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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 14.09.2006
Aktenzeichen: 8 K 481/02 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs 3
EStG § 10d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 14. September 2006, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Ehrenamtliche Richterin ...

Ehrenamtlicher Richter ...

auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand:

Zu entscheiden ist, ob ein aus dem Veranlagungszeitraum 1999 stammender Verlustrücktrag in den vorangegangenen Veranlagungszeitraum 1998 unter Anwendung des § 10 d Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Gesetzes vom 16. April 1997 (Bundesgesetzblatt I 1997, 821) in unbeschränkter Höhe vorzunehmen ist oder ob dabei § 10 d Abs. 1 EStG in der Fassung des Art. 1 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt I 1999, 402) zur Anwendung kommt, wonach ein Verlustrücktrag nur unter Einschränkungen möglich ist, das heißt nach Verrechnung mit eventuellen positiven Einkünften der selben Einkunftsart, einer weiteren Verrechnung mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten nur bis zu einem Betrag von 100.000 DM nur noch in Höhe der Hälfte der verbleibenden Summen der anderen Einkunftsarten.

Der Kläger (Kl.) ist unbeschränkt steuerpflichtig. Für die Veranlagungszeiträume ab 1998 wird eine getrennte Veranlagung (§ 26 a EStG) durchgeführt.

Der Kl. erzielte im Streitjahr 1998 und im Folgejahr 1999 jeweils Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung. Im Jahr 1999 erzielte er darüber hinaus sonstige Einkünfte (Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften). In allen Einkunftsarten mit Ausnahme der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für den Veranlagungszeitraum 1999 erzielte der Kl. positive Einkünfte.

Im Veranlagungszeitraum 1999 hat der Kl. einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 4.278.408 DM erzielt. Unter Anwendung des § 10 d Abs. 1 EStG in der Fassung des Art. 1 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt I 1999, 402 - EStG 1999), der nicht im jeden Fall eine unbeschränkte Verlustverrechnung zulässt, verblieb nach teilweiser Verrechnung mit positiven Einkünften des Veranlagungszeitraums 1999 ein Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.905.768 DM.

Für den vorhergehenden Veranlagungszeitraum, das Streitjahr 1998, hat der Kl. aus allen Einkunftsarten einen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 2.178.858 DM erzielt, von dem ein Betrag von 2.225 DM auf die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung entfällt und der Restbetrag auf Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen.

