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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 12.09.2008
Aktenzeichen: 6 K 6639/04 G
Rechtsgebiete: HGB, GewStG


Vorschriften:

HGB § 89b Abs. 1
GewStG § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob eine gem. § 89 b HGB an den Kläger erfolgte Ausgleichszahlung gewerbesteuerpflichtig ist.

Der Kläger betrieb ab dem 01.07.1978 eine Handelsvertretung für Damenoberbekleidung.

Unter dem 28.08.2000 kündigte die Z. ... GmbH das mit dem Kläger bestehende Handelsvertreterverhältnis zum 28.02.2001.

In der Folgezeit hat sich der Kläger mit der Firma Z. über die Höhe des zu zahlenden Ausgleichsanspruchs verständigt und den zu zahlenden Betrag unter dem 27.04.2001 in Rechnung gestellt.

Der Ausgleichsanspruch zzgl. MwSt betrug ... DM.

Zum 31.12.2002 hat der Kläger bei der Stadt D. die Handelsvertretung für Damenoberbekleidung abgemeldet.

In seiner am 10. Oktober 2003 abgegebenen Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2001 erklärte der Kläger einen negativen Gewerbeertrag über ... DM.

Mit durch die Gemeinde am 26.11.2003 versandten Gewerbesteuermessbescheid setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag für 2001 auf ... Euro fest. Dabei sah er die Ausgleichszahlung als laufenden und damit der Gewerbesteuer unterliegenden Gewinn an.

Mit dem hiergegen am 23.12.2003 erhobenen Einspruch vertrat der Kläger die Auffassung, die Ausgleichszahlung gehöre zum Veräußerungsgewinn. In dem Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 05.11.2003 sei die Handelsvertreterausgleichszahlung nach § 16 Einkommensteuergesetz als Veräußerungsgewinn behandelt und nach § 34 Abs. 3 Einkommensteuergesetz begünstigt besteuert. Damit sei die Zahlung nicht als Gewerbeertrag anzusehen.

Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 19.11.2004 berücksichtigte das Finanzamt antragsgemäß eine Gewerbesteuerrückstellung in Höhe von ... DM und setzte den Gewerbesteuermessbetrag für 2001 auf .... EUR fest.

Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger trägt vor, die Ausgleichszahlung unterliege schon deshalb nicht der Gewerbesteuer, weil sie zur Altersversorgung diene. Der historische Zweck, welcher der Gesetzgeber dem Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB zugedacht habe, habe sich mittlerweile gewandelt. Der Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB habe ursprünglich einen Ausgleich für die Nachteile des Handelsvertreters darstellen sollen, der in Folge der Vertragsbeendigung die geschaffenen Kundenkontakte nicht mehr nutzen könne. Dieser Anspruch sollte an die Stelle der im Einzelfall in Folge der Vertragsbeendigung entfallenden Provisionen nach § 87 Abs. 1 und Abs. 3 HGB treten.

Heutzutage legten die beteiligten Parteien dem Ausgleichsanspruch die Funktion der Altersversorgung zu. Das dem Handelsvertreterausgleichsanspruch zumindest auch die Funktion der Altersversorgung zukomme, ergäbe sich auch aus der gesetzlichen Regelung, dass für den Fall des Eintritts des Handelsvertreters in das Vertreterversorgungswerk auf die daraus geleistete Altersversorgung der Handelsvertreteranspruch anzurechnen sei.

Zudem ergäbe sich aus R 39 Abs. 3 Satz 10 Gewerbesteuerrichtlinien, dass Entschädigungen, die im Rahmen der Aufgabe eines Gewerbebetriebes gezahlt würden, beim Gewerbeertrag außer Ansatz blieben, wenn sie einkommensteuerrechtlich dem begünstigten Veräußerungs- oder Aufgabegewinn im Sinne des § 16 Einkommensteuergesetz zuzurechnen seien.

Dieser Fall liege im Streitfall vor.

