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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 14.09.2006
Aktenzeichen: 8 K 4710/01 E
Rechtsgebiete: GG, EStG i.d.F.v. 07.09.1990


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
EStG i.d.F.v. 07.09.1990 § 22 Nr. 3 S. 1
EStG i.d.F.v. 07.09.1990 § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

8 K 4710/01 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zu entscheiden ist, ob der Beklagte (das Finanzamt -FA-) zu Recht im Rahmen der Einkommensteuer-Festsetzung 1996 Spekulationsgewinne gem. §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 17.971 DM und Einkünfte aus Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG in Höhe von 43.602 DM berücksichtigt hat.

Die Kläger (Kl.) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.

Der Kl. erzielte im Streitjahr 1996 als Parfümeur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Außerdem war er in großem Umfang am Kapitalmarkt tätig. Neben Zinsen aus Sparguthaben und festverzinslichen Wertpapieren erzielte er auch Dividenden aus Aktien im In- und Ausland. Außerdem tätigte er Spekulations-, Options- und Finanztermingeschäfte an verschiedenen Terminbörsen.

Für die Jahre 1994 bis 1996 fand bei dem Kl. eine Außenprüfung (Ap) statt.

Der Prüfer stellte fest, dass der Kl. im Streitjahr 1996 Wertpapiere ge- und verkauft hat. Soweit bei den 37 Verkaufsgeschäften der Verkauf innerhalb von sechs Monaten stattfand, erzielte der Kl. hieraus einen Veräußerungsverlust i. H. v. insgesamt 8.304,46 DM.

Der Kl. führte unter Einschaltung einer Bank im Streitjahr 1996 außerdem Optionsgeschäfte u. a. an der Deutschen Terminbörse (DTB) durch. Er erwarb Rechte, innerhalb einer bestimmten Frist Wertpapiere zu einem festgelegten Basiswert zu kaufen (call) oder zu verkaufen (put). Dies sind sogenannte long-Positionen. Hierfür zahlte er Optionsprämien.

Weiterhin schloss der Kl. hinsichtlich der long-Positionen 44 sogenannte Glattstellungsgeschäfte (Gegengeschäfte zu den Eröffnungsgeschäften) ab, für die er seinerseits Optionsprämien erhielt. Soweit diese Geschäfte innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten erfolgten, erzielte der Kl. unter Berücksichtigung von Courtage und Provision hieraus einen Gewinn i. H. v. insgesamt 26.275,90 DM. Zum Teil entfiel dieser Gewinn auf long-Positionen, die sich nicht auf Wertpapiere sondern auf den Deutschen Aktien-Index (DAX) bezogen.

Außerdem verpflichtete sich der Kl. als Verkäufer von Kaufoptionen (call) und Verkaufsoptionen (put) und somit als sogenannter Stillhalter (short-Positionen). Hierfür erhielt er Optionsprämien. In acht Fällen bezogen sich diese Verkaufsgeschäfte auf Aktien und in 38 Fällen auf den DAX.

Auch hinsichtlich der short-Positionen schloss der Kl. Glattstellungsgeschäfte ab, für die er seinerseits Optionsprämien zu zahlen hatte.

Für die Glattstellungsgeschäfte bei den vom Kl. eingeräumten Optionsrechten (short-Positionen) erzielte er im Streitjahr 1996 unter Berücksichtigung von Courtage und Provision einen Überschuss i. H. v. insgesamt 43.602,32 DM. Ein Teil dieses Überschusses entfiel auf short-Positionen, die sich nicht auf Wertpapiere sondern auf den DAX bezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Ap-Bericht vom 8.11.1999 (insbesondere auf Tz. 15 i. V. m. der Anlage 3) und auf den vom Beklagten (Finanzamt - FA -) vorgelegten Ordner, in dem die o. a. Geschäfte dokumentiert sind sowie auf den Schriftsatz des FA vom 19.10.2004 nebst Anlagen verwiesen.

Außerdem tätigte der Kl. im Streitjahr 1996 an der DTB Geschäfte (Eröffnungs- und Glattstellungsgeschäfte) mit Terminkontrakten (sogenannten Future), wobei sich diese zum Einen auf Bundesanleihen zum Anderen auf den DAX bezogen.

Der Prüfer ging hinsichtlich der o. a. Tätigkeit des Kl. von einer privaten Vermögensverwaltung und nicht von der Erzielung gewerblicher Einkünften aus und nahm deshalb die Besteuerung entsprechend dem BMF-Schreiben vom 10.11.1994 BStBl. I 1994, 816 über die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Options- und Finanztermingeschäften an der Deutschen Terminbörse (DTB) und von anderen als Optionsscheine bezeichneten Finanzinstrumenten im Bereich der privaten Vermögensverwaltung vor. Dementsprechend sah er die Geschäfte des Kl. mit dem Bund-Future und dem DAX-Future nicht als steuerpflichtig an, wohl aber die übrigen vom Kl. getätigten o. a. Geschäfte.

Der Prüfer meinte, dass der vom Kl. mit den Optionsrechten (long-Positionen) erzielte Gewinn i. H. v. 26.275,90 DM unter Abzug des vom Kl. mit der Veräußerung von Wertpapieren gemachten Verlustes i. H. v. 8.304,46 DM, somit ein Betrag i. H. v. 17.971,44 DM als Veräußerungsgewinn gem. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der Fassung des Streitjahres und der Überschuss aus den short-Positionen i. H. v. 43.602,23 DM als Einkünfte aus Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG steuerpflichtig seien.

Das FA berücksichtigte dementsprechend im Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1996 vom 26.11.1999 erstmals zusätzliche Spekulationsgewinne gem. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG i. H. v. 17.971,00 DM und Einkünfte aus Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG i. H. v. 43.602,00 DM.

Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch beantragten die Kl., bei den sonstigen Einkünften gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG die Spekulationsgewinne um 5.442,63 DM und die Einkünfte aus Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG um 18.008,73 DM zu kürzen. Die Beträge würden sich aufgrund der steuerlich unbeachtlichen DAX-Optionsgeschäfte ergeben. Zur Begründung verwiesen sie auf ein Schreiben vom 12.10.1999 des Rechtsanwaltes Dr. LC, H.

Im Gegensatz zu den Anweisungen der Finanzbehörden seien sämtliche Geschäfte in DAX-Optionen sogenannte offene Differenzgeschäfte, die von vorneherein nur einen Anspruch auf einen Barausgleich bei Ausübung geben würden. Einerseits würden die Finanzbehörden im BMF-Erlass vom 10.11.1994, BStBl. I 1994, 816, sagen, dass eine Option auf den DAX dem Inhaber bei Ausübung lediglich einen Anspruch auf Barausgleich gewähre, also ein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft von vorneherein nicht in Betracht komme, andererseits sollten bei Glattstellung solcher Geschäfte durch ein Gegengeschäft jedoch dann steuerpflichtige Geschäfte entstehen, wenn diese Geschäfte innerhalb der damals noch gültigen 6-Monats-Periode stattfinden würden. Diese Darstellung sei insbesondere unter Berufung auf die im Erlass zitierten BFH-Urteile inkonsequent und falsch.

Zum Einen seien grundsätzlich bereits verdeckte Differenzgeschäfte, bei denen keine diesem Geschäft zugrunde liegenden Produkte angeschafft oder veräußert würden, keine Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäfte im Sinne des § 23 EStG, wenn keine Waren geliefert würden und nur die Differenz gezahlt würde, so ausdrücklich der BFH im Urteil vom 06.12.1983, VIII R 172/83, BStBl. II 1984, 132. In der BFH-Rechtsprechung heiße es ausdrücklich, dass solche Differenzgeschäfte, die wie z. B. Termingeschäfte, keine Umsätze von Wirtschaftsgütern hätten, weder zu Einkünften aus Spekulationsgeschäften noch aus sonstigen Leistungen führen würden. Als Begründung ziehe der BFH auch heran, dass im Umsatzsteuerrecht ebenfalls angenommen werde, dass bei der Durchführung von Differenzgeschäften ein Leistungsaustausch nicht stattfinde, den Teilnehmern vielmehr zu Spieleinnahmen verholfen werde (Hinweis auf BFH-Urteil vom 13.10.1988, IV R 220/85, BStBl. II 1989, 39).

Sämtliche vorerwähnten BFH-Entscheidungen seien zu verdeckten Differenzgeschäften ergangen, also zu solchen Geschäften, bei denen der Barausgleich nur stillschweigend vereinbart worden sei. Im Fall der DAX-Option sei aber ein Barausgleich in den Optionsbedingungen festgeschrieben, es handele sich mithin also bereits um offene Differenzgeschäfte. Da bei offenen Differenzgeschäften die Differenzerzielungsabsicht das einzige Kriterium sei, könne in konsequenter Anwendung der BFH-Rechtsprechung hier keine Besteuerung erfolgen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn es sich um andere Arten von Optionen handele, wie beispielsweise um Aktienoptionen. Hier könnten dann die dem Optionsgeschäft zugrunde liegenden Aktien bei Ausübung bezogen werden, so dass hier ein Wirtschaftsgut erworben werde und kein "Spiel" stattfinde. Richtigerweise habe der BFH bei der Spekulation in Aktienoptionen entschieden, dass hier ein Wirtschaftsgut erworben bzw. veräußert werde, da die der Option zugrunde liegenden Aktien jederzeit erworben werden könnten (Hinweis auf BFH-Urteil vom 24.07.1996, X R 139/93, BFH/NV 1997, 105).