Bei der im vorliegenden Klageverfahren streitigen Einkommensteuerveranlagung für 1998 vom 23.08.2000 berücksichtigte der Beklagte (Bekl.) einen Verlustrücktrag aus dem Jahr 1999. Dabei legte der Bekl. die Regelung des § 10 d Abs. 1 EStG 1999 zu Grunde und verrechnete auf diese Weise von dem verbliebenen Verlust für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Jahres 1999 in Höhe von 1.905.768 DM einen Teilbetrag von 1.140.542 DM. Dieser Betrag errechnet sich aus dem Verlustverrechnungspotenzial der positiven Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1998 in Höhe von 2.225 DM, weiteren 100.000 DM Verlustverrechnungspotenzial aus den anderen beiden Einkunftsarten und nochmals weiteren 1.038.316 DM Verlustverrechnungspotenzial aus den anderen Einkünften zusammen - der letzt genannte Betrag errechnet sich damit aus 2.178.858 DM Gesamtbetrag der Einkünfte minus 102.225 DM gleich 2.076.633 DM, davon œ gerundet 1.038.817 DM. Der weitere verbleibende Verlust aus Vermietung und Verpachtung des Jahres 1999 in Höhe von (1.905.768 DM - 1.140.542 DM =) 765.226 DM blieb im Veranlagungszeitraum 1998 unberücksichtigt. Er wurde durch gesonderten Bescheid als verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.1999 festgestellt. Dementsprechend wurde die Einkommensteuer für 1998 durch den Bescheid vom 23.08.2000 auf 521.652 DM festgesetzt. Der hiergegen gerichtete Einspruch, mit dem der Kl. eine Verlustverrechnung für die Einkommensteuerfestsetzung 1998 auch in Höhe des verbleibenden Verlustbetrages aus Vermietung und Verpachtung des Jahres 1999 in Höhe von 765.226 DM erstrebt, war ohne Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 18.01.2002 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der daraufhin erhobenen Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter. Er meint im Wesentlichen, § 10 d Abs. 1 EStG 1999 fände aufgrund der Übergangsregelung in § 52 Abs. 1 und Abs. 25 EStG 1999 erstmalig für Verlustrückträge in den Veranlagungszeiträumen 1999 Anwendung, nicht aber für solche in den Veranlagungszeitraum 1998. Für 1998 finde die Mindestbesteuerung des § 2 Abs. 3 EStG 1999, die über § 10 d Abs. 1 EStG 1999 auch im Rahmen der Verlustverrechnungsregelung grundsätzlich gelte, keine Anwendung, auch wenn ansonsten die Veränderungen in § 10 d EStG 1999 mit einer Beschränkung des Verlustrücktrages auf 2.000.000 DM und der Veränderung des Verlustrücktragsjahres auf das dem Verlust vorhergehende Kalenderjahr berücksichtigt werden müssten. Soweit man dieser Auffassung nicht folge, sei die Regelung des § 10 d Abs. 1 EStG 1999, soweit sie auf den vorhergehenden Veranlagungszeitraum 1998 angewendet werde, verfassungswidrig. Es läge eine unzulässige echte Rückwirkung vor, da durch eine derartige Änderung nachträglich in einen abgewickelten, der Vergangenheit angehörenden Tatbestand eingegriffen werde. Darüber hinaus verstoße die Neuregelung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz. Die differenzierende Verlustverrechnungsmöglichkeit mit verschiedenen Einkunftsarten sei mehr oder weniger willkürlich. Der von der Begrenzung der Verlustverrechnung betroffene Steuerbürger werde nicht nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert. Damit werde das sogenannte objektive Nettoprinzip verletzt. Das sei gleichheitswidrig. Der Eingriff in Verlustverrechnungsmöglichkeiten verstoße auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Sogenannte Abschreibungskünstler würden bereits durch die neue Regelung des § 2 b EStG "herausgefiltert". Damit treffe die Mindestbesteuerung die Steuerpflichtigen, die echte wirtschaftliche Verluste erlitten. Schließlich verstoße die Neuregelung in § 10 d EStG 1999 auch gegen das aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitende Gebot der Normenklarheit. Über die Einbeziehung des § 2 Abs. 3 EStG sei die Regelung im höchsten Maße kompliziert. Der Inhalt der Vorschrift lasse sich kaum mehr allein an Hand des Gesetzestextes verstehen. Rechenbeispiele seien erforderlich. Mehrfachverweisungen seien in der Neureglung enthalten, darüber hinaus Wortungetüme, die an Kompliziertheit kaum noch zu überbieten seien. Im Übrigen habe das Finanzgericht Köln in einem Urteil vom 8. Dezember 2004 (14 K 3823/02, EFG 2005, 436) bereits entschieden, dass § 2 Abs.3 Satz 3 EStG 1999 auf die positiven und negativen Einkünfte des Jahres 1998 noch nicht anzuwenden sei. Der bisherige Antrag auf Ruhen des Verfahrens werde allerdings nicht weiterverfolgt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 29.02.2002, 09.04.2002, 11.07.2002 und 29.08.2006 Bezug genommen.

Der Kl. beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 08.01.2002 den Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 23.08.2000 in der Weise zu ändern, dass ein weiterer Verlustrücktrag aus dem Veranlagungszeitraum 1999 in Höhe von 765.226 DM steuermindernd berücksichtigt wird

