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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 02.12.2008
Aktenzeichen: I 71/04
Rechtsgebiete: KStG, EStG, GewStG, AO


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 4
EStG § 10d
GewStG § 10a
AO § 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 1. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 02.12.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Änderungsbescheid vom 10.04.2001 über Körperschaftsteuer 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.02.2004 wird dahingehend geändert, dass die Körperschaftsteuer auf 0 DM/EUR festgesetzt wird.

2. Der Änderungsbescheid vom 10.04.2001 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.02.2004 wird dahingehend geändert, dass ein verbleibender Verlustabzug in Höhe von 32.581.993 DM (= 16.658.908,49 EUR) festgestellt wird.

3. Der Aufhebungsbescheid vom 10.04.2001 bezüglich des gesonderten Feststellungsbescheides vom 02.01.1996 über den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.02.2004 wird aufgehoben.

Der Änderungsbescheid vom 10.04.2001 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.02.2004, wird dahingehend geändert, dass ein vortragsfähiger Gewerbeverlust in Höhe von 25.712.922 DM (= 13.146.808,26 EUR) festgestellt wird.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

6. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin im Streitjahr 1995 die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 ("Mantelkauf") bzw. des § 10 a Satz 4 GewStG verwirklicht hat.

Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der Fa. A-GmbH, deren Firmenname zuvor u.a. B-GmbH lautete. Gegenstand dieser Gesellschaft war u.a. die Beteiligung an Unternehmen der Branchen Foto, Audio, usw.

Erklärungsgemäß setzte das Finanzamt am 13.09.1996 die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag der Fa. A-GmbH für das Jahr 1995 auf 0 DM fest und stellte zum 31.12.1995 den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf 26.876.265 DM und den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf 25.712.922 DM fest. Sämtliche Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Am 10.04.2001 erließ das Finanzamt nach einer Betriebsprüfung (Prüfungsbeginn 1998; vgl. BP-Bericht vom 19.01.2001) Änderungsbescheide, in denen es die Körperschaftsteuer 1995 auf 736.621 DM festsetzte und den verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.1995 zur Körperschaftsteuer auf 0 DM feststellte; zum 31.12.1994 verblieb er unverändert bei 11.520.881 DM. Die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.1994 hob es auf (zuvor festgestellt: 8.560.022 DM), den vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31.12.1995 setzte es auf 77.597 DM fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde jeweils aufgehoben.

Den Feststellungen der Betriebsprüfung lag insbesondere folgender Vorgang zu Grunde:

Am 27.09.1995 verkaufte die Fa. B Holding AG, 1, ihre 100%-ige Beteiligung an der Fa. B-GmbH mit sofortiger Wirkung an die dem gleichen Konzern zugehörige Fa. A AG. Der Kaufpreis betrug 7 Mio. DM.

In § 4 Abs. 2 des notariellen Kauf- und Abtretungsvertrages vereinbarten die Parteien, dass das Ergebnis einer Betriebsprüfung auf diesen Vertrag Einfluss haben soll, wenn die steuerliche Auswirkung mehr als 5% des Kaufpreises beträgt. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diese Klausel trafen die Vertragsparteien am gleichen Tag folgende privatschriftliche Zusatzvereinbarung:

"Die B-GmbH wird nach dem Verkauf ihrer Beteiligungen an der C -Gruppe ( C Verwaltungs GmbH, C Verwaltungs GmbH & Co. Beteiligungs-KG, C Verwaltungs GmbH & Co. Grundstücks-KG Str. 1 und C Verwaltungs GmbH & Co. Grundstücks-KG Str. 2, alle in D- 2 ) einen steuerlichen Verlustvortrag von 28'620'536.- - DM haben.

Sollte dieser steuerliche Verlustvortrag ganz oder teilweise von den Finanzbehörden nicht anerkannt werden, so reduziert die B Holding AG [Verkäuferin] gegenüber der A Aktiengesellschaft [Käuferin] den über das Stammkapital hinausgehenden Kaufpreis für die B Beteiligungsgesellschaft GmbH-Anteile um den gleichen Prozentsatz, um den sich der Verlustvortrag vermindert. [...]"