Zwar behaupte der BFH in diesem Fall, der Überschuss werde nur deshalb erzielt, weil das Optionsrecht als solches übertragen werde. Der hier vom BFH entschiedene Fall sei jedoch nicht vergleichbar, da es sich um Aktien-Optionsrechte handele, denen bei Ausübung ein Bezug von Aktien zugrunde liegen würde, mithin es sich bei der Option um ein echtes Wirtschaftsgut handele. Dies sei nach der vorerwähnten anderslautenden BFH-Rechtsprechung eben gerade bei verdeckten bzw. offenen Differenzgeschäften grundsätzlich nicht der Fall.

Es sei streng zu unterscheiden zwischen Geschäften in Optionsscheinen, also Geschäfte in Wertpapieren, sowie Geschäften in Optionen, denen ein real zu beziehendes Wirtschaftsgut zugrunde liege, und Geschäften in Optionen, die lediglich im Wege des Barausgleichs ausgeglichen würden, sogenannte offene Differenzgeschäfte. Eine weitere Überlegung zeige die Richtigkeit dieser Auffassung. In dem Erlass vom 10.11.1994 heiße es, dass Financial Futures, also DTB-Futures, per se nicht zur Besteuerung führen würden, da das Basisobjekt nicht lieferbar sei. Unter III. 2. zu den DAX-Futures heiße es ausdrücklich, dass bei DAX-Futures, da das Basisobjekt nicht lieferbar sei, Gewinne oder Verluste aus der Glattstellung oder aus dem zu erbringenden Barausgleich steuerlich unbeachtlich seien. Da Futures und Optionen grundsätzlich steuerlich gleichbehandelt werden müssten und immer dann, wenn eine Lieferung des Basisobjektes nicht möglich sei, kein steuerbares Geschäft nach der höchstrichterlichen BFH-Rechsprechung vorliegen solle, müsse dies, was für DAX-Futures gelte, konsequenterweise auch bei DAX-Optionen gelten, so dass auch dort Geschäfte aus Glattstellungen steuerfrei bleiben müssten.

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 25.07.2001). Es meinte, es sei zutreffend davon ausgegangen, dass die DAX-Optionsgeschäfte sowohl zu Einkünften aus Spekulationsgeschäften ( § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b EStG), als auch zu Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG führen würden.

Inhalt des Optionsgeschäftes sei grundsätzlich der Erwerb oder die Veräußerung des Rechts, eine bestimmte Anzahl von Wertpapieren einer bestimmten, zum Optionshandel zugelassenen Aktienart (Basisaktien) jederzeit während der Laufzeit der Option zu einem im Voraus vereinbarten Preis (Basispreis) entweder vom Kontrahenten (Stillhalter) zu kaufen oder an ihn zu verkaufen. Für dieses Recht habe der Inhaber der Option bei Abschluss des Optionsgeschäftes die Optionsprämie zu zahlen.

Ein Future hingegen sei eine für beide Vertragsparteien verbindliche Vereinbarung, zu einem festgelegten künftigen Zeitpunkt einen bestimmten Basiswert zu einem vereinbarten Preis zu kaufen bzw. zu verkaufen.

Der Unterschied zwischen Option und Future bestehe darin, dass eine Option für ihren Käufer ein Recht, aber keine Verpflichtung zum Kauf bzw. Verkauf des Basiswertes darstelle. Beim Optionsgeschäft habe nur der Verkäufer der Option die Verpflichtung zur Lieferung bzw. zur Abnahme gegen Zahlung, sofern der Optionsinhaber von seinem Recht Gebrauch mache. Beim Future hingegen bestehe definitiv sowohl eine Verpflichtung zur Lieferung, als auch zur Abnahme gegen Zahlung. Nach den Regelungen im BMF-Schreiben vom 10.11.1994 a. a. O. werde grundsätzlich zwischen Optionsgeschäften an der DTB und Finanztermingeschäften im Bereich der privaten Vermögensverwaltung unterschieden. Gewinne und Verluste aus der Glattstellung oder aus dem zu erbringenden Barausgleich seien bei DAX-Futures steuerlich unbeachtlich, weil das Basisprojekt nicht lieferbar sei (Tz. 21). Der Betriebsprüfer habe im Streitfall die Futures auf den Deutschen Aktienindex (DAX) auch steuerlich nicht berücksichtigt.

Die Option auf den DAX gewähre dem Inhaber bei der Ausübung lediglich einen Anspruch auf Barausgleich. Es komme auch für diese Fälle ein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft nicht in Betracht (Tz. 17). Bei der Glattstellung solcher DAX-Optionsgeschäfte durch ein Gegengeschäft würden aber die Ausführungen in den Tz. 8 und 12 entsprechend gelten. Danach sei die Differenz zwischen der gezahlten und der aus dem glattgestellten Abschluss des Stillhaltergeschäfts erzielten Optionsprämie als Spekulationsgewinn bzw. -verlust unter den weiteren Voraussetzungen des § 23 EStG zu berücksichtigen.

Für den Verkauf von Kauf- oder Verkaufsoptionen auf den DAX würden die Bestimmungen der Tz. 13, 15 und 16 entsprechend gelten. Kaufe der Verkäufer einer Kaufoption eine solche der gleichen Serie unter Closing-Vermerk, handele es sich bei der gezahlten Optionsprämie wirtschaftlich betrachtet um Aufwendungen zur Befreiung von der zuvor eingegangenen Stillhalter-Bindung und damit um Aufwendungen zur Sicherung der vereinnahmten Optionsprämie. Die für den glattstellenden Kauf einer Kaufoption vom Stillhalter gezahlte Optionsprämie einschließlich der Nebenkosten dürften daher als Werbungskosten bei den Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG abgezogen werden. Diese Ausführungen würden entsprechend auch für den Verkäufer einer Verkaufsoption gelten (Tz. 16). Die in der Anlage 3 (ab S. 7) des Betriebsprüfungsberichts aufgeführten Glattstellungen der DAX-Optionen würden Einkünfte aus § 22 Nr. 3 EStG darstellen. Die getätigten Optionsgeschäfte hätten alle mit der Glattstellung geendet. Der Auffassung der Kl., dass Futures und Optionen grundsätzlich steuerlich gleichbehandelt werden müssten, wenn eine Lieferung des Basisobjektes nicht möglich sei, stehe der o. g. Erlass des BMF entgegen.

Mit der hiergegen eingelegten Klage haben die Kl. zunächst begehrt, die Optionsgeschäfte auf den DAX in der von ihnen genannten Höhe nicht der Besteuerung zu unterwerfen und den Steuerbescheid entsprechend abzuändern. Sie berufen sich insoweit weiterhin auf das Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. LC vom 12.10.1999.

Darüber hinaus berufen sich die Kl. nunmehr auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.03.2004 2 BvL 17/02 BGBl. I 2004, 591, BStBl. II 2005, 56. Sie meinen, daraus ergebe sich, dass die vom FA der Steuerfestsetzung 1996 bei den vom Kl. getätigten Spekulationsgeschäften zugrunde gelegten Vorschriften des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG und des § 22 Nr. 3 EStG in den jeweils für das Streitjahr 1996 geltenden Fassungen wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits mit Artikel 3 Abs. 1 des GG unvereinbar und deshalb nichtig seien.

Die Kl. beantragten,

den Einkommensteueränderungsbescheid 1996 vom 26.11.1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25.07.2001 mit der Maßgabe zu ändern, dass Spekulationsgewinne gem. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG in Höhe von 17.971 DM und Einkünfte aus Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG in Höhe von 43.602 DM außer Ansatz bleiben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält unter Hinweis auf die Einspruchsentscheidung an seiner Rechtsauffassung fest. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten sowie auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit Anlagen verwiesen.

Der Senat hat in diesem Verfahren am 03.06.2004, 16.09.2004, 05.04.2005 und 14.09.2006 mündlich verhandelt. Auf die Niederschriften hierüber wird Bezug genommen.

Der Senat hat in diesem Verfahren mit Beschluss vom 05.04.2005, 8 K 4710/01 E (EFG 2005, 1117) das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG und § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG jeweils in der für den Veranlagungszeitraum 1996 maßgeblichen Fassung des Einkommensteuergesetzes vom 07.09.1990 (BGBl I S. 1898) insoweit mit Art. 3 GG unvereinbar und nichtig seien, als im Veranlagungszeitraum 1996 die Durchsetzung des Steueranspruchs bei der Veräußerung von Wertpapieren und bei der Durchführung von Optionsgeschäften wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt werde.

Zur Begründung hat der Senat u. a. ausgeführt, im Veranlagungszeitraum 1996 sei die Durchsetzung dieser Normen bei der Veräußerung von Wertpapieren und bei der Durchführung von Optionsgeschäften wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt worden. Die vom BVerfG in seinem Spekulationsurteil vom 09.03.2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110/94, BStBl. II 2005, 56 getroffenen Feststellungen zum Erhebungsdefizit und die sich daraus ergebenden Rechtsgrundsätze seien auch auf das Jahr 1996 übertragbar. Dem Gesetzgeber habe sich auch für das Jahr 1996 die Erkenntnis aufdrängen müssen, dass für Spekulationsgeschäfte mit Wertpapieren und Optionsrechten die Gleichheit im Belastungserfolg prinzipiell nicht zu erreichen sein würde. In einer Anmerkung zum Zinsurteil des BVerfG vom 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl. II, 1991, 654 habe Felix in FR 1991, S. 375 (389 ff.) darauf hin gewiesen, dass jenes Urteil präjudizielle Wirkung für weitere Steuervollzugsdefizitäre Bereiche entfalten werde; beispielhaft habe Felix die Besteuerung von Wertpapier Spekulationsgeschäften aufgeführt. Außerdem sei auf den Abschlussbericht der Arbeitsgruppe "Steuerausfälle" des Landesfinanzministerium NordrheinWestfalen hinzuweisen, den auch das BVerfG zur Grundlage seines Spekulationsurteils gemacht habe.

