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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 18.05.2006
Aktenzeichen: 8 K 4599/03 F
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 126 Abs. 1 Nr. 2
AO § 164 Abs. 2
AO § 171 Abs. 5
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

8 K 4599/03 F

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Streitig ist zwischen den Beteiligten bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung die Einordnung der erzielten Einkünfte.

Die Kläger (Kl.) sind Eheleute, die als gelernte Diplom-Psychologen gemeinsam in Form einer GbR unter dem Namen " Q-Institut" ihre berufliche Tätigkeit ausüben. Die Tätigkeit der GbR besteht im Wesentlichen in der Durchführung von innerbetrieblichen und überbetrieblichen Seminaren für Betriebsräte und Führungskräfte aus Unternehmen und Behörden. Die Seminare der GbR gliedern sich dabei im Wesentlichen in zwei Bereiche, die Veranstaltungsreihe "Kommunikation und Recht" sowie die Veranstaltungsreihe "Kommunikation, Recht und Führung".

Dabei gibt es verschiedene Einführungsseminare zum Betriebsverfassungsgesetz, zu wirtschaftlichen Grundlagen für Betriebsräte und zum Arbeitsrecht. Ferner werden Spezialseminare, Symposien oder Foren zur Arbeit der Betriebsräte, zur betrieblichen Umgestaltung (Management, Qualitätssicherung, Organisation), zur betrieblichen Lohn- und Gehaltsgestaltung, zur Technologie und Datenverarbeitung, zur Kommunikation, zur Arbeit im Wirtschaftsausschuss, zur Jugend- und Ausbildungsvertretung, zur Schwerbehindertenvertretung, zur Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat sowie zu verschiedenen Bereichen der Arbeitswelt und der Arbeitsbedingungen angeboten. Die erzielten Bruttoeinnahmen im Streitjahr 1996 betrugen über 10 Millionen DM. Die Unterrichtstätigkeit in den Veranstaltungen wurde überwiegend durch rd. 230 freie Mitarbeiter ausgeübt. Die dafür gebuchten Fremdleistungen beliefen sich auf mehr als 3,6 Millionen DM. Für die erforderliche Organisation der im Streitjahr fast 500 durchgeführten Seminare beschäftigten die Kl. im Streitjahr 13 Angestellte mit einer Gehaltssumme von rd. 1,2 Millionen DM. Bei den freien Mitarbeitern handelt es sich überwiegend um Richter von verschiedenen Arbeitsgerichten, aber auch - wenn auch in geringerem Umfang - um Psychologen, Pädagogen, Kommunikations- und Rhetoriktrainer, Diplom-Volkswirte, Diplom-Kaufleute, Soziologen, Ingenieure, Ärzte, Theologen, Germanisten sowie Supervisoren.

Die Tätigkeit der GbR beruht auf einem Seminarkonzept zur Wissensvermittlung, welches die Kl. entwickelt haben. Hinsichtlich der Art und Methode der Wissensvermittlung erhalten die Dozenten entsprechende Traineranweisungen, die sich ausschließlich auf den kommunikativen Teil beziehen. Sie werden zudem an sog. Coaching-Tagen hinsichtlich ihrer kommunikativen Fähigkeiten noch weiter geschult. Die von den Dozenten verwendeten fachbezogenen Seminarunterlagen werden von den Kl. auf eine verständliche und nachvollziehbare Darstellungsweise überprüft. Bezüglich des Gegenstandes der Seminare werden Vorschläge der Dozenten aufgegriffen, aber auch teilweise Ideen der Kl. umgesetzt. Zudem werden Seminarkritiken der einzelnen Seminarteilnehmer zum Anlass genommen, um Negativkritik mit den zuständigen Dozenten zu erörtern, Verhaltensfehler zu beseitigen oder den Dozenten auszuwechseln.

Die Seminare werden in ausgewählten Hotels im ganzen Bundesgebiet abgehalten. Dabei ist die Teilnehmerzahl in der Regel auf etwa zehn bis fünfzehn Personen begrenzt. Im Streitjahr war der Kl. stichprobenweise bei einzelnen Veranstaltungen anwesend, um die didaktisch richtige Umsetzung der Stoffvermittlung zu überprüfen.