Daneben sagte die Verkäuferin der B-GmbH zur Beseitigung der bilanziellen Überschuldung u.a. eine bare Einzahlung in die Kapitalrücklage i.H.v. 28.800.584,29 DM zu.

Am 05.10.1995 erwarb die Fa. B-GmbH mit wirtschaftlicher Wirkung ab 30.09.1995, 24.00 Uhr, von der Fa. A AG die 100%-ige Beteiligung an der Fa. D GmbH. Der Kaufpreis betrug 5 Mio. DM, ein etwaiger Gewinn sollte der Käuferin bereits ab dem 01.01.1995 zustehen.

Am 27.11.1995 verkaufte die Fa. B-GmbH vollumfänglich ihre Minderheitsbeteiligungen (je 45%) an der C -Gruppe. An den damit verbundenen Gewinnbezugsrechten und Verlusttragungspflichten nahmen die Käufer bereits ab dem 01.10.1995 teil.

In der Gewinnermittlung 1995 saldierte die B / A-GmbH die phasengleich aktivierten Gewinnanteile i.H.v. 1.714.533,73 DM aus ihrer Beteiligung an D mit den aus der Beteiligung an der C -Gruppe erlittenen Verlusten.

Der Betriebsprüfer und ihm folgend das Finanzamt akzeptierten die Verlustverrechnung nicht. Der Verlustabzug sei gemäß § 8 Abs. 4 KStG i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 zu versagen, weil die A AG von ihrer ausländischen Mutter [ B Holding AG] einen Mantel [verlustbelastete B-GmbH ] erworben habe.

Die hiergegen eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg; gegen die abweisende Einspruchsentscheidung vom 09.02.2004 hat die Klägerin am 10.03.2004 Klage erhoben.

Sie ist der Auffassung, die Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs. 4 KStG in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 seien nicht erfüllt; insbesondere liege der sog. "Hauptanwendungsfall" des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG nicht vor:

1. Die B / A-GmbH habe während des gesamten Streitjahres 1995 ihren Geschäftsbetrieb als Holdinggesellschaft nicht eingestellt; an jedem Tag im Jahr 1995 habe sie mindestens eine Beteiligung gehalten.

Es habe für die Klägerin als Konzern-Zwischenholding auch keine Möglichkeit gegeben, sich "am Markt" um weitere Beteiligungen zu bemühen. Der Unternehmensgegenstand habe darin bestanden, Beteiligungen innerhalb des B -Konzerns zu halten und zu verwalten. Innerhalb eines Konzerns bestehe jedoch kein "Markt" im Sinne eines Aufeinandertreffens von Angebot und Nachfrage; die Klägerin habe deshalb insofern auch nicht "werbend" tätig sein können.

Die Zusatzvereinbarung sei zur Präzisierung des § 4 Abs. 2 des Kaufvertrages vom 27.09.1995 getroffen worden. Sie sei bei Unternehmenskäufen üblich und im vorliegenden Fall auch in Hinblick auf das Außensteuergesetz erforderlich gewesen.

Die Zusatzvereinbarung enthalte keine Verpflichtung der Fa. B / A-GmbH, ihre Anteile an der C -Gruppe zu verkaufen. Eine solche Vereinbarung zwischen der alten und der neuen Anteilsinhaberin hätte überdies einen unzulässigen Vertrag zu Lasten der veräußerten GmbH dargestellt. Die Fa. A AG habe sich auch nicht verpflichtet, für die Veräußerung der Beteiligungen durch die Fa. B / A-GmbH Sorge zu tragen.

Der Vereinbarung sei keinesfalls zu entnehmen, dass sich die Gesellschaft nicht mehr als Holdinggesellschaft habe betätigen wollen oder dass der Geschäftsbetrieb der Fa. B / A-GmbH bereits am 27.09.1995 nicht mehr existiert habe. Im Übrigen sei sie formnichtig, da sie lediglich privatschriftlich getroffen worden sei, obgleich sie in Zusammenhang mit einem beurkundungspflichtigen Rechtsgeschäfts (Verkauf und Übertragung einer 100%-igen Beteiligung) gestanden habe.