und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint im Wesentlichen, die Regelung des § 10 d Abs. 1 EStG 1999 falle, soweit sie auf den Verlustrücktrag für den Veranlagungszeitraum 1998 anzuwenden sei, nicht unter den Begriff der echten Rückwirkung. Vielmehr liege eine unechte Rückwirkung vor, da der Tatbestand, an den nach dem neuen Steuergesetz die Besteuerung geknüpft werde, noch nicht abgeschlossen sei. Zweck der Regelung sei, den Verlustausgleich einzuschränken. Dieser werde nicht vollständig ausgeschlossen, sondern nur zeitlich gestreckt. Damit liege aus Gründen des Allgemeinwohls eine zulässige gesetzliche Regelung vor. Im Übrigen finde § 10 d Abs. 1 EStG 1999 auf Verlustrückträge in das Jahr 1998 Anwendung. Diese Regelung schreibe vor, dass nur noch bis zu bestimmten Höchstbeträgen eine Verrechnung möglich sei. Die Regelung der Mindestbesteuerung folge hier nicht direkt aus § 2 Abs. 3 EStG 1999, sondern aus § 10 d Abs. 2 EStG 1999, der durch § 52 Abs. 1 EStG 1999 auch zur Berechnung des Verlustrücktrages für anwendbar erklärt werde. Ein Verstoß gegen die Normenklarheit könne ebenfalls nicht festgestellt werden. Gerade bei dem Besteuerungssachverhalt des Kl. könne die Höhe des Verlustrücktrages ohne Zweifel mit Hilfe des Gesetzestextes ermittelt werden. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht verletzt. Es sei angemessen, die Inanspruchnahme steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten zu begrenzen. Auch das Leistungsfähigkeitsprinzip werde nicht verletzt, denn die grundsätzliche Abzugsfähigkeit von Verlusten bleibe bestehen. Lediglich ein sofortiger Ausgleich sei ab einer bestimmten Höhe bzw. ab einem bestimmten Verhältnis positiver und negativer Einkünfte zu einander nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet. Schließlich sei auch keine unzulässige Ungleichbehandlung festzustellen, da Steuerpflichtige, die vergleichbare Einkünfte wie der Kl. bezögen, gleich behandelt würden, wenn bei ihnen Verluste auftreten. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 13.02.2002 und die Einspruchsentscheidung vom 18.01.2002 verwiesen.

Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 14.09.2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Zu Recht hat der Bekl. die Verrechnung des aus dem Veranlagungszeitraum 1999 stammenden Verlustes des Kl. aus seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung der Neuregelung in § 10 d Abs. 1 EStG 1999 auf 1.140.542 DM begrenzt und die weiteren 765.226 DM nicht zum Verlustabzug zugelassen, denn das Verlustverrechnungspotenzial des Jahres 1999 errechnet sich, entgegen der Auffassung des Kl., aus der ab 1999 geltenden Fassung des § 10 d Abs. 1 EStG 1999. Gegen diese Regelung bestehen auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Einkommensteuerfestsetzung für 1998 vom 23.08.2000 ist rechtmäßig. Der Kl. ist daher nicht in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Gem. § 10 d Abs. 1 EStG 1999 sind negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, bis zu einem Betrag von 2.000.000 DM vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums abzuziehen und zwar vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen (Verlustrücktrag). Es hat zunächst eine Verrechnung mit eventuellen positiven Einkünften derselben Einkunftsart stattzufinden, die - so der Wortlaut des Gesetzes - nach der Anwendung des § 2 Abs. 3 EStG 1999 verbleiben. Soweit die negativen Einkünfte mit derartigen positiven Einkünfte derselben Einkunftsart - unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 3 EStG 1999 - nicht vollständig verrechnet werden (können), mindern die verbleibenden negativen Einkünfte die positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten und zwar zunächst bis zu einem Betrag von 100.000 DM und darüber hinaus bis zur Hälfte des 100.000 DM übersteigenden Teiles der Summe der positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten.

Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG 1999 ist diese Gesetzesfassung des § 10 d EStG 1999 erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden, soweit in den folgenden Absätzen des § 52 EStG 1999 nichts anderes bestimmt ist. § 52 Abs. 25 Satz 1 EStG 1999 bestimmt ausdrücklich, dass auf den am Schluss des Veranlagungszeitraums 1998 festgestellten verbleibenden Verlustabzug § 10 d in der Fassung des Gesetzes vom 16. April 1997 (Bundesgesetzblatt I 1997, 821 - EStG 1998) anzuwenden ist.

Aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang dieser beiden Regelungen ergibt sich, dass zur Ermittlung eines im Veranlagungszeitraum 1999 entstehenden Verlustes die geänderte Fassung des § 10 d EStG 1999 anzuwenden ist und nicht, wie der Kl. meint, § 10 d EStG 1998. Gleiches gilt für die Frage der Verlustverrechnung und eines eventuellen Verlustrücktrages. Aus § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG 1999 i. V. m. § 10 d Abs. 1 EStG 1999 ergibt sich nach dem Willen des Gesetzgebers eine Anwendung der genannten Neuregelung, denn mit der Verweisung in § 10 d EStG 1999 auf § 2 Abs. 3 EStG 1999 kann nur die ab 1999 geltende Fassung gemeint sein, weil § 2 Abs. 3 EStG 1998, anders als die im Folgeveranlagungszeitraum (1999) geltende Regelung, keine derartige Bestimmung über negative Einkünfte enthält. Bestätigt wird diese Auslegung dadurch, dass in § 52 Abs. 25 EStG 1999 nur für die Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zum 31.12.1998 die Ausnahme bestimmt ist, dass hierfür die Regelung des § 10 d EStG 1998 Anwendung findet.

