Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 22.02.2008
Aktenzeichen: 9 K 509/07 K,F
Rechtsgebiete: AStG


Vorschriften:

AStG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

9 K 509/07 K,F

Tenor:

Unter Änderung des Bescheids über die Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG für das Jahr 1993 vom 27. Dezember 2002 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2007 werden das Einkommen und das zu versteuernde Einkommen auf jeweils ./. 39.386.192 DM und der steuerliche Verlust auf 39.386.192 DM festgestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Streitig ist, ob Vermögensverlagerungen zwischen zwei niederländischen Schwestergesellschaften dazu führen, dass Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer der Gesellschaften stehen, in Deutschland ertragsteuerrechtlich vom Abzug ausgeschlossen sind.

Die Klägerin, die sich ausschließlich als geschäftsleitende Holding betätigt, ist mit einer Beteiligung von 95,37% Organträgerin der X..... AG. Diese ist mit einer Beteiligung von 100% Organträgerin der X..... International Beteiligungs GmbH (X..), die innerhalb des Konzerns als Holding für ausländische Beteiligungen fungiert. Das Wirtschaftsjahr der genannten Gesellschaften läuft vom 1. April bis zum 31. März.

Die X.. war zu 100% an der Y.... Glasverzekering N.V. (S) mit Sitz in A-Stadt (NL) (Niederlande) beteiligt, die das Glasversicherungsgeschäft betreibt. Die S hält ihrerseits alle Anteile an der Z...... Glasverzekering Maatschappij N.V. (L) mit Sitz in B-Stadt (NL). Ferner ist die X.. zu 100% an der X..... Nederland Beheer B.V. (XNB) mit Sitz in C-Stadt (NL) beteiligt, die alle Anteile an der H.. Glas B.V. (H) mit Sitz in D-Stadt (NL) (Niederlande) hält. Die H ist wiederum Holding für mehrere niederländische Glasvertriebsgesellschaften.

Die X.. hatte der S Darlehen gewährt. Der Zinssatz betrug in den Jahren 1991 und 1992 zwischen 10,1% und 10,2%. Sicherheiten waren nicht vereinbart. Die Verbindlichkeiten aus diesen Darlehen sollten im Verhältnis zu den Verbindlichkeiten der S gegenüber Dritten nachrangig sein. Der Darlehensvertrag, der aus der Zeit vor 1984 stammt, kann von der Klägerin nicht mehr vorgelegt werden. Der hier dargestellte Inhalt dieses Vertrages ist zwischen den Beteiligten aber unstreitig.

Am 8. September 1992 veräußerten L und S ihre Grundstücke an die H. Als Kaufpreis wurde der jeweilige Buchwert vereinbart (insgesamt 4,195 Mio. Niederländische Gulden - NLG -). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Verkehrswerte die Buchwerte um 6,471 Mio. DM überstiegen haben; die niederländische Finanzverwaltung hat hieraus jedoch keine Konsequenzen gezogen. Die Kaufpreise wurden durch Aufrechnung mit gegenläufigen Forderungen erbracht. Anschließend beglich S ihre gegenüber Dritten bestehenden Verbindlichkeiten. Danach war sie vermögenslos und leistete keine Zahlungen mehr auf die gegenüber der X.. bestehenden Verbindlichkeiten.

Am 9. September 1992 veräußerte die X.. ihre Beteiligung an der S für 1 NLG an Herrn Johannes V.... (V). Im Vertrag ist davon die Rede, dass es sich bei der S um einen Sanierungsfall handle. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass V im Verhältnis zu den genannten Konzernunternehmen als fremder Dritter anzusehen und der Kaufpreis angemessen ist.

Die X.. nahm im Zusammenhang mit der Veräußerung ihrer Beteiligung an der S im Wirtschaftsjahr 1992/1993 die folgenden gewinnmindernden Buchungen vor:

Ausbuchung des Buchwerts der Beteiligung (3.354.679,89 DM);

Übernahme laufender Steuer- und Rechtsberatungskosten der S, die in den Niederlanden als Betriebsausgaben abziehbar gewesen wären (386.364 DM). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass diese Zahlung als verdeckte Einlage zu beurteilen ist, die den Buchwert der Beteiligung an der S hätte erhöhen müssen;

Teilwertabschreibungen auf Darlehensforderungen (2.431.275 DM) und Zinsforderungen (298.732,50 DM) gegen die S;

Summe: 6.471.051,39 DM.

Nach Verrechnung mit dem erhaltenen Veräußerungspreis von 1 NLG ergab sich per Saldo eine Gewinnminderung von 6.471.050 DM.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung bei der X.. und der Klägerin vertrat der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, der Betrag von 6.471.050 DM sei dem Gewinn der X.. - und damit der Klägerin - nach § 1 des Außensteuergesetzes (AStG) hinzuzurechnen. Denn hätten L und S die Grundstücke zum angenommenen Verkehrswert veräußert, hätte die S über Mittel verfügt, aus denen sie die Verbindlichkeiten gegenüber der X.. hätte tilgen können, so dass sich dort kein Abschreibungsbedarf ergeben hätte. Die übersteigenden Finanzmittel hätten den von der X.. erzielbaren Veräußerungspreis erhöht, so dass sich auch kein Veräußerungsverlust ergeben hätte. Die Anwendung des § 1 AStG sei nicht durch eine etwaige Sperrwirkung des Tatbestands der verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) ausgeschlossen: Zum einen sei bei reinen Auslandssachverhalten keine vGA gegeben; zum anderen sei in den Niederlanden auch tatsächlich keine Gewinnkorrektur vorgenommen worden.

Entsprechend setzte das FA mit dem angefochtenen Änderungsbescheid vom 27. Dezember 2002, in dem es zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob, die Körperschaftsteuer (KSt) 1993 bei einem zu versteuernden Einkommen von ./. 32.915.142 DM auf 9.089.999 DM fest. Die positive Steuerfestsetzung beruht ausschließlich auf einer - hier nicht streitigen - KSt-Erhöhung durch Ausschüttungen aus dem EK 02. Gleichzeitig traf das FA in diesem Bescheid die in § 47 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (KStG 1991) angeordneten gesonderten Feststellungen.

Im Einspruchsverfahren gegen den KSt- und den Feststellungsbescheid vertrat die Klägerin die Auffassung, die ausschließlich innerhalb der Niederlande abgewickelten Grundstücksverkäufe erfüllten nicht das von § 1 AStG vorausgesetzte Merkmal der "Geschäftsbeziehungen zum Ausland". Zwar könne es sich bei den verbilligten Grundstücksverkäufen an die H um vGA der S an die X.. handeln. Diese seien in Deutschland aber aufgrund des Schachtelprivilegs des Art. 13 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16. Juni 1959 (BGBl. II 1960, 1781) in der Fassung des Zweiten Zusatzprotokolls vom 21. Mai 1991 (BGBl. II 1991, 1428) - im Folgenden: DBA NL 1959/1991 - steuerfrei.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In seiner Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2007 führte das FA aus, die Geschäftsbeziehungen i.S.d. § 1 AStG seien in den Darlehensverhältnissen zu sehen. Die Minderung der steuerpflichtigen Einkünfte sei im Inland eingetreten, der korrespondierende Vorteil - unentgeltliche Übertragung stiller Reserven auf die H - hingegen im Ausland. Aus diesem Grunde schließe auch der Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs eine Anwendung des § 1 AStG nicht aus. Selbst wenn die Anwendbarkeit des § 1 AStG wegen des Vorrangs einer vGA zu verneinen und die vGA in Deutschland steuerfrei wäre, seien die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen nach § 3c des Einkommensteuergesetzes (EStG 1990) vom Abzug ausgeschlossen. Für den Fall, dass keine dieser Vorschriften zur Anwendung kommen sollte, scheitere eine Gewinnauswirkung der Aufwendungen immer noch daran, dass die X.. sie als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung an der H zu aktivieren hätte.

Im Klageverfahren vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, bereits die einfach-gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anwendung des § 1 AStG seien nicht erfüllt. Die fehlende Besicherung des Darlehens bzw. die Nachrangvereinbarung habe sich nur konzernintern ausgewirkt und sei daher nicht unüblich. Selbst wenn es sich um unübliche Vereinbarungen handeln sollte, seien diese nicht kausal für den Forderungsverlust geworden; der Verlust beruht vielmehr allein auf dem zu geringen Grundstückskaufpreis. Über § 1 AStG könne allenfalls der Verrechnungspreis (Zinssatz) korrigiert werden, nicht aber die Gewinnminderung aus dem Ausfall der Darlehensforderung. Zudem schließe die Erfüllung des Tatbestands der vGA die Anwendung der nachrangigen Gewinnkorrekturvorschrift des § 1 AStG von vornherein aus.

Die Steuerbefreiung der vGA aufgrund des DBA-rechtlichen Schachtelprivilegs setze nicht voraus, dass auch im Herkunftsland eine Gewinnkorrektur unter dem Gesichtspunkt der vGA erfolge. Das Erfordernis einer korrespondierenden Besteuerung im Quellenstaat sei in Deutschland erst ab 2007 eingeführt worden (§ 8 Abs. 3 Satz 5, § 8b Abs. 1 Sätze 2, 3 KStG). Ob die Voraussetzungen des § 3c EStG 1990 erfüllt seien, könne offen bleiben, da diese Vorschrift im zeitlichen Geltungsbereich des Anrechnungsverfahrens bei Gewinnausschüttungen aus dem EG-Ausland wegen eines Verstoßes gegen die europarechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit nicht angewendet werden dürfe (Urteil des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - vom 23. Februar 2006 C-471/04, Slg. 2006, I-2107 - Keller Holding).

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Bescheids über die Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG für das Jahr 1993 vom 27. Dezember 2002 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2007 das Einkommen und das zu versteuernde Einkommen auf jeweils ./. 39.386.192 DM und den steuerlichen Verlust auf 39.386.192 DM festzustellen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Das FA hat sein Vorbringen im Klageverfahren dahingehend ergänzt, dass das Darlehen der X.. an die S auch dann unter den Begriff der "Geschäftsbeziehung" falle, wenn es als kapitalüberlassend anzusehen sein sollte. Die Vorschrift des § 1 AStG sei mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar, weil sie den international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 des Musterabkommens der Organisation für wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung (OECD-MA) umsetze, der auch in der Rechtsprechung des EuGH zugrunde gelegt werde. Hinsichtlich der nachträglichen Anschaffungskosten für die Beteiligung an der H sei vorliegend nicht auf die vGA abzustellen; vielmehr seien bei wirtschaftlicher Betrachtung die Aufwendungen (Veräußerungsverlust, Forderungsabschreibung) zu aktivieren. Dann komme es auf das EuGH-Urteil in der Rs. "Keller Holding" nicht mehr an.

Der Berichterstatter hat die Sache am 19. Oktober 2007 mit den Beteiligten erörtert, der Senat hat am 22. Februar 2008 mündlich verhandelt. Auf die jeweiligen Protokolle wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat legt die Klage dahingehend aus, dass die Klägerin ausschließlich den Feststellungsbescheid nach § 47 Abs. 2 KStG 1991 angefochten hat. Die KSt-Festsetzung als solche ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Die Klageschrift vom 7. Februar 2007 lässt diese Auslegung zu.

Die solchermaßen ausgelegte Klage ist begründet. Der angefochtene Feststellungsbescheid ist im Umfang seiner Anfechtung rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Bereits die einfach-rechtlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 1 AStG liegen nur hinsichtlich eines Teils des insgesamt streitigen Betrages vor (dazu unten 1.). Auch insoweit darf § 1 AStG im Streitfall aber nicht angewendet werden, weil dies mit der Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar wäre (unten 2.). Die von der X.. bezogene vGA ist nach dem DBA NL 1959/1991 in Deutschland steuerfrei (unten 3.). Gleichwohl bleiben die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen abziehbar, weil die Abzugsverbote nach § 3c EStG 1990 (unten 4.) und § 26 Abs. 8 KStG 1991 (unten 5.) gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen. Die vom FA vorgenommene Gewinnerhöhung kann auch nicht auf die Aktivierung nachträglicher Anschaffungskosten gestützt werden (unten 6.).

1. § 1 AStG ist nur hinsichtlich der Verluste aus den Teilwertabschreibungen auf die Darlehens- und Zinsforderungen anwendbar; im Übrigen liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vor.

a) Eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG ist vorzunehmen, wenn Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus Geschäftsbeziehungen (§ 1 Abs. 4 AStG) mit einer ihm nahestehenden Person (§ 1 Abs. 2 AStG) dadurch gemindert werden, dass er im Rahmen solcher Geschäftsbeziehungen zum Ausland Bedingungen vereinbart, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten.

b) Danach löst die Einkünfteminderung aus der Veräußerung der Beteiligung an der S keine Korrektur nach § 1 Abs. 1 AStG aus. Zum einen ist V keine nahestehende Person i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG; zum anderen ist der vereinbarte Anteilskaufpreis fremdüblich. Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht mehr streitig.

Die Einkünfteminderung aus der Übernahme der Steuer- und Rechtsberatungskosten durch die X.. zugunsten der S ist im Ergebnis nach den gleichen Rechtsgrundsätzen wie die Einkünfteminderung aus der Veräußerung der Beteiligung zu beurteilen. Diese Kostenübernahme hätte als verdeckte Einlage den Buchwert der Beteiligung erhöhen müssen; damit hätte sie zugleich aber den Veräußerungsverlust erhöht.

c) Hinsichtlich der Grundstücksverkäufe wurden zwar - wie zwischen den Beteiligten mittlerweile ebenfalls unstreitig ist - Bedingungen vereinbart, die einem Fremdvergleich nicht standhalten. Gleichwohl kann eine Gewinnkorrektur bei der X.. bzw. der Klägerin nicht auf § 1 Abs. 1 AStG gestützt werden. Denn die Grundstücksverkäufe stellen weder Geschäftsbeziehungen "des Steuerpflichtigen" (hier: der X..) dar noch betreffen sie Geschäftsbeziehungen "zum Ausland". Diese Geschäfte haben sich vielmehr ausschließlich in den Niederlanden und ausschließlich zwischen zwei anderen Gesellschaften ohne Beteiligung der X.. bzw. der Klägerin abgespielt. Sie haben zudem nicht unmittelbar zu einer Einkünfteminderung bei der X.. bzw. der Klägerin geführt.

Die hinsichtlich der Grundstücksverkäufe fehlenden Tatbestandsmerkmale dürfen auch nicht durch die Heranziehung von Merkmalen anderer Geschäftsbeziehungen - hier: der Darlehensverträge (dazu sogleich unter d) - ersetzt werden. Denn § 1 Abs. 1 AStG ist nach Auffassung des Senats dahingehend auszulegen, dass sämtliche Merkmale des gesetzlichen Tatbestands gleichzeitig und unmittelbar bei dem Steuerpflichtigen - hier: der X.. - vorliegen müssen.

d) In Bezug auf die Einkünfteminderung aus der Teilwertabschreibung auf die Darlehens- und Zinsforderungen ist der Tatbestand des § 1 AStG hingegen erfüllt.

aa) Die S war bis zur Veräußerung der Beteiligung im Verhältnis zur X.. nahestehende Person i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG.

bb) Der Darlehensvertrag ist auch als "Geschäftsbeziehung" i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG anzusehen.

Zur Rechtslage vor Einführung des § 1 Abs. 4 AStG hat der BFH entschieden, dass unentgeltliche wirtschaftliche Stützungsmaßnahmen nicht unter den Begriff der "Geschäftsbeziehung" fallen (BFH-Urteile vom 30. Mai 1990 I R 97/88, BFHE 160, 567, BStBl. II 1990, 875, undvom 29. November 2000 I R 85/99, BFHE 194, 53, BStBl. II 2002, 720). Ob diese Rechtsprechung auf die - im Streitfall maßgebende - Rechtslage nach der Anfügung des § 1 Abs. 4 durch das Steueränderungsgesetz 1992 übertragbar ist, hat der BFH bisher offen gelassen (vgl. BFH-Urteil vom 28. April 2004 I R 5/02, BFHE 206, 116, BStBl. II 2005, 516, unter II.2.).

Im Streitfall wäre selbst dann eine "Geschäftsbeziehung" gegeben, wenn die zur früheren Fassung des § 1 AStG ergangene Rechtsprechung auch für die ab 1992 geltende Rechtslage weiter anwendbar wäre. Denn vorliegend kann die Darlehensgewährung nicht als unentgeltliche Stützungsmaßnahme angesehen werden, weil ein Zinssatz von 10,1 - 10,2% jährlich vereinbart wurde.

Auch hat der Senat nicht feststellen können, dass das Darlehen nach dem maßgebenden niederländischen Gesellschaftsrecht als Eigenkapital zu qualifizieren wäre (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BFH-Urteil vom 30. Mai 1990 I R 97/88, BFHE 160, 567, BStBl. II 1990, 875, unter II.2.c). Die - insoweit zur Mitwirkung aufgeforderte - Klägerin hat hierzu ausgeführt, sie könne keine entsprechenden Tatsachen vorbringen.

cc) Die Bedingungen der Darlehensgewährung weichen auch von denjenigen ab, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten.

Das Darlehen war trotz seiner beachtlichen Höhe und der schlechten wirtschaftlichen Lage der S nicht gesichert. Der Senat hat zwar nicht feststellen können, in welcher wirtschaftlichen Lage sich die S bei erstmaliger Gewährung des Darlehens befunden hat. Aus dem vorgelegten Schriftwechsel zwischen der X.. und der S geht jedoch hervor, dass das Darlehen jeweils für drei Monate verlängert wurde, es also alle drei Monate grundsätzlich zur Rückzahlung angestanden hätte. Angesichts des Inhalts des Anteilskaufvertrags vom 9. September 1992 ist der Senat davon überzeugt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), dass die wirtschaftliche Lage der S jedenfalls im Zeitpunkt der letzten Darlehensverlängerungen so schlecht war, dass fremde Dritte entweder eine Sicherheit vereinbart oder aber das Darlehen abgezogen hätten. Hinzu kommt, dass die X.. im Rang hinter alle anderen Gläubiger der S zurückgetreten war.

Im Ausgangspunkt zu Recht weist die Klägerin zwar darauf hin, dass es für die Anwendung des § 1 AStG nicht auf die einzelne - ggf. unübliche - Vereinbarung (hier: Nachrang und fehlende Besicherung) ankommt, sondern auf den Verrechnungspreis (hier: den vereinbarten Zinssatz). Indes ist der Senat überzeugt davon, dass die in den Jahren 1991 und 1992 vereinbarten Zinssätze von maximal 10,2% dem von der X.. - angesichts des Nachrangs und der fehlenden Besicherung - übernommenen Risiko nicht angemessen waren. Dabei ist entscheidend zu berücksichtigen, dass die genannten Jahre in eine Hochzinsphase fielen: Die kurzfristigen Zinssätze innerhalb der EG (Dreimonatsgeld) lagen im Jahr 1991 bei 11,0%, im Jahr 1992 sogar bei 11,2%; der Lombardsatz der Deutschen Bundesbank betrug in den ersten drei Quartalen des Jahres 1992 9,8% (Quelle: Jahresbericht 1992 des Ausschusses der Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, April 1993, S. 2, 23). Vor diesem Hintergrund wäre der vereinbarte Zinssatz von 10,2% selbst für ein Darlehen an ein Unternehmen erstklassiger Bonität als am unteren Rand der Bandbreite liegend anzusehen. Das von der X.. übernommene Risiko wird in diesem Zinssatz jedoch nicht einmal ansatzweise abgebildet.

Auch der Hinweis der Klägerin auf die Rechtsprechung zur fehlenden Üblichkeit einer Besicherung in Fällen des sog. "Rückhalts im Konzern" (BFH-Urteile vom 21. Dezember 1994 I R 65/94, BFHE 176, 571, unter II.B.4.;vom 29. Oktober 1997 I R 24/97, BFHE 184, 482, BStBl. II 1998, 573, unter II.3.d, undvom 6. März 2003 IV R 21/01, BFH/NV 2003, 1542, unter II.3.a) führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn in diesen Entscheidungen hat der BFH nicht etwa das Erfordernis aufgegeben, wonach auch bei konzerninternen Darlehensbeziehungen mit einer Rückzahlung des Darlehens zu rechnen sein muss. Er hat lediglich ausgeführt, aus einer fehlenden Besicherung dürften keine nachteiligen steuerrechtlichen Folgen gezogen werden, wenn aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Einflussnahmemöglichkeiten auf andere Weise eine Rückzahlung sichergestellt sei. Vorliegend war die Rückzahlung des Darlehens aber gerade nicht sichergestellt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die nach § 1 Abs. 1 AStG vorzunehmende Gewinnkorrektur nicht lediglich auf eine Anpassung des Zinssatzes (Verrechnungspreises) an den Zinssatz für Risikodarlehen begrenzt. Bereits nach ihrem Wortlaut berechtigt die genannte Vorschrift zu einer Korrektur der Einkünfte dahingehend, "wie sie unter den zwischen unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären". Zwischen unabhängigen Dritten wäre aber eine hinreichende Besicherung der Darlehen vorgenommen worden, so dass die X.. keine Teilwertabschreibungen auf ihre Forderungen hätte vornehmen müssen. Der Zweck des § 1 Abs. 1 AStG rechtfertigt keine teleologische Reduktion des eindeutigen Wortlauts dieser Vorschrift. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber Gewinnverlagerungen ins Ausland durch grenzüberschreitende, nicht in fremdüblicher Weise gesicherte Darlehensgewährungen im Konzern hat zulassen wollen.

Weil danach schon die fehlende Besicherung zur Anwendung des § 1 AStG führt, kommt es nicht darauf an, dass die zusätzlich getroffene Nachrangvereinbarung bei isolierter Betrachtung nur in Höhe derjenigen Quote kausal für die Einkünfteminderung bei der X.. geworden ist, mit der die X.. bei einem unterstellten Gleichrang ihrer Forderungen mit den Forderungen anderer Gläubiger befriedigt worden wäre.

dd) Im Streitfall entfaltet der Tatbestand der vGA keine Sperrwirkung für den - ausweislich seines Wortlauts nachrangigen - Tatbestand des § 1 Abs. 1 AStG. Denn eine vGA beruht ausschließlich auf dem vergünstigten Grundstücksverkauf (näher unten 3.a), während die Anwendung des § 1 AStG auf einer nicht fremdüblichen Sicherungs- und Nachrangvereinbarung beim Darlehensvertrag beruht. Diese Geschäfte sind aber in ihrer rechtlichen Beurteilung voneinander zu trennen (vgl. bereits die Ausführungen unter c).

2. Auch soweit nach dem Vorstehenden die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung nach § 1 Abs. 1 AStG erfüllt sind, darf diese Norm im Streitfall nicht angewendet werden, weil sie mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 52, 58 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der im Streitfall noch anwendbaren Fassung vom 25. März 1957, BGBl. II 1957, 766 - EGV -) nicht vereinbar ist.

a) Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH zur Abgrenzung zwischen den Schutzbereichen der Kapitalverkehrsfreiheit einerseits und der Niederlassungsfreiheit andererseits (Urteil vom 12. September 2006 C-196/04, Slg. 2006, I-7995 - Cadbury-Schweppes; Beschluss vom 10. Mai 2007 C-492/04, DB 2007, 1283 - Lasertec; Urteil vom 24. Mai 2007 C-157/05, IStR 2007, 441 - Holböck) ist vorliegend allein die Niederlassungsfreiheit anwendbar. Denn die Anwendung des § 1 AStG setzt einen beherrschenden Einfluss bzw. zumindest eine wesentliche Beteiligung voraus (§ 1 Abs. 2 AStG).

Das Halten einer Beteiligung an einer ausländischen Tochtergesellschaft, die einen beherrschenden Einfluss gewährt, ist als "Niederlassung" i.S.d. Art. 52 EGV anzusehen (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 EGV). Die Beziehungen zwischen der Klägerin und ihren Tochter- bzw. Enkelgesellschaften in den Niederlanden fallen daher in den Schutz der Niederlassungsfreiheit.

Mit der Niederlassungsfreiheit ist das Recht verbunden, die Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat u.a. durch eine Tochtergesellschaft auszuüben (EuGH-Urteil vom 29. März 2007 C-347/04, BStBl. II 2007, 492 - Rewe Zentralfinanz, Rn. 25, m.w.N.).

b) Gemäß Art. 52 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 58 EGV sind Beschränkungen der freien Niederlassung von Gesellschaften eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats grundsätzlich verboten.

Auch wenn die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nach ihrem Wortlaut die Inländergleichbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern sollen, verbieten sie es doch ebenfalls, dass der Herkunftsstaat die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert (EuGH-Urteil vom 29. März 2007 C-347/04, BStBl. II 2007, 492 - Rewe Zentralfinanz, Rn. 26).

Die direkten Steuern fallen zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten; diese müssen ihre Befugnisse jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben und sich deshalb jeder offensichtlichen oder versteckten Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit eines Steuerpflichtigen oder des Sitzes einer Gesellschaft enthalten (ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. EuGH-Urteil vom 12. Juli 2005 C-403/03, Slg. 2005, I-6421 - Schempp, Rn. 19).

Im Streitfall bewirkt die Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG, dass die steuerliche Position der X.. - und damit der Klägerin - sich verschlechtert, weil sie eine Geschäftsbeziehung (Darlehensvertrag) mit einer niederländischen Gesellschaft unterhalten hat, an der sie beteiligt ist. Hätte sie hingegen einen - ansonsten vergleichbaren - Darlehensvertrag mit einer deutschen Tochtergesellschaft abgeschlossen, hätten die Teilwertabschreibungen auf die Darlehens- und Zinsforderungen den steuerlichen Gewinn der Organgesellschaft gemindert: Eine Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG wäre nicht möglich, weil es sich um rein inländische Geschäftsbeziehungen handeln würde. Auch die Voraussetzungen anderer Gewinnkorrekturvorschriften wären nicht erfüllt. Insbesondere wäre keine Hinzurechnung unter dem Gesichtspunkt einer vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) vorzunehmen. Denn die bei der X.. eingetretene Vermögensminderung beruht auf dem Gesellschaftsverhältnis zu ihrer Tochtergesellschaft S. Demgegenüber könnte eine vGA nur angenommen werden, wenn die Vermögensminderung auf dem Gesellschaftsverhältnis zum Gesellschafter der X.. beruhen würde. Dies ist hier aber nicht der Fall.

c) Die durch die Regelung des § 1 Abs. 1 AStG eintretende Diskriminierung grenzüberschreitender Geschäftsbeziehungen ist nicht gerechtfertigt (ebenso BFH-Urteil vom 29. November 2000 I R 85/99, BFHE 194, 53, BStBl. II 2002, 720, unter II.6.; BFH-Beschluss vom 21. Juni 2001 I B 141/00, BFHE 195, 398, unter II.3.; Wassermeyer, StbJb 1998/99, 157, 169 f. und IStR 2001, 113; Köplin/Sedemund, IStR 2000, 305 und IStR 2002, 120; Herlinghaus, FR 2001, 240, 242 ff.; Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225, 248 f. und DB 2005, 1129, 1137; Bauschatz, IStR 2002, 333, 339 f.; Scheuerle, IStR 2002, 798; Dautzenberg/Gocksch, BB 2004, 904 ; wohl auch Kaminski, StStud 1998, 505, 509; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 816.1, Stand Oktober 2002 und in GmbHR 2004, 613, 616 f.; FW, IStR 1998, 243; Borstell/Brüninghaus/Dworaczek, IStR 2001, 757; sch, DStR 2001, 739, 740 ; Eigelshofen, IWB Fach 3, Gruppe 1 Seite 1761; Rödder, DStR 2004, 1629, 1632; Schön, IStR 2004, 289, 299; Dölker/Ribbrock, IStR 2005, 533 ).

aa) Insbesondere kann eine Rechtfertigung nicht auf Art. 6 Abs. 1 DBA NL 1959/1991, der wiederum den vom FA herangezogene Fremdvergleichsgrundsatz des internationalen Steuerrechts umsetzt, gestützt werden.

Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Regelungen in DBA nicht geeignet, einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten zu rechtfertigen (EuGH-Urteile vom 28. Januar 1986 C-270/83, Slg. 1986, 273 - avoir fiscal, Rn. 26, und vom 21. September 1999 C-307/97, Slg. 1999, I-6161 - Saint-Gobain, Rn. 58; ähnlich die Schlussanträge der Generalanwältin vom 8. November 2007 in der Rs. C-293/06 - Deutsche Shell, Rn. 42, zugänglich über http://curia.europa.eu).

Dem steht das vom FA angeführte EuGH-Urteil vom 12. Mai 1998 C-336/96 (Slg. 1998, I-2793 - Gilly, Rn. 31 ff.) nicht entgegen. Danach verstößt die Aufteilung der Steuerhoheit durch DBA nicht gegen die Grundfreiheiten, wenn sie sich an der völkerrechtlichen Praxis, insbesondere dem OECD-MA orientiert. In dieser Entscheidung ging es aber um die Zuweisung des Besteuerungsrechts für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die nach den allgemeinen Vorschriften beider nationaler Steuerrechtsordnungen in jedem der beiden Vertragsstaaten hätten besteuert werden dürfen. Das einschlägige DBA hat diese Doppelbesteuerung durch eindeutige Zuordnungsregeln beseitigt. Der EuGH hat in seinem Urteil in der Rs. Gilly lediglich bestätigt, dass diese Zuordnungsregeln nicht die Grundfreiheiten verletzen, weil sie den internationalen Standards entsprechen.

Vorliegend geht es hingegen um Gewinnminderungen, die nach den allgemeinen nationalen Steuervorschriften in Deutschland abziehbar wären. Lediglich ein für Auslandsbeziehungen geltendes besonderes Gesetz schließt die Abziehbarkeit der Aufwendungen aus. Damit ist die Ausgangslage nach Auffassung des Senats im entscheidenden Punkt eine andere als in der Rs. Gilly. Denn Art. 6 Abs. 1 DBA NL 1959/1991 dient hier nicht lediglich der Aufteilung und Begrenzung eines - nach nationalem Recht allgemein und diskriminierungsfrei begründeten - Steueranspruchs. Vielmehr dient diese Regelung hier der Aufrechterhaltung eines Steueranspruchs, den das nationale Recht in reinen Inlandsfällen gar nicht kennt und der erst durch § 1 Abs. 1 AStG - eine auf Auslandsbeziehungen beschränkte Sonderregelung - angeordnet wird (ebenso Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 1 AStG Rn. 96, Stand Oktober 2002).

Mit seiner Auffassung, wonach die diskriminierenden Wirkungen des § 1 AStG nicht durch eine dem Art. 9 des OECD-MA nachgebildete Vorschrift eines DBA gerechtfertigt werden können, sieht der Senat sich auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Juni 2001 I B 141/00, BFHE 195, 398, unter II.3.).

bb) Weitere Rechtfertigungsgründe sind weder vom FA vorgebracht worden noch - auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH - sonst ersichtlich.

3. Die vergünstigten Grundstücksverkäufe haben zwar dazu geführt, dass die X.. eine vGA empfangen hat (unten a). Diese vGA bewirkt im Ergebnis aber keine Erhöhung des steuerpflichtigen Einkommens, da sie nach Art. 20 Abs. 2 i.V.m. Art. 13 Abs. 4 DBA NL 1959/1991 in Deutschland steuerfrei ist (unten b).

a) Unter einer vGA ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruht, sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst ist. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis hat der BFH für den größten Teil der zu entscheidenden Fälle bejaht, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie einem Gesellschaftsfremden unter ansonsten vergleichbaren Umständen nicht zugewendet hätte. Maßstab für den hiernach anzustellenden Fremdvergleich ist das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (BFH-Urteil vom 6. April 2005 I R 15/04, BFHE 210, 14, BStBl. II 2006, 196, unter II.2., mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Soweit die S beim Verkauf ihres Grundstücks an die H auf die Erzielung eines Preises in Höhe des Verkehrswerts verzichtet hat, hat dies bei ihr zu einer verhinderten Vermögensmehrung geführt, die sich auch auf den bilanziellen Unterschiedsbetrag ausgewirkt hat. Der Vorgang ist durch das Gesellschaftsverhältnis zur X.. veranlasst, weil die X.. gleichzeitig einen Vorteil dadurch erlangt, dass sie keine eigenen Mittel aufwenden muss, um - mittelbar - eine Einlage in ihre Enkelgesellschaft H zu tätigen (vgl. zu derartigen Fallgestaltungen BFH-Beschluss vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl. II 1988, 348, unter C.II.2.a). Ohne das Vorhandensein einer gemeinsamen Obergesellschaft wäre es nicht denkbar, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer unter den sonstigen im Streitfall vorliegenden Umständen Grundstücke an eine andere Gesellschaft veräußert, obwohl der Kaufpreis nahezu 6,5 Mio. DM unterhalb des Verkehrswerts liegt.

Im Ergebnis dasselbe gilt für den vergünstigten Verkauf des Grundstücks der L an die H: Dieser hat zunächst eine vGA der L an die S und sogleich eine Weiterausschüttung an die X.. bewirkt.

Entsprechend erhöht sich das Einkommen der X.. gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, Abs. 3 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1, 2 KStG um den Wert der Vermögensvorteile, die die Gesellschaften S und L der Gesellschaft H zugewandt haben.

b) Diese Einkommenserhöhung ist jedoch in Anwendung des Schachtelprivilegs nach dem DBA NL 1959/1991 steuerfrei.

aa) Nach Art. 13 Abs. 1 DBA NL 1959/1991 hat grundsätzlich der Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht für Dividenden; das Recht des Quellenstaats zur Vornahme eines Quellensteuerabzugs bleibt jedoch unberührt (Art. 13 Abs. 2 DBA NL 1959/1991). Der Quellensteuersatz ist auf 10% begrenzt, wenn die Dividende von einer Kapitalgesellschaft an eine andere Kapitalgesellschaft gezahlt wird (Schachtelprivileg des Art. 13 Abs. 4 DBA NL 1959/1991). Die Voraussetzungen der letztgenannten Vorschrift liegen im Streitfall vor.

Deutschland nimmt die Einkünfte aus der Bemessungsgrundlage heraus, für die die Niederlande "ein Besteuerungsrecht" haben (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA NL 1959/1991). Nach dem Wortlaut dieser Regelung genügt grundsätzlich bereits das Recht der Niederlande zur Einbehaltung von Quellensteuer für die vollständige Steuerfreistellung in Deutschland. Von diesem Grundsatz enthält Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA NL 1959/1991 u.a. für Dividenden eine Ausnahme: Im Ergebnis kommt es hier in Deutschland nicht zu einer Steuerfreistellung, sondern lediglich zu einer Anrechnung der niederländischen Steuer auf die deutsche Steuer. Die dargestellte Ausnahme des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA NL 1959/1991 gilt aber nach dem klaren Wortlaut der genannten Norm für die - hier gegebenen - Schachteldividenden i.S.d. Art. 13 Abs. 4 DBA NL 1959/1991 gerade nicht. Im Ergebnis sind derartige Schachteldividenden daher gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA NL 1959/1991 in Deutschland steuerfrei zu stellen (vgl. Schauhoff in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 20 DBA Niederlande Rn. 58, Loseblatt, Stand Mai 2005).

bb) Nach Auffassung des Senats ist eine vGA auch dann als Schachteldividende i.S.d. Art. 13 Abs. 4 DBA NL 1959/1991 anzusehen, wenn sie in den Niederlanden keine Steuerfolgen ausgelöst hat.

Art. 13 DBA NL 1959/1991 enthält - anders als Art. 10 Abs. 3 OECD-MA - keine Definition des Begriffs "Dividende". Auch Nr. 10 des Schlussprotokolls zum DBA NL 1959/1991 stellt lediglich klar, dass insbesondere Einkünfte aus Aktien und GmbH-Anteilen unter diesen Begriff fallen. Indes ist sowohl aus deutscher als auch aus niederländischer Sicht unbestritten, dass vGA auch abkommensrechtlich die Voraussetzungen des Begriffs der "Dividende" erfüllen (für das Steuerrecht der Niederlande z.B. Galavazi in Debatin/Wassermeyer, Art. 13 DBA Niederlande Rn. 73, 81, Stand Januar 1998).

Nach Art. 10 Abs. 3 OECD-MA ist für den Begriff der Dividende grundsätzlich das Recht des Staates maßgebend, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist (hier: Niederlande). Da das DBA NL 1959/1991 jedoch weder eine dem Art. 10 Abs. 3 OECD-MA vergleichbare Regelung noch eine sonstige Definition des Begriffs der Dividende enthält, ist dieser Begriff gemäß Art. 2 Abs. 2 DBA NL 1959/1991 durch den jeweiligen DBA-Anwenderstaat - hier: Deutschland - nach seinen eigenen Gesetzen auszulegen. Nach deutschem Steuerrecht handelt es sich bei dem Vorteil, der der X.. erwächst, aber unzweifelhaft um eine vGA (vgl. oben a).

Weil Art. 10 Abs. 3 OECD-MA im Streitfall nicht einschlägig ist, geht auch der Hinweis des FA auf Nr. 28 Satz 2 des OECD-Musterkommentars (OECD-MK) zu Art. 10 Abs. 3 OECD-MA ins Leere. Nach der genannten Auslegungshilfe werden die in Art. 10 OECD-MA (= Art. 13 DBA NL 1959/1991) vorgesehenen Steuervergünstigungen im Falle von vGA insoweit gewährt, als der Staat, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, die vGA als Dividende besteuert. Weil gemäß Art. 2 Abs. 2 DBA NL 1959/1991 im Verhältnis zwischen Deutschland und den Niederlanden - anders als nach der Konzeption des OECD-MA - jedoch nicht das niederländische, sondern das deutsche Recht für die Auslegung des Begriffs der Dividende maßgebend ist, kann auch der Musterkommentar insoweit nicht herangezogen werden. Im Übrigen ist Nr. 28 Satz 2 OECD-MK zu Art. 10 Abs. 3 nach Auffassung des Senats nicht konkret, sondern abstrakt zu verstehen. Es kommt daher nicht darauf an, ob der ausländische Staat im konkreten Einzelfall die vGA als Dividende erfasst hat, sondern ob er generell in Fallgestaltungen wie dem vorliegenden eine vGA/Dividende annehmen würde (so im Ergebnis wohl auch Wassermeyer, in Debatin/Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rn. 95a, Stand Juni 2001). Auf die weitere von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob Nr. 28 Satz 2 OECD-MK zu Art. 10 Abs. 3 OECD-MA im Streitjahr 1993 - oder sogar im Zeitpunkt des Abschlusses bzw. der letzten Überarbeitung des DBA NL 1959/1991 - überhaupt schon anwendbar war, kommt es danach nicht mehr an.

Auch in weiteren Vorschriften - insbesondere in seinem Art. 20 - enthält das DBA NL 1959/1991 keine Klausel, wonach Deutschland die Freistellung nur dann zu gewähren hätte, wenn in den Niederlanden tatsächlich eine Besteuerung erfolgt ist (vgl. - für die parallel zu beurteilende Rechtslage bei der Vermögensteuer - BFH-Urteil vom 12. Juni 2002 II R 4/00, BFHE 199, 14, BStBl. II 2003, 231, unter II.1.c).

Hinzu kommt, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine auf ein DBA gestützte Steuerfreistellung in dem einen Vertragsstaat grundsätzlich nicht davon abhängig ist, ob im anderen Vertragsstaat eine tatsächliche Besteuerung erfolgt (BFH-Urteil vom 16. Februar 1996 I R 43/95, BFHE 180, 286, BStBl. II 1997, 128, unter II.4.d, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

4. Trotz der Steuerfreiheit der bezogenen vGA steht dem gewinnmindernden Abzug der Verluste aus der Veräußerung der Anteile an der S und der Aufwendungen infolge der Abschreibung der Darlehens- und Zinsforderungen die Vorschrift des § 3c EStG 1990 im Ergebnis nicht entgegen.

a) Allerdings besteht ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den vGA (Schachteldividenden) und den genannten Aufwendungen: Die vGA sind kausal für die Veräußerungsverluste und Abschreibungen geworden, weil es ohne die vGA nicht zu den Verlusten gekommen wäre. Auch stehen Ertrag und Aufwand in einem unmittelbaren sowohl zeitlichen als auch sachlichen Zusammenhang. Für Letzteres spricht insbesondere, dass die Grundstücksveräußerungen im Anteilskaufvertrag (der nur einen Tag später abgeschlossen wurde) detailliert erwähnt worden sind.

b) Auch die Vorschrift des § 3c EStG 1990 darf im Streitfall aber nicht angewendet werden, weil sie mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 52, 58 EGV) nicht vereinbar ist.

Der EuGH hat im Urteil vom 23. Februar 2006 C-471/04 (Slg. 2006, I-2107 - Keller Holding, insbesondere Rn. 33) entschieden, dass ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gegeben ist, wenn einerseits Aufwendungen im Zusammenhang mit (steuerfreien) ausländischen Dividenden vom Abzug ausgeschlossen sind, andererseits aber im reinen Inlandssachverhalt die Aufwendungen in vollem Umfang abziehbar bleiben, obwohl die Inlandsdividende im Ergebnis aufgrund der Besonderheiten des Vollanrechnungsverfahrens ebenfalls nicht mit Steuern belastet wird. Die verschiedenen denkbaren Rechtfertigungsgründe hat der EuGH in dieser Entscheidung als nicht tauglich zurückgewiesen. Dies hat zur Folge, dass § 3c EStG auf Fallgestaltungen, die unter den Schutz der Niederlassungsfreiheit fallen, nicht mehr angewendet werden darf (vgl. auch BFH-Urteil vom 13. Juni 2006 I R 78/04, BFHE 215, 82, unter III.4.).

Die Erwägungen des EuGH in seiner Entscheidung zur Rs. "Keller Holding" sind nach Auffassung des Senats in vollem Umfang auf den Streitfall übertragbar. Hätte die X.. eine vGA durch Vermögensverlagerungen zwischen zwei inländischen Tochtergesellschaften bezogen, wäre diese zwar nicht steuerfrei gewesen. Die Anrechnung des KSt-Guthabens hätte im Ergebnis aber dazu geführt, dass die X.. auf die inländische vGA im Wesentlichen keine Mehrsteuer zu zahlen gehabt hätte. Gleichwohl wären die Beteiligungsaufwendungen in vollem Umfang abziehbar geblieben, da die Voraussetzungen des § 3c EStG 1990 - wegen der formalen Steuerpflicht der bezogenen vGA - nicht gegeben wären.

5. Nichts anderes gilt im Ergebnis für die - im Streitjahr noch anwendbare - Vorschrift des § 26 Abs. 8 Nr. 2 KStG 1991.

Danach sind beim Bezug steuerfreier ausländischer Gewinnanteile u.a. Gewinnminderungen, die durch Veräußerung des Anteils entstehen, bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen, soweit die Gewinnminderung auf die Gewinnausschüttungen zurückzuführen ist.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im Streitfall in Bezug auf den Verlust aus der Veräußerung der Anteile an der S vor. Denn der Veräußerungsverlust ist darauf zurückzuführen, dass der Wert der Anteile an der S durch die Grundstücksverkäufe (= vGA) gemindert worden ist. Hingegen sind die Abschreibungen auf die Darlehens- und Zinsforderungen im Anwendungbereich des § 26 Abs. 8 KStG 1991 nicht tatbestandsmäßig.

Bei Übertragung der Grundsätze der EuGH-Urteile vom 23. Februar 2006 C-471/04 (Slg. 2006, I-2107 - Keller Holding) und vom 29. März 2007 C-347/04 (BStBl. II 2007, 492 - Rewe Zentralfinanz, Rn. 27 ff.) muss die Vorschrift des § 26 Abs. 8 KStG 1991 im Streitfall aber aus denselben Gründen wie § 3c EStG 1990 außer Betracht bleiben. Denn im vergleichbaren Inlandsfall wären Gewinnminderungen durch ausschüttungsbedingte Veräußerungsverluste steuerlich berücksichtigungsfähig gewesen, obwohl die empfangene Gewinnausschüttung aufgrund der Wirkungsweise des Anrechnungsverfahrens faktisch - nicht anders als im DBA-Fall - ebenfalls steuerfrei geblieben wäre.

6. Auch unter dem Gesichtspunkt der Aktivierung nachträglicher Anschaffungskosten der X.. für ihre Beteiligung an der XNB kann es nicht zu der vom FA begehrten Gewinnerhöhung kommen.

Allerdings sind der X.. nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung an ihrer Tochtergesellschaft XNB - die wiederum die Anteile an der H hält - entstanden. Bei den Grundstücken handelt es sich um Wirtschaftsgüter, die Gegenstand einer verdeckten Einlage sein können (vgl. zum Ganzen BFH-Beschluss vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl. II 1988, 348, unter C.II.2.b).

Gleichwohl führt die - noch nachzuholende - Aktivierung im Streitfall nicht zu einer Erhöhung des steuerpflichtigen Gewinns der X... Denn - anders als das FA meint - sind nicht etwa die "Aufwendungen" zu aktivieren. Vielmehr führt der Bezug der vGA zur korrespondierenden Aktivierung. Wegen der Steuerfreiheit dieser vGA hat aber auch die Aktivierung keine Gewinnerhöhung zur Folge (ebenso Achenbach in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, Anhang zu § 8 KStG "Anschaffungskosten", Stand September 2001).

Das FA kann sich für die von ihm vertretene "wirtschaftliche Betrachtung" nicht auf den BFH-Beschluss vom 6. Juli 2000 I B 34/00 (BFHE 192, 307, BStBl. II 2002, 490, unter II.2.c) berufen. Dort hat der BFH beiläufig ausgeführt, nach § 1 Abs. 1 AStG sei der Gewinn aus einer (einzelnen) Geschäftsbeziehung so zu ermitteln, als seien innerhalb der Geschäftsbeziehung angemessene Entgelte vereinbart worden; die Rechtsfolge setze außerhalb der Steuerbilanz an. Damit gibt der BFH indes nicht mehr als den Wortlaut des § 1 Abs. 1 AStG wieder. Die vom FA vertretene "wirtschaftliche Betrachtung" der Aktivierung unter Außerachtlassung der vGA lässt sich daraus nicht ableiten.

7. Die streitgegenständlichen Feststellungen ergeben sich danach wie folgt:

 Feststellungen lt. angefochtenem Bescheid./. 32.915.142 DM
./. Wegfall der Hinzurechnung nach § 1 AStG ./. 6.471.050 DM
= Feststellungen lt. FG./. 39.386.192 DM

Der Senat übt sein ihm durch Art. 234 Abs. 2 EGV (hier in der Fassung des Vertrags von Nizza vom 26. Februar 2001, BGBl. II 2001, 1665) eingeräumtes Ermessen dahingehend aus, im Streitfall keine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Die fehlende Vereinbarkeit des § 3c EStG 1990 und des § 26 Abs. 8 KStG 1991 mit der Niederlassungsfreiheit lässt sich ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH ableiten. Hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit des § 1 AStG mit der Niederlassungsfreiheit hält der Senat es für sinnvoll, zunächst den BFH mit dieser Problematik zu befassen, zumal es im Streitfall neben den europarechtlichen Fragen auch noch um die Auslegung des DBA NL 1959/1991 geht.

Aus diesem Grund war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

Zurück