Die Kl. haben in ihrer Feststellungserklärung die erzielten Erlöse den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG zugeordnet. Auch im Streitjahr wurden zunächst entsprechende Einkünfte festgestellt. Die entsprechenden Bescheide vom 02.02.1998 bzw. vom 22.04.1998 ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im April 1998 begann bei den Kl. eine Prüfung durch die Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung N. Spätestens ab dem Kalenderjahr 2000 war im Rahmen dieser Fahndungsmaßnahme die Einordnung der von den Kl. erzielten Erträge erkennbar für die Kl. bzw. Kl.-Vertr. Gesprächsthema. Schon im Oktober 2000 kündigte Rechtsanwalt R1 insoweit für die Kl. zur geplanten Einordnung der Einkünfte durch die Steuerfahndung eine Stellungnahme an. In der Schlussbesprechung vom 31.05.2001 konnte zu dieser Einstufung keine Einigung zwischen den Gesprächsteilnehmern erzielt werden.

Der Beklagte (Bekl.) folgte der Auffassung der Steuerfahndungsstelle und änderte den Feststellungsbescheid nach Abschluss der Prüfung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Der gegen den geänderten Feststellungsbescheid eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Die Kl. sind der Auffassung, dass der Bekl. den Feststellungsbescheid 1996 hinsichtlich der Einordnung der Einkünfte zu Unrecht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert habe. Denn hinsichtlich der Qualifizierung der Einkünfte seien durch die Fahndungsprüfung keine Tatsachen nachträglich bekannt geworden. Die Tätigkeit der Kl. sei dem Bekl. durch die für die Jahre bis 1994 durchgeführte Betriebsprüfung hinreichend genau bekannt gewesen. Ferner habe der Bekl. die entsprechenden Tatsachen, die für seine Entscheidung erheblich waren, noch nicht einmal benannt.

Des Weiteren stehe der Änderung der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Denn aufgrund der früheren Einordnung der Einkünfte habe der Bekl. einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der ihn durch die jahrelange Ausübung binde.

Schließlich sei aber auch die von dem Bekl. erfolgte Einordnung der Einkünfte fehlerhaft, denn die Tätigkeit der Kl. sei als eine unterrichtende Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG zu beurteilen.

Nach der Rechtsprechung des BFH sei es unschädlich, wenn sich ein Steuerpflichtiger (Stpfl.) der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bediene, soweit er aufgrund eigener Fachkenntnisse noch leitend und eigenverantwortlich tätig bleibe. Zwar sei im Streitfall die unmittelbar vortragende Tätigkeit in den meisten der durchgeführten Seminare nicht durch die Kl. sondern durch freiberufliche Dozenten durchgeführt worden. Dieses stehe einer Einordnung der Einkünfte zu solchen aus § 18 EStG jedoch nicht entgegen, da die Tätigkeit im Wesentlichen auf den von den Kl. bestimmten Seminarthemen und dem von den Kl. entwickelten Wissensvermittlungskonzept beruhten. Gerade durch die detaillierten und didaktisch durch die Kl. ausgearbeiteten Traineranweisungen trügen die einzelnen Seminare den Stempel der Persönlichkeit der Kl.. Auch sei zu beachten, dass durch die jahrzehntelange Durchsicht und Überarbeitung der fachlichen Seminarunterlagen sich die Kl. ein breites Fachwissen erarbeitet hätten. Aus diesem Grunde habe der Kl. mehrere juristische Fachbücher, bei denen er zum Teil Mitautor gewesen sei, herausgegeben. Entsprechend habe der BFH z.B. schon mit Urteilen vom 13.12.1971 I R 138/71, BStBl. II 1974, 213 und6.11.1969,IV R 127/68, BStBl. II 1970, 214 entschieden, dass ein Stpfl. auch durch Einwirkung auf den Unterricht anderer selbst unterrichtend tätig sein könne. Da im Streitfall die Kl. Themen, Orte und Daten der einzelnen Seminare festlegen würden, zudem durch Traineranweisungen und Referentenseminare Einfluss auf die Seminargestaltung nähmen und darüber hinaus auch noch den didaktischen Erfolg durch die Teilnehmerkritiken und stichprobenweise Teilnahmen an einzelnen Seminaren überprüften, liege eine ausreichende Einwirkung auf den Unterricht im Sinne der BFH-Rechtsprechung vor, die eine unmittelbare Beteiligung am Unterricht auch nicht fordere. Entgegen der Auffassung des Bekl. seien die Kl. daher trotz der Einschaltung der Dozenten aufgrund eigener Fachkenntnisse unterrichtend im Sinne des § 18 EStG tätig geworden.