Eine Abmeldung des Betriebes sei erst am 17.12.2002 zum 31.12.2002 erfolgt. Dieser rein formelle Akt der Gewerbeabmeldung stehe jedoch nicht der Tatsache entgegen, dass der Kläger seinen Betrieb bereits im Jahre 2001 aufgegeben habe. Der Kläger habe nach Beendigung seines Handelsvertretervertrages mit der Z. GmbH keine Umsätze mehr generiert.

Zudem verstoße die Besteuerung des Handelsvertreterausgleichsanspruches gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Gewerbebetriebe unterlägen im Gegensatz zu den Betrieben der selbständig Tätigen und der Land- und Forstwirte der Gewerbesteuer. Der Kläger teilt die Ansicht des Niedersächsischen Finanzgerichtes und verweist auf den Vorlagebeschluss vom 21.04.2004 (AZ: 4 K 317/91; AZ: 1 BVL 2/04).

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Gewerbesteuermessbescheides für 2001 vom 26.11.2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 19.11.2004 den Gewerbesteuermessbetrag auf ... EUR herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ausgleichsansprüche und Ausgleichszahlungen im Sinne des § 89 b HGB gehörten bei Handelsvertretern zum laufenden Gewinn und damit zum Gewerbeertrag. Dies gelte auch dann, wenn die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Aufgabe des Betriebes zusammen falle.

Der Senat hat am 12.09.2008 mündlich verhandelt; auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat zu Recht die Ausgleichszahlung gemäß § 89 b HGB dem Gewerbeertrag zugerechnet und damit der Gewerbesteuer unterworfen.

Der Gewerbesteuer unterliegt gemäß § 7 Gewerbesteuergesetz der Gewerbeertrag. Das ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb. Es bedarf der verfahrensrechtlich selbständigen Gewinnermittlung für die Gewerbesteuer, bei der die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes heranzuziehen sind, soweit sie nicht ausdrücklich auf die Einkommensteuer beschränkt sind oder ihre Nichtanwendung sich unmittelbar aus dem Gewerbesteuergesetz oder dem Wesen der Gewerbesteuer ergibt. Als eine auf den tätigen Gewerbebetrieb bezogene Sachsteuer erfasst die Gewerbesteuer bei natürlichen Personen nur die durch den laufenden Betrieb anfallenden Gewinne, nicht jedoch die nach Einkommensteuerrecht mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuernden Veräußerungs- und Aufgabegewinne (vgl. BFH-Urteil vom 26.06.2007 IV R 49/04, BFH/NV 2007, 2004).

Die Ausgleichszahlung im Sinne des § 89 b HGB gehört nicht zu den der Gewerbesteuer nicht unterliegenden Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinnen, sondern zum laufenden Gewinn.

Nach § 89 b Abs. 1 HGB kann der Handelsvertreter u.a. von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat. Er kann auch dann Ausgleich verlangen, wenn der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er bei Fortsetzung desselben aus bereits abgeschlossenen oder künftig zu Stande kommenden Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte. Die Zahlung des Ausgleichs muss unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entsprechen.

§ 89 b HGB regelt das Entgelt für den Handelsvertreter, der dem Unternehmer bei Beendigung des Handelsvertretervertrages mit dem Überlassen der von ihm geschaffenen Kundenbeziehungen eine weitere Gewinnchance verschafft, welche er ohne die Tätigkeit des Handelsvertreters nicht gehabt hätte. Seiner Rechtsnatur nach ist der Ausgleichsanspruch ein besonders ausgestalteter und modifizierter vertraglicher Vergütungsanspruch für eine vom Handelsvertreter bereits erbrachte Leistung. Der Anspruch soll Ausgleich sein für die Nachteile des Handelsvertreters, der infolge der Vertragsbeendigung die geschaffenen Kundenkontakte nicht mehr wie bisher nutzen kann, und an die Stelle der im Einzelfall infolge der Vertragsbeendigung entfallenden Provisionen nach § 87 Abs. 1 und Abs. 3 HGB trete (vgl. FG Münster, Urteil vom 25.10.2007, 3 K 3664/05 G, EFG 2008, 403).