Ausgehend von dieser Auslegung der maßgebenden Regelungen des Einkommensteuergesetzes ist die Steuerfestsetzung in dem angegriffenen Bescheid vom 23.08.2000 rechtmäßig, denn der in dieser Einkommensteuerveranlagung für 1998 berücksichtigte Verlustrücktrag entspricht dem Betrag, der sich unter Anwendung des § 10 d Abs. 1 EStG 1999 ergibt. Ausgehend vom Gesamtbetrag der Einkünfte für 1998 in Höhe von 2.178.858 DM war danach zunächst eine Verrechnung eines Teiles des Verlustes aus den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Jahres 1999 mit den positiven Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Jahres 1998 (2.225 DM) vorzunehmen. Des weiteren durften mit den positiven Einkünften des Kl. aus nichtselbstständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen zunächst weitere 100.000 DM Verlust des Jahres 1999 verrechnet werden. Als weiterer Verlustverrechnungsbetrag aus dem Jahre 1999 - verbleibender Gesamtbetrag der Einkünfte für 1998 von (2.178.858 ./. 102.225 =) 2.076.633 DM - verblieb die Hälfte des Gesamtbetrags der Einkünfte des Jahres 1998 nach Abzug der eben genannten beiden Verrechnungsbeträge, also ein weiterer Betrag in Höhe von 1.038.817 DM. Der insgesamt zu berücksichtigende Verlustrücktrag aus dem Jahre 1999 beläuft sich damit auf (2.225 + 100.000 + 1.038.817 =) 1.140.542 DM, dem Betrag, den der Bekl. auch in der angegriffenen Steuerfestsetzung für 1998 vom 23.08.2000 berücksichtigt hat. Die in den Einkommensteuerrichtlinien 115 beschriebene Sonderproblematik der Berechnung des Verlustrücktrages beim Zusammentreffen von Verlusten, die bis zum Veranlagungszeitraum 1998 entstanden sind (§ 10 d EStG 1998), mit denen, die danach entstanden sind (§ 10 d EStG 1999 - vgl. dazu Urteil des FG Köln vom 08. Dezember 2004, 14 K 3823/02, EFG 2005, 436), ergibt sich im Streitfall nicht, denn der Kl. hat im Streitjahr 1998 nur positive Einkünfte erzielt.

Entgegen der Auffassung des Kl. ergeben sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die oben dargestellte Berechnung des Verlustrücktrages nach § 10 d EStG 1999, die von der Regelung des § 10 d EStG 1998 abweicht.

Der Senat vermag nicht die Auffassung des Kl. zu teilen, § 10 d EStG 1999 könne mangels ausreichender inhaltlicher Bestimmtheit keine Anwendung finden. Zwar hat das Gebot der ausreichenden Bestimmtheit von Rechtsvorschriften als Ausprägung des Gebotes der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG -) eine grundgesetzlich garantierte Qualität. Aufgrund des Bestimmtheitsgebotes sind Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Diesen Anforderungen genügt § 10 d EStG 1999. Normzweck des § 10 d EStG 1999 ist, dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit periodenübergreifend Rechnung zu tragen und zwar unter Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit, das Einkommen-steueraufkommen zu verstetigen. Insbesondere sollte im Einkommensteuerrecht die Belastungsgleichheit wiederhergestellt werden, die wegen der zu steuerlichen Verlusten führenden Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nicht mehr gegeben war (vgl. in diesem Sinne BFH-Beschluss vom 9. Mai 2001, XI B 151/00, BStBl. II 2001, 552). Diesem Zweck wird die Regelung auch des § 10 d EStG 1999 mit der ergänzenden Regelung des § 2 Abs. 3 EStG 1999 gerecht, ohne dass die eingeführte Begrenzung der Verlustausgleichsmöglichkeit in sich unverständlich wird. Dem Wortlaut des § 10 d Abs. 1 EStG 1999 sind die Regelungen zum Verlustausgleich und auch zum Verlustrücktrag ohne besondere Schwierigkeiten zu entnehmen. Was positive und negative Einkünfte sind und welche Einkunftsarten betroffen sein können, ist nicht zweifelhaft, denn das Einkommensteuerrecht definiert die Einkunftsarten. Auch der Berechnungsmodus lässt keine größeren Schwierigkeiten erkennen. Er ist unter Rückgriff auf § 2 Abs. 3 EStG 1999 erkennbar. Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Kl., dass hier "Wortungetüme" oder unverständliche Formulierungen eine Anwendung der Regelung und ein Verständnis der Regelung unmöglich macht. Das zeigt auch der Streitfall, in dem durch 3 einfache Rechenschritte mit anschließender Addierung der Ergebnisse feststellbar ist, wie hoch der Verlustrücktrag im Streitfall ist.