Die Entscheidung, die C -Beteiligungen zu verkaufen, sei angesichts der seit 1989 erzielten Verluste wirtschaftlich vernünftig gewesen. Der Beschluss, sämtliche Anteile an der D zu erwerben, sei spätestens zum gleichen Zeitpunkt gefasst worden. Die Absicht der Fa. A-GmbH, die Holdingfunktion aufrecht zu erhalten, sei jederzeit vorhanden gewesen; sie habe sich durch den vor der Veräußerung der C -Beteiligungen erfolgten Erwerb der D -Anteile auch realisiert.

2. Der Fa. B / A-GmbH sei in Zusammenhang mit dem Erwerb der D -Anteile auch nicht überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt worden.

Die Anteile an der C -Gruppe seien für 6 Mio. DM veräußert worden, was die Behauptung des Finanzamts, die Fa. B / A-GmbH sei zum Verkaufszeitpunkt wirtschaftlich wertlos gewesen, widerlege.

Die Anteile an D habe sie von der Fa. A AG für 5 Mio. DM erworben. Feststellungen darüber, dass dieser Kaufpreis unangemessen gewesen wäre, seien von der Betriebsprüfung nicht getroffen worden. Somit sei der Fa. B / A-GmbH weder überwiegend und schon gar nicht komplett neues Betriebsvermögen zugeführt worden; ein - auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise - "leerer Mantel" sei nicht erworben worden. Zudem habe das Finanzamt die anteilige Zuführung neuen Kapitals nicht korrekt ermittelt.

3. Eine Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs sei nicht erfolgt. Nachdem der Geschäftsbetrieb der Fa. B / A-GmbH nie eingestellt worden sei, sei auch eine Wiederaufnahme nicht denkbar.

Im Urteil vom 05.06.2007 I R 106/05 (BFH/NV 2007, 2200) habe der BFH das bisherige Verständnis des § 8 Abs. 4 KStG bestätigt, wonach ein "Umschichten von Finanzanlagen" mit "funktioneller Gleichartigkeit" nicht schädlich für den Verlustabzug sei; ein Branchenwechsel liege ebenfalls nicht vor. Insbesondere sei der Unternehmensgegenstand der Fa. B / A-GmbH unverändert geblieben; sie habe ihre Tätigkeit niemals unterbrochen, sondern bis zum heutigen Tage Beteiligungen gehalten. Sie habe in ihrer Unternehmensgeschichte nicht nur Anteile an der C -Gruppe gehalten, sondern bis einschließlich 1993 auch Anteile an anderen Kapitalgesellschaften (z.B. E-GmbH, F-GmbH ).

Den satzungsmäßigen Zweck der Verwaltung, des Handels und der Erbringung von Dienstleistungen aller Art, habe die Klägerin durchgängig erfüllt. So seien in der Bilanz zum 31.12.1994 noch Darlehen in Höhe von 1.440 TDM enthalten gewesen. Die Darlehensgewährung stelle eine Dienstleistung (Finanzierung) im vorgenannten Sinne dar, so dass der Geschäftsbetrieb der Klägerin niemals eingestellt worden sei.

Seinerseits habe das Finanzamt keinen Beweis für die Einstellung des Geschäftsbetriebes erbracht.

Für die Anwendung der Generalnorm des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 verbleibe kein Raum, da der Streitfall - auch nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise - dem Hauptanwendungsfall nicht entspreche.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Körperschaftsteuerbescheid 1995 dahin zu ändern, dass das bisher festgestellte Einkommen um 22.698.048 DM gemindert wird;

2. die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1995 dahin zu ändern, dass der verbleibende Verlustabzug unter Berücksichtung des Verlustabzugs zum 31.12.1994 und des Verlustes aus 1995 in Höhe von 21.061.112 DM, auf 32.581.993 DM festgestellt wird;

3. den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.1994 auf 8.560.022 DM festzustellen;

4. den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.1995 auf 25.712.922 DM festzustellen und

5. die vorangegangenen Bescheide und die Einspruchsentscheidung entsprechend zu ändern,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Es sieht den Tatbestand des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG sowie des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG in der für den Streitfall relevanten Gesetzesfassung als erfüllt an.