Eine Übergangszeit könne nicht mehr das Jahr 1996 umfassen. Der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes seien keine entsprechenden Anhaltspunkte zu entnehmen. Nach dem Bericht des Bundesrechnungshofes vom 24.04.2002 seien "etwa ab dem Jahr 1994 bis zum Ende des Jahres 1996" die Aktienkurse deutlich gestiegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vorlagebeschluss vom 05.04.2005, 8 K 4710/01 E, [...] Dok. Nr. 2005 70706 und EFG 2005, 1117 verwiesen.

Die 3. Kammer des 2. Senats des BVerfG hat die Vorlage mit Beschluss vom 16.04.2006, 2 BvL 8/05 als unzulässig angesehen und zur Begründung ausgeführt:

Das Finanzgericht befasse sich nur ungenügend mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und deren Konsequenzen für die Bemessung einer dem Gesetzgeber hinsichtlich der hier zur Prüfung gestellten Normen einzuräumenden Übergangsfrist zur Korrektur strukturell gegenläufiger Erhebungsregeln. Nach den vom BVerfG im Einzelnen ausgeführten Maßstäben seien zunächst die Fachgerichte dazu zu berufen, die tatsächlichen Grundlagen zu ermitteln und darzustellen, die für die Beantwortung der verfassungsrechtlichen Frage notwendig seien, für welche Jahre der Gesetzgeber für ein strukturelles Vollzugsdefizit bei einer bestimmten Norm des materiellen Steuerrechts verantwortlich gemacht werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des BVerfG vom 18.04.2006, 2 BvL 8/05, [...] Dok. Nr. KVRE 363580601, BFH/NV 2006, Beilage 3, 364, HFR 2006, 716 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der erkennende Senat ist nicht davon überzeugt, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG und § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG jeweils in der für das Streitjahr 1996 maßgeblichen Fassung des EStG vom 07.09.1990, BGBL I, 1990, 1898 insoweit wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG verfassungswidrig und nicht mehr anzuwenden ist, als im Veranlagungszeitraum 1996 die Durchsetzung des Steueranspruchs bei der Veräußerung von Wertpapieren und bei der Durchführung von Optionsgeschäften wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt wird (vgl. unter 1.).

Auf der Grundlage dieser Vorschriften hat das FA zu Recht in dem von den Kl. angegriffenen Einkommensteueränderungsbescheid 1996 vom 26.11.1999 den Gewinn bei der Veräußerung von Optionsrechten (long-Positionen) gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG in Höhe von 26.275,90 DM berücksichtigt und hiervon zutreffend den im selben Jahr erzielten Verlust aus der Veräußerung von Wertpapieren in Höhe von 8.304,46 DM gem. § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG abgezogen, so dass es zutreffend nach diesen Vorschriften insgesamt noch 17.971,44 DM in dem Änderungsbescheid berücksichtigt hat (vgl. unter 2.).

Das FA hat ebenfalls zu Recht den vom Kl. bei der Einräumung von Optionsrechten (short-Positionen) in Höhe von 43.602,23 DM erzielten Gewinn gem. § 22 Nr. 3 EStG im Einkommensteueränderungsbescheid 1996 vom 26.11.1999 der Besteuerung zu Grunde gelegt (vgl. unter 3.).