Der Ausgleichsanspruch wird deshalb gewährt, weil der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis mit dem Unternehmer beendet, dessen Produkte er vertrieben hat.

Der BFH hat unter Hinweis auf die zivilrechtliche Rechtsprechung in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters der Gewerbesteuer unterliegt, da er eine Forderung zur Abgeltung einer bereits geleisteten Tätigkeit darstellt. Das Entstehen dieser Forderung zum Ende des Vertreterverhältnisses ist auch dann dem laufenden Gewinn und nicht dem Veräußerungsgewinn zuzuordnen, wenn der Handelsvertreter gleichzeitig mit der Beendigung seines Vertragsverhältnisses seinen Betrieb aufgibt (BFH-Urteil vom 16.08.1989 III B 14/89, BFH/NV 1990, 188 und vom 04.03.1998 X R 56/95, BFH/NV 1998, 1345). Auf den Zeitpunkt der Abmeldung der Handelsvertretung kommt es nicht an.

Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des BFH an.

Entgegen der Ansicht des Klägers besteht keine Bindung an einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2001, mit dem der Ausgleichsanspruch des Klägers als Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 Einkommensteuergesetz behandelt worden sein soll.

Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter nach § 89 b HGB sind nach § 24 Nr. 1 Buchstabe c) Einkommensteuergesetz Entschädigungen, auf die die Tarifvorschrift des § 34 Abs. 2 Nr. 2 Einkommensteuergesetz anzuwenden ist. Einkommensteuerlich ist eine Beurteilung als Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG unzutreffend.

An der fehlerhaften Behandlung im Einkommensteuerbescheid muss sich der Beklagte bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages nicht festhalten lassen (vgl. BFH-Urteil vom 13.11.1991 X R 48/91, BStBl. II 1992, 351).

Der Kläger kann auch mit seinem Vortrag, die Ausgleichszahlung diene der Altersvorsorge und sei für den Fall seines Eintritts in das Vertreter-Versorgerwerk auf die daraus geleistete Altersversorgung anzurechnen, nicht gehört werden. Diese Anrechnung ergibt sich aus dem in § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB geregelten Billigkeitserfordernis, dem die zivilrechtliche Rechtsprechung entnimmt, dass der Unternehmer nicht gleichzeitig einen Ausgleichsanspruch und Altersversorgungsleistungen erbringen muss (vgl. hierzu Küstner, BB 1994, 1590).

Auch der Hinweis auf eine ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuerpflicht Az. 1 BFL 2/04 - geht fehl.

Das Bundesverfassungsgericht hat über den Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des niedersächsischen FG vom 21.04.2004 am 15.01.2008 entschieden.

Das Bundesverfassungsgericht ist in dieser Entscheidung davon ausgegangen, dass sich die unterschiedliche steuerliche Behandlung der freien Berufe sowie der Land- und Forstwirte im Gegensatz zu Gewerbetreibenden nicht als willkürlich erweist. Seit dem einheitlichen Gewerbesteuergesetz vom 01.12.1936 waren die freien Berufe insgesamt nicht mehr der Gewerbesteuer unterworfen. An dieser über so einen langen Zeitraum tradierten Differenzierung zwischen Gewerbetreibenden und freien Berufen könne der Gesetzgeber so lange festhalten, bis offen zu Tage trete, dass im Hinblick auf den Steuergegenstand und die wesentlichen Besteuerungsmerkmale keine tragfähigen Unterschiede mehr zwischen diesen Berufsgruppen bestünden.

Eine weitgehende Angleichung der Berufsbilder von Gewerbetreibenden und freien Berufen trete nicht offen zu Tage. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO; die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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