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Gericht: Finanzgericht Münster
Beschluss verkündet am 09.07.2009
Aktenzeichen: 5 V 902/09 F
Rechtsgebiete: FGO, AO


Vorschriften:

FGO § 63
AO § 26
AO § 361 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Aussetzung der Vollziehung eines Grundlagenbescheids.

Die Antragstellerin (Astin.) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 22.11.2006 unter dem Namen J GmbH & Co. ... KG mit Sitz in I gegründet. Komplementärin und Geschäftsführerin war zunächst die J Geschäftsführungs GmbH, die nicht am Kapital der Astin. beteiligt war. Frau TN ist seit der Gründung die einzige Kommanditistin mit einer Kommanditeinlage von 145.000,- €. Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 9.12.2006.

In ihrer am 29.10.2007 beim Antragsgegner (Ag.) eingegangenen Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen erklärte die Astin. für das Streitjahr 2006 einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 49.330,32 €.

Mit Vertrag vom 25.8.2008 wurde der Gesellschaftsvertrag vom 22.11.2006 dahingehend geändert, dass die bisherige Komplementärin zum 31.8.2008 austritt und an ihrer Stelle die F Geschäftsführungs GmbH i.G. als Komplementärin eintritt.

Mit Bescheid vom 24.11.2008 stellte der Ag. einen Verlust der Astin. aus Gewerbebetrieb für 2006 in Höhe von 1.099,76 € fest. Der Komplementärin wurde ein Gewinnanteil in Höhe von 20.000,- € und der Kommanditistin ein Verlustanteil in Höhe von 21.099,76 € zugerechnet. Dieser Verlust wurde als nach § 15b des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht ausgleichsfähig behandelt. Mit dem Bescheid wurde eine Feststellung des zum 31.12.2006 verbleibenden verrechenbaren Verlustes für die Kommanditistin nach § 15b EStG in Höhe von 21.099,76 € verbunden.

Gegen beide Bescheide legte die Astin. mit Schriftsatz vom 15.12.2008 beim Ag. Einspruch ein, über den bisher noch nicht entschieden wurde.

Am 22.12.2008 wurde neben des Wechsels der Komplementärin auch die Änderung der Firma sowie die Sitzverlegung der Astin. von I nach M ins Handelsregister eingetragen. Für M ist das Finanzamt X örtlich zuständig.

Mit Schriftsatz vom 12.1.2009 stellte die Astin. beim Ag. einen Antrag auf "Aufhebung der Vollziehung", der bislang ohne Mitteilung von Gründen gegenüber der Astin. unbearbeitet blieb.

Der Ag. hat bisher keine Aktenabgabe an das Finanzamt X veranlasst, aber auch keine Zustimmung dieses Finanzamts zur weiteren Bearbeitung des Einspruchs eingeholt und auch keine Zuständigkeitsvereinbarung getroffen.

Die Astin. hat ihren am 20.3.2009 gestellten gerichtlichen Aussetzungsantrag gegen den Ag. gerichtet, da bisher keine Aktenabgabe erfolgt sei. Sie beantragt,

die Bescheide für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlusts nach § 15b EStG vom 24.11.2008 von der Vollziehung auszusetzen.

Der Ag. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Nach seiner Ansicht bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.

II. Der Antrag ist unzulässig, da er gegen den falschen Antragsgegner gerichtet ist. Passivlegitimiert für einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist nicht der Ag., sondern allein das Finanzamt X.

Da § 63 FGO im Aussetzungsverfahren nicht unmittelbar gilt, ist Antragsgegner eines gerichtlichen Aussetzungsverfahrens (§ 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO) wegen des engen Zusammenhangs zum Klageverfahren das für das Klageverfahren prozessführungsbefugte Finanzamt. (BFH-Beschluss vom 24.5.1989 V S 2/88, BFH/NV 1990, 255; vgl. auch BFH-Beschluss vom 25.4.1985 IV S 10/84, BFH/NV 1986, 665). Da im Streitfall noch kein Klageverfahren anhängig ist, sondern das Einspruchsverfahren das Hauptsacheverfahren darstellt, richtet sich die Passivlegitimation danach, welches Finanzamt für die behördliche Aussetzung der Vollziehung zuständig ist. Dies ist nach § 361 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbs. der Abgabenordnung (AO) grundsätzlich das Finanzamt, welches den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Ist hingegen nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese, es sei denn, die alte Finanzbehörde führt das Einspruchsverfahren mit Zustimmung der nunmehr zuständigen Finanzbehörde fort (§§ 361 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbs., 367 Abs. 1 Satz 2, 26 Satz 2 AO). Die örtliche Zuständigkeit für gesonderte Feststellungen bei gewerblichen Betrieben richtet sich gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO vorrangig nach dem Sitz der Geschäftsleitung. Geschäftsleitung ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung (§ 10 AO). Der Wechsel der örtlichen Zuständigkeit tritt in dem Zeitpunkt ein, in dem eine der beiden Finanzbehörden von den den Wechsel begründenden Umständen erfährt (§ 26 Satz 1 AO).

Im Streitfall stellt die Verlegung des Geschäftssitzes von I nach M einen Umstand dar, der einen örtlichen Zuständigkeitswechsel begründet, denn es ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die Astin. am Ort ihres jeweiligen Geschäftssitzes auch ihre geschäftliche Oberleitung hatte. Der Zuständigkeitswechsel ist spätestens während des laufenden Einspruchsverfahrens eingetreten. Der Ag. hat vor dem 20.3.2009 von der Sitzverlegung erfahren, da sich ein entsprechender Handelsregisterauszug in den Steuerakten befindet. Eine Zustimmung des zuständig gewordenen Finanzamts zur Fortführung des Verfahrens durch den Ag. liegt nicht vor.

Unerheblich ist, ob der Zuständigkeitswechsel bereits vor dem 24.11.2008 eingetreten ist und der Ag. deshalb bereits nicht für den Erlass der angefochtenen Bescheide zuständig war. Die Frage der örtlichen Zuständigkeit der den Bescheid erlassenden Behörde, die im Rahmen der Begründetheit des Antrags zu prüfen ist, ist von der hier vorrangig zu prüfenden Passivlegitimation zu unterscheiden (vgl. BFH-Beschluss vom 28.1.2002 VII B 83/01, BFH/NV 2002, 934).

Unerheblich ist auch, dass die Akten bisher nicht an das Finanzamt X abgegeben wurden. Bei der Aktenabgabe handelt es sich um einen rein verwaltungsinternen Vorgang, der Folge des Zuständigkeitswechsels ist. Sie hat keinen Einfluss auf die Passivlegitimation. Diese richtet sich allein nach dem Gesetz.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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