1. a. Hinsichtlich des möglicherweise bestehenden strukturellen Vollzugsdefizits bei der Anwendung der Vorschriften des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG und des § 22 Nr. 3 EStG ist der Senat nunmehr der Auffassung, dass auch dann, wenn man ein strukturelles Vollzugsdefizit im Veranlagungszeitraum 1996 hinsichtlich der Durchsetzung des Steueranspruchs bei der Veräußerung von Wertpapieren und bei der Durchführung von Optionsgeschäften unterstellt (vgl. dazu auch unter b)), dem Gesetzgeber auch noch für das Jahr 1996 eine Übergangsfrist mit der Folge der Anwendbarkeit der o. a. Vorschriften zuzubilligen ist. Der 2. Senat des BVerfG hat in seinem Urteil vom 09.03.2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl. II 2005, 56 die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG in ihrer für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 geltenden Fassung für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig erklärt, soweit sie Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren betrifft. Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG hatte in ihrer im Streitjahr 1996 gültigen Fassung denselben Wortlaut wie die im konkreten Normenkontrollverfahren 2 BvL 17/02 zur Prüfung gestellte Norm (vgl. BVerfGE 110/94, 95 f.). Der IX. Senat des Bundesfinanzhofes ist in seinen Urteilen vom 01.06.2004, IX R 35/01, BStBl. II 2005, 26 unter II. 2. a und vom 29.06.2004, IX R 26/03, BStBl. II 2004, 995 unter II. 1. a cc zwar davon ausgegangen, dass (auch) in den Jahren 1989 bis 1994 ein vergleichbares Vollzugsdefizit bestanden habe, wie es das BVerfG für die Jahre 1997 und 1998 festgestellt habe; indes hat der IX. Senat des Bundesfinanzhofs in seinen Entscheidungen - unbeschadet eines evtl. strukturellen Vollzugsdefizits - dem Gesetzgeber in den Veranlagungszeiträumen 1989 bis 1994 eine Übergangsfrist mit der Folge der Anwendbarkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG in jenen Jahren zugebilligt. Das Finanzgericht München hat mit Beschluss vom 27.04.2005, 1 V 885/05, EFG 2005, 1199 ausgeführt, es sei auch für das Jahr 1995 auszuschließen, dass das BVerfG den § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b für Wertpapiergeschäfte für nichtig erklären würde; vielmehr sei davon auszugehen, dass trotz gleichheitswidrigen Vollzugsdefizits dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zugebilligt würde, die das Jahr 1995 mitumfasse und innerhalb der die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 1 b EStG wegen des rechtsstaatlichen Kontinuitätsgebots noch anzuwenden sei. Auf die gegen jenen Beschluss eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der IX. Senat des Bundesfinanzhofs mit Beschluss vom 29.11.2005, IX B 80/05; BFH/NV 2006, 716 unter II. 2. die Auffassung des Finanzgerichts München bestätigt und ausgeführt, dass das Finanzgericht zu Recht auch das Jahr 1995 in die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes dem Gesetzgeber zuzubilligende Übergangsfrist einbezogen habe; zwar habe die Finanzverwaltung mit der Arbeitsgruppe Steuerausfälle des Landesministeriums NordrheinWestfalen selbst Erklärungsdefizite bei den Spekulationsgewinnen festgestellt. Deren Ergebnisse hätten aber erst im Jahr 1994 vorgelegen und hätten vom Gesetzgeber noch nicht für das Jahr 1995 umgesetzt werden können (vergleiche zum Vorstehenden Bundesverfassungsgerichtsbeschluss vom 18.04.2006, 2 BvL 8/05, BFH/NV 2006, Beilage 3, 364 unter I. 1.). Der 2. Senat des BVerfG hat die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Beantwortung der Frage, ab wann dem Gesetzgeber ein strukturelles Vollzugsdefizit bei einer einkommensteuerrechtlichen Norm zugerechnet werden kann mit der Folge, dass der mit dem Erhebungsdefizit verbundene Verstoß gegen die tatsächliche Belastungsgleichheit auf die materiellerechtliche Grundlage für die Steuererhebung zurückwirkt, in seinen Urteilenvom 27.06.1991, 2 BvR 1493/89 BVerfGE 84, 239, 272, 284 f. und vom 09.03.2004, 2 BvL 17/02 BVerfGE 110, 94, 136 f. ausgeführt. Danach war dem Gesetzgeber zunächst Gelegenheit zu geben, sich auf die durch das Urteil zur Zinsbesteuerung offen gelegte verfassungsrechtliche Lage einzustellen (BVerfGE 84, 239, 284 f.) . Daraus folgt - entsprechend der im Zinsurteil (BVerfGE 84, 239, 285) bestimmten Übergangsfrist - jedenfalls für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1992, dass dem Gesetzgeber ein eventuelles Vollzugsdefizit einer Norm des materiellen Steuerrechts - auch der §§ 22 und 23 EStG - verfassungsrechtlich schon deshalb nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, weil die auf diesen Fall anzuwendenden gleichheitsrechtlichen Maßstäbe vor Erlass des Zinsurteils noch nicht erkannt worden waren (BVerfGE 84, 239, 284) . Indes hatte die vom 2. Senat des BVerfG in seinem Zinsurteil den Gesetzgeber zur Nachbesserung gesetzte Frist (BVerfGE 84, 239, 284 f.) nur für die materielle Steuernorm des § 22 EStG Gültigkeit, die in jener Entscheidung zur Prüfung gestanden hat. Drängt sich hinsichtlich einer anderen Steuernorm - etwa der Vorschriften der §§ 22 und 23 EStG - dem Gesetzgeber erst nachträglich ein struktureller Erhebungsmangel auf, so trifft ihn zwar die verfassungsrechtliche Pflicht, diesen Mangel binnen angemessener Frist zu beseitigen (BVerfGE 84, 239, 272) . Für die Beantwortung der Frage, ab welchem Kalenderjahr ein Verstoß gegen die tatsächliche Belastungsgleichheit dem Steuergesetzgeber zuzurechnen ist mit der Folge, dass die materiellrechtliche Grundlage für die Steuererhebung selbst verfassungswidrig wird, lassen sich indes keine allgemein gültigen verfassungsrechtlichen Maßstäbe entwickeln; die Antwort hängt maßgeblich von Tatsachen ab, die für jeden Einzelfall einer gleichheitswidrig vollzogenen Steuernorm gesondert festzustellen sind. Insoweit entscheidungserhebliche Tatsachen können beispielsweise Zeitpunkt, Art und Ausmaß der in Fachkreisen öffentlich geführten Diskussionen, die Entwicklung auf Märkten, auf die die einschlägige Besteuerung abzielt, oder die Ergebnisse von Gutachten anerkannter Institutionen oder verwaltungsinterner Untersuchungen sein. So hat der 2. Senat des BVerfG in seinem Urteil vom 09.03.2004, 2 BvL 17/02 u. a. auf den im Jahr 1994 vorgelegten Abschlussbericht der vom Finanzministerium des Landes NordrheinWestfalen eingesetzten Arbeitsgruppe "Steuerausfälle" abgestellt (vgl. im Einzelnen BVerfGE 110, 94, 98 f. und 136 f.), die Entwicklung der Börsenkurse betrachtet (BVerfGE 110, 94, 137) und die Reaktion des Gesetzgebers auf seit 1997 bestehende Differenzen in der Rechtsprechung des VII. und des VIII. des Bundesfinanzhofes und auf die in den Jahren ab 1999 festzustellende Diskussion zur Besteuerungswirklichkeit bei der dort zur Prüfung gestellten Norm gewürdigt (BVerfGE 110, 94, 99 ff. und 137). Auch können in verschiedenen Veranlagungszeiträumen unterschiedliche Tatsachen von Bedeutung sein oder die gleichen Tatsachen unterschiedlich zu gewichten sein (vgl. zum Vorstehenden BVerfGBeschluss vom 18.04.2006, 2 BvL 8/05 a.a.O. unter II. 2. aa). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ist der Senat nunmehr abweichend von seiner Auffassung im Vorlagebeschluss vom 05.04.2005, 8 K 4710/01 E, der Meinung, dass die o. a. Vorschriften des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b und § 22 Nr. 3 EStG auch bei Unterstellung eines Vollzugsdefizits für das Jahr 1996 noch anzuwenden sind. Die dem Gesetzgeber insoweit zuzubilligende Übergangsfrist umfasst deshalb ebenfalls noch das Streitjahr 1996, weil die Frage des gleichheitswidrigen Vollzugsdefizits in der Fachwelt für die Vorschrift des § 20 EStG (vgl. die Nachweise in BVerfGE 84, 239 , BStBl. II 1991, 654 unter C. II. 1. b dd der Gründe) deutlich früher aufgeworfen worden sind, als für § 23 EStG (vgl. dazu die Nachweise im Urteil des BVerfG vom 09.03.2004, 2 BvR 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl. II 2005, 56 unter A. I. 4. der Gründe). Zwar gab es für den Gesetzgeber auch bereits vor 1996 Möglichkeiten zu der Erkenntnis zu kommen, dass auch bei Wertpapiergeschäften einschließlich von Optionsgeschäften sowohl bei longPositionen als auch bei shortPositionen ein strukturelles Vollzugsdefizit vorhanden sein konnte. Für den Gesetzgeber, d. h. hier konkret vor allem für die Finanzverwaltung, die dem Gesetzgeber häufig bei den als notwendig angesehenen Änderungen von steuerrechtlichen Vorschriften mit Vorschlägen durch Erstellung von KabinettVorlagen zuarbeitet, konnte z. B. der Aufsatz von Felix in FR 1991, 375, 389 ff., ein Anlass sein, sich mit den dort aufgeführten möglicherweise bestehenden strukturellen Vollzugsdefiziten im Einzelnen näher zu befassen. Es ist allerdings für den Senat nicht ersichtlich, ob dieses geschehen ist. Nach den Ausführungen des Bundesfinanzministeriums in der Stellungnahme zum Vorlagebeschluss des erkennenden Senats hat allerdings erstmals die im Jahre 1994 vom Finanzminister des Landes NordrheinWestfalen eingesetzte Arbeitsgruppe "Steuerausfälle" angeführt, dass Spekulationseinkünfte nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG weitgehend nicht erklärt würden. Die beiden o. a. genannten Anhaltspunkte waren für den erkennenden Senat neben der Tatsache, dass nach dem Bericht des Bundesrechnungshofs vom 24.04.2002, BT Drucks 14/8863 Seite 4 ab dem Jahr 1994 bis zum Ende des Jahres 1999 die Aktienkurse deutlich gestiegen sind, für die vom Senat vertretene Auffassung im Vorlagebeschluss vom 05.04.2005 maßgebend, dass sich die Gesetzgeber schon 1996 die Erkenntnis eines gleichheitswidrigen Gesetzesvollzugs habe aufdrängen müssen. Der Senat ist aber nunmehr mit der 3. Kammer des 2. Sentas des BVerfG der Meinung, dass allein aufgrund dieser Gesichtspunkte nicht zwingend bereits für das Jahr 1996 vom Ablauf einer dem Gesetzgeber einzuräumenden Übergangsfrist ausgegangen werden muss. Der Gesetzgeber ist im Bereich des Einkommensteuerrechts in erster Linie der damalige Deutsche Bundestag. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Mitglieder des damaligen Deutschen Bundestages bereits in 1995 die Erkenntnis eines Vollzugsdefizits im Bereich der einkommensteuerlich relevanten Spekulationsgeschäfte haben konnten oder mussten und sie deshalb als Gesetzgeber hätten handeln müssen. In der breiten Öffentlichkeit einschließlich der Presse bzw. der Fachpresse ist hierüber nicht diskutiert worden. Dies wird bestätigt durch die weiteren Ausführungen des Bundesfinanzministeriums in seiner Stellungnahme gegenüber dem BVerfG (vgl. Beschluss des BVerfG vom 18.04.2006, 2 BvL 8/05 a.a.O. unter I. 4. aa der Gründe). Danach hat sich aufgrund der Situation an den Aktienmärkten im Jahr 1996 die Frage der Verifikation von Spekulationsgeschäften aus privaten Veräußerungsgeschäften noch nicht in vergleichbarem Maß wie für die beiden Folgejahre gestellt, da - wie auch die Kurzstudie 1/98 des deutschen BInstituts e. V. zeige - erst im Jahre 1996 ein verstärkter Erwerb von Aktien durch private Haushalte eingesetzt habe, der im Jahr 1997 durch eine positive Entwicklung des DAX unterstützt worden sei. Für die Jahre 1997 und 1998 habe sich eine wesentlich andere Situation als im Jahr 1996 ergeben.