Soweit der Bekl. in seinem Schriftsatz auf die Änderungsmöglichkeit nach § 164 Abs. 2 AO verweise, verkenne er, dass die Fahndungsmaßnahme lediglich wegen angeblich ausgestellter Gefälligkeitsrechnungen durchgeführt worden sei. Aus diesem Grunde sei der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich der Einordnung der Einkünfte nicht durch die Fahndungsmaßnahme gehemmt gewesen. Auch eine auf § 164 Abs. 2 AO gestützte Änderung wäre daher unzulässig gewesen. Darüber hinaus stelle der in diesem Zusammenhang erfolgte Hinweis auf die Vorschrift des § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO ein unzulässiges Nachschieben von Gründen und damit einen nicht heilbaren Begründungsfehler dar.

Die Kl. beantragen,

unter Änderung der geänderten gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 10.10.2002 sowie unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung (EE) vom 25.07.2003 die bisher als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfassten Einkünfte als Einkünfte aus selbständiger Arbeit anzusetzen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er ist der Auffassung, dass die Änderung der gesonderten und einheitlichen Feststellung zu Recht erfolgt sei. Entgegen der Auffassung der Kl. sei eine Änderung der Feststellung sowohl nach der Vorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO als auch nach der Vorschrift des § 164 Abs. 2 AO möglich gewesen. So habe sich die Fahndungsprüfung auch auf die Einordnung der Einkünfte bezogen. Allein wegen der Wirkung der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 AO sei die Änderung zu Recht erfolgt. Auch der Hinweis der Kl. auf die Vorschrift des § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO führe nicht zu einer anderen Beurteilung, da nach der Rechtsprechung des BFH bei Angabe einer fehlerhaften Änderungsgrundlage der Bescheid dennoch rechtmäßig sei, wenn der Tatbestand einer anderen Änderungsnorm erfüllt sei.

Im Übrigen sei die Tätigkeit der Kl. nicht als eine unterrichtende Tätigkeit zu beurteilen. Insoweit werde auf die Ausführungen in der EE sowie in dem Schriftsatz vom 07.12.2004 verwiesen. Eine eigenverantwortliche Tätigkeit aufgrund eigener Fachkenntnisse der Kl. sei bei Art und Umfang der Seminarunterrichtseinheiten nicht mehr gegeben.

Die Klage ist nicht begründet.

Der Bekl. hat die Änderungen zu Recht vorgenommen.

Der Bekl. hat die Einkünfte der Kl. in den Änderungsbescheiden zutreffend als gewerbliche Einkünfte eingeordnet.

Der Bekl. konnte die frühere Steuerfestsetzung - unabhängig von dem Vorliegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen - ändern, da die Voraussetzungen des § 164 Abs. 2 AO gegeben waren. Denn ein Änderungsbescheid ist selbst bei Angabe einer fehlerhaften Änderungsgrundlage rechtmäßig, falls er durch den Tatbestand einer anderen Änderungsvorschrift gedeckt ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1980 VIII R 32/77, BFHE 132, 425, BStBl. II 1981, 419, und BFH-Beschluss vom 5. Februar 1992 V B 60/91, BFH/NV 1992, 579, 580 Ziff. 1c der Gründe, BFH-Beschluss vom 16.08.1995 - VIII B 156/94, BFH/NV 1996, 125). Hier geht auch der Hinweis der Kl. auf die Vorschrift des § 126 Abs. 1 AO fehl, denn nach der Rechtsprechung des BFH kann insoweit die falsche Begründung stets durch die richtige Begründung ersetzt werden (vgl. zudem Tipke/Kruse AO § 126 Tz 5).