Es liegt auch keine unzulässige Rückwirkung vor.

Die verfassungsrechtliche Rechtsprechung und Literatur unterscheidet üblicherweise zwischen sogenannter echter und unechter Rückwirkung. Eine echte Rückwirkung liegt für einen Besteuerungssachverhalt vor, wenn der Gesetzgeber nachträglich, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Rechtsnorm auf einen Zeitpunkt festlegt, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Rückbewirkung von Rechtsfolgen, die grundsätzlich unzulässig ist. Eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung ist gegeben, wenn die Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach ihrer Verkündung eintreten, jedoch auch Sachverhalte erfasst werden, die Teil des gesetzlichen Tatbestandes sind, an den die Rechtsnorm nach ihrer Verkündung ihre Rechtsfolge knüpft (vgl. z. B. FG Münster, Urteil vom 11. Februar 2004, 7 K 5227/00, EFG 2004, 996 m. w. N.).

Im Streitfall erfüllt die Neuregelung des Rücktrages von Verlusten des Jahres 1999 in das Jahr 1998, entgegen der Auffassung des Kl., nicht den Tatbestand einer echten Rückwirkung, sondern den einer unechten Rückwirkung. Zwar ist dem Kl. einzuräumen, dass mit Ablauf des 31.12.1998 der Einkommensteueranspruch für den Zeitraum 1998 bei Änderung der Regelungen zum Verlustrücktrag durch § 10 d EStG 1999 bereits entstanden war (§ 36 Abs. 1 EStG). Insoweit war der Besteuerungssachverhalt bereits abgeschlossen als die Neuregelung in § 10 d EStG 1999 getroffen wurde. Gleichwohl wird auch im Falle des Verlustrücktrages durch diese Neuregelung nicht in einen abgeschlossenen, bereits mit einer Rechtsfolge versehenen Sachverhalt eingegriffen, denn die Verlustverrechnung über einen Verlustrücktrag setzt zunächst die Verlustentstehung (hier im Jahre 1999) voraus. Diese Grundsystematik für einen Verlustrücktrag galt im Übrigen auch bereits u. a. durch § 10 d EStG 1998. Ob und in welcher Höhe daher ein Verlust im Folgeveranlagungszeitraum - hier also in 1999 - entstanden ist und ob dieser so hoch ist, dass er nicht im laufenden Veranlagungszeitraum seiner Entstehung, hier also in 1999, ausgeglichen werden kann, stand bei Wirksamwerden der Neuregelung durch § 10 d EStG 1999 noch nicht fest. Insoweit ist für die Beurteilung der Frage, ob im Streitfall die gesetzliche Änderung zum Verlustrücktrag eine echte oder unechte Rückwirkung entfaltet, von Bedeutung, dass das Gesetz auch in der Neuregelung des § 10 d EStG 1999 erkennbar differenziert zwischen dem Verlustentstehungsjahr und dem Verlustverrechnungsjahr, denn aus dieser Verlustrücktragungssystematik ergibt sich, dass durch einen Verlustrücktrag aus dem Veranlagungszeitraum 1999 in den Veranlagungszeitraum 1998 zwar die Einkommensteuer für den bereits abgeschlossenen Veranlagungszeitraum 1998 herabgesetzt wird. Dieses war und ist aber nur dann möglich, wenn nach Ablauf des im Streitfall noch nicht abgeschlossenen Veranlagungszeitraums 1999 feststeht, ob ein Verlustrücktrag überhaupt möglich ist. Insoweit war daher auch für den vorher gehenden Zeitraum 1998 der Besteuerungssachverhalt und auch die Rechtsfolge des § 10 d EStG 1999, die im Falle eines Verlustrücktrages nach 1998 auch an den Besteuerungssachverhalt 1998 anknüpft, noch nicht abgeschlossen. Dieses stellt nur einen Fall der tatbestandlichen Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) dar.