b. Hiervon unabhängig meint der Senat im Übrigen nunmehr, dass das strukturelle Vollzugsdefizit, dass der Senat hinsichtlich der in seinem Vorlagebeschluss vom 05.04.2005, 8 K 4710/01 E, a.a.O. genannten Vorschriften für das Jahr 1996 noch bejaht hat, nicht mehr besteht. Das strukturelle Vollzugsdefizit ist durch das erst mit Wirkung ab dem 01.04.2005 durch das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom 23.12.2003 (BGBl I 2003, 2928) eingeführte gesetzliche Kontenabrufverfahren ( § 93 Abs. 7, § 93b AO) auch bereits für wesentlich frühere Zeiträume als behoben zu beurteilen. Hinsichtlich der Nichtdeklaration von Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1999 eines seit 1999 bestehenden Depots hat der BFH im Urteil vom 29.11.2005, IX R 49/04 BStBl. II 2006, 178. zutreffend für den Veranlagungszeitraum 1999 ausgeführt, dass ein normatives Defizit bei den Erhebungsregeln jedenfalls nach der Einführung des sogenannten Kontenabrufverfahrens nicht mehr besteht. Zur Begründung hat der BFH ausgeführt: "Nach § 93 Abs. 7 AO kann das FA bei den Kreditinstituten über das Bundesamt für Finanzen einzelne Daten aus den nach § 93 b Abs. 1 AO zu führenden Dateien abrufen, wenn dies zur Festsetzung oder Erhebung von Steuern erforderlich ist und ein Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen nicht zum Ziele geführt hat oder keinen Erfolg verspricht. Welche Daten dies sind, ergibt sich aus § 24 c des Kreditwesengesetzes (KWG). Danach müssten die Kreditinstitute eine Datei führen, in der sie die in dessen Abs.1 Nr. 1 und 2 genannten Daten speichern, nämlich die Nummer eines Kontos, das der Verpflichtung zur Legitimationsprüfung im Sinne des § 154 Abs. 2 Satz 1 AO unterliegt, oder eines Depots sowie der Tag der Errichtung und der Tag der Auflösung und der Name, sowie bei natürlichen Personen der Tag der Geburt, des Inhabers und eines Verfügungsberechtigten sowie der Name und die Anschrift eines abweichend wirtschaftlich Berechtigten ( § 8 Abs. 1 des Gesetzes über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten). Aufgrund dieser Rechtsgrundlagen können die Finanzbehörden nach näherer Maßgabe der im Zusammenhang mit diesen Vorschriften erlassenen Verwaltungsanweisung, die im durch BMF-Schreiben vom 10.03.2005 (BStBl. I 2005, 422) geänderten Anwendungserlass zur Abgabenordnung enthalten sind und die §§ 92 und 93 AO (Auskunftsersuchen; Kontenabruf) betreffen, bei den Kreditinstituten die o. g. Daten abrufen, wenn dies zur Festsetzung oder Erhebung von Steuern erforderlich ist. Der einzelfallbezogene, bedarfsgerechte und gezielte Zugriff auf Kontostammdaten verschafft der Finanzbehörde zunächst zwar nur die Kenntnis über das Bestehen von Konten (BT Drucks. 15/1309, S. 2) und damit noch nicht die zur Ermittlung der für belastende Maßnahmen hinreichenden Tatsachen. Es ermöglicht aber weitere Ermittlungen, um sie aufzufinden. Denn nur dann, wenn das FA erfahren hat, bei welchem Kreditinstitut der Steuerpflichtige ein Konto oder ein Depot unterhält, kann es vom Kreditinstitut nach § 93 Abs. 1 AO Auskunft über Konten- oder Depotbewegungen verlangen. Deshalb führt die Kontenabfrage zur Effektivierung bestehender Ermittlungsmöglichkeiten (BVerfG-Beschluss vom 22.03.2005, 1 BvR 2357/04, 1 BvQ 2/05, BVerfGE 112, 284; BFH/NV 2005, Beilage 3, 251; DStRE 2005, 482, m. w. N.). Dieses Verfahren führt zu einer umfassenden Verifizierung der vom Steuerpflichtigen zu erklärenden Einkünfte aus der Veräußerung von Wertpapieren, so dass von einem strukturellen Vollzugsdefizit nicht (mehr) auszugehen ist. Zwar können Finanzbehörden Konten und Depots nicht routinemäßig oder stichprobenhaft abrufen, sondern nur wenn dies im Einzelfall zur Festsetzung oder Erhebung von Steuern erforderlich ist. Dabei ist indes ein begründeter Verdacht steuerlicher Unregelmäßigkeiten nicht notwendig (vgl. Stahl, Kölner Steuerdialog - KÖSDI - 7/2005, 14704 ff., m. w. N.); ein hinreichender Anlass für Ermittlungsmaßnahmen ist schon dann zu bejahen, wenn auf Grund konkreter Anhaltspunkte oder auf Grund allgemeiner Erfahrungen die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 16.07.2002, IX R 62/99, BStBl. II 2003, 74, unter B III. 3 d am Ende; vgl. auch Anwendungserlass zur AO zu § 93 Abs. 7 AO Nr. 2). So kann die ungeklärte Herkunft von Eigenmitteln ebenso einen Kontenabruf angezeigt sein lassen, wie z. B. das (jahrelange) Halten eines Depots, ohne das weitere Veräußerungsgeschäfte deklariert wurden." (vgl. zum Vorstehenden BFH-Urteil vom 29.11.2005, IX R 49/04 BStBl. II 2006, 178 unter II. 2. b der Gründe). Auf Grund des Kontenabrufverfahrens können Erkenntnisse auch bezogen auf das Streitjahr 1996 gewonnen werden. Der Senat schließt sich hierzu den Erwägungen an, die der BFH in seinem Urteil vom 29.11.2005, IX R 49/04 a.a.O. unter II. 2. b bb der Gründe (insoweit für das Jahr 1999) angestellt hat und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Erwägungen. Die Vollzugsmöglichkeiten sind auch für das Streitjahr 1996 durch die Möglichkeit des Kontenabrufs effektiver ausgestaltet worden. Ebenso wie für den Veranlagungszeitraum 1996, der dem BFH-Urteil vom 29.11.2005, IX R 49/04 a.a.O. zu Grunde lag, gilt die auf 10 Jahre verlängerte Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) auch noch für den Veranlagungszeitraum 1996. Denn bei einer Abgabe der Einkommensteuererklärung in 1997 läuft die verlängerte Festsetzungsfrist frühestens zum 31.12.2007 ab. Werden Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht erklärt - und nur diese Fälle bilden die "Archillesferse" des Vollzugsdefizits -, so ist regelmäßig der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt (BFH-Urteil vom 29.11.2005 a.a.O. unter II. 2. b bb (5.) der Gründe m. w. N.). Das vor Einführung des sogenannten Kontenabrufverfahrens bestehende Vollzugsdefizit konnte rechtlich auch nachträglich beseitigt werden. Auch das BVerfG hält in seinem Urteil vom 09.03.2004, 2 BvL 17/02 a.a.O. unter C. III. 3. d der Gründe "Nachbesserungen" der Bundes- und Landesfinanzverwaltungen beim Vollzug für möglich. Dies gilt aber erst Recht für gesetzliche Nachbesserungen wie sie mit dem automatisierten Kontenabruf vorgenommen wurden. Dabei kann offen bleiben, ob und inwieweit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b und § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG vor der Einführung dieses Verfahrens deshalb verfassungsrechtlich problematisch war, weil der Gesetzgeber bis zur Einführung der Auskunftsmöglichkeiten gem. § 93 Abs. 7 i. V. m. § 93 b AO mit der rechtlichen Gestaltung des Erhebungsverfahrens die Gleichheit im Belastungserfolg prinzipiell verfehlt hat. Denn es handelt sich - allenfalls - um eine bloß temporäre Unvereinbarkeit, die die Norm so lange unanwendbar macht, als die Vollzugsmängel bestehen (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.2005, IX R 49/04 a.a.O. unter II. 2. b bb (5.) der Gründe m. w. N.). Es wird zwar vereinzelt in der Literatur bezweifelt, dass das erst zum 01.04.2005 eingeführte Kontenabrufverfahren wirklich, wie der BFH meint, bereits eine ausreichende, zur Heilung des § 23 EStG führende Wirkung für die Veranlagungszeiträume ab 1999, und das gilt genauso für das Jahr 1996, zu entfalten vermag (kritisch Harenberg in NWB-Fach 3, 13819, 13823). Die zum 01.04.2003 beim Bundesamt für Finanzen errichtete sogenannten Kontenevidenzzentrale konnte die zum 31.12.1999 bereits geschlossenen Kontenverbindungen nicht mehr erfassen. Die Finanzverwaltung hat darüber hinaus erstmals zum 01.04.2005 Zugriff auf die Daten der Kontenevidenzzentrale. Der BFH hat indes das aus der Löschung sämtlicher Kontenverbindungen der bereits 1999 bestehenden Kontenverbindungen innerhalb der letzten drei Jahre sich ergebende Verifikationsproblem gesehen. Indes bewertet er dieses mehr als eine empirische, verfassungsrechtlich also nicht durchschlagende Ineffizienz der Rechtsnorm. Ergänzend weist der BFH darauf hin, dass nach den Feststellungen des dem Verfahren beigetretenen BMF davon auszugehen sei, dass nur ein geringer Teil von Bankkunden sämtliche, bereits im Jahre 1999 bestehende Kontenverbindungen mit einer Bank in den letzten Jahren gekündigt habe. Deshalb sei - wie das BMF in seiner Stellungnahme zutreffend hervorhebe - im Regelfall auch für das Streitjahr 1999 die Durchsetzung des Besteuerungsanspruchs bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren gewährleistet (BFH-Urteil vom 29.11.2005, IX R 49/04 a.a.O. unter II. 2. e der Gründe). Der Senat schließt sich dieser Beurteilung des BFH auch für das hier vorliegende Streitjahr 1996 an. Der Senat geht dabei davon aus, dass das Instrument der Kontenabfrage auch von der Finanzverwaltung intensiv genutzt wird. Dies wird nach Auffassung des Senats auch zu einer nachträglichen Überprüfung der Veranlagungen 1996 führen, in denen die Nichterklärung von Spekulationseinkünften auf Grund konkreter Momente oder auf Grund allgemeiner Erfahrungen einen Kontenabruf angezeigt erscheinen lässt (vgl. dazu Rdn. 2. 3. des BMF-Schreibens vom 10.03.2005, BStBl. I 2005, 422).

Der Senat sieht sich in seiner Auffassung auch durch das BFH-Urteil vom 07.09.2005, VIII R 90/04, BStBl. II 2006, 61 bestätigt. Darin meint der BFH, dass soweit der Gesetzgeber Anlass zur Nachbesserung der Zinsbesteuerung gem. § 20 EStG gehabt habe, er dieser Verantwortung für die Veranlagungszeiträume seit 1998 gerecht geworden sei. Der Gesetzgeber habe seit 1998 das im Regelfall der Besteuerung zur Anwendung kommende Ermittlungsinstrumentarium der Finanzämter kontinuierlich wesentlich erweitert und so im Ergebnis nahezu lückenlose Kontrollmöglichkeiten geschaffen. Zur Begründung stellt der BFH ebenfalls für die Verfassungsmäßigkeit der Zinsbesteuerung ab 1998 entscheidend auf die ab 01.04.2005 bestehende Kontenabfragemöglichkeit der Finanzverwaltung ab.

