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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 28.05.2008
Aktenzeichen: 8 K 1597/06 GrE
Rechtsgebiete: GrEStG, ErbStG, AO


Vorschriften:

GrEStG § 3
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 2
AO § 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

8 K 1597/06 GrE

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob eine durch Auflage angeordnete und auch vollzogene Grundstücksübertragung zwischen Geschwistern von der Grunderwerbsteuer (GrESt) befreit ist.

Der Kläger (Kl.) war zunächst zu 1/4, später neben seinem Bruder zu 1/2 Eigentümer eines in C, A-Straße 272, belegenen Grundstücks. Die Mutter des Kl., ursprünglich selbst zu 1/2 Eigentümerin, behielt sich bei der Übertragung ihres Miteigentumsanteils an den Kl. sowie dessen Bruder im Jahr 2003 ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor.

Mit Vertrag vom 15.12.2005 (UR-Nr. 697/2005 des Notars N, C) erwarb der Kl. von seinem Bruder dessen hälftigen Miteigentumsanteil an dem oben genannten Grundstück. Die Übertragung erfolgte gegen Übernahme des zugunsten der Mutter vorbehaltenen Nießbrauchsrechts. Der anteilige Jahreswert des Nießbrauchsrechts wurde bestimmt auf EUR 11.400,--. Den Verkehrswert des hälftigen Miteigentumsanteils legten die Vertragsparteien mit EUR 200.000,-- fest.

Die vorgenannte Übertragung beruhte auf Anordnung der Mutter des Kl. Denn ebenfalls mit Vertrag vom 15.12.2005 (UR-Nr. 689/2005 des o.g. Notars) übertrug diese dem Bruder des Kl. unentgeltlich das in C, B-Straße 28, belegene Grundstück zu Alleineigentum. Der Wert des Objekts wurde mit EUR 400.000,-- angegeben. Die Übertragung erfolgte u.a. unter der Auflage, dass der Bruder - zwecks Herstellung gleicher Verhältnisse im Rahmen der Vorwegnahme der Erbfolge - seinen Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz A-Straße 272 auf den Kl. übertragen werde (§ 2 Nr. 1 des Vertrags vom 15.12.2005, UR-Nr. 689/2005).

Mit Bescheid vom 5.1.2006 setzte der Beklagte (Bekl.) gegen den Kl. GrESt i.H.v. EUR 3.176,-- fest. Als Wert der steuerpflichtigen Gegenleistung legte er den kapitalisierten Jahreswert der durch den Kl. übernommenen Nießbrauchsverpflichtung i.H.v. EUR 90.767,-- zugrunde.

Mit dem Einspruch berief sich der Kl. auf die Steuerfreiheit der Grundstücksübertragung. Der Erwerb sei in Erfüllung einer von seiner Mutter angeordneten Auflage erfolgt. Die Vollziehung der Auflage sei gem. § 7 Abs. 1 Nr. 2 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) schenkungsteuerpflichtig. Aus diesem Grund sei die Grundstücksübertragung nach § 3 Nr. 2 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) steuerbefreit. Im Übrigen komme auch eine Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 6 GrEStG - zumindest in analoger Anwendung der Vorschrift - in Betracht.

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 15.3.2006 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Die GrESt sei unter Zugrundelegung der übernommenen Verpflichtung des Kl. zutreffend berechnet worden. Die vom Kl. benannten Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG seien nicht einschlägig.

Mit der daraufhin erhobenen Klage trägt der Kl. vor:

Selbst wenn die vorliegende Grundstücksübertragung nicht vom Gesetzeswortlaut einer Befreiungsvorschrift des GrEStG gedeckt sein sollte, ergebe sich eine Steuerbefreiung aus einer analogen Anwendung der in Betracht zu ziehenden Vorschriften. Durch die angeordnete Auflage zu seinen Gunsten werde verdeutlicht, dass seine Mutter über den dem Bruder gehörenden Miteigentumsanteil am Grundstück A-Straße verfügen wollte. Die Mutter habe das Grundstück B-Straße nur in Verbindung mit einer genau bestimmten Gegenleistung - nämlich der Grundstücksübertragung auf den Kl. - auf seinen Bruder übertragen wollen. Vor diesem Hintergrund könne der Gesamtvorgang auch betrachtet werden als ein Tausch-/Kaufvertrag der Grundstücke zwischen der Mutter und seinem Bruder einerseits sowie der sich hieran anschließenden Schenkung des Grundstücksanteils A-Straße von der Mutter an ihn, den Kl.

