abs 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 09.07.2004, an der teilgenommen haben:

Präsident des Finanzgerichts ...

Richter am Finanzgericht ...

Richterin am Finanzgericht ...

Ehrenamtlicher Richter ...

Ehrenamtlicher Richter ...

auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

Streitig ist, ob Warengutscheine, die Arbeitnehmer der Klägerin anstelle von Urlaubsgeld erhalten haben, als Vorteile im Sinne des § 8 Abs. 3 S. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zu qualifizieren sind.

Die Klägerin (Klin.) betreibt in mehreren Möbelhäusern den Handel mit Einrichtungsgegenständen aller Art. Den Arbeitsverhältnissen mit ihren Arbeitnehmern liegen die Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen zugrunde. Am 19.06.1996 vereinbarten die Geschäftsführung und der Betriebsrat der Klin., dass das den Arbeitnehmern zustehende Urlaubsgeld wahlweise ganz oder teilweise als Warengutschrift/-gutschein in Anspruch genommen werden könne. Diese Regelung galt auch für die Jahre 1997, 1998 und 1999 (Höhe des Urlaubsgeldes für diese Jahre: 1.780 DM, 1.810 DM und 1.850 DM brutto). In einer Mitteilung der Geschäftsführung vom 04.03.1999 heißt es, der Tausch von (Brutto-) Urlaubsgeld in Ware bringe wertmäßig erhebliche Vorteile, weil das Urlaubsgeld dann lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei bleibe. Voraussetzung sei, dass der Warenverkauf einschließlich Lieferung oder Mitnahme noch im Jahr 1999 erfolge. Eine Übertragung auf Dritte sei nicht möglich. Der steuerliche Gesamtfreibetrag für Belegschaftsrabatte von 2.400 DM im Jahr dürfe nicht überschritten werden. Andernfalls sei der überschreitende Betrag lohnsteuerpflichtig. Die Arbeitnehmer, die Interesse hätten, würden gebeten, sich bis zum 23.06.1999 zu melden und anzugeben, in welcher Höhe das Urlaubsgeld in einen Warengutschein umgewandelt werden solle.

Die Klin. behandelte die ausgegebenen Warengutscheine, soweit der jeweilige Wert - zusammen mit Vorteilen im Sinne des § 8 Abs. 3 EStG - 2.400 DM pro Arbeitnehmer im Kalenderjahr nicht überstieg, als lohnsteuerfrei.

Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung, die sich auf den Zeitraum 01.01.1995 bis 31.07.1997 bezog und die im August 1997 stattfand, wurde diese Handhabung nicht beanstandet. Die Anschlussprüfung, die den Zeitraum 01.08.1997 bis 31.03.2000 betraf, führte der Beklagte (Bekl.) im Jahr 2000 durch. Die Prüferin gelangte zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 EStG im Hinblick auf die Warengutscheine nicht vorlägen. In dem Lohnsteueraußenprüfungsbericht vom 08.09.2000 heißt es hierzu, zwar habe der Bundesfinanzhof (BFH) eine Umwandlung von Barlohn in Sachbezüge grundsätzlich zugelassen. Barlohn müsse es sich allerdings um eine Zuwendung handeln, die zusätzlich zum tarifvertraglich geschuldeten Arbeitslohn geleistet werde. Geldwerte Vorteile aus Warengutscheinen, die anstelle von vertraglich vereinbartem Arbeitsentgelt gewährt würden, fielen nicht unter § 8 Abs. 3 EStG und gehörten in voller Höhe zum lohnsteuerpflichtigen Lohn. Dies sei der Fall. Die Klin. schulde das Urlaubsgeld nach den Tarifverträgen für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen. Vor Ergehen des Prüfungsberichts hatte sich die Klin. im Anschluss an die Schlussbesprechung mit Schreiben vom 07.07.2000 wie folgt geäußert: Nachdem mit dem jeweiligen Arbeitnehmer eine mündliche Vereinbarung über die Umwandlung des Urlaubsgeldes getroffen worden sei, habe dieser eine Bestätigung in Form eines Warengutscheins erhalten. Es werde darauf hingewiesen, dass der Arbeitnehmer nicht auf tarifliche Ansprüche (Urlaubsgeld) verzichtet, sondern diese umgewandelt habe.