Mit der Neuregelung zum Verlustausgleich und zum Verlustrücktrag in § 10 d EStG 1999 hat der Gesetzgeber auch für den Verlustrücktragszeitraum 1998 nicht die gesetzlich zulässigen Grenzen überschritten. Eine derartige tatbestandliche Rückanknüpfung ist grundsätzlich zulässig. Nur wenn in solchen Fällen ein schutzwürdiges Vertrauen der Steuerpflichtigen besteht, das die öffentlichen Belange, die die nachteilige Änderung rechtfertigen, überwiegt, ist auch eine solche tatbestandliche Rückanknüpfung grundgesetzlich unzulässig (vgl. z. B. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 03. Dezember 1997, 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 78; Beschluss vom 05. Februar 2002, 2 BvR 305/93, BVerfGE 105, 17; BFH-Beschluss vom 09. Mai 2001, XI B 151/00, BStBl. II 2001, 552, 555). Der Bundesfinanzhof hat in der zuletzt genannten Entscheidung, die zu § 2 Abs. 3 EStG 1999 ergangen ist, zur Frage der Zulässigkeit einer tatbestandlichen Rückanknüpfung ausgeführt, dass der Gesetzgeber aus zwingenden Gründe des gemeinen Wohls gehalten war, den Verlustausgleich zu beschränken. Dies sei erforderlich gewesen, um im Einkommensteuerrecht wieder Belastungsgleichheit herzustellen und um einem weiteren Rückgang des Aufkommens an veranlagter Einkommensteuer entgegen zu wirken. Die Beschränkung des Verlustausgleiches sei hierfür ein geeignetes Mittel, das sich in einem maßvollen Rahmen hält, denn dadurch wird die Berücksichtigung von Verlusten nicht versagt, sondern zeitlich nur gestreckt. Im Verlustentstehungsjahr nicht ausgeglichene Verluste gehen nicht verloren, sondern mindern das Einkommen in anderen Veranlagungszeiträumen. Bei dieser Sachlage trete die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Steuerpflichtigen in den Fortbestand der alten Gesetzeslage zurück. Der Senat schließt sich für den Streitfall dieser Argumentation an, denn sie gilt auch im Rahmen des § 10 d EStG 1999 für die geänderte Verlustrücktragsregelung (§ 10 d Abs. 1 EStG). Auch hier wird eine Verlustverrechnung über einen Verlustrücktrag nicht ausgeschlossen. Vielmehr wird die Berücksichtigung des Verlustes über eine Verrechnungsverlagerung in andere Veranlagungszeiträume zeitlich nur gestreckt. Soweit ein Verlust durch den Verlustrücktrag nicht (vollständig) verrechnet werden kann, wird die Verlustverrechnung durch den Verlustvortrag nach § 10 d Abs. 2 EStG 1999 ermöglicht.