1. Der Vorgang erfülle kumulativ die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG (sog. "Hauptanwendungsfall"):

1.1. Die Fa. B / A-GmbH habe durch den Beschluss, ihre 45%-igen Minderheitsbeteiligungen an der C -Gruppe abzustoßen, ihren Geschäftsbetrieb eingestellt, da das Halten und Verwalten dieser Beteiligungen zu diesem Zeitpunkt ihre einzige Betätigung dargestellt und sie sich am Markt nicht um eine neue Beteiligung bemüht habe.

Die Gesellschaft sei bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht mehr werbend tätig gewesen (unter Hinweis auf Ziffer 1.1 Satz 1 des BdF-Schreibens vom 11.06.1990, BStBl. I 1990, 252), da bereits am 27.09.1995 zwischen der Fa. B Holding AG und der Fa. A AG vereinbart worden sei, dass die Klägerin nach dem Verkauf der Beteiligungen an der C -Gruppe einen genau bezifferten steuerlichen Verlustvortrag habe. Bei dessen Versagung durch das Finanzamt sei sogar eine anteilige Kaufpreisrückerstattung vereinbart worden. Dies belege - unbeschadet einer etwaigen zivilrechtlichen Unwirksamkeit - die feste Entschlossenheit, die C -Beteiligungen abzustoßen.

Die B Holding AG habe lediglich den "Mantel" der Beteiligungsgesellschaft verkaufen können und wollen. Für die veräußernde Anteilseignerin seien die Anteile, solange sie die über Jahre hinweg verlustbringenden C -Beteiligungen beinhalteten, unverkäuflich gewesen; die Fa. B-GmbH habe zum Verkaufszeitpunkt über keinerlei stille Reserven verfügt und sei wirtschaftlich wertlos gewesen.

Mit dem Erwerb der Beteiligung an der D habe sie einen neuen "Geschäftsbetrieb" eröffnet und mit neuem Betriebsvermögen ihren Geschäftsbetrieb wieder aufgenommen. Dass der bisherige "Geschäftsbetrieb" und der neue "Geschäftsbetrieb" zivilrechtlich einige Wochen gleichzeitig vorlagen, hindere auf Grund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Anwendung des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG nicht; die in 1995 durchgeführten Maßnahmen seien auf Grund des zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs und der wirtschaftlichen Verknüpfung als eine einheitliche Maßnahme aufzufassen.

Die Fa. A AG als neue Anteilseignerin habe - ohne wirtschaftliches Risiko einzugehen - einen hohen Verlustvortrag erworben, den sie sich steuerlich mit der Verrechnung von D -Gewinnen habe zunutze machen wollen. Wirtschaftliche, außersteuerliche Gründe seien für den konzerninternen Verkauf der D -Anteile nicht ersichtlich.

1.2 Der Fa. B / A-GmbH sei auch in schädlichem Maße "neues" Betriebsvermögen zugeführt worden. Auf die Berechnungen des Finanzamts im Schriftsatz vom 07.12.2007 (Blatt 81 ff der Finanzgerichtsakte) wird verwiesen.

1.3 Unter Berücksichtung aller Umstände könne bei der Klägerin von einer Fortführung eines bestehenden Geschäftsbetriebs und der Wahrung der wirtschaftlichen Identität vor und nach dem Verkauf der Anteile an der Klägerin nicht ausgegangen werden.

2. Daneben seien auch die Kriterien der "Generalnorm" des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG nicht erfüllt.

Eine Gesamtbetrachtung führe zu dem Ergebnis, dass der Geschäftsbetrieb der Klägerin in 1995 zunächst eingestellt und dann mit neuem Betriebsvermögen wieder aufgenommen worden sei. Der Einwand, die Klägerin habe an jedem Tag im Jahr mindestens eine Beteiligung gehalten, könne deshalb nicht zum Erfolg führen.