Der Bekl. folgte dem Ergebnis der Lohnsteueraußenprüfung und erließ einen entsprechenden Haftungs- und Nachforderungsbescheid. Der in dem Bescheid ausgewiesene Gesamtbetrag belief sich auf 211.691 DM, wobei ein Nachforderungsbetrag von 210.384 DM auf den hier streitigen Sachverhalt entfiel. Die Klin. legte Einspruch ein und machte geltend, nach der Rechtsprechung des BFH stehe der Austausch von Barlohn in Sachbezüge einer Anwendung des § 8 Abs. 3 EStG nicht entgegen. Die Ansicht, dass es sich um Arbeitslohn handeln müsse, der zusätzlich zum tarifvertraglichen Arbeitslohn geschuldet werde, sei unzutreffend. Darüber hinaus sei in § 2 Abs. 6 des Gehaltstarifvertrags für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen geregelt, dass die Gewährung von Sachbezügen auf die zu zahlenden Entgelte nach dem Tarifvertrag angerechnet werden könne. Zudem sei zu berücksichtigen, dass sie, die Klin., mit den betreffenden Arbeitnehmern jeweils eine Änderung der Vergütungsabrede vereinbart habe. Barlohn sei in Sachbezüge umgewandelt worden. Darüber hinaus sei zu beachten, dass bei der Berechnung des Nachforderungsbetrags auch Sachverhalte berücksichtigt worden seien, die in den Lohnzahlungszeitraum Januar bis Juli 1997 fielen. Insofern greife - wegen der Vorprüfung - die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 Abgabenordnung (AO).

Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als der Bekl. den Nachforderungsbetrag im Hinblick auf § 173 Abs. 2 AO um 41.090 DM herabsetzte. Im Übrigen sei der Einspruch jedoch unbegründet. Der BFH habe eine Anwendung des § 8 Abs. 2 und 3 EStG nur dann für möglich gehalten, wenn der Arbeitnehmer unter Änderung seines Anstellungsvertrags auf einen Teil seines Barlohns verzichte und ihm der Arbeitgeber stattdessen Sachlohn gewähre. Wegen des Verzichts auf den Barlohn sei der Sachbezug als freiwillige Leistung des Arbeitgebers anzusehen. Sei Grundlage des Arbeitverhältnisses ein Tarifvertrag, müsse der Arbeitnehmer mehr erhalten, als ihm tarifvertraglich zustehe. Nur dann liege ein "Vorteil" i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG vor. Zudem sei erforderlich, dass die Vergütungsabrede getroffen werde, bevor der Anspruch auf die Vergütung entstehe, also beim Monatsgehalt beispielsweise vor Beginn des Kalendermonats, für den das Gehalt gezahlt werde. Hiernach lägen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 EStG im Wesentlichen nicht vor, weil die Arbeitnehmer nicht vor Beginn des Lohnzahlungszeitraums auf das ihnen arbeitsvertraglich zustehende Urlaubsgeld verzichtet hätten. Es liege kein Verzicht, sondern eine Verwendung bzw. ein Tausch vor. Dies ergebe sich sowohl aus dem Schreiben der Klin. vom 07.07.2000 als auch aus der Betriebsvereinbarung.

Zur Begründung ihrer Klage macht die Klin. geltend, § 8 Abs. 3 EStG erfordere weder, dass die Zuwendung freiwillig erfolge, noch dass sie zusätzlich zu dem ohnehin tarifvertraglich geschuldeten Arbeitslohn gewährt werde. Zudem sei die Barlohnumwandlung vor der Entstehung des Vergütungsanspruchs vereinbart worden. In den Tarifverträgen für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen sei geregelt, dass das Urlaubsgeld auf Verlangen des Arbeitnehmers vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen sei. Es werde fällig, wenn dem Arbeitnehmer mindestens die Hälfte des ihm tariflich zustehenden Jahresurlaubs gewährt werde. Durch Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag könnten jedoch andere Fälligkeitstermine vereinbart werden. Unter Inanspruchnahme dieser Öffnungsklausel sei zwischen ihr, der Klin., und dem Betriebsrat vereinbart worden, dass das Urlaubsgeld mit der Juniabrechnung Anfang Juli fällig werde.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klin. zudem erstmals vorgetragen und dargelegt, dass es zu einer Doppelerfassung von Beträgen gekommen sei. Die Bemessungsgrundlage für 1997 sei um 4.805 DM, die für 1998 um 7.637 DM und die für 1998 um 5.350 DM zu mindern. Der Bekl. hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er sich der Auffassung der Klin. hinsichtlich der Doppelerfassung von Beträgen anschließe und insoweit zu einer Änderung des angefochtenen Bescheids bereit sei. Auf die Niederschrift der Sitzung vom 09.07.2004 wird Bezug genommen.

Die Klin. beantragt,

den Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 21.09.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.09.2001 dahingehend zu ändern, dass der Nachforderungsbetrag um 169.293,99 DM herabgesetzt wird,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt sinngemäß,

die Klage insoweit abzuweisen, als die Klin. eine Herabsetzung des Nachforderungsbetrags begehrt, der über eine Minderung der Bemessungsgrundlage um 4.805 DM für 1997, um 7.637 DM für 1998 und um 5.350 DM für 1999 hinausgeht.