Zudem sei bei der Auslegung der grunderwerbsteuerlichen Befreiungsvorschriften zu beachten, dass sich aus der Zusammenschau mehrerer Befreiungsvorschriften eine Steuerbefreiung ergeben könne, die zwar im Wortlaut der einzelnen Befreiungsvorschrift allein nicht zum Ausdruck komme. Allerdings könne ein durch wertende Auslegung zweier gesetzlicher Befreiungsvorschriften (Interpolation) gewonnener dritter - gesetzlich nicht normierter - Befreiungstatbestand anerkannt werden, wenn das betroffene Steuergesetz andernfalls zu einem sinnwidrigen Ergebnis führe. Die Interpolation führe insbesondere zur Befreiung, wenn sich der zu beurteilende Erwerb als abgekürzter Weg darstelle und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wären sie denn durchgeführt, ebenfalls von der GrESt befreit wären. Hätte die Mutter zunächst eine Übertragung des Miteigentumsanteils an dem Grundstück A-Straße auf sich selbst verlangt, wäre dieser Grundstückserwerb (vom Sohn/Bruder) gem. § 3 Nr. 2 GrEStG steuerbereit gewesen. Die anschließende Übertragung jenes Miteigentumsanteils auf ihn - den Kl. - wäre nach § 3 Nr. 6 GrEStG von der GrESt zu befreien gewesen. Der hier vorliegende abgekürzte Übertragungsweg könne somit nach Sinn und Zweck der Befreiungsvorschriften nicht anders behandelt werden, als wäre das Grundstück erst auf die Mutter und sodann weiter auf ihn übertragen worden. Auch hätte bei einem alternativen Zwischenerwerb der Mutter kein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 Abgabenordnung (AO) vorgelegen. Beide Grundstücke hätten ursprünglich den Kern des Familienvermögens gebildet. Der Wille zu einer gerechten Herstellung der Wertverhältnisse im Rahmen der Vorwegnahme der Erbfolge stelle einen zu beachtenden außersteuerlichen Grund dar.

Der Kl. beantragt,

den GrESt-Bescheid vom 5.1.2006 in Gestalt der EE vom 15.3.2006 aufzuheben,

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. sieht die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 GrEStG weiterhin für nicht gegeben an. Der Grundstückserwerb zwischen Geschwistern sei grunderwerbsteuerlich nicht begünstigt. Zwar treffe es zu, dass die Rechtsprechung anerkenne, zwischen zwei tatbestandlich nicht einschlägigen Befreiungsvorschriften zu interpolieren, sofern andernfalls sinnwidrige Ergebnisse erzielt würden. Allerdings seien der Interpolation Grenzen gesetzt. Zum einen müssten fiktive Sachverhalte außer Acht bleiben. Die interpolierende Betrachtungsweise knüpfe an real verwirklichte Sachverhalte an. Vor diesem Hintergrund dürfe nicht berücksichtigt werden, dass die Mutter alternativ den Miteigentumsanteil des Objekts A-Straße zunächst vom Bruder auf sich selbst und anschließend auf den Kl. hätte übertragen können. Darüber hinaus sei von der Rechtsprechung bereits mehrfach entschieden worden, dass eine Zwischenschaltung von Eltern bei Grundstückserwerben zwischen Geschwistern als rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO zu werten seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die EE vom 15.3.2006 sowie die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten.

Der Berichterstatter hat am 15.1.2008 mit den Beteiligten und ihren Vertretern den Sach- und Streitstand erörtert. Insoweit wird Bezug genommen auf das Protokoll vom gleichen Tag.

Der Senat hat am 28.5.2008 mündlich verhandelt. Ergänzend verwiesen wird auf das Sitzungsprotokoll vom gleichen Tag.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Grundstückserwerb des Kl. von seinem Bruder ist nicht von der GrESt befreit. Die Voraussetzungen des § 3 GrEStG sind nicht erfüllt. Eine Rechtsverletzung des Kl. i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) ist somit ausgeschlossen.

Der Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück A-Straße 272 ist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar und auch steuerpflichtig.