Das Finanzamt hat zu Recht in dem von den Kl. angegriffenen Einkommensteueränderungsbescheid 1996 vom 26.11.1999 den Gewinn bei der Veräußerung von Optionsrechten (long-Positionen) gem. §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG in Höhe von 26.275,90 DM berücksichtigt und hiervon zutreffend den im selben Jahr erzielten Verlust aus der Veräußerung von Wertpapieren in Höhe von 8.304,46 DM gem. § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG abgezogen, so dass zutreffend nach diesen Vorschriften insgesamt noch 17.971,44 DM in dem Änderungsbescheid berücksichtigt worden sind.

a) Der Kl. war im Rahmen der von ihm getätigten Wertpapiergeschäfte und der von ihm an der deutschen Terminbörse (jetzt EUREX) getätigten Optionsgeschäfte nicht gewerblich im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG tätig. Er hat mit seinem Wertpapierhandel bzw. Optionshandel die Grenzen privater Vermögensverwaltung nicht überschritten. Die Optionsgeschäfte haben nach Art, Anzahl und Volumen den Rahmen an einer privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten. Der Kl. hat keine speziell gewonnenen beruflichen Erfahrungen eingesetzt und ist stets nur für eigene Rechnung tätig geworden. Er hat außerdem kein eigenes Büro unterhalten und für die Durchführung der Aufträge eine Bank eingeschaltet. Wegen der Gründe im Einzelnen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die den Beteiligten bekannten Gründe im Vorlagebeschluss des Senats vom 05.04.2005, 8 K 4710/01 E, unter B. I. a. der Gründe Bezug.

b) Ein Spekulationsgeschäft ( § 22 Nr. 2 EStG) ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG die Veräußerung von Wirtschaftsgütern, insbesondere von Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als sechs Monate beträgt. Die Regelung erfasst nur Veräußerungsgeschäfte über Wirtschaftsgüter. Der Begriff Wirtschaftsgut entspricht grundsätzlich demjenigen der übrigen Einkunftsarten (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.1978 VIII R 72/76 BStBl. II 1979, 298) und umfasst sämtliche vermögenswerte Vorteile, die selbständig bewertbar und längerfristig nutzbar sind. Selbständige Wirtschaftsgüter sind deshalb auch entgeltlich erworbene Optionsrechte; ihre Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist unterliegt nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG der Besteuerung (vgl. bereits BFH-Urteil vom 19.05.1982 I R 257/78 BStBl. II 1982, 768). Für den Erwerb und die Veräußerung von Wertpapieroptionen gelten keine Besonderheiten. Inhalt eines solchen Optionsgeschäftes ist der Erwerb oder die Veräußerung des Rechts, eine bestimmte Anzahl von Wertpapieren einer bestimmten, zum Optionshandel zugelassenen Aktienart (Basisaktien) jederzeit während der Laufzeit der Option zu einem im voraus vereinbarten Preis (Basispreis) entweder vom Kontrahenten (Stillhalter) zu kaufen (Kaufoption) oder an ihn zu verkaufen (Verkaufsoption). Für dieses Recht hat der Inhaber der Option bei Abschluss des Optionsgeschäftes die Optionsprämie zu zahlen. Allerdings ist das "Optionsrecht" nicht schon beim Optionsgeber (Stillhalter) ein - selbstgeschaffenes - selbständiges, im Vermögensbereich übertragbares Wirtschaftsgut (BFH-Urteil vom 28.11.1984 I R 290/81, BStBl. II 1985, 264; BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300 m. w. N.). Das wird es erst in der Hand des Optionsnehmers, der gegen Zahlung der Optionsprämie das Optionsrecht erworben hat. Der Gewinn aus der Veräußerung des entgeltlich erworbenen Optionsrechtes an einen Dritten innerhalb der Spekulationsfrist unterliegt deshalb nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG der Einkommensteuer (BFH-Urteil vom 21.07.1995 X B 167/94 BFH/NV 1996, 34 m. w. N. aus der Literatur und Rechtsprechung der Finanzgerichte). Es ist aber ohne Bedeutung, ob zivilrechtlich nicht nur der Ersterwerb der Option vom Stillhalter (Primärgeschäft), sondern auch die Weiterveräußerung des Optionsrechtes durch oder an eine nicht termingeschäftsfähige Person (Sekundärgeschäft) ein unverbindliches Börsentermingeschäft i. S. d. §§ 50 ff Börsengesetz ist (verneinend für Geschäfte mit abgetrennten Aktienoptionsscheinen: BGH-Urteil vom 16.04.1991 XI Z R 88/90 BGHZ 114, 177; bejahend für Verträge über Weiterveräußerung, Rückkauf und Aufhebung laufender unverbriefter Aktienoptionen: BGH-Urteil vom 04.02.1992 XI ZR 32/91 BGHZ 117, 135) und/oder dem Differenzeinwand ( §§ 762, 764 BGB) unterliegt. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass Differenzgeschäfte wegen ihres "Spielcharakters" schlechthin nicht steuerbar wären, gibt es nicht (BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300). Für die Anwendung der §§ 22 Nr. 2, 23 EStG ist allein entscheidend, ob es sich um ein Rechtsgeschäft handelt, das auf die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsgutes an eine andere Person gerichtet ist. Dass nach bürgerlichem Recht Ansprüche aus Differenzgeschäften zwar erfüllbar, aber nicht einklagbar sind, ist für den Tatbestand des § 22 Nr. 2, § 23 EStG ohne Bedeutung. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungen des BFH vom 08.12.1981 VIII R 125/79 BStBl. II 1982, 618 und vom 25.08.1987 IX R 65/86 BStBl. II 1988, 248. Nach dieser Rechtsprechung ist bei Devisentermingeschäften wegen des Fehlens einer Verpflichtung zur Lieferung von Gegenständen der Tatbestand des Spekulationsgeschäftes (§ 22 Nr. 2, § 23 EStG) und mangels entgeltlicher Leistung der Tatbestand des §§ 22 Nr. 3 EStG nicht erfüllt. Im Streitfall dagegen hat der Kl. die entgeltlich erworbenen Optionsrechte während der Laufzeit der Option innerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG durch Glattstellung veräußert (vgl. dazu unten). Der von ihm erzielte Überschuss ist - auch wenn bei Nichtausübung der Option durch den Letzterwerber letztlich nur Kurserwartungen und Kursdifferenzen den Wert des Optionsrechtes bei Erwerb und Veräußerung beeinflusst haben - Ergebnis des auf effektive Übertragung des Optionsrechtes gerichteten und tatsächlich durchgeführten Vertrages und deshalb ein Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 22 Nr. 2, § 23 EStG (vgl. zum Vorstehenden BFH-Urteil vom 24.07.1996 X R 139/93 BFH/NV 1997, 105 m. w. N.). Das Optionsgeschäft endet entweder mit Ausübung der Option oder deren Verfall. Ebenso wie dem Optionsgeschäft unbeschadet des möglichen Differenzcharakters des nachfolgenden Kauf- oder Verkaufsgeschäfts steuerrechtlich ein Anschaffungsgeschäft zugrunde liegt (vgl. BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300), lässt auch die gleichzeitige Anschaffung und Veräußerung von Kauf- und Verkaufsoptionen die Leistungsverpflichtung der Optionsgeber unberührt (vgl. Giloy DStZ 1991, 551). Diese Rechtsgrundsätze treffen auch für die an der Deutschen Terminbörse (DTB) - jetzt EUREX - getätigten Optionsgeschäfte in der Form standardisierter Doppeloptionen (sogenannte Closing-Trades) zu. Deshalb kann ein Doppeloptionsgeschäft an der DTB auch kein (verdecktes) Differenzgeschäft sein. Anders als bei den steuerfreien Differenzgeschäften im Sinne der BFH-Rechtsprechung, denen Kaufverträge zugrunde liegen, besteht bei Doppel-Optionsgeschäften, die Leistungsverpflichtung des Optionsgebers allein im Leistungsaustausch zur Optionsprämie. Die Verwertung der Option ist ein nachfolgender, eigenständig zu beurteilender Vorgang (vgl. Giloy DStZ 1991, 551 und Warnke in Lademann/Söffing, Brockhoff Kommentar zum EStG, Stand März 1998, § 23 Rdn. 253). Die Closing Trades führen durch Kombinationen unterschiedlicher Basisgeschäfte (Kauf/Verkaufsoptionen) unter unmittelbarer Verrechnung der Rechte und Pflichten aus beiden Geschäften zur Glattstellung. Wie dieses Institut der sogenannten Glattstellung einer Kauf-Position an der DTB (jetzt EUREX) steuerlich zu beurteilen ist, war lange Zeit unklar bzw. streitig. Inzwischen dürfte mit den beiden BFH-Urteilen vom 24.06.2003 IX R 2/02 BStBl. II 2003, 752 und vom 29.06.2004 IX R 26/03 BStBl. II 2004, 995 eine Klärung erfolgt sein. Der Senat hat sich im Vorlagebeschluss vom 05.04.2005, 8 K 4710/01 E, unter B. I.