Bei Beurteilung des § 8 Abs. 4 KStG, dem die steuerrechtlich-wirtschaftliche Betrachtungsweise zu Grunde liege, könne nicht von einer Wahrung der wirtschaftlichen Identität ausgegangen werden, wenn nach einem vorgefassten Gesamtplan alle Maßnahmen i.S.d. § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG - wenn auch zivilrechtlich in unterschiedlicher, teilweise überlappender Reihenfolge - durchgeführt würden. Dies gelte besonders dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - verbundene beteiligte Unternehmen die Abfolge der einzelnen Maßnahmen frei und einvernehmlich bestimmen könnten.

Der zeitlich nach dem Erwerb der D -Anteile erfolgte Verkauf der C -Beteiligungen sei das Ergebnis eines planmäßigen, kollusiven Zusammenwirkens innerhalb des Konzernverbundes, das (unter Hinweis auf Tz. 31 des BMF-Schreibens vom 16.04.1999, BStBl. I 1999, 455) die Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG nicht verhindern könne. Die B-GmbH sei vor den Maßnahmen im Herbst 1995 wegen des nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrags von ca. 24 Mio. DM wertlos gewesen sei. Erst u.a. die bare Einlage der B Holding AG von ca. 28 Mio. DM zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung habe den Fortbestand der überschuldeten Klägerin gewährleistet. Von einem Zusammenwirken der Fa. B Holding AG und der Fa. A AG könne auf Grund des Geschehensablaufs und der Konzernstruktur ausgegangen werden.

Damit liege ein dem Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG nach Sinn und Zweck zumindest vergleichbarer Sachverhalt vor.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen X und Y Wegen der Einzelheiten ihrer Aussagen wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Auf die Finanzgerichtsakte und die dem Gericht vorliegenden Akten des Finanzamts wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet; ein die Verlustverrechnung ausschließender "Mantelkauf" im Sinne des § 8 Abs. 4 KStG in der streitentscheidenden Fassung lag nicht vor.

Der für das Streitjahr 1995 geltende § 8 Abs. 4 KStG in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 hat folgenden Wortlaut:

"Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10 d EStG ist bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Wirtschaftliche Identität liegt insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als drei Viertel der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Gesellschaft danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen wieder aufnimmt. Entsprechendes gilt für den Ausgleich des Verlustes vom Beginn des Wirtschaftsjahrs bis zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung."

Ziel des § 8 Abs. 4 KStG in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 war es in erster Linie, den Handel mit "GmbH-Mänteln" und vortragsfähigen Verlusten zu unterbinden. Zu diesem Zweck verlangt das Gesetz die wirtschaftliche Identität einer Körperschaft als Voraussetzung für den Verlustabzug gemäß § 10 d EStG. Die wirtschaftliche Identität - oder auch wirtschaftliche "Persönlichkeit" - einer Körperschaft als Rechtsperson bestimmt sich in erster Linie durch ihren Unternehmensgegenstand und ihr verfügbares Betriebsvermögen, nicht durch ihre Gesellschafter. Die wirtschaftliche Identität der betreffenden Körperschaft kann deshalb auch dann gewahrt bleiben, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an der Körperschaft ändern. Wenn das Gesetz in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG dennoch auf derartige Veränderungen abstellt, "reichert" es dadurch die Unternehmensidentität um eine "personelle Komponente an" und verleiht dem besagten eigentlichen Gesetzesziel - der Unterbindung des Handels mit "GmbH-Mänteln" - Ausdruck (vgl. BFH-Urteil vom 20.08.2003 I R 81/02, BStBl. II 2004, 614 m.w.N.).

Gemäß des hier einschlägigen § 8 Abs. 4 KStG in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 ist für den Verlustabzug nach § 10 d EStG bei einer Körperschaft Voraussetzung, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat (vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG). Wirtschaftliche Identität verneint das Gesetz insbesondere dann, wenn mehr als drei Viertel der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen wurden und die Gesellschaft danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen wieder aufnimmt (vgl. § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG; sog. "Hauptanwendungsfall").