1. Der Erwerb ist nicht nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerbefreit. Hiernach sind von der Besteuerung ausgenommen der Grundstückserwerb von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden i.S. des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (§ 3 Nr. 2 Satz 1 ErbStG). Durch diese Steuerbefreiung soll neben der Belastung mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer eine zusätzliche Belastung mit GrESt vermieden werden. Dies gilt selbst dann, wenn wegen der geringen Höhe des Erwerbs keine Erbschaft-/Schenkungsteuer anfällt oder der Erwerb aufgrund besonderer Bestimmungen von dieser Steuer ganz oder teilweise befreit ist (vgl. Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., § 3 Rdnr. 33). Die Übertragung des Miteigentumsanteils auf den Kl. unterfällt nicht gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Schenkungsteuer. Es fehlt an einer hierfür erforderlichen freigebigen Zuwendung des Bruders an den Kl. Der Kl. wurde nicht auf Kosten seines Bruders bereichert. Die Schenkungsteuerpflicht ergibt sich vielmehr aus § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Hiernach sind auch diejenigen Bereicherungen schenkungsteuerpflichtig, die infolge Vollziehung einer von dem Schenker angeordneten Auflage ohne entsprechende Gegenleistung erlangt werden. Mit der Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück A-Straße 272 wurde die im Vertrag vom 15.12.2005 (UR-Nr. 689/2005) angeordnete Auflage der Mutter vollzogen. Der vorbehaltene Nießbrauch führt auch nicht zur Entgeltlichkeit der Übertragung; auch eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ist eine reine, uneingeschränkte Schenkung i.S. des § 516 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - (vgl. Kapp/Ebeling, ErbStG, § 7 Rdnr. 43).

Trotz Schenkungsteuerpflicht ist der Grunderwerb vorliegend nicht von der GrEStG befreit. § 3 Nr. 2 GrEStG ist eine personenbezogene Steuerbefreiungsvorschrift, d.h. dadurch gekennzeichnet, dass die Befreiung aus Gründen gewährt wird, die in der Person des Erwerbers bzw. in dessen Verhältnis zum Veräußerer liegen (Sack in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 3 Rdnr. 26). Maßgeblich sind die Verhältnisse zwischen der Person des früheren und der Person des späteren Inhabers des grunderwerbsteuerlich relevanten Rechts (vgl. Sack in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 3 Rdnr. 45; Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., § 3 Rdnr. 3). Zwischen dem Kl. als Erwerber des Eigentums und seinem Bruder als Aufgebender dieser Position lag keine Schenkung unter Lebenden vor. Ein schenkungsteuerpflichtiger Erwerb erfolgte unmittelbar von der Mutter (vgl. hierzu Kapp/Ebeling, ErbStG, § 7 Rdnr. 96). Die Mutter war am Grundstückserwerb des Kl. allerdings nicht beteiligt. Sie selbst hat keine grunderwerbsteuerlich relevante Position aufgegeben.

2. Ferner kann sich der Kl. auch nicht auf eine Steuerbefreiung des Erwerbs nach § 3 Nr. 6 GrEStG berufen. Hiernach ist der Erwerb eines Grundstücks durch Personen, die mit dem Veräußerer in gerader Linie verwandt sind, von der Besteuerung auszunehmen.

Der Kl. und sein Bruder sind keine in gerader Linie verwandten Personen. Sie sind als Geschwister in der Seitenlinie verwandt (§ 1589 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Der Grundstückserwerb zwischen Geschwistern ist nicht nach § 3 Nr. 6 GrEStG befreit (Sack in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 3 Rdnr. 452; Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., § 3 Rdnr. 248).

3. Auch die vom Kl. angeführte analoge Anwendung des § 3 Nr. 6 GrEStG hält der Senat für nicht einschlägig. Zwar sind grundsätzlich auch die Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG einer Analogie zugänglich (vgl. Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., vor § 3 Rdnr. 15). Die Analogie setzt allerdings zum einen eine planwidrige gesetzliche Regelungslücke und zum anderen eine Interessenvergleichbarkeit zwischen dem gesetzlich geregelten und dem nicht geregelten Tatbestand voraus (vgl. hierzu Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Rdnr. 365 ff.). Dies ist im Streitfall nicht gegeben. § 3 Nr. 6 GrEStG beschränkt die steuerfreie Übertragung auf Verwandtschaftsverhältnisse in gerader Linie. Hiermit sollen erkennbar Grundstücksübertragungen zur Vorwegnahme der Erbfolge erleichtert werden. Bei lediglich seitlichen Verwandtschaftsverhältnissen stellt sich diese Frage regelmäßig nicht.

4. Schließlich kann die Steuerbefreiung der Übertragung des Miteigentumsanteils am Grundstück A-Straße auch nicht auf eine interpolierende Betrachtungsweise der Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG gestützt werden.

Bei der Auslegung der grunderwerbsteuerlichen Befreiungsvorschriften ist zu beachten, dass sich aus der Zusammenschau mehrerer Befreiungsvorschriften eine Steuerbefreiung ergeben kann, die zwar im Wortlaut der einzelnen Vorschrift allein nicht zum Ausdruck kommt. Allerdings kann ein durch wertende Auslegung zweier gesetzlicher Befreiungsvorschriften (Interpolation) gewonnener dritter - gesetzlich nicht normierter - Befreiungstatbestand anerkannt werden, wenn das betroffene Steuergesetz andernfalls zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt. Die Interpolation führt insbesondere zur Befreiung, wenn sich der zu beurteilende Erwerb als abgekürzter Weg darstellt und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wären sie denn durchgeführt, ebenfalls von der GrESt befreit wären (Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., vor § 3 Rdnr. 30).