2. nach Darstellung der unterschiedlichen Auffassungen in der Literatur zur Steuerpflicht von Glattstellungsgeschäften bei long-Positionen der Rechtsauffassung des BFH in dessen Urteilen von 24.06.2003, IX R 2/02, BStBl. II 2003, 752 und vom 29.06.2004, IX R 26/03, BStBl. II 2004, 995 angeschlossen. Hieran hält er fest. Zu den Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines Spekulationsgeschäftes sein können, zählen auch Optionen. Denn es handelt sich um vermögenswerte Vorteile, die selbstständig bewertbar und längerfristig nutzbar sind. Der Begriff des Wirtschaftsguts wird in § 23 Abs. 1 EStG in keinem anderen Sinne gebraucht, als in den Vorschriften über die übrigen Einkommensarten. Das gilt auch für die an der DTB (jetzt: EUREX) gehandelten Optionen. Der Erwerber einer Put/Call-Option erwirbt bei einer Option im konventionellen Handel das Recht, vom Stilhalter jederzeit während der Laufzeit der Option (amerikanische Variante) oder zu einem vorgegebenen Zeitpunkt (europäische Variante) die den Gegenstand des Optionsgeschäfts bildenden Wertpapiere oder Rechte zum vereinbarten Preis zu kaufen oder an ihn zu verkaufen. Für dieses Recht hat der Erwerber bei Abschluss des Optionsgeschäftes die Optionsprämie zu zahlen. Der Kl. hat die erworbenen Optionen durch Gegengeschäfte veräußert. Das Gegengeschäft, mit dem der Optionsberechtigte seine Position glattstellt, führt zu einer Veräußerung der Option (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil vom 24.06.2003, IX R 2/02 a.a.O. m. w. N.). Die vom BFH vorgenommene Beurteilung wird am besten dem Sinn und Zweck des Gesetzes gerecht. Mit der Glattstellung werden die Werterhöhungen des Optionsrechtes realisiert. Der Optionsberechtigte erhält für das Gegengeschäft, mit dem er Optionsrechte in gleicher Serie verkauft, eine Prämie, die den Wert der (erworbenen) Optionsrechte repräsentiert. Zwar verkauft er nicht die erworbenen Optionen, aber Positionen der gleichen Serie und zwar genau mit dem Ziel, eine Werterhöhung zu verwirklichen. Dann ist aber neben dem Wortlaut auch der Zweck erfüllt, den das Gesetz mit der Besteuerung der privaten Veräußerungsgeschäfte verbindet; denn mit der Glattstellung realisiert der Optionsberechtigte die Wertsteigerung im Privatvermögen in Form erzielter Kursgewinne (vgl. auch Heuermann DB 2003, 1919, 1921) . Bei diesen oben dargestellten Optionsgeschäften (long-Positionen) an der DTB kommt es entgegen der Auffassung der Kl. auch nicht darauf an, dass die zugrundeliegenden Basiswerte bei Optionen, die - wie hier - teilweise nicht auf Aktien gerichtet sind, sondern von der Entwicklung des DAX abhängig sind, nicht geliefert werden können. Denn entscheidend ist nicht, wie ein dem Optionsgeschäft nachfolgendes Ausführungsgeschäft abgewickelt wird oder werden kann. Entscheidend ist, dass der Erwerber einer Option, unabhängig davon, welcher Basiswert der Option zugrunde liegt, ein Wirtschaftsgut erwirbt, welches er im konventionellen Handel durch Veräußerung an Dritte oder vorliegend an der DTB durch ein Glattstellungsgeschäft mit eventuellem wirtschaftlichen Gewinn veräußern kann. Dies wird ihm an der DTB durch die dort praktizierte Art der Geschäftsabwicklung unabhängig davon ermöglicht, ob bei einer Ausübung der Option der Basiswert geliefert werden kann. Wenn der zugrunde liegende Wert nicht geliefert wird oder nicht geliefert werden kann (z. B. bei einem Index-Wert) wandelt sich die Verpflichtung aus der Option in einen Barausgleich. Das ändert aber entgegen der Auffassung der Kl. nichts daran, dass das Optionsrecht selbst als fungibler Gegenstand das für § 23 EStG maßgebende Wirtschaftsgut ist (BFH-Urteil vom 29.06.2004 IX R 26/03 BStBl. II 2004, 995 für Devisenoptionen). Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat auf die den Beteiligten bekannten Gründe im Vorlagebeschluss des Senats vom 05.04.2005, 8 K 4710/01 E, unter B. I. 2. der Gründe Bezug.

3. Das Finanzamt hat ebenfalls zu Recht die Optionsprämien, die der Kl. als Stillhalter für das Einräumen von Optionsrechten (short-Positionen) erhalten hat, als Einkünfte aus Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG der Besteuerung zu Grunde gelegt und dabei die vom Kl. bei den Glattstellungsgeschäften gezahlten Optionsprämien als Werbungskosten berücksichtigt.

Leistungen im Sinne von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das um des Entgeltes Willen erbracht wird; ausgenommen sind Veräußerungsvorgänge und veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Entgelt dafür erbracht wird, dass ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird (Urteile des BFH vom 21.09.1982 VIII R 73/79 BStBl. II 1983, 201; vom 28.11.1984 I R 290/81 BStBl. II 1985, 264; vom 9.08.1990 X R 140/88 BStBl. II 1990, 1026).

Unter diese Vorschrift fällt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, auch das Entgelt, das der Stillhalter als Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch die Begebung des Optionsrechts eingeht, unabhängig vom Zustandekommen des Wertpapiergeschäfts allein für die Stillhaltung erhält. Dies gilt auch für den Optionshandel an der DTB (BFH-Urteil vom 29.06.2004 IX R 26/03 BStBl. II 2004, 995 m. w. N.).

Bei den umstrittenen Optionsgeschäften handelt es sich nicht um Veräußerungsvorgänge oder um veräußerungsähnliche Vorgänge, bei denen ein Entgelt dafür gezahlt wird, dass ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird (vgl. oben).

Der Erwerber einer Put-Call-Option erwirbt das Recht, vom Stillhalter jederzeit während der Laufzeit der Option (amerikanische Variante) oder zum vorgegebenen Zeitpunkt (europäische Variante) die den Gegenstand des Optionsgeschäfts bildenden Wertpapiere oder Rechte zum vereinbarten Preis zu kaufen oder an ihn zu verkaufen (BFH-Urteile vom 28.11.1984 I R 290/81 BStBl. II 1985, 264; vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300; vgl. auch BGH-Urteile vom 16.02.1981 II ZR 179/80 BGHZ 80, 80; vom 22.10.1984 II ZR 262/83, BGHZ 92, 317). Dem entspricht die Verpflichtung des Stillhalters, die Ausübung der Option zu dulden und sich zur Erfüllung Leistungs- oder Abnahmepflichten bzgl. des Gegenstandes der Option bereit zu halten. Diese Bindung an sein Vertragsangebot nimmt dem Stillhalter die Befugnis im Rechtssinne, über den Optionsgegenstand - im Falle einer Verkaufsoption gleichsam "negativ" - zu verfügen. Umgekehrt ermöglicht sie dem Optionsnehmer, für eine bestimmte Zeit Kursänderungen oder sonst bedeutsame Umstände zu Lasten des Stillhalters auszunutzen und so auf dessen Kosten zu spekulieren. Mit dem dargestellten Inhalt bedeutet das Stillhalten durch den Optionsverkäufer eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, die losgelöst von dem etwa nachfolgenden Effektengeschäft zu beurteilen ist. Es handelt sich nicht um eine Neben-, sondern um die eigentliche Hauptleistung des Verkäufers des Optionsvertrages, die inhaltlich spiegelbildlich dem Optionsrecht des Optionsnehmers entspricht. Das vom Optionsverkäufer hierfür bezogene Entgelt dient seiner Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch die Begebung des Optionsrechts eingeht (vgl. oben).

Ungeachtet des spekulativen Charakters des Optionsgeschäfts und der dadurch bedingten rechtlichen Nähe zum Termineinwand ( § 50 ff. des Börsengesetzes in der Fassung vor dem Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes vom 11.07.1989 BGBl I 1989, 1412) und zum Differenzeinwand ( §§ 762 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches) erbringt der Stillhalter durch das vereinbarungsgemäße Bereithalten von Geldbeträgen bzw. Wertpapieren gegen Erhalt der Optionsprämie eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung gegen Entgelt, die auch in steuerrechtlicher Hinsicht losgelöst von einem etwa nachfolgenden Wertpapiergeschäft zu beurteilen ist. Der Optionsvertrag und das Wertpapiergeschäft sind wirtschaftlich und rechtlich nicht derart miteinander verknüpft, dass sie steuerrechtlich als Einheit aufzufassen wären.

Die Leistung des Stillhalters ist ein wirtschaftlich relevantes Verhalten, das als solches marktgerecht vergütet wird. Die eigenständige wirtschaftliche Bedeutung des Wertpapieroptionsgeschäftes liegt insbesondere darin, dass der Anleger durch den Erwerb von Kaufoptionen mit einem gegenüber dem Erwerb der Basiswerte per Kasse relativ geringen Kapitaleinsatz an möglichen Kurssteigerungen der Basiswerte teilhaben kann (Hebel- oder Leverage-Effekt). Durch Optionskombinationen kann er unterschiedliche Anlagestrategien verfolgen und Verluste begrenzen. Der Stillhalter seinerseits spekuliert darauf, dass sein Vertragspartner die Option verfallen lässt. Tritt dieser Fall ein, ist offenkundig, dass mit der verbleibenden Prämie lediglich die Einräumung der Option abgegolten wurde. Das wirtschaftliche Eigengewicht des Wertpapieroptionsgeschäftes kommt weiterhin darin zum Ausdruck, dass seit geraumer Zeit Optionen Gegenstand eines Sekundärmarktes sind; Gewinne können auch durch die Veräußerung der laufenden Option realisiert werden (vgl. BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300 unter I. 2 d der Gründe m. w. N.).