Gemäß § 10 a Satz 4 GewStG in der hier relevanten Fassung ist § 8 Abs. 4 KStG bezüglich der Gewerbesteuer auf die Fehlbeträge entsprechend anzuwenden.

§ 8 Abs. 4 KStG definiert die "wirtschaftliche Identität" einer Körperschaft nicht, sondern bestimmt in Satz 2 lediglich beispielhaft ("insbesondere"), wann eine wirtschaftliche Identität nicht mehr gegeben ist. Die Vorschrift setzt damit aber zugleich mittelbar einen Maßstab für die unter Satz 1 der Vorschrift zu fassenden Sachverhalte. Sie müssen Voraussetzungen erfüllen, die mit den in Satz 2 genannten wirtschaftlich vergleichbar sind (vgl. BFH-Urteil vom 20.08.2003, a.a.O.).

Die Regelungen zum "Mantelkauf" finden auch bei geänderten Beteiligungsverhältnissen innerhalb eines Konzernverbunds Anwendung (ausführlich zum Meinungsstreit und gegen eine Konzernklausel: BFH-Urteil vom 20.08.2003, a.a.O. Rz. 13, 15 u. 16, m.w.N.). Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG liegen im Streitfall schon deshalb nicht vor, da die Fa. B / A-GmbH ihren Geschäftsbetrieb im Streitjahr mangels Einstellung nicht wieder aufgenommen hat.

Eine Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs setzt notwendigerweise voraus, dass dieser zuvor eingestellt wurde. Eine Kapitalgesellschaft hat ihren Geschäftsbetrieb eingestellt, wenn sie im wirtschaftlichen Ergebnis aufgehört hat, werbend tätig zu sein. Bei einer Holdinggesellschaft ist der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb danach solange nicht eingestellt, wie sie noch geschäftsleitend tätig ist. Das Halten der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft reicht deshalb dem Grunde nach für die Annahme eines Geschäftsbetriebs aus; dies entspricht auch der Verwaltungsauffassung (vgl. Tz. 8 des BMF-Schreibens vom 16.04.1999, a.a.O.). Dies gilt allerdings nicht für das Halten einer wirtschaftlich wertlosen Beteiligung. Etwaige in einem solchen Fall anstehenden Abwicklungsmaßnahmen sind nicht als Teil einer werbenden Tätigkeit anzusehen (vgl. Urteil des FG München vom 01.02.2002 7 K 704/00, EFG 2002, 713).

Die B / A-GmbH hat ihren Geschäftsbetrieb im Streitjahr nicht eingestellt; eine Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs ist nicht erfolgt.

a. Da die B / A-GmbH an jedem Tag des Jahres 1995 an einer anderen Gesellschaft beteiligt war, hat sie aufgrund des Verkaufs sämtlicher Beteiligungen an der C -Gruppe und des 100%-igen Erwerbs mit dem Halten der D -Anteile ihre wirtschaftliche Identität nicht verloren.

Die Verwaltung hat bislang nicht definiert, was sie unter dem Begriff der geschäftsleitenden Tätigkeit versteht. Mit einer Beteiligungsquote von 45% als Kommanditistin und Anteilseignerin einer Komplementär-GmbH innerhalb der C -Gruppe konnte die Beteiligungsgesellschaft - in ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung als Kommanditistin war sie sogar Mitunternehmerin im steuerlichen Sinne - jedoch maßgeblichen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung der betreffenden Unternehmen der C -Gruppe nehmen, so dass ihrer damaligen Tätigkeit geschäftsleitender Charakter zukommt. Insbesondere handelte es sich nicht um lediglich unbedeutende Minderheitsbeteiligungen.