Die Feststellungsfrist für 1996 war - entgegen der Auffassung der Kl. - noch nicht abgelaufen.

Die Feststellungsbescheide vom 02.02.1998 bzw. vom 22.04.1998 standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO.

Da die Feststellungserklärung für 1996 in 1997 eingereicht worden war, begann die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO am 01.01.1998 und endete grundsätzlich am 31.12.2001. Der Änderungsbescheid datiert vom 10.10.2002. Der Fristablauf war jedoch im Streitfall durch die Vorschrift des § 171 Abs. 5 AO gehemmt. Beginnt nämlich eine Steuerfahndung vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Stpfl. mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind (§ 171 Abs. 5 Satz 1 AO 1977). Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen ist nach dem Gesetzeswortlaut, dass Ermittlungshandlungen vor Ablauf der Festsetzungsfrist tatsächlich vorgenommen worden sind. Darüber hinaus muss für den Stpfl. erkennbar sein, dass in seinen Steuerangelegenheiten entsprechend ermittelt wird (vgl. Urteil des BFH vom 16. April 1997 XI R 61/94, BFHE 183, 13, BStBl. II 1997, 595).

Der Umfang der Ablaufhemmung hängt davon ab, auf welche Steueransprüche sich die Prüfung während ihres Verlaufs tatsächlich erstreckt hat. Für Steueransprüche, die nicht Gegenstand der Steuerfahndungsprüfung waren, kann keine Ablaufhemmung eintreten. Entscheidend für die Hemmung der Festsetzungsfrist für einen Feststellungsbescheid ist somit, dass sich die Ermittlungshandlungen auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum bzw. auf die zu beurteilende Rechtsfrage erstreckt haben. Ist dies der Fall, kommt es nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt innerhalb einer Prüfung Ermittlungshandlungen in Bezug auf einzelne Veranlagungszeiträume durchgeführt wurden (BFH-Urteil vom 9. März 1999 VIII R 19/97, BFH/NV 1999, 1186, m.w.N.).

Steht fest, dass sich Ermittlungshandlungen auf bestimmte Veranlagungszeiträume erstrecken, ist der Umfang der Ablaufhemmung noch nicht abschließend bestimmt. § 171 Abs. 5 Satz 1 AO 1977 spricht von "Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen" sowie davon, dass die Festsetzungsfrist "insoweit" nicht abläuft. Aus diesem Gesetzeswortlaut und der Tatsache, dass die Fahndungsprüfung - anders als eine Außenprüfung - nicht auf eine umfassende, sondern auf eine punktuelle Ermittlung angelegt ist, ergibt sich, dass nicht die Festsetzungsfrist für den gesamten Steueranspruch gehemmt wird, sondern Ablaufhemmung nur hinsichtlich der Steuern eintritt, die sich aus Sachverhalten, die Gegenstand der Ermittlungen waren, ergeben (BFH in BFH/NV 1999, 1186, m.w.N.).

Im Streitfall betraf die Fahndungsprüfung aber nicht nur - wie von den Kl. behauptet - ausgestellte Gefälligkeitsrechnungen für Briefmarken, sondern neben zahlreichen anderen Bereichen auch die Einordnung der Einkunftsart. So hatte die Steuerfahndung ihre Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen spätestens schon im Kalenderjahr 2000 für die Kl. erkennbar auch auf die Einordnung der Einkünfte ausgedehnt. Insoweit wurde in diesem Jahr zur Frage der Einordnung schon eine Stellungnahme von Rechtsanwalt R1 angekündigt. Da die Ermittlungen innerhalb der vierjährigen Feststellungsfrist erfolgten und zudem für die Kl. erkennbar waren, umfasste die Ablaufhemmung unzweifelhaft auch die Frage der Einordnung der Einkünfte.

