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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 16.05.2008
Aktenzeichen: 6 K 879/07
Rechtsgebiete: AO, EStG
Vorschriften:
AO § 147 Abs. 6 | |
AO § 200 Abs. 1 | |
EStG § 42 f |
Finanzgericht Münster
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zu entscheiden ist, ob die Klägerin (Klin.) verpflichtet ist, im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung neben der Lohnbuchhaltung die gesamte Finanzbuchhaltung in Form der Datenträgerüberlassung gem. § 147 Abs. 6 AO zur Verfügung zu stellen.
Der Beklagte (Bekl.) hat durch Prüfungsanordnung vom 06.10.2006 bei der Klin. eine LSt-Außenprüfung für den Zeitraum vom 01.01.2003 bis 30.08.2006 angeordnet und dabei darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, das Datenzugriffsrecht hinsichtlich der EDV-Buchführung mittels Datenträgerüberlassung geltend zu machen. Die LSt-Außenprüfung erstreckt sich auf die LSt, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer, Kindergeld, vermögenswirksame Leistungen, Umsatzsteuer für Sachzuwendungen und sonstige Arbeitsleistungen an Arbeitnehmer sowie den Vorsteuerabzug bei Reisekosten der Arbeitnehmer. Die Klin. stellte daraufhin die Lohnkonten auf einem Datenträger bei Prüfungsbeginn zur Verfügung. Zugleich wandte sie sich dagegen, dass die gesamte Buchhaltung in Form der Datenträgerüberlassung zur Verfügung gestellt werden soll.
Daraufhin ordnete der Bekl. mit gesondertem Bescheid vom 02.11.2006 an, die gesamte Finanzbuchhaltung in Form der Datenträgerüberlassung gem. § 147 Abs. 6 AO zur Verfügung zu stellen. Er meint, dass diese im Rahmen auch einer LSt-Außenprüfung grundsätzlich in digitaler Form zur Verfügung zu stellen sei. Damit sei keine Ausweitung des sachlichen Umfangs der Außenprüfung verbunden. Beabsichtigt sei, in der Finanzbuchhaltung gezielt Sachverhalte zu überprüfen, die in der Lohn- und Gehaltsabrechnung als geldwerte Vorteile zu berücksichtigen seien.
Der hiergegen gerichtete Einspruch, mit dem die Klin. vorträgt, das Verlangen zur Vorlage der gesamten Finanzbuchhaltung zum Prüfungszeitraum vom 01.01.2003 bis zum 30.08.2006 verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, hatte keinen Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 31.01.2007 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Bekl. meint, dass Daten der Finanzbuchhaltung, der Anlagebuchhaltung und der Lohnbuchhaltung zu den Daten zählten, die auf Aufforderung der Außenprüfung zur Verfügung zu stellen seien. Das gelte auch bei LSt-Außenprüfungen, da die Prüfungshandlungen hier gerade auch außerhalb der Lohnbuchhaltung ansetzten. Als beispielhaft zu prüfende Sachverhalte der Finanzbuchhalte werden dabei solche aufgeführt, die zu geldwerten Vorteilen und Sachzuwendungen führen können und die im Zusammenhang mit Reisekosten stünden. Die geltend gemachte Datenträgerüberlassung sei der geringstmögliche Eingriff und stünde damit in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Aus einer Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13. Juni 2006, 1 K 1743/05, EFG 2006, 1634) ergebe sich nichts anderes. Dieses Urteil befasse sich mit den speziellen Fall der Anforderung von Kostenstellenrechnungen, betone jedoch das Zugriffsrecht der Außenprüfung auf die gesamte Finanzbuchhaltung. Wegen weiterer Einzelheiten wird die genannten Bescheide vom 06.10. und 02.11.2006 und auf die EE vom 31.01.2007 Bezug genommen.
Mit der daraufhin erhobenen Klage verfolgt die Klin. ihr Einspruchsbegehren weiter. Die Klin. meint weiterhin, die Anordnung der Überlassung der gesamten Finanzbuchhaltung durch den Bescheid vom 02.11.2006 sei rechtswidrig. Die Finanzbehörde habe lediglich das Recht im Rahmen einer Außenprüfung Zugriff auf die Daten zu erhalten, die für die Besteuerung von Bedeutung seien und auf die sich die Prüfungsanordnung beziehe. Im Streitfall beziehe sich die Prüfung auf den Zeitraum vom 01.01.2003 bis 30.08.2006. Sie sei für die Steuerart LSt angeordnet worden. Hierbei handele es sich um eine besondere Außenprüfung, für die zwar die Regelungen der Betriebsprüfungsordnung (BpO) sinngemäß gelten würden, die sich aber hinsichtlich des sachlichen Umfanges auf die LSt beschränkt. Aus diesem Grunde seien auch die entsprechenden Lohnkonten zur Verfügung gestellt worden. Die gesamte Finanzbuchhaltung brauche nicht vorgelegt werden, weil dort auch Angaben über Forderungen gegenüber Kunden, Rückstellungen und Provisionserträge über Kundengeschäfte enthalten seien. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 26.02.2007 verwiesen.
Die Klin. beantragt,
den Bescheid vom 02.11.2006 über die Anordnung der Datenträgerüberlassung im Rahmen der LSt-Außenprüfung und die EE vom 31.01.2007 aufzuheben,
hilfsweise,
für den Fall des vollständigen oder teilweisen Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Zur Begründung verweist der Bekl. auf seine Ausführungen in der EE.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet.
Der Beklagte (Bekl.) hat ermessensfehlerfrei die Datenträgerüberlassung (§ 147 Abs. 6 FGO) auch hinsichtlich der Finanzbuchhaltung angeordnet, denn sie enthält neben der Lohnbuchhaltung steuerrelevante Daten auch für die Lohnsteuer (LSt). Die Klägerin (Klin.) ist daher nicht in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Im Rahmen der durch bestandskräftige Prüfungsanordnung vom 06.10.2006 angeordneten LSt-Außenprüfung (§ 193 AO i. V. m. § 42 f EStG) ist die Klin. gem. § 200 Abs. 1 AO zur Mitwirkung verpflichtet. Inhalt dieser Verpflichtung ist insbesondere, dem Finanzamt Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht vorzulegen. Soweit der Steuerpflichtige, wie im Streitfall, eine EDV-Buchführung unterhält, wird die Mitwirkungsverpflichtung nach § 200 Abs. 1 Satz 2 AO und § 147 Abs. 6 AO u.a. dadurch konkretisiert, dass die Finanzbehörde auch das Recht hat, im Rahmen der Außenprüfung Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und dazu u.a. verlangen kann, dass im Rahmen der Außenprüfung die Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass die seit dem 01.01.2002 geltende Möglichkeit nach § 147 Abs. 6 AO den bis dahin möglichen sachlichen Umfang einer Außenprüfung nicht erweitert. Der sachliche Umfang wird aber entgegen der Auffassung der Klin. auch nicht eingeschränkt. Gegenüber der bisher geltenden Regelung ist lediglich neu, dass die Finanzbehörde u.a. verlangen kann, dass ein maschinell verwertbarer Datenträger zur Verfügung gestellt wird. Die Beantwortung der Frage nach dem sachlichen Umfang des vorzulegenden Datenträgers, hier also die Frage, ob die Finanzbuchhaltung auf diese Weise zur Verfügung gestellt werden kann und muss, richtet sich grundsätzlich zunächst danach, in welchem Umfang eine Aufbewahrungspflicht von Buchführungsunterlagen für den Steuerpflichtigen besteht. Hierzu gehören auch die Aufzeichnungen aus der Finanzbuchhaltung (§ 147 Abs. 1 bis 5 AO i. V. m. §§ 140 bis 146 AO). Dementsprechend erstreckt sich der Datenzugriff im Rahmen einer Außenprüfung und die Verpflichtung zur Überlassung eines Datenträgers (§ 147 Abs. 6 AO) ohne weiteres auch auf die Finanzbuchhaltung (vgl. i. d. S. FG Hamburg, Urteil vom 13. November 2006, 2 K 198/05, DStRE 2007, 441 und FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 20. Januar 2005, 4 K 2167/04, EFG 2005, 667 sowie BMF vom 16. Juli 2001, BStBl I 2001, 415).
Aus dem Grundsatz, dass der Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO nur alle steuerrelevanten Daten betrifft, die Gegenstand der Prüfung sind (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. Juni 2006, 1 K 1743/05, EFG 2006, 1643 und FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 20. Januar 2005, 4 K 2167/04, EFG 2005, 667) ergibt sich nichts anderes (Intemann/Cöster, DSTR 2004, 1981, 1982, Schaumburg, DStR 2002, 829, 832, jeweils mwN).
Gemäß § 42f EStG sind die Regelungen zur Mitwirkungspflicht und zur Herausgabe von Datenträgern (§ 200 AO und § 147 Abs.6 AO) auch bei LSt-Außenprüfungen anzuwenden. Es ist daher nur konsequent, das prüfende Finanzamt insoweit auch mit denselben Befugnissen auszustatten, so dass auf Verlangen des Finanzamtes nicht nur der Datenträger "Lohnkonten", sondern auch die Finanzbuchhaltung in Form eines Datenträgers vorzulegen ist, wenn diese, wie im Streitfall, mit Hilfe von Datenverarbeitungssystemen erstellt wurde.