b. Die C -Beteiligungen waren auch nicht wirtschaftlich wertlos. Zwar wurde zeitgleich mit der Veräußerung der Beteiligungen ein weiterer Veräußerungsverlust realisiert, jedoch ist auf den Veräußerungserlös von 6 Mio. DM abzustellen. Die Beurteilung, ob eine Beteiligung werthaltig oder wertlos ist, hat nach objektiven Kriterien und unabhängig von Bilanzansätzen zu erfolgen.

c. Der Erwerb und das Halten der D -Beteiligung stellte für die Klägerin kein neues Geschäftsfeld dar, mit dem sie einen neuen Geschäftsbetrieb eröffnet hätte. Vielmehr führte die Klägerin ihre bislang als Beteiligte an den Unternehmen der C -Gruppe ausgeübte Tätigkeit kontinuierlich bezüglich der D -Beteiligung fort, so dass durch den Austausch der Beteiligungen die wirtschaftliche Identität der Beteiligungsgesellschaft gewahrt wurde; ein Branchenwechsel (vgl. BFH-Urteile vom 05.06.2007, a.a.O. und vom 26.05.2004 I R 112/03, BStBl. II 2004, 1085) lag nicht vor. Dabei ist nicht auf die wirtschaftliche Betätigung der (ggf. einzigen) Tochtergesellschaft, sondern auf die eigene Tätigkeit der Holdinggesellschaft abzustellen (vgl. Dötsch in Dötsch, Jost, Plung, Witt, Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 4 Rz. 110).

Insbesondere kann die - aus wirtschaftlicher Sicht nachvollziehbare - Entscheidung, die Beteiligungen an den Gesellschaften der C -Gruppe abzustoßen, nicht dahingehend interpretiert werden, die Beteiligungsgesellschaft habe in absehbarer Zukunft keine Beteiligungen mehr halten wollen. Die Einvernahme der Zeugen hat vielmehr ergeben, dass in der Fa. A-GmbH als Zwischenholding eine wirtschaftlich begründete Bündelung des Fotolaborbereichs des A -Konzerns erfolgen sollte.

d. Auch die Zusatzvereinbarung zu § 4 Abs. 2 lässt keine Rückschlüsse auf eine beabsichtigte Einstellung der Geschäftstätigkeit der B / A-GmbH zu. Einerseits stimmt der darin bezifferte Verlust nicht mit den tatsächlich erzielten Verlusten überein, zum anderen ist es ist bei wirtschaftlichen Transaktionen in dieser Größenordnung geschäftsüblich, vorsorglich entsprechende Kaufpreisklauseln für den Fall zu vereinbaren, dass die von den Vertragsparteien angenommene Geschäftsgrundlage bzw. wertbildende Faktoren keinen Bestand haben sollten.

e. Nicht zu folgen ist jedoch der Argumentation der Klägerin, die Fa. B / A-GmbH habe ununterbrochen durch die Gewährung von Darlehen an verbundene Unternehmen Dienstleistungen erbracht und damit ständig einen weiteren Geschäftsbetrieb aufrechterhalten. Tatsächlich handelte es sich nämlich nicht um Darlehen, sondern um noch nicht ausgezahlte Gewinnansprüche gegenüber verbundenen Unternehmen (vgl. Blatt 8 der Bilanz 1995 der A-GmbH ); dies stellt jedoch keine von der Beteiligungsgesellschaft erbrachte Leistung dar. Überdies sind die Ansprüche zum Teil mit der Veräußerung der C -Beteiligungen untergegangen.

Da bereits das Kriterium der "Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs" nicht erfüllt ist, bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob der Fa. B / A-GmbH tatsächlich, wie das Finanzamt meint, überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt wurde (zum Berechnungsmodus vgl. BFH-Urteil vom 08.08.2001 I R 29/00, BStBl. II 2002, 392, m.w.N.). Die Berechnungen des Finanzamts (vgl. Schriftsatz vom 07.12.2007, a.a.O.) erscheinen hinsichtlich der berücksichtigten Wertansätze angreifbar. Es ist insbesondere nicht nachvollziehbar, weshalb erlassene Zinsen für das Gesellschafterdarlehen der Fa. B Holding AG in einer Höhe von 13,5 Mio. DM und von der B Holding übernommene Zinsen für ein Darlehen der Beteiligungsgesellschaft bei der Bank 1 in einer Höhe von 20 Mio. DM angesetzt wurden. Eine Bereinigung auf den reinen Zinsanteil ergäbe rechnerisch - ausgehend u.a. von der streitbehafteten Bewertung der C -Beteiligungen - nurmehr einen geringen Überschuss der "Vergleichsgröße II" gegenüber der "Vergleichsgröße I".