Der Bekl. konnte die Einkünfte daher zutreffend als solche aus Gewerbebetrieb behandeln:

Nach § 18 Abs. 1 EStG sind Einkünfte aus selbständiger Arbeit Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Die Kl. haben unstreitig keinen Katalogberuf i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG ausgeübt. Die Tätigkeit der GbR stellt unstreitig keine selbständig ausgeübte künstlerische, schriftstellerische oder erzieherische Tätigkeit, sondern eine unterrichtende Tätigkeit dar. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 EStG kann ein Angehöriger eines freien Berufes im Sinne der Sätze 1 und 2 des § 18 Abs. 1 EStG auch dann freiberuflich tätig sein, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist, dass er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird.

Voraussetzung für die Annahme einer eigenverantwortlichen Unterrichtstätigkeit ist, dass die für die jeweilige Tätigkeit charakteristische persönliche Beziehung zum Unterrichtenden hergestellt wird. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der betreffende Stpfl. selbst unterrichtet. Aber auch ein regelmäßiges Eingreifen in den Unterricht anderer Lehrkräfte, d. h. ein Mitgestalten solcher Unterrichtsveranstaltungen, kann dazu beitragen, eine derartige Beziehung zu begründen. Denn in einem solchen Falle kann durch das Mitwirken an dem Unterricht ein Betriebsinhaber auch insoweit dem Unterricht den Stempel der Persönlichkeit aufdrücken.

Der Begriff der Eigenverantwortlichkeit erfordert jedoch bei der zu beurteilenden unterrichtenden Tätigkeit stets einen unmittelbaren, persönlichen und deshalb individuellen Einsatz des Betriebsinhabers vor Ort, damit durch den eigenen Kontakt mit den zu Unterrichtenden der Unterricht ein besonderes Gepräge durch den Berufsinhaber erhält. Diesen Charakter verliert eine Tätigkeit aber in dem Maße, wie der unternehmerische und organisatorische Teil der Tätigkeit zunimmt und nicht mehr die eigene Leistung des Freiberuflers vor Ort, sondern die Bereitstellung von anderen Kräften, die einen wesentlichen Teil der Tätigkeit übernehmen, in den Vordergrund tritt. Zwar kann auch in solchen Fällen ein Unternehmen noch weitgehend von der Persönlichkeit der Betriebsinhaber geprägt sein; das erforderliche konkrete Mitwirken am Unterricht wird dadurch jedoch nicht ersetzt. Soweit die Kl. dagegen einwenden, dass eine persönliche Anwesenheit der Betriebsinhaber entbehrlich sei, verkennen sie insoweit die Rechtslage. Denn bei den von ihnen angeführten Entscheidungen hat der BFH immer auch darauf abgestellt, dass der Betriebsinhaber am Schulort leitend und eigenverantwortlich bei der Unterrichtsgestaltung tätig ist (vgl. BFH-Urteile vom 13.12.1978, I R 138/71, BStBl. II 1974, 213;vom 05.12.1968 - IV R 125/66, BStBl. II 1969,165;vom 06.11.1969 - IV R 127/68, BStBl. II 1970, 214 sowie vom 23.01.1986 - IV R 24/84, BStBl. 1986, 398). Soweit die Kl. der Auffassung sind, dass es im multimedialen Zeitalter nicht mehr auf die persönliche Anwesenheit beim Unterricht ankommen könne, führt auch dieser Gedanke nicht zu einer anderen Betrachtung. So wurde im Streitfall ein traditioneller Unterricht und nicht ein Fernunterricht per Bildschirm vorgenommen. Zudem würde es auch bei einem Fernunterricht per Bildschirm erforderlich sein, dass die Kl. erkennbar als Lehrkräfte auftreten.

Schon aufgrund der fehlenden Eigenverantwortlichkeit hat der Bekl. die Tätigkeit der Kl. zu Recht den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet.