Dies vorangestellt, könnte zwar bei erster Betrachtung eine Interpolation im Streitfall anzunehmen sein. Denn hätte die Mutter des Kl. zur Herstellung gleichwertiger Verteilungsverhältnisse im Rahmen der Vorwegnahme der Erbfolge zunächst eine Übertragung des Miteigentumsanteils an dem Grundstück A-Straße 272 auf sich selbst verlangt, wäre dieser Grundstückserwerb gem. § 3 Nr. 2 GrEStG und auch § 3 Nr. 6 GrEStG steuerbereit gewesen. Die anschließende Übertragung jenes Miteigentumsanteils auf den Kl. wäre wiederum nach § 3 Nr. 6 GrEStG von der GrESt zu befreien gewesen. Allerdings kann hieraus bei näherer Betrachtung nicht der Schluss gezogen werden, dass der vorliegende abgekürzte Übertragungsweg nach Sinn und Zweck der Befreiungsvorschriften nicht anders zu behandeln ist, als wäre das Grundstück erst auf die Mutter und sodann weiter auf den Kl. übertragen worden.

Im Ergebnis zu Recht weist der Bekl. darauf hin, dass der Interpolation als Auslegungsmethode Schranken gesetzt sind.

a. Zwar teilt der Senat nicht den Einwand des Bekl., dass die Interpolation vorliegend ausgeschlossen sei, da andernfalls ein tatsächlich nicht geschehener Sachverhalt der Besteuerung zugrunde gelegt würde. Richtig ist hierbei, dass das Schrifttum für die interpolierende Betrachtungsweise fordert, immer nur an einen real verwirklichten Sachverhalt anzuknüpfen (vgl. Sack in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 3 Rdnr. 43). Eine (Zwischen-)Übertragung des Miteigentumsanteils am Grundstück A-Straße 272 auf die Mutter des Kl. erfolgte nie. Die Parteien sind bewusst den - offensichtlich kostengünstigeren - Weg einer unmittelbaren Grundstücksübertragung vom Bruder auf den Kl. gegangen. Allerdings: Hieraus kann für Zwecke der Interpolation nach Auffassung des Senats nicht der Schluss einer unzulässigen Fiktivbesteuerung gezogen werden. In den Fällen eines abgekürzten Übertragungswegs (hier unter Geschwistern) muss gerade auf die Besteuerungssituation bei tatsächlich nicht verwirklichten Zwischenerwerben abgestellt werden. Es stellt sich ja gerade die Frage, ob die Steuerbefreiung eines - hypothetischen - Zwischenerwerbs nicht auch im Wege der Auslegung durch Interpolation auf den zu beurteilenden abgekürzten Übertragungsweg "transferiert" werden kann.

b. Allerdings steht einer interpolierenden Betrachtungsweise - hierbei handelt es sich um die zweite Schranke - vorliegend der Einwand rechtsmissbräuchlicher Gestaltung i.S. des § 42 AO entgegen. Die hinzuzudenkenden Zwischenerwerbe und die hiermit einhergehende gesetzliche Steuerbefreiung dürfen nicht gegen § 42 AO verstoßen (Sack in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 3 Rdnr. 44).

Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (vgl. nunmehr § 42 Abs. 1 Satz 3 AO n.F.). Eine Umgehung i.S. des § 42 AO ist bei einer Gestaltung gegeben, die gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche, nicht steuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (BFH-Urteil vom 26. März 1996 IX R 51/92, BFHE 180, 330, BStBl II 1994, 443). Zwar ist es dem Steuerpflichtigen nicht verwehrt, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine geringere steuerliche Belastung ergibt. Die vom Steuerpflichtigen gewählte Rechtsgestaltung ist der Besteuerung jedoch dann nicht zugrunde zu legen, wenn sie ausschließlich der Steuerminderung dient und bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung vom Gesetz missbilligt wird (BFH-Urteil vom 12. Juli 1988 IX R 149/83, BFHE 154, 93, BStBl. II 1988, 942).