Aber auch ein Rückgriff auf die Generalnorm des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG kommt nicht in Betracht, da der Streitfall wirtschaftlich nicht mit der in Satz 2 genannten Fallkonstellation vergleichbar ist. Die Anwendung des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG scheitert insbesondere nicht ausschließlich daran, dass die Vertragsparteien die zeitliche Abfolge des gesetzlich dargestellten Hauptanwendungsfalles bewusst und willentlich umgangen hätten, sondern am Fehlen mindestens einer wesentlichen materiell-rechtlichen Voraussetzung dieser Norm.

Eine Anwendung des § 42 Satz 1 AO neben § 8 Abs. 4 KStG kommt nicht in Betracht, da § 8 Abs. 4 KStG insofern einen spezialgesetzlich kodifizierten Steuerumgehungstatbestand darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 01.02.2001 IV R 3/00, BStBl. II 2001, 520).

Aufgrund der klagestattgebenden Entscheidung bedarf es auch keiner Entscheidung, ob der am 10.04.2001 zum 31.12.1994 gesondert festgestellte verbleibende vortragsfähige Verlustabzug zur Körperschaftsteuer über 11.520.881 DM dahingehend Bindungswirkung für den Veranlagungszeitraum 1995 entfaltet, da jedenfalls dieser Betrag im Streitjahr 1995 ertragsteuerlich zu berücksichtigen ist.

Nach früherer BFH-Rechtsprechung erstreckten sich die Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12. des Vorjahres nicht nur auf die Höhe der festgestellten Beträge, sondern auch auf deren Abzugsfähigkeit dem Grunde nach. Dem Feststellungsbescheid kam hiernach auch die Funktion zu, die steuerliche Abzugsfähigkeit dieser Beträge nach Maßgabe der im Feststellungszeitpunkt geltenden Rechtslage für das spätere Abzugsjahr gemäß § 10 d Abs. 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 4 KStG verbindlich festzustellen (vgl. BFH-Urteile vom 26.05.2004 I R 112/03, BStBl. II 2004, 1085 und vom 22.10.2003 I R 18/02, BStBl. II 2004, 468; siehe auch Abschn. H 41 KStR 2004).

Neuere Urteile lassen allerdings darauf schließen, dass der BFH von dieser Rechtsauffassung mittlerweile abgerückt ist. Im Urteil vom 05.06.2007 I R 106/05 (a.a.O.) schloss er einen zum 31.12.1999 festgestellten Verlustvortrag im Veranlagungszeitraum 2000 vom Verlustabzug aus, nachdem die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG nach einer Anteilsübertragung in 2000 vorgelegen hatten. In einem weiteren Urteil vom 05.06.2007 (I R 9/06, BStBl. II 2008, 989) führte er aus, dass § 8 Abs. 4 KStG 1996 a.F. den Verlustabzug vom Zeitpunkt der Anteilsübertragung an ausschließe. Zuvor festgestellte Verlustvorträge seien deshalb nur insoweit für den Verlustabzug heranzuziehen, als dieser vom anteiligen Gesamtbetrag der Einkünfte vorzunehmen sei, der auf den Zeitraum bis zur Anteilsübertragung entfalle. Eine Aussage, ob diese Entscheidungen eine generelle Änderung der bisherigen Rechtsprechung darstellen, hat der BFH allerdings nicht getroffen.

Die Revision war nicht zuzulassen; die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

Die Kosten des Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen, da es in der Sache unterlegen ist (§ 135 Abs. 1 FGO). Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren diente der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Ende der Entscheidung

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