Darüber hinaus hat der BFH in mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass schon eine hohe Anzahl fachlich vorgebildeter Mitarbeiter eine - wenn auch widerlegbare - Vermutung dafür begründen, dass der Betriebsinhaber nicht eigenverantwortlich tätig wird (vgl. zuletzt BFH- Beschluss vom 26.01.2000 - IV B 12/99, BFH/NV 2000, 837). Entsprechend hat der BFH eine eigenverantwortliche Tätigkeit eines Schulleiters einer privaten Schule mit Niederlassungen an drei Orten, die mehr als 30 Lehrkräfte beschäftigte, bereits wegen dieser Größenordnung nicht mehr anerkannt (vgl. zur Rechtslage im übrigen auch Schmidt/Wacker § 18 Rz 27 ff). Bei einer bundesweit tätigen GbR mit über 250 Lehrkräften, die im Streitjahr 1996 ca. 500 Seminare mit rd. 6.500 Teilnehmern abhielt, kann von einer eigenverantwortlichen unterrichtenden Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG der Betriebsinhaber nicht mehr gesprochen werden.

Dieser Einordnung der Einkünfte steht der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht entgegen. Die Finanzbehörden sind verpflichtet, die nach dem Gesetz entstandenen Steueransprüche geltend zu machen und die für die Entstehung und den Umfang des Steueranspruchs maßgebenden Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen durchzuführen (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 12. Februar 1969 1 BvR 687/62, BverfGE 25, 216, 228, BStBl. II 1969, 364, 368). Nur ausnahmsweise können die Finanzbehörden nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert sein, einen nach dem Gesetz entstandenen Steueranspruch geltend zu machen oder Besteuerungsgrundlagen in der dem Gesetz entsprechenden Höhe festzustellen (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 16. März 1983 IV R 36/79, BFHE 138, 223, BStBl. II 1983, 459 unter 4 c).

Der Streitfall ist kein derartiger Ausnahmefall. Allein die Tatsache, dass das Finanzamt (FA) die Tätigkeit der Kläger in den Vorjahren - allein den Feststellungserklärungen folgend - fehlerhafterweise als Einkünfte aus selbständiger Arbeit übernommen und nicht näher hinterfragt hat und hieran auch in den Folgejahren bis zur Fahndungsprüfung nichts beanstandete, rechtfertigt es nicht, von der gesetzlich gebotenen Feststellung der gewerblichen Einkünfte der Kläger abzusehen. So besteht nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat folgt, eine Bindung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben selbst dann nicht, wenn das FA jahrelang eine andere Einordnung, ohne eine bindende Zusage gegeben zu haben, vorgenommen hat bzw. wenn bestandskräftigen Feststellungen der Vorjahre eine Betriebsprüfung vorausging, anlässlich derer die Einordnung der Einkünfte nicht beanstandet wurde (vgl. bereits: Urteile des BFH vom 7.Februar 1969 VI R 174/67, BFHE 95, 41, BStBl. II 1969, 314;vom 11.Februar 1981 I R 128/77, BFHE 132, 552, BStBl. II 1981, 448; zustimmend Tipke/Kruse, AO § 4 Tz 147/149 m.w.N.).

Soweit die Klägerin sich überdies auf das Rechtsinstitut der Verwirkung (§ 242 BGB) beruft, greift dieser Einwand ebenfalls nicht durch. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Die für die Verwirkung erforderlichen Voraussetzungen sind im Streitfall bereits deshalb nicht erfüllt, weil das FA mit der - wegen der Vorbehaltsfestsetzung jederzeit noch änderbaren - Übernahme der von den Kl. erklärten Einordnung der Einkünfte noch keinen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, der eine anderweitige Einordnung als unzulässige Rechtsausübung erscheinen lässt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Es liegt weder ein Fall von grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache vor - die Rechtfragen sind höchstrichterlich geklärt - noch weicht der Senat mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des BFH ab (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).



Ende der Entscheidung

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