Entgegen der Auffassung des Kl. liegt in der durch § 10 d EStG 1999 veränderten (verschlechterten) Verlustverrechnungsmöglichkeit über einen Verlustrücktrag auch kein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Dieses findet im Nettoprinzip seinen besonderen Ausdruck. Es fordert zwar den Abzug von erwerbssichernden Aufwendungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Einkunftserzielung stehen. Es verlangt jedoch nicht, dass jedweder Verlust sofort zu verrechnen ist. Vielmehr genügt, dass Verluste überhaupt steuerlich berücksichtigt werden, sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum (vgl. BFH-Beschluss vom 09. Mai 2001,BStBl. II 2001, 552, 554). Nur wenn in Folge der Einschränkung von Verlustverrechnungsmöglichkeiten das Existenzminimum des Steuerpflichtigen nicht gewährleistet bleibt, ist von einer Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips auszugehen. Bei Prüfung dieser Frage können jedoch nur die jeweiligen positiven und negativen Einkünfte des Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden, in dem der Verlust entstanden ist, hier also des Jahres 1999, das nicht Streitgegenstand dieser Klage ist. Eventuelle Verluste anderer Veranlagungszeiträume (hier also des Jahres 1998) sind bei der Prüfung der Frage, ob das Existenzminimum in einem Veranlagungszeitraum nicht gewährleistet ist, nicht einzubeziehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. Februar 2005, XI B 78/02, BFH/NV 2005, 1279; vom 25. Juni 2004, XI B 20/03, BFH/NV 2005, 176; vom 05. Oktober 2005, XI B 39/04, BFH/NV 2006, 286; vom 29. April 2005, XI B 127/04, BStBl. II 2005, 609 - diese Entscheidung erging zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des Verlustvortrages nach § 10 d Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 3 EStG 1999 -, vom 06. März 2003, XI B 7/02, BStBl. II 2003, 516; vom 06. März 2003, XI B 76/02, BStBl. II 2003, 523; vom 24. März 2005, XI B 115/04, BFH/NV 2005, 1297). § 10 d EStG 1999 entspricht diesen grundgesetzlichen Anforderungen. Da es sich dabei um eine Regelung zum periodenübergreifenden Verlustausgleich handelt, die im Falle der Mindestbesteuerung nach § 2 Abs. 3 EStG 1999 dazu beiträgt, Verluste steuerlich zu berücksichtigen, trägt sie im Ergebnis letztlich sogar dazu bei, das grundgesetzliche Leistungsfähigkeitsprinzip einzuhalten. Die im Verlustentstehungsjahr wegen der Begrenzungen in § 2 Abs. 3 EStG nicht vollständig verrechneten Verluste können im Rahmen des § 10 d EStG 1999 durch den periodenübergreifenden Verlustausgleich einkommensteuermindernd in einem anderen Veranlagungszeitraum durch Verlustrücktrag (§ 10 d Abs. 1 EStG 1999) und Verlustvortrag (§ 10 d Abs. 2 EStG 1999) verrechnet werden. Dass auch im Rahmen des § 10 d EStG 1999 letztlich wie in § 2 Abs. 3 EStG eine Verrechnungsbegrenzung eingreifen kann, wie auch im Streitfall, ändert an der Verlustverrechnungssystematik über mehrere Veranlagungszeiträume nichts. Diese Verrechnungssystematik stellt sicher, dass jeder im Verlustentstehungsjahr nicht verrechenbare Verlust in voller Höhe in andere Veranlagungszeiträume übertragen werden kann. Die auf Grund eines Verlustes bestehende verminderte Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen wird dadurch berücksichtigt, dass die Verlustverrechnung und damit eine geringe Besteuerung zeitlich nur gestreckt wird.

Einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen. Dieser gebietet wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Soweit Sachverhalte ungleich behandelt werden, liegt noch kein Gleichheitsverstoß vor, wenn die Differenzierungsgründe von solcher Art und solchem Gewicht sind, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Im Steuerrecht verlangt der Gleichheitssatz, dass die Besteuerung sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausrichtet. Insbesondere muss die Besteuerung im Verhältnis zu Mitsteuerpflichtigen angemessen sein und darf bestimmte absolute Grenzen nicht überschreiten. Wie oben bereits ausgeführt, werden diese Anforderungen im Streitfall erfüllt, da die Mindestbesteuerung, auch soweit sie über § 10 d EStG 1999 im Rahmen der Verlustverrechnung in anderen Veranlagungszeiträumen von Bedeutung ist, dem steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht (vgl. in diesem Sinne BFH-Beschlüsse vom 09. Mai 2001, BStBl. II 2001, 552, 553 f.; vom 06. März 2003, BStBl. II 2003, 523, 524 f.). Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen zum Leistungsfähigkeitsprinzip verwiesen.

Schließlich ist auch nicht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitet (Art. 20 Abs. 3 GG), verletzt, denn die Begrenzung von Verlustverrechnungsmöglichkeiten auch im Rahmen des § 10 d EStG 1999 ist geeignet und erforderlich den gesetzgeberischen Zweck zu erfüllen. Sie verstößt damit nicht gegen das Übermaßverbot. Die mit dieser Regelung verfolgten gesetzgeberischen Ziele, zu denen bereits oben Stellung genommen ist, werden nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, der sich der Senat anschließt, in angemessener Weise eingehalten.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Angesichts dieser Entscheidung ist der Antrag, die Hinzuziehung eine Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), gegenstandslos.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen, die sich im Übrigen auch durch die Revisionszulassungen gegen die Urteile des Schleswig-Holsteinischen FG (Urteil vom 26. November 2003, Juris-Dok.-Nr. STRE 200471572, Revisionsverfahren vor dem BFH zum Aktenzeichen XI R 39/04) und des FG Köln (Urteil vom 08. Dezember 2004, EFG 2005, 436, Revisionsverfahren vor dem BFH zum Aktenzeichen XI R 3/05) dokumentiert.

Ende der Entscheidung

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