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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 25.10.2007
Aktenzeichen: IV 265/2006
Rechtsgebiete: GrEStG, BGB
Vorschriften:
GrEStG § 1 Abs. 1 bis 3 | |
GrEStG § 3 Nr. 1 | |
BGB § 1364 |
Finanzgericht Nürnberg
IV 265/2006
Grunderwerbsteuer
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg
durch
aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 25.10.2007
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Der Bescheid über Grunderwerbsteuer vom 20.06.2006 und die Einspruchsentscheidung vom 08.08.2006 werden aufgehoben.
2. Das Finanzamt hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Streitig ist, ob ein Erwerb von Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand leben, als zwei getrennte Erwerbsvorgänge zu behandeln sind, sodass die Steuerfreigrenze nach § 3 Nr. 1 GrEStG i.H.v. 2.500 EUR eingreift.
Mit Tauschvertrag des Notars A in Greding vom 16.03.2006 (URNr. ) erwarb der Kläger von den im gesetzlichen Güterstand lebenden Ehegatten BD und CD (Miteigentümer zu je 1/2) das Sondereigentum an dem zur Wohnung gehörigen - im Aufteilungsplan mit Nr. 8 bezeichneten und im Grundbuch des Amtsgerichtes 1 unter der Fl.Nr. /1 vorgetragenen - Kellerraum in 2, 3. Der Kellerraum war von der Wohnung Nr. 8 abzuspalten und mit dem Sondereigentum der Wohnung Nr. 2 zu verbinden. Die Gegenleistung für diesen Erwerb bestand darin, dass der Kellerraum Nr. 2 vom Sondereigentum der Wohnung Nr. 2 des Klägers abzuspalten und mit dem Sondereigentum der Wohnung Nr. 8 zu verbinden war. Der Kellerraum Nr. 2 sollte an die Eigentümer der Wohnung Nr. 8 abgegeben werden. Die Übertragung des streitgegenständlichen Kellerraumes erfolgte in der notariellen Urkunde nicht nach Miteigentumsanteilen getrennt, sondern die Ehegatten D übertrugen das Sondereigentum an den Kläger in einem Zuge. Die Vertragsobjekte wurden nach Angaben der Beteiligten bereits seit längerem vom jeweiligen Erwerber genutzt (Abschnitt VI der Urkunde). Es wurde vereinbart, dass die Vertragsobjekte wertgleich getauscht werden. Den Wert des jeweiligen Kellerraumes veranschlagten die Beteiligten auf 4.500 EUR (Abschnitt V der Urkunde).
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde vom 16.03.2006 verwiesen.
Mit Bescheid über Grunderwerbsteuer vom 20.06.2006 setzte das Finanzamt aus einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 4.500 EUR eine Grunderwerbsteuer von 157 EUR fest.
Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos.
Mit der Klage beantragen der Prozessbevollmächtigte und der Kläger,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 20.06.2006 und die Einspruchsentscheidung vom 08.08.2006 aufzuheben.
Für den Fall des Unterliegens wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beantragt.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:
Für den Erwerbsvorgang bestehe Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 1 GrEStG. Zivilrechtlich handele es sich bei der Übertragung der beiden Miteigentumsanteile um zwei getrennte Rechtsvorgänge, die lediglich aus Gebührengründen in einer Urkunde zusammengefasst worden seien. Bei der im Streitfall vorliegenden Zugewinngemeinschaft bestünden getrennte Vermögenssphären der Eheleute, die eine getrennte Übertragung der Miteigentumsanteile und damit zwei getrennte Erwerbsvorgänge zwingend erforderlich machen würden. Dies zeige auch ein Vergleich einer Veräußerung einer Einzelperson an Eheleute zu Miteigentum, bei der die Finanzbehörde zwei Erwerbsvorgänge annehmen würde. Im Übrigen habe der Notar unter Ziffer X auf Seite 7 des notariellen Vertrages ausgeführt, dass eine Grunderwerbsteuer nach § 3 Nr. 1 GrEStG nicht anfalle.
Das Finanzamt beantragt
Klageabweisung,
hilfsweise ebenfalls
die Zulassung der Revision.
Zur Begründung wird im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass es nach den für das Finanzamt bindenden Verwaltungsanweisungen des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 04.06.2002 (Az. 36-S 4540-017-23871/02) und der OFD Nürnberg vom 18.06.2002 (Az. S 4505-74/St 43) für die Anwendung der Freigrenze bei mehreren Veräußerern und Erwerbern für die Beurteilung der Anzahl der Erwerbe und nachfolgend der Anwendung des § 3 Nr. 1 GrEStG auf die Vertragsgestaltung im Einzelnen ankomme. Mehrere selbständig zu beurteilende Erwerbsgeschäfte lägen nur vor, wenn die Miteigentümer ihre Miteigentumsanteile an dem Grundstück ausdrücklich jeweils durch gesonderte Rechtsgeschäfte übertragen würden. Im Streitfall hätten die Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand leben, das Sondereigentum an dem Kellerraum jedoch gemeinsam und einheitlich im Tauschweg auf den Kläger übertragen. Dies habe im Streitfall dazu geführt, dass für den Kläger lediglich einmal eine Freigrenze von 2.500 EUR berücksichtigt werden könnte. Bei der Gegenleistung von 4.500 EUR sei diese Freigrenze aber überschritten worden, so dass die gesamte Gegenleistung von 4.500 EUR als steuerpflichtig im Rahmen des Grunderwerbsteuerbescheides zu behandeln gewesen sei.