Die Leistung des Optionsgebers ist auch dann nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar, wenn das Optionsgeschäft zivilrechtlich ein Differenzgeschäft im Sinne des § 764 BGB sein sollte. In Übereinstimmung mit dem BFHUrteil vom 28.11.1984 I R 290/81 BStBl. II 1985, 264 (unter III.) ist darauf abzustellen, dass das Optionsgeschäft von beiden Vertragsteilen durch die Einräumung des Optionsrechts einerseits und durch die Zahlung des Optionsentgelts andererseits voll erfüllt wird. Anders als bei privaten Waren und Devisentermingeschäften "in der Art eines Differenzgeschäftes", bei denen nach Auffassung des VIII. Senats des BFH eine bürgerlichrechtliche Beurteilung "mit der Rechtsfolge aus § 117 Abs. 1 und 2 BGB" (BFHUrteil vom 8.12.1981 VIII R 125/79 BStBl. II 1982, 618, 620 unter 1 b aa) zur Verneinung eines schuldrechtlich wirksamen Anschaffungs bzw. Veräußerungsgeschäfts führt, wird die im Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG vorausgesetzte Leistung, die dann auch tatsächlich erbracht wird, durch eine Bewertung als Differenzgeschäft ( § 764 BGB) nicht ausgeschlossen.

Ob bereits das optionsbegründende Rechtsgeschäft unter denselben Voraussetzungen wie das anschließende Wertpapiergeschäft dem Differenzeinwand unterliegt, ist umstritten (vgl. zum Meinungsstand die Zitate im BFHUrteil vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300 unter I. 5 der Gründe). Diese Frage kann hier indes dahingestellt bleiben. Auch wenn man die Eigenschaft des Wertpapieroptionsgeschäftes als Differenzgeschäft bejahen wollte, besagte dies nur, dass die Optionsprämie als Entgelt für das Stillhalten denselben bürgerlichrechtlichen Bestimmungen unterliegt wie das Differenzgeschäft. Ob "Geschäfte mit Spielcharakter" steuerbar sind, richtet sich nach dem jeweils einschlägigen Steuertatbestand. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, das Differenzgeschäfte wegen eines "Spielcharakters" schlechthin nicht steuerbar wären, gibt es nicht. Vielmehr ist für die Anwendung des § 22 Nr. 3 EStG entscheidend, dass der Optionsgeber auch dann eine Leistung gegen Entgelt erbringt, wenn sein Anspruch auf das Entgelt dem Differenzeinwand unterliegt. Das nach bürgerlichem Recht Ansprüche aus Differenzgeschäften zwar erfüllbar, aber nicht klagbar sind, ist für den Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG ohne Bedeutung.

Die Rechtsprechung des BFH zur Nichtsteuerbarkeit privater Devisentermingeschäfte ist auf die Aussage beschränkt, dass im Hinblick auf den Ausschluss einer Verpflichtung zur effektiven Lieferung der Tatbestand des § 22 Nr. 2, § 23 EStG und mangels entgeltlicher Leistung der Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG nicht erfüllt sind. Demgegenüber erbringt der Stillhalter eines Optionsgeschäftes die vereinbarte Leistung; die Optionsprämie ist sofort bei Vertragsschluss fällig. Wird der Anspruch auf die Prämie beispielsweise in ein Kontokorrentkonto aufgenommen, "leistet" der Stillhalter auch dann, wenn er die Prämie wegen des Differenz- und/oder Börsentermineinwands nicht einklagen können sollte (vgl. zum vorstehenden BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300 unter I. 5. der Gründe).

Es kommt entgegen der Auffassung der Kl. auch nicht darauf an, worauf die Option beruht (vgl. Peter in Finanzrundschau - FR - 1998, 545, 548; Blümich/Glenk, Einkommensteuergesetz, Körperschaftssteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 23 EStG Rz. 95 m. w. N.; Philipowski, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2004, 978, 981). Zwar ist die effektive Abnahme oder Lieferung der Basiswerte in Bezug auf den DAX ausgeschlossen. Indes dient das vom Optionskäufer bezogene Entgelt allein seiner Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er eingeht, weil er ein Optionsrecht begibt. Dieses Stillhalten bedeutet eine wirtschaftliche und rechtlich selbständige Leistung, die losgelöst von dem nachfolgenden Effektengeschäft und damit auch unabhängig davon zu beurteilen ist, ob es zu einer Abnahme oder Lieferung von Basiswerten oder von vornherein lediglich zu einem Ausgleich in Geld kommt (BFH-Urteil vom 29.06.2004 IX R 26/03 BStBl. II 2004, 995 unter II. 1. b) aa) der Gründe).

Gegen die Steuerbarkeit der Optionsprämien nach § 22 Nr. 3 EStG spricht nicht, dass die Einräumung der Option als "Veräußerung" eines Wirtschaftsguts beurteilt werden müsste, was zur Folge hätte, dass das Stillhalter-Geschäft unter § 23 EStG zu subsumieren wäre oder - falls es nicht dem Tatbestand des § 23 EStG erfüllte - auch nicht nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar wäre (vgl. BFH-Urteil vom 29.06.2004 IX R 26/03 BStBl. II 2004, 995 unter II. 1. b) bb) mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. BFH-Urteile vom 10.09.2003 XI R 26/02 BStBl. II 2004, 218, und vom 14.09.1999 IX R 88/95 BStBl. II 1999, 776).

Der Steuertatbestand des § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einem der "Veräußerung" vorgeschalteten Erwerb fehlt.

Auch § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ist nicht einschlägig (a. A. Schultze/Grelck in DStR 2003, 2103 ; Harenberg, in Kommentierte Finanzrechtsprechung - KFR - F. 3 EStG, § 23 4/03, S. 429, 431; ders., FR 2003, 1140). Danach sind Spekulationsgeschäfte Veräußerungsgeschäfte, bei denen die Veräußerung der Wirtschaftsgüter früher erfolgt als der Erwerb. Obschon die Norm Fälle abdecken soll, "in denen es dem Steuerpflichtigen regelmäßig nur auf die Differenz ankommt" ( so die Begründung des Regierungsentwurfes zu § 42 EStG 1925, zitiert nach Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz vom 10. August 1925, 1929, § 42 Anm. 2), ist sie nicht bloß auf den Unterschied zwischen dem vereinbarten Preis und dem Börsen- oder Marktpreis ausgerichtet, sondern setzt nach ihrem Wortlaut den "Erwerb" des vorher veräußerten Wirtschaftsgutes voraus (vgl. auch Strutz a. a. O., Anm. 7). Deshalb sind die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift so auszulegen wie in § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG (vgl. Flume, DB 1978, 1097 ff. ).

Nach diesen Maßstäben fehlt es im Streitfall bereits an der Veräußerung eines Wirtschaftsguts. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH erfüllt die im Rahmen eines Stillhaltergeschäfts eingeräumte Option beim Optionsgeber (hier beim Kl.) nicht die Merkmale eines selbstgeschaffenen Wirtschaftsguts (BFH-Urteile vom 28.11.1984 I R 290/81 BStBl. II 1985, 264; vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300 unter I. 3 und BFH-Urteil vom 18.12.2002 I R 17/02 BStBl. II 2004, 126, bereits zum Handel an der DTB).

Heuermann in DB 2004, 1848, 1851 tritt mit überzeugenden Argumenten der u. a. von Schultze/Grelck DStR 2003, 2103 vertretenen und von der Rechtsauffassung des BFH abweichenden Auffassung im Schriftum entgegen, die die Prämie im Zusammenhang mit der Optionseinräumung nicht als Bindungsentgelt sondern als Veräußerungsentgelt sieht. Der Senat schließt sich dem an.

Ob das Glattstellen einer eingeräumten Option im Rahmen einer short-Position als Termingeschäft die Voraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 2 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl I, 402, BStBl. I 1999, 304) - EStG n. F. - erfüllt, kann hier offen gelassen werden, weil dieser Tatbestand erst ab dem Veranlagungszeitraum 1999 anwendbar ist. Nach § 52 Abs. 39 S. 2 EStG n. F. ist § 23 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 EStG n. F. auf Termingeschäft anzuwenden, bei denen der Erwerb des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nach dem 31.12.1998 erfolgt (vgl. zum Vorstehenden das BFH-Urteil vom 29.06.2004 IX R 26/03 BStBl. II 2004, 995 unter II. 1 b) bb) (1) und (2) der Gründe).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Der BFH hat über die Frage, ob hinsichtlich der hier anzuwendenden einkommenssteuerlichen Vorschriften auch für das Jahr 1996 eine Übergangsfrist mit der Folge der Anwendbarkeit der Vorschriften zuzubilligen ist, nicht entschieden. Ebenso wenig hat der BFH bisher entschieden, ob die Auffassung des Senats zutrifft, dass nach Einführung des sogenannten Kontenabrufverfahrens ein normatives Defizit bei den Erhebungsregeln auch im Veranlagungszeitraum 1996 nicht mehr besteht.

Ende der Entscheidung

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