Zur Begründung nimmt er im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung Bezug.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber im Wesentlichen unbegründet. Der Haftungs- und Nachforderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist nur insoweit rechtswidrig, als Beträge doppelt erfasst wurden. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit. Im Übrigen ist der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtmäßig und verletzt die Klin. nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Bekl. ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 EStG nicht vorlagen.

Gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG sind bei der Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge), mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG gelten, wenn ein Arbeitnehmer auf Grund seines Dienstverhältnisses Waren oder Dienstleistungen, erhält, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden, als Werte abweichend von § 8 Abs. 2 EStG die um 4 % geminderten Endpreise, zu denen die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten werden. Gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG (in der für die Streitjahre geltenden Fassung) sind die sich nach Abzug der vom Arbeitnehmer gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile steuerfrei, soweit sie aus dem Dienstverhältnis 2.400 DM im Kalenderjahr nicht übersteigen. Warengutscheine fallen unter § 8 Abs. 3 EStG, wenn sie sich auf Waren beziehen, die der Arbeitgeber herstellt oder vertreibt (Schimdt/Drenseck, EStG, 23. Aufl. 2004, § 8 Rn. 68).

Nach der Rechtsprechung des BFH ist es grundsätzlich möglich, dass Barlohn in Sachlohn umgewandelt wird. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Arbeitnehmer unter Änderung des Anstellungsvertrags auf einen Teil seines Barlohns verzichtet und ihm der Arbeitgeber stattdessen Sachlohn gewährt. Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Rechtsgeschäft wie unter fremden Dritten schließen und zur Erfüllung dieses Rechtsgeschäfts Barlohn verwendet wird (BFH Beschluss vom 20.08.1997 VI B 83/97, BFHE 183, 568, BStBl. II 1997, 667).

Vorliegend fehlt es an einer Änderung der Arbeitsverträge des Inhalts, dass Urlaubsgeld künftig nicht mehr gezahlt, sondern Sachlohn in Form von Waren / Warengutscheinen gewährt wird. Dass den Arbeitnehmern der Klin. auf Grund der Vereinbarung zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat - faktisch - die Möglichkeit eingeräumt wurde, unter Anrechnung auf das Urlaubsgeld einseitig eine Warengutschrift für Waren abzurufen, beinhaltet keine Änderung der Arbeitsverträge dahingehend, dass das Urlaubsgeld nicht mehr als Barlohn gewährt wird. Auch durch die formlose (mündliche) Mitteilung des Arbeitnehmers, er wolle für das Urlaubsgeld oder einen Teil des Urlaubsgeldes einen Warengutschein, ist das Arbeitsverhältnis nicht dahin abgeändert worden, dass dem Arbeitnehmer kein Urlaubsgeld zusteht, weil er auf das Urlaubsgeld verzichtet hat. Vielmehr hat sich der Arbeitnehmer in dem Moment, in dem er den Warengutschein angefordert hat, für eine bestimmte Art der Verwendung des Barlohnbestandteils "Urlaubsgeld" entschieden. Hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, der der zitierten Entscheidung des BFH zugrunde lag: Dort hatte der Arbeitgeber Arbeitnehmern Firmenfahrzeuge zur privaten Nutzung überlassen; die Arbeitnehmer verzichteten für die Dauer der Nutzungsüberlassung auf einen Teil der ihnen zustehenden Sonderzuwendungen. Die Anstellungsverträge waren zuvor entsprechend geändert worden.

Auf die Beantwortung der Frage, ob einer Änderung der Vergütungsabrede hinsichtlich des Urlaubsgeldes nicht bereits der Umstand entgegensteht, dass das Urlaubsgeld bei "Abruf" des Warengutscheins möglicherweise noch nicht fällig, jedoch bereits (anteilig) entstanden war und ein Verzicht sich daher als problematisch darstellt, kommt es hiernach nicht an.

Da es an der erforderlichen Änderung der Arbeitsverträge fehlt, muss der Senat zudem nicht entscheiden, ob die Auffassung des Bekl., § 8 Abs. 3 EStG sei nur anwendbar, wenn der Arbeitnehmer mehr erhalte, als ihm nach den tarifvertraglichen Vereinbarungen zustehe, zutrifft. Der Bekl. weist in diesem Zusammenhang allerdings zu Recht darauf hin, dass den Arbeitnehmern der Klin., die sich für einen Warengutschein entschieden haben, insoweit kein Vorteil i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG zugeflossen ist. Dem Sachbezug (zum "normalen" Belegschaftspreis) stand der Wegfall des Urlaubgeldes in entsprechender Höhe als Entgelt gegenüber.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 136 Abs. 1, 137 Satz 1 FGO. Soweit die Klage (hinsichtlich der Doppelerfassung) Erfolg hat, beruht dies auf Tatsachen, die die Klin. vorher hätte geltend machen können und sollen.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH.

Ende der Entscheidung

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