Dem Gericht liegt vom Finanzamt die den streitigen Erwerb betreffende Grunderwerbsteuerakte vor.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg.
Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind aufzuheben, denn es liegen zwei Erwerbsvorgänge vor, die jeweils unterhalb der Freigrenze des § 3 Nr. 1 GrEStG liegen. Eine Grunderwerbsteuer fällt daher für den Kläger nicht an.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet. Dinglich gesicherte Nutzungsrechte i.S.d. § 15 des Wohnungseigentumsgesetzes -WEG- stehen den Grundstücken gleich (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG). Das Sondereigentum ist ein dinglich gesichertes Nutzungsrecht nach § 15 Abs. 1 WEG. Den Anspruch auf Übereignung begründet nach § 1 Abs. 5 GrEStG auch der Tausch nach § 515 BGB. Die Gegenleistung besteht beim Tausch nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG in der Tauschleistung des anderen Vertragsteils und ggf. in einer zusätzlichen Leistung. Gegenleistung für den Erwerb eines Grundstücks ist danach der gemeine Wert der hingegebenen Leistung. Die Gegenleistung wurde von den Vertragsparteien im vorliegenden Rechtsstreit auf 4.500 EUR festgelegt und mit diesem Wert in den angefochtenen Bescheid übernommen.
2. Gemäß § 3 Nr. 1 GrEStG ist von der Besteuerung ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks, wenn der für die Berechnung der Steuer maßgebende Wert (§ 8 GrEStG) 2.500 EUR nicht übersteigt. Die Vorschrift enthält eine Grunderwerbsteuerbefreiung für Fälle mit einer geringen Bemessungsgrundlage. Sie ist als Freigrenze ausgestaltet und erfasst Bemessungsgrundlagen bis zu einer Höhe von einschließlich 2.500 EUR. Die Befreiung bzw. Freigrenze ist für jeden Steuerfall, d.h. für jeden einen der Tatbestände des § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG erfüllenden Rechtsvorgang gesondert zu berücksichtigen (vgl. Sack in Boruttau, GrEStG, 15. Aufl., § 3 Rz. 78). Werden durch ein Rechtsgeschäft mehrere Grundstücke i.S.d. § 2 GrEStG übertragen, so liegen mehrere Steuerfälle vor. Maßgeblich für die Frage, ob eines oder mehrere Grundstücke erworben werden, ist der grunderwerbsteuerliche Grundstücksbegriff nach § 2 GrEStG (vgl. Sack in Boruttau, GrEStG, 15. Aufl., § 3 Rz. 78).
Miteigentumsanteile gelten grunderwerbsteuerrechtlich als Grundstücke (vgl. BFH-Urteil vom 28.03.2007 II R 15/06, BFH/NV 2007, 1349; Sack in Boruttau, GrEStG, 15. Aufl., § 3, Rz. 81 und Viskorf in Boruttau, GrEStG, § 2 Rz. 11; Pahlke/Franz, GrEStG, § 3 Rz. 24; Hofmann, GrEStG, § 3 Rz. 5). Jeder Erwerb eines Miteigentumsanteils erfüllt daher grundsätzlich für sich gesehen einen Grunderwerbsteuertatbestand und ist auch für die Freigrenze nach § 3 Nr. 1 GrEStG als selbständiger Steuerfall zu beurteilen (vgl. Sack in Boruttau, GrEStG, 15. Aufl., § 3 Rz. 81).
3. Im Streitfall liegen daher zwei Erwerbsvorgänge vor, die jeweils unterhalb der Freigrenze des § 3 Nr. 1 GrEStG liegen. Mehrere Steuerfälle sind auch dann anzunehmen, wenn mehrere Miteigentümer sich verpflichten, das Grundstück auf einen Erwerber zum Alleineigentum zu übertragen. Jeder Ehegatte einer Zugewinngemeinschaft kann nach § 1364 BGB sein Vermögen selbständig verwalten und hierüber verfügen. Jeder Verkäufer gibt in diesem Fall grunderwerbsteuerrechtlich nur seinen Anteil auf (vgl. Sack in Boruttau, GrEStG, § 3 Rz. 81 a.E.; Pahlke/Franz, GrEStG, § 3 Rz. 26; a.A. Hofmann, GrEStG, § 3 Rz. 5; gleichlautende Verwaltungsanweisungen des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 04.06.2002 (Az. 36-S 4540-017-23871/02) und der OFD Nürnberg vom 18.06.2002 (Az. S 4505-74/St 43)). Veräußern Eheleute, die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft stehen, an einen Dritten, so liegen zwei Erwerbsvorgänge unabhängig davon vor, ob nach dem Wortlaut des Notarvertrages die Eheleute das gesamte Grundