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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Beschluss verkündet am 05.09.2007
Aktenzeichen: 9 V 2141/07 E
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 135 Abs. 1
FGO § 138 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

9 V 2141/07 E

Tenor:

Der Antrag wird als unzulässig verworfen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Im Hauptsacheverfahren ist zwischen den Beteiligten streitig, ob der Antragsteller in seiner nebenberuflichen Tätigkeit als Kabarettist mit Einkunftserzielungsabsicht gehandelt hat.

Der Antragsteller beantragte mit einem am 18. Mai 2007 bei Gericht eingegangenen Antrag die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Einkommensteuer-(ESt-)Bescheide für die Jahre 1989 - 1997, 1999, 2002 und 2003. Auf einen rechtlichen Hinweis des Berichterstatters gewährte der Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) mit Verfügung vom 4. Juni 2007 die begehrte AdV in vollem Umfang und erklärte mit Schreiben vom 18. Juni 2007 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Der Senatsvorsitzende bat den Antragsteller mit Schreiben vom 12. Juni 2007, ebenfalls den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Am 4. Juli 2007 erinnerte der Berichterstatter den Antragsteller schriftlich an die noch ausstehende Erledigungserklärung und wies darauf hin, dass der AdV-Antrag bei Nichtabgabe der Erledigungserklärung als unzulässig verworfen werden müsse.

Daraufhin teilte der Antragsteller mit, er könne die Erledigungserklärung erst abgeben, wenn das FA eine am 21. Mai 2007 erlassene Pfändungsverfügung aufhebe. Diese Pfändung war sowohl wegen der streitgegenständlichen Steuerrückstände als auch wegen eines Rückstands, der sich aus einem bestandskräftig gewordenen ESt-Bescheid für 2005 ergab, ausgebracht worden. Im Laufe eines gegen die Pfändung gerichteten Eilverfahrens (7 V 3024/07) hat das FA die Pfändung mit Verfügung vom 20. Juli 2007 auf den ESt-Rückstand für 2005 beschränkt.

Ebenfalls am 20. Juli 2007 wies der Berichterstatter den Antragsteller darauf hin, dass nunmehr die ausgesetzten Beträge wegen ESt 1989 - 1997, 1999, 2002 und 2003 nicht mehr von der Pfändung umfasst sind und bat nochmals um Abgabe der Hauptsacheerledigungserklärung. Am 22. August 2007 erinnerte der Berichterstatter den Antragsteller an die ausstehende Erklärung und kündigte eine Verwerfung des AdV-Antrags als unzulässig an. Der 7. Senat des FG Münster hat den Eilantrag in dem gegen die Pfändungsverfügung gerichteten Verfahren durch Beschluss vom 24. August 2007 wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses (Nichtabgabe der Hauptsacheerledigungserklärung trotz Abhilfe) als unzulässig verworfen.

Der Antragsteller beantragt weiterhin,

die ESt-Bescheide für 1989 - 1997, 1999, 2002 und 2003 von der Vollziehung auszusetzen.

Das FA hat nach Erlass der Abhilfeverfügungen keinen Antrag gestellt.

II. Der Antrag ist unzulässig.

Es fehlt an dem für jede gerichtliche Entscheidung erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.

1. Ausdrücklich hat nur das FA eine Erledigungserklärung abgegeben; der Antragsteller hat sich auf mehrere entsprechende Anfragen des Vorsitzenden bzw. Berichterstatters nicht geäußert. In derartigen Fällen ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der Rechtsstreit fortzuführen und förmlich zu entscheiden. Die Erledigungserklärung des FA - das nicht über den Streitgegenstand disponieren kann - stellt sich lediglich als Anregung an das Gericht dar, zu prüfen, ob der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Kommt auch das Gericht zu diesem Ergebnis, ist der Antrag mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO als unzulässig zu verwerfen, weil ihm nunmehr das Rechtsschutzbedürfnis fehlt und der Antragsteller dem nicht durch Änderung seines Antrags Rechnung getragen hat (grundlegend Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 4/78, BStBl. II 1979, 375, unter B.II.5.; zuletzt BFH-Beschluss vom 10. Januar 2007 I B 91/06, BFH/NV 2007, 934, unter II.2.).

2. Eine Erledigungserklärung kann auch nicht darin gesehen werden, dass der Antragsteller sich seit der Beschränkung der Pfändungsverfügung auf die nicht von dem vorliegenden Rechtsstreit erfassten Beträge nicht mehr beim Gericht gemeldet hat. Denn eine Erledigungserklärung muss als Prozesshandlung klar und eindeutig abgegeben werden; bloßes Schweigen darf nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen grundsätzlich nicht als Prozesshandlung fingiert werden.

Allerdings hat der Große Senat des BFH ausgeführt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Prozesslage nach Erledigung der Hauptsache sei auch zu prüfen, wie das Schweigen eines Beteiligten zu werten ist (BFH-Beschluss in BStBl. II 1979, 375, unter B.II.5.a aa). Schweigen könne als Erledigungserklärung angesehen werden, wenn der Beteiligte sich nicht mehr mit dem Verfahren befasse. Denn damit gebe er zu erkennen, an der Fortsetzung des Rechtsstreits kein Interesse mehr zu haben (BFH-Urteil vom 12. Juli 1979 IV R 13/79, BStBl. II 1979, 505, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).

Ganz überwiegend wird indes auch in der Rechtsprechung des BFH vertreten, dass Schweigen im Allgemeinen nicht als Erledigungserklärung fingiert werden dürfe. Denn das FG dürfe Anträge zwar anregen (§ 76 Abs. 2 FGO), nicht jedoch unterstellen (BFH-Entscheidungen vom 21. Mai 1987 IV R 101/86, BFH/NV 1988, 258, unter II.2.;vom 17. Oktober 1990 I R 36/88, BFH/NV 1991, 835, undvom 25. August 2004 IX B 94/04, BFH/NV 2005, 70, unter II.2.; ebenso Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 138 FGO Tz. 20, Stand April 2006).

Zudem ist der - vereinzelt gebliebenen - Rechtsprechung zur Bejahung fingierter Erledigungserklärungen spätestens durch die Anfügung des § 138 Abs. 3 FGO (Gesetz vom 24. August 2004, BGBl. I 2004, 2198) der Boden entzogen worden. Denn wenn das Gesetz nunmehr - unter der Voraussetzung einer förmlichen Zustellung der Erledigungserklärung, die im vorliegenden Fall ohnehin nicht beachtet worden wäre - lediglich die Möglichkeit vorsieht, das Schweigen des Beklagten (hier: Antragsgegner) als Erledigungserklärung zu fingieren, steht damit im Umkehrschluss fest, dass eine derartige Möglichkeit für das Schweigen des Klägers (hier: Antragsteller) nicht besteht.

Im Übrigen hat der Berichterstatter den Antragsteller - anders als in den vom BFH entschiedenen Fällen - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Antrag als unzulässig verworfen werden müsse, falls er nicht umgestellt werde. Schon deshalb kommt es nicht in Betracht, das Schweigen des Antragstellers als Hauptsacheerledigungserklärung anzusehen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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