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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 04.08.2009
Aktenzeichen: 9 K 1268/07 K
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 237 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Bescheid über Aussetzungszinsen vom 2.1.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.3.2007 wird dahingehend geändert, dass die Aussetzungszinsen i.H.v. 3.755,50 € festgesetzt werden.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 85 % und der Beklagte zu 15 %.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Aussetzungszinsen durch den Beklagten (das Finanzamt --FA--).

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der D........... GmbH (D-GmbH). Die D-GmbH wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 20.06.2004 gegründet. Gegenstand des Unternehmens war das Kopieren, Digitalisieren, Archivieren und Bearbeiten großformatiger technischer Zeichnungen und Dokumentationen, die in analoger oder digitaler Form vorlagen. Die D-GmbH wurde als übertragender Rechtsträger nach Maßgabe eines Verschmelzungsvertrags vom 13.7.2007 mit der Klägerin verschmolzen. Im Handelsregister wurde die Verschmelzung am 6.12.2007 für die D-GmbH und am 11.12.2007 für die Klägerin eingetragen.

In ihrer im November 2001 eingereichten Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2000 erklärte die D-GmbH einen Gesamtbetrag der Einkünfte i.H.v. 99.154 DM. Des Weiteren erklärte sie einen verbleibenden Verlustabzug zum 31.12.1999 i.H.v. 151.087 DM und dementsprechend einen im Jahr 2000 zu berücksichtigenden Verlustabzug i.H.v. 99.154 DM. Das zu versteuernde Einkommen erklärte sie aufgrund des Verlustabzugs mit 0 DM. Im unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2000 vom 10.12.2001 setzte das FA erklärungsgemäß einen Gesamtbetrag der Einkünfte i.H.v. 99.154 DM an. Es ging jedoch von einem verbleibenden Verlustabzug zum 31.12.1999 i.H.v. lediglich 28.908 DM aus und berücksichtigte dementsprechend lediglich diesen Betrag als Verlustabzug im Jahr 2000. Es ergab sich hiernach ein zu versteuerndes Einkommen i.H.v. 70.246 DM. Auf dieser Grundlage wurde die Körperschaftsteuer i.H.v. 28.098 DM und der Solidaritätszuschlag i.H.v. 1.545 DM festgesetzt, wobei sich unter Anrechnung eines Zinsabschlags zu zahlende Beträge i.H.v. 28.065 DM (Körperschaftsteuer) und 1.543 DM (Solidaritätszuschlag) ergaben.

Mit Schreiben vom 3.1.2002 legte die D-GmbH gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2000 Einspruch ein. Sie machte geltend, es sei ein Verlustabzug in der erklärten Höhe zu berücksichtigen. Mit Verfügung vom 9.1.2002 gewährte das FA die gleichzeitig beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) für die Körperschaftsteuer 2000 i.H.v. 14.349,41 € (= 28.065 DM) und für den Solidaritätszuschlag 2000 i.H.v. 789,23 € (= 1.543 DM). Die AdV wurde ab Fälligkeit der ausgesetzten Beträge (14.1.2002) gewährt. Das Einspruchsverfahren ruhte zunächst bis zur Entscheidung des FG Münster im Klageverfahren u.a. wegen Körperschaftsteuer 1995 bis 1997 (Aktenzeichen 9 K 170/02). Nachdem die D-GmbH die vorgenannte Klage am 23.6.2006 zurückgenommen hatte, wies das FA den Einspruch wegen Körperschaftsteuer 2000 mit Einspruchsentscheidung vom 9.11.2006 als unbegründet zurück. Aufgrund der nunmehrigen Bestandskraft der Körperschaftsteuerbescheide 1995 bis 1997 sei von dem bislang festgestellten Verlustabzug zum 31.12.1997 auszugehen. Auf der Grundlage der von der Klägerin eingereichten Steuererklärungen für die Folgejahre ergebe sich hieraus der verbleibende Verlustabzug zum 31.12.1999 i.H.v. 28.908 DM, der von der D-GmbH auch nicht angefochten worden sei. Dieser sei damit zutreffend dem Körperschaftsteuerbescheid 2000 zugrunde gelegt worden. Mit Schreiben vom 28.11.2006 wies das FA darauf hin, dass die AdV zum 12.12.2006 ende. Die Einspruchsentscheidung wurde bestandskräftig.

Nach Erlass der Einspruchsentscheidung hatte die D-GmbH mit Schreiben vom 1.12.2006 in Abweichung von ihrer Körperschaftsteuererklärung 2001 vom 9.7.2002 beantragt, den Verlust des Jahres 2001 in das Jahr 2000 zurückzutragen. Unter dem Datum vom 14.12.2006 erließ das FA daraufhin einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2000, in dem es den im Körperschaftsteuerbescheid 2001 vom 28.11.2002 ausgewiesenen Verlust i.H.v. 9.776 DM in das Jahr 2000 zurücktrug. Es ergab sich dementsprechend ein zu versteuerndes Einkommen i.H.v. 60.470 DM. Auf dieser Grundlage setzte das FA die Körperschaftsteuer 2000 i.H.v. 24.188 DM und den Solidaritätszuschlag i.H.v. 680,19 DM fest, wobei sich unter Anrechnung des Zinsabschlags zu zahlende Beträge i.H.v. 24,155 DM (= 12.350,26 € (Körperschaftsteuer) und 1.328,55 DM = 679,28 € (Solidaritätszuschlag) ergaben. Zugleich erließ das FA ebenfalls unter dem Datum vom 14.12.2006 noch einmal einen Körperschaftsteuerbescheid 2001, der abgesehen von dem Verlustrücktrag mit dem bisherigen Bescheid identisch war, aber weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand.

Mit Bescheid vom 2.1.2007 setzte das FA Aussetzungszinsen zur Körperschaftsteuer 2000 und zum Solidaritätszuschlag 2000 i.H.v. 4.364 € (Körperschaftsteuer: 4.147 €, Solidaritätszuschlag 217 €) fest. Zur Begründung verwies es darauf, der Einspruch vom 3.1.2002 gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2000 vom 10.12.2001 habe endgültig keinen Erfolg gehabt. Hierzu verwies es auf die Einspruchsentscheidung vom 9.11.2006. Die danach noch zu zahlenden Steuerbeträge seien, soweit die Vollziehung ausgesetzt war, ab dem Tag der Aussetzung bis zum Tag der Zahlung, längstens bis zum Ende der Aussetzung zu verzinsen. Als zu verzinsende Beträge legte das FA für die Körperschaftsteuer einen Betrag von 14.300 € und für den Solidaritätszuschlag einen solchen von 750 € zugrunde.

Gegen die geänderten Körperschaftsteuerbescheide 2000 und 2001 vom 14.12.2006 hatte die D-GmbH jeweils mit Schreiben vom 19.12.2006 Einspruch eingelegt. Den Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2000 begründete sie damit, dass das FA den Verlustrücktrag aus dem Jahr 2001 nicht in der beantragten Höhe vorgenommen habe. Außerdem sei gegen den zwischenzeitlich geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2001 Einspruch eingelegt worden, da dort ein zu niedriger Verlust zugrunde gelegt worden sei, was sich ebenfalls auf den Verlustrücktrag auswirke. Den Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2001 begründete sie mit Schreiben vom 20.12.2006 damit, dass bereits am 15.10.2006 eine berichtigte Körperschaftsteuererklärung 2001 übersandt worden sei. Sie reichte hierbei die Kopie eines nicht unterschriebenen, aber vom 15.10.2006 datierenden "Duplikats" einer berichtigten Körperschaftsteuererkärung 2001 ein, in der ein Verlust i.H.v. 70.276 DM erklärt sowie als Verlustrücktrag ausgewiesen war. In den vom FA vorgelegten Akten befindet sich die in Bezug genommene berichtigte Steuererklärung vom 15.10.2006 nicht. Mit Verfügung vom 22.1.2007 gewährte das FA die von der D-GmbH beantragte AdV für die Körperschaftsteuer 2000 i.H.v. 12.350,26 € und für den Solidaritätszuschlag 2000 i.H.v. 679,28 €. Nachdem das FA die D-GmbH aufgefordert hatte, eine unterschriebene berichtigte Körperschaftsteuererklärung 2001 und einen berichtigten Jahresabschluss 2001 einzureichen und die D-GmbH mitgeteilt hatte, diese lägen dem FA bereits vor, wies es mit Einspruchsentscheidung vom 4.4.2007 den Einspruch vom 19.12.2006 gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2000 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte das FA aus, Grundlagenbescheid für den Verlustrücktrag aus 2001 sei die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.2001, gegen die kein Einspruch eingelegt worden sei. Mit Einspruchsentscheidung vom gleichen Tag wies es den Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2001 ebenfalls vom 19.12.2000 mangels Beschwer als unzulässig zurück. Die Einspruchsentscheidungen wurden bestandskräftig. Ob in diesem Zusammenhang wiederum Aussetzungszinsen festgesetzt wurden, ist nicht ersichtlich.

Im Rahmen eines beim Finanzgericht gestellten Antrags auf AdV vom 6.9.2007, mehreren Änderungsanträgen nach § 69 Abs. 6 FGO, einem Antrag auf eine einstweilige Anordnung nach § 114 FGO und einem Antrag auf Aufhebung der vorangegangenen Beschlüsse (Aktenzeichen 9 V 3766/07 K, 9 V 900/08, 9 V 1434/08, 9 V 268/09) begehrte die D-GmbH bzw. die Klägerin nochmals AdV bezüglich der Körperschaftsteuer 2000. Diese Anträge hatten keinen Erfolg. Gegen den Beschluss im Verfahren 9 V 268/09 ist gegenwärtig noch eine Anhörungsrüge der Klägerin anhängig (Aktenzeichen 9 V 2495/09 K). Im Zusammenhang mit dem o.g. Sachverhalt steht außerdem eine ebenfalls anhängige und noch von der D-GmbH eingelegte Klage gegen die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.2000 (Aktenzeichen 9 K 3520/07 F), mit der u.a. geltend gemacht wird, es seien geänderte Jahresabschlüsse zum 31.12.1999 und zum 31.12.2000 eingereicht worden.

Bereits mit Schreiben vom 5.1.2007 hatte die D-GmbH Einspruch gegen die Festsetzung der Aussetzungszinsen vom 2.1.2007 eingelegt. Mit diesem machte sie geltend, bei der vom FA noch vorzunehmenden korrekten Veranlagung für 2000 würden keine Nachzahlungsbeträge anfallen, so dass auch keine Aussetzungszinsen festzusetzen seien. Außerdem ergäben sich bereits nach dem geänderten Körperschaftsteuerbescheid vom 14.12.2006 lediglich Nachzahlungsbeträge i.H.v. 12.300 € (Körperschaftsteuer) und 679 € (Solidaritätszuschlag). Aufgrund des von ihm eingelegten Einspruchs gegen den Bescheid vom 14.12.2006 und der dort inzwischen gewährten AdV könnten schließlich Aussetzungszinsen jedenfalls zur Zeit noch nicht festgesetzt werden, da der Rechtsstreit noch nicht beendet sei. Mit Einspruchsentscheidung vom 16.3.2007 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Das Einspruchsverfahren, auf das die mit Verfügung vom 9.1.2002 gewährte AdV sich bezogen habe, sei mit der Einspruchsentscheidung vom 9.11.2006 bestandskräftig abgeschlossen worden. Die Herabsetzung der Steuerfestsetzungen aufgrund des Verlustrücktrags mit dem Änderungsbescheid vom 14.12.2006 habe keine Auswirkungen auf die Festsetzung der Aussetzungszinsen. Mit dem Einspruch gegen den vorgenannten Änderungsbescheid und der dort gewährten AdV habe ein eigenständiger neuer Rechtsstreit begonnen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der noch von der D-GmbH erhobenen Klage. Die Begründung entspricht im Wesentlichen dem Vorbringen im Einspruchsverfahren.

Im Laufe des Klageverfahrens hat die Klägerin außerdem auf die Verschmelzung der D-GmbH mit der Klägerin hingewiesen. In diesem Zusammenhang macht sie geltend, aufgrund der Verschmelzung der D-GmbH auf die Klägerin sei nicht mehr das FA A-Stadt I, sondern das nunmehr örtlich zuständige FA A-Stadt II Beklagter. Außerdem sei die Einspruchsentscheidung vom 16.3.2007 "erloschen" und müsse ggf. vom nunmehr zuständigen FA A-Stadt II erlassen werden.

Die Klägerin ist nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen und hat keinen ausdrücklichen Klageantrag gestellt. Nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen begehrt sie sinngemäß,

den Bescheid über Aussetzungszinsen vom 2.1.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.3.2007 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist das FA auf die Einspruchsentscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat zum Teil Erfolg

I.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie aufgrund ihrer Verschmelzung mit der D-GmbH (als übertragenden Rechtsträger) Beteiligte des vorliegenden Rechtsstreits geworden. Die vor der Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister der Klägerin (am 11.12.2007) und damit deren Wirksamwerden (§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 Umwandlungsgesetz) von der D-GmbH am 22.3.2007 erhobene Klage blieb weiterhin anhängig. Beteiligte des Klageverfahrens war allerdings nunmehr die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der D-GmbH. Eine Unterbrechung des Klageverfahrens ist nicht eingetreten, da die Klägerin durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war (§ 155 Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 246 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz Zivilprozessordnung --ZPO--). Auch hat der aufgrund der Verschmelzung eingetretene Zuständigkeitswechsel auf das FA A-Stadt II entgegen der Ansicht der Klägerin keine Auswirkungen auf die Beteiligtenstellung des beklagten FA A-Stadt I (vgl. BFH-Urteil vom 16.10.2003 I R 17/01, BStBl II 2003, 631; BFH-Beschluss vom 29.1.2008 I S 36/07, [...]).

II.

Aufgrund der Verschmelzung fehlt es außerdem nicht etwa an einem der Klägerin gegenüber wirksamen Bescheid als Gegenstand des Klageverfahrens oder mangels einer ihr gegenüber wirksamen Einspruchsentscheidung an dem nach § 44 FGO erforderlichen Vorverfahren. Sowohl der angefochtene Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom 2.1.2007 als auch die Einspruchsentscheidung vom 16.3.2007 wurden noch vor dem Wirksamwerden der Verschmelzung der D-GmbH gegenüber bekannt gegeben. Aufgrund der Verschmelzung sind diese nicht etwa - wie die Klägerin meint - "erloschen", sondern sie wirken nunmehr auch für und gegen die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der D-GmbH.

III.

Die Klage ist zum Teil begründet. Der angefochtene Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen ist zum Teil rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FA hätte die Aussetzungszinsen lediglich i.H.v. 3.755,50 € festsetzen dürfen.

1. Das FA hat die Aussetzungenzinsen auf der Grundlage zu hoher zu verzinsender Beträge berechnet.

a) Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid endgültig keinen Erfolg gehabt haben, ist gemäß § 237 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Die Zinsen werden nach § 237 Abs. 2 AO vom Tag des Eingangs des Einspruchs bzw. der Rechtshängigkeit der Klage oder des späteren Beginns der AdV bis zu dem Tag erhoben, an dem die AdV endet. § 237 Abs. 5 AO ordnet an, dass ein Zinsbescheid nicht aufzuheben oder zu ändern ist, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt wird.

b) Im Streitfall hat die Klägerin gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2000 vom 10.12.2001 Einspruch eingelegt, mit dem sie einen ihrer Ansicht nach höheren Verlustvortrag aus den Vorjahren geltend gemacht hat. Die Einspruchsentscheidung vom 9.11.2006, die den Einspruch als unbegründet zurückwies, ist am 12.12.2006 bestandskräftig geworden, womit dieser endgültig keinen Erfolg gehabt hat.

c) Aufgrund des Einspruchs hatte das FA mit Verfügung vom 9.1.2002 AdV in Höhe von 14.349,41 € (Körperschaftsteuer) und 789,23 € (Solidaritätszuschlag) gewährt. Diese bildeten damit zunächst die geschuldeten, aber von der Vollziehung ausgesetzten Beträge i.S.v. § 237 Abs. 1 Satz 1 AO. Durch den zeitlich nach Eintritt der Bestandskraft erlassenen Änderungsbescheid vom 14.12.2006, mit dem das FA auf Antrag der D-GmbH vom 1.12.2006 hin einen Verlustrücktrag aus 2001 berücksichtigte, wurden die Steuerfestsetzungen jedoch auf 12.350,26 € (Körperschaftsteuer) und 679,28 € (Solidaritätszuschlag) herabgesetzt. Damit verminderten sich auch die geschuldeten Beträge i.S.v. § 237 Abs. 1 Satz 1 AO. Nur diese waren bei Erlass des Zinsbescheids vom 2.1.2007 zu berücksichtigen, auch wenn die Herabsetzung der Steuerfestsetzungen erst nach Abschluss des Einspruchsverfahrens erfolgte.

aa) Vor Einführung von § 237 Abs. 5 AO durch das Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom 21.12.1993 (BGBl I 1993, 2310) ging der BFH in seiner Rechtsprechung davon aus, dass auch bei Aussetzungszinsen der Zinsanspruch vom Bestehen des Steueranspruchs abhängig ist (vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 25.3.1992 I R 159/90, BStBl II 1992, 997; BFH-Urteil vom 11.12.1996 X R 123/95, BFH/NV 1997, 275; ähnlich auch bereits BFH-Urteil vom 20.5.1987 II R 44/84, BStBl II 1988, 229; für Stundungszinsen nach § 234 AO und dort ausdrücklich auch zum Fall des Verlustrücktrags BFH-Urteil vom 18.7.1990 I R 165/86, BFH/NV 1991, 212). Diese Akzessorietät folgerte er aus der allgemeinen und damit auch für § 237 AO geltenden Regelung des § 233 Satz 1 AO (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 1992, 997, unter II.2; in BFH/NV 1997, 275, unter II.2.b cc). Er bezog sich zudem auf den Charakter von Zinsen als ein laufzeitabhängiges Entgelt für einen auf Zeit überlassenen oder vorenthaltenen Geldbetrag (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1992, 997, unter II.2). Nach dem BFH führte die Akzessorietät dazu, dass eine Herabsetzung der Steuerfestsetzung sowohl während des Rechtsbehelfsverfahrens als auch nach dessen Abschluss den "geschuldeten Betrag" i.S.v. § 237 Abs. 1 Satz 1 AO als Bemessungsgrundlage der Aussetzungszinsen minderte, und zwar unabhängig davon, ob die Herabsetzung einen Bezug zum Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahren aufwies (vgl. etwa die vom BFH in BStBl II 1992, 997 zu beurteilenden Änderungen der Steuerfestsetzung). Soweit die Steuerfestsetzung, nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aber noch vor Festsetzung der Aussetzungszinsen erfolgte, war nach dem BFH die Minderung der Bemessungsgrundlage bereits bei Erlass des Zinsbescheids zu berücksichtigen. Erfolgte die Herabsetzung der Steuerfestsetzung erst danach, war der Zinsbescheid nachträglich aufzuheben oder zu ändern (BFH-Urteile in BStBl II 1992, 997, unter II.2.; in BFH/NV 1997, 275, unter II.2.b cc). Der BFH hat offen gelassen, ob im letztgenannten Fall § 175 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 1 AO heranzuziehen war (BFH-Urteil in BStBl II 1992, 997, unter II.2.).

bb) Weder die Regelungen der § 237 Abs. 1 bis 4 AO noch die vom BFH herangezogene Vorschrift des § 233 Satz 1 AO, die Grundlage der Rechtsprechung des BFH waren, haben sich geändert. Angesichts dessen geht der Senat davon aus, dass es auch nach der im Streitfall geltenden Rechtslage im Grundsatz bei der Akzessorietät der Aussetzungszinsen im vorgenannten Sinne geblieben ist und diese lediglich durch den nunmehr eingefügten § 237 Abs. 5 AO i.d.F. des StMBG für die dort erfassten Fälle eingeschränkt wird. Nach § 237 Abs. 5 AO ist ein Zinsbescheid nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtig wird. Auch wenn die Regelung allgemein die Situation einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Steuerbescheids nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens anspricht, ordnet sie als Rechtsfolge lediglich an, dass dies keine Aufhebung oder Änderung des Zinsbescheids auslöst. Für den Fall der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens, aber vor Erlass des Zinsbescheids sieht § 237 Abs. 5 AO dagegen keine Rechtsfolge vor. Daher gilt hier weiterhin der Grundsatz der Akzessorietät der Aussetzungszinsen mit der Folge, dass im Zinsbescheid eine niedrigere Bemessungsgrundlage zugrunde zu legen ist (ebenso Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 237 AO Rz 24; a.A. aufgrund einer analogen Anwendung von § 237 Abs. 5 AO Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 237 AO Rz 21; Kögel in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 237 AO Rz 38; Koenig in Pahlke/Koenig, § 237 AO Rz 20; Schwarz, § 237 AO Rz 15a; unklar Rüsken in Klein, 6. Aufl. 2006, § 237 AO Rz 25).

Diese Auslegung folgt aus dem Wortlaut des § 237 Abs. 5 AO. Die dort ausgeschlossene Aufhebung oder Änderung des Zinsbescheids setzt voraus, dass ein solcher bereits ergangen ist. Eine Regelung für den erstmaligen Erlass des Zinsbescheids nach Beendigung der AdV trifft die Vorschrift nicht. Dafür, dass der Gesetzgeber die Akzessorietät der Aussetzungszinsen in diesen Fällen nicht einschränken wollte, spricht außerdem die Gesetzessystematik und die Entstehungsgeschichte der Regelung. § 237 Abs. 5 AO wurde zusammen mit vergleichbaren Regelungen in § 234 Abs. 1 Satz 2, § 235 Abs. 3 Satz 3 und § 236 Abs. 5 AO durch das StMBG eingeführt. Die Neuregelungen waren eine Reaktion des Gesetzgebers auf die o.g. Rechtsprechung des BFH. Der Gesetzgeber hat die vorgenannten Regelungen jedoch unterschiedlich gefasst. Während § 236 Abs. 5 AO für Prozesszinsen ebenso wie der hier in Rede stehende § 237 Abs. 5 AO lediglich eine Aufhebung oder Änderung des Zinsbescheids ausschließt, ordnen die Regelungen in § 234 Abs. 1 Satz 2 AO für Stundungszinsen und in § 235 Abs. 3 Satz 3 AO für Hinterziehungszinsen allgemein an, dass die bis zum Ablauf der Stundung bzw. bis zur Zahlung der hinterzogenen Steuern entstandenen Zinsen durch eine nach Ablauf der Stundung bzw. nach Ende des Zinslaufs erfolgende Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Steuerbescheids "unberührt" bleiben. Dies erfasst auch den Fall der Herabsetzung der Steuer vor Erlass des Zinsbescheids. Hätte der Gesetzgeber diesen Fall auch mit § 237 Abs. 5 AO erfassen wollen, hätte es nahe gelegen, dort ebenfalls die vorgenannte weitere Formulierung zu wählen. Dies gilt um so mehr, als auch der BFH die beiden Fälle in seiner Rechtsprechung herausgestellt und die unterschiedlichen Rechtsfolgen (Berücksichtigung der verminderten Bemessungsgrundlage bereits beim Erlass des Zinsbescheids zum einen und Änderung des Zinsbescheids zum anderen) aufgezeigt hat (vgl. BFH in BStBl II 1992, 997 unter II.2.; so auch Schwarz, § 237 AO Rz 15a, der allerdings dennoch von einer analogen Anwendung des § 237 Abs. 5 AO ausgeht).

Der Senat verkennt nicht, dass eine Unterscheidung danach, ob der Zinsbescheid bereits erlassen wurde oder nicht, nicht unbedingt befriedigend erscheint. Dies gilt insbesondere auch angesichts des vom Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien angegebenen Zwecks der Regelungen in § 236 Abs. 5 AO und § 237 Abs. 5 AO, wonach die Prozess- bzw. Aussetzungszinsen ausschließlich nach dem Ergebnis des Rechtsbehelfsverfahrens zu bemessen sein sollen und eine Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens "unberücksichtigt" bleiben soll (vgl. BR-Drs. 612/93, S. 105). Jedoch hat sich dieses möglicherweise verfolgte gesetzgeberische Motiv nicht im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen. Der Senat sieht auch keinen Raum dafür, den Anwendungsbereich von § 237 Abs. 5 AO im Wege einer Analogie zu erweitern. Aus der Systematik, der Entstehungsgeschichte sowie den Gesetzesmaterialien lassen sich letztlich unterschiedliche Regelungsziele herauslesen. Angesichts dessen ist eine planwidrige Gesetzeslücke nicht mit hinreichender Eindeutigkeit zu ermitteln.

cc) Ausgehend hiervon führte die durch den Verlustrücktrag aus 2001 bedingte Herabsetzung der Körperschaftsteuer und des Solidaritätszuschlags 2000 durch den Änderungsbescheid vom 14.12.2006 zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage für die Aussetzungszinsen, die im Rahmen des erst später erlassenen Zinsbescheids noch zu berücksichtigen war. Weitere noch mögliche Herabsetzungen der Körperschaftsteuer (etwa aufgrund des im Klageverfahren 9 K 3520/07 F von der Klägerin geltend gemachten Verlustvortrags aus dem Jahr 1999) wären dagegen durch § 237 Abs. 5 AO erfasst und hätten keine Auswirkungen auf die Aussetzungszinsen mehr.

2. Für die Berechnung der Zinsen waren die zu verzinsenden Beträge gemäß § 238 Abs. 2 AO auf 12.300 € (Körperschaftsteuer) und 650 € (Solidaritätszuschlag) abzurunden. Der Zinslauf vom 14.1.2002 (Beginn der AdV mit Fälligkeit der ausgesetzten Beträge, § 237 Abs. 2 Satz 2 AO) bis zum 12.12.2006 (Ende der AdV einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 9.11.2006) umfasste die auch vom FA zugrunde gelegten 58 vollen Monate (§ 238 Abs. 1 Satz 2 AO), für die die Verzinsung jeweils 0,5 % beträgt (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO). Hieraus ergeben sich festzusetzende Aussetzungszinsen von insgesamt 3.755,50 € (Körperschaftsteuer: 3.567 €, Solidaritätszuschlag: 188,50 €).

3. Die angefochtene zu hohe Festsetzung von Aussetzungszinsen kann auch nicht aufgrund einer Saldierung in vollem Umfang als rechtmäßig beurteilt werden. Zwar hat das FA auf den erneuten Einspruch der D-GmbH vom 19.12.2006 gegen den geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2000 vom 14.12.2006 mit Verfügung vom 22.1.2007 nochmals AdV in Bezug auf die nunmehr niedrigeren Steuerfestsetzungen gewährt. Auch dieser Einspruch hatte im Ergebnis keinen Erfolg, so dass insoweit wiederum Aussetzungszinsen nach § 237 AO angefallen sein dürften. Selbst wenn das FA insoweit keine Aussetzungszinsen festgesetzt haben sollte, könnte der Senat diesen Zinsanspruch jedoch nicht im Rahmen der vorliegend festgesetzten Aussetzungszinsen berücksichtigen. Für jedes Rechtsbehelfsverfahren entsteht ein eigenständiger Zinsanspruch nach § 237 AO. Die vorliegende Zinsfestsetzung bezog sich aber ausdrücklich allein auf die für den Einspruch vom 3.1.2002 mit Verfügung vom 9.2.2002 gewährte AdV.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

V.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Auslegung des durch das StMBG eingefügten § 237 Abs. 5 AO für den vorliegenden Fall einer Änderung der Steuerfestsetzung nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens, aber vor Erlass des Zinsbescheids, sowie die Auswirkungen der Regelung auf die nach der vorherigen Rechtsprechung des BFH bestehenden Akzessorietät des Zinsanspruchs sind klärungsbedürftig.

Ende der Entscheidung

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