Diesen Rechtsgrundsätzen folgend wäre der hypothetisch zu beurteilende Zwischenerwerb der Mutter des Kl. dem Einwand des § 42 AO ausgesetzt. Nach § 3 Nr. 6 GrEStG ist der Grundstückserwerb zwischen Geschwistern nicht begünstigt. Eine "Zwischenschaltung" der Eltern, um insgesamt eine grunderwerbsteuerfreie Grundstücksübertragung zwischen Geschwistern zu erreichen, wird von der Rechtsprechung als Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO gewertet (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1963 II 198/61, HFR 1964, 246; FG Münster, Urteil vom 11. Juni 1990 VIII 1719/87 GrE, EFG 1991, 346; FG München, Urteil vom 26. Oktober 1994 4 K 2099/94, UVR 1996, 116 - allerdings Urteilsbegründung lediglich nach § 105 Abs. 5 FGO; vgl. auch Sack in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 3 Rdnr. 44 und 452; Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., § 3 Rdnr. 248).

Diese Rechtsprechung überzeugt in jedem Fall in Gestaltungen, in denen bei einer Gesamtplanbetrachtung ein Grundstückserwerb zwischen Eltern und Kindern gar nicht beabsichtigt ist. Sofern eine Grundstücksübertragung zwischen Geschwistern losgelöst von Regelungen zur vorweggenommenen Erbfolge bezweckt ist und das Grundstück zur Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG - ohne einen außersteuerlichen Sinn - durchgangsweise auf die Eltern übertragen wird, ist dieser "Zwischenerwerb" steuerlich dem Einwand des § 42 AO ausgesetzt. Aber auch im Streitfall, in dem die Übertragung einer wertmäßig gerechten Verteilung der zum Familienvermögen gehörenden Grundstücke dienen sollte, wären nach Ansicht des Senats für einen alternativen Zwischenerwerb der Mutter des Kl. keine wirtschaftlich nachvollziehbaren Gründe ersichtlich. Zwar mag insoweit im Rahmen einer Gesamtplanbetrachtung ein Grundstückserwerb unter Geschwistern nicht im Vordergrund gestanden haben. Allerdings wäre auch vorliegend eine - zivilrechtlich mögliche - Rückübertragung des Miteigentumsanteils vom Bruder auf die Mutter des Kl. unpraktikabel und zudem nicht erforderlich gewesen. Zwar kann die Absicht, gegenüber dem zu Begünstigenden selbst als Schenker aufzutreten, als zu beachtender außersteuerlicher Grund i.S. des § 42 AO anzuerkennen sein (BFH-Urteile vom 30. November 1960 II 154/59 U, BFHE 72, 54, BStBl III 1961, 21; sowie in HFR 1964, 246; FG Münster in EFG 1991, 346). Eine dementsprechende Absicht hätte im Streitfall allerdings nicht durch einen "Zwischenerwerb" der Mutter dokumentiert werden müssen. Auch durch den unmittelbaren Erwerb des Miteigentumsanteils vom Bruder konnte die Mutter zum Ausdruck bringen, "Herrin" des Übertragungsakts gewesen zu sein. Denn die Übertragung des Grundstücks B-Straße 28 war mit der Auflage zu Lasten des Bruders versehen, dem Kl. den hälftigen Miteigentumsanteil am Grundstück A-Straße 272 zu übertragen (§ 525 BGB). Hätte der Bruder diese Auflage nicht vollzogen, wäre die Mutter berechtigt gewesen, die Rückübertragung des Grundstücks B-Straße 28 an sich zu verlangen. Eine "Zwischenschaltung" der Mutter zur Sicherung des beabsichtigten Eigentumserwerbs des Kl. wäre vor diesem Hintergrund nicht erforderlich gewesen. Der "Zwischenerwerb" wäre ausschließlich zwecks (GrESt-)Minderung vollzogen worden. Die Mutter hätte lediglich als formale Durchgangsstation fungiert.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

6. Der Senat lässt die Revision zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Der Senat hält es für klärungsbedürftig und daher grundsätzlich bedeutsam, ob die Übertragung eines Grundstücks zwischen Geschwistern mit dem Ziel der Herstellung gleichwertiger Verhältnisse im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge durch interpolierende Auslegung des § 3 Nr. 6 GrEStG steuerbefreit ist, sofern die Grundstücksübertragung nicht auf Initiative der Geschwister selbst, sondern auf Initiative der Eltern - hier durch rechtsgeschäftliche Anordnung einer Auflage - beruht. In diesem Zusammenhang hält es der Senat auch für klärungsbedürftig, ob in der genannten Fallgestaltung der hypothetische Zwischenerwerb der Eltern dem Einwand rechtsmissbräuchlicher Gestaltung gem. § 42 AO ausgesetzt wäre.



Ende der Entscheidung

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