Der Einwand der Klin., nur die für die Besteuerung maßgebenden Datenträger seien herauszugeben, führt zu keinem anderen Ergebnis, denn zu den steuerrelevanten Daten einer LSt-Außenprüfung gehören nicht nur die Aufzeichnungen zu den Lohnkonten - zum Umfang der Aufzeichnungspflichten vgl. § 4 LStDV. Zutreffend weist der Bekl. darauf hin, dass der Lohnbuchhaltung nicht entnommen werden kann, ob alle steuerrelevanten Sachverhalte dort in zutreffendem Umfang übernommen worden sind. Das gilt insbesondere für die von den Bekl. angeführten Fragen von geldwerten Vorteilen, Sachzuwendungen und Reisekosten, die als beispielhaft aufgeführt wurden. Der Gegenstand einer LSt-Außenprüfung erschöpft sich nicht nur darin festzustellen, ob die in der Lohnbuchhaltung aufgeführten Daten in eine rechnerisch richtige LSt umgesetzt wurden. Zu prüfen ist vielmehr auch, ob alle Lohnbestandteile dem Grunde und der Höhe nach zutreffend in die Lohnbuchhaltung und damit in die Berechnung der LSt Eingang gefunden haben. Dazu ist es u.a. erforderlich, Forderungen (an Arbeitnehmer) zu prüfen, Rückstellungen und Abgrenzungsposten für Löhne. Gleiches gilt für Konten von Angestellten, die beim Arbeitgeber geführt werden und ggf. auch Provisionskonten, da hierüber mögliche Lohnzahlungen Dritter abgewickelt werden können. Auch die vom Bekl. beabsichtigte Prüfung von Reisekosten und Sachbezügen legt es nahe, auch Aufzeichnungen aus der Finanzbuchhaltung zur Kontrolle heranzuziehen. Selbst Anlagekonten können lohnsteuerlich von Interesse sein, wenn etwa Dienstwohnungen vorhanden sind (vgl. i. d. S. auch Stache in Horovski/Altehöfer, Kommentar zum Lohnsteuerrecht, § 42 f EStG Rdnr. 53 - 64). Die Berechtigung, auf Daten der Finanzbuchhaltung Rückgriff zu nehmen rechtfertigt sich auch daraus, dass Festsetzungen nach einer Lohnsteueraußenprüfung hinsichtlich der geprüften Lohnsteuersachverhalte dem erhöhten Bestandsschutz nach § 173 Abs. 2 AO unterliegen.
Aus dem von der Klin. genannten Urteil des FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13. Juni 2006, 1 K 1743/05, EFG 2006, 1634) ergeben sich keine anderen, hiervon abweichenden Grundsätze. Zutreffend verweist der Bekl. darauf, dass es im dortigen Fall um das besondere Problem ging, ob der Steuerpflichtige verpflichtet war, Daten über so genannte Kostenstellen zur Verfügung zu stellen. Derartige Kostenstellen gehören jedoch nicht zur Finanzbuchhaltung, sondern dienen als Basis der innerbetrieblichen Kostenrechnung und Steuerung und der Kontrolle von Kostenstellen (sogenanntes Kostenstellenbudget). Sie ermöglichen den Verantwortlichen eine innerbetriebliche Wirtschaftlichkeitskontrolle und eine Überwachung von Kostenbudget.
Bei der Entscheidung, ob und in welcher Form im Rahmen einer Außenprüfung Unterlagen bzw. Daten angefordert werden, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde, die nach § 102 FGO im gerichtlichen Verfahren nur daraufhin überprüft werden kann, ob der Verwaltungsakt deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Eine eigene Ermessensausübung bzw. eigene Ermessenserwägungen des Gerichts sind ausgeschlossen (vgl. insoweit schon BFH-Urteil vom 15. September 1992, VII R 66/91, BFH/NV 1993, 76).
Im Streitfall sind derartige Ermessensfehler nicht ersichtlich.
Wenn der Bekl. die Mitwirkung der Klin. in der Form einfordert, dass die Überlassung von Datenträgern verlangt wird, so macht er damit lediglich von einer von drei Möglichkeiten in § 147 Abs. 6 AO Gebrauch, Unterlagen einer Buchführung zu prüfen, die mit Hilfe von Datenverarbeitungssystemen erstellt worden ist. Die Anforderung der Daten aus der Finanzbuchhaltung ist auch ein geeignetes Mittel, den Auftrag zur LSt-Außenprüfung in vollem Umfang durchzuführen. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Der Eingriff beim Steuerpflichtigen in Form des Verlangens, einen Datenträger zur Verfügung gestellt zu bekommen, der die Daten der Finanzbuchhaltung enthält, ist auch als verhältnismäßig anzusehen. Der Hinweis der Klin., möglicherweise würden auch Kundendaten und andere Daten, die für die Prüfung nicht relevant seien, durch die Offenlegung der Finanzbuchhaltung betroffen sein, macht das Vorlageverlangen des Bekl. nicht ermessensfehlerhaft, denn es ist Sache des Steuerpflichtigen, seine EDV-Buchführung in einer Weise zu organisieren, dass sie auf steuerrelevante Daten beschränkt bleibt (wohl einhellige Meinung, vgl. z. B. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. Januar 2005, 4 K 2167/04, EFG 2005, 667, FG Düsseldorf, Beschluss vom 05. Februar 2007, 16 V 3454/06 A (AO), EFG 2007, 892 und Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 147 AO Rdnr. 71 f. m.w.N.). Außerdem ist auch nicht erkennbar, dass die Lohnsteueraußenprüfung dazu dienen soll, gezielt nach Daten Dritter zu suchen, um bei diesen unbekannte steuerliche Sachverhalte zu finden. Bereits die Prüfungsanordnung weist auf einen anderen Inhalt der Prüfung hin.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO) zugelassen.
Ende der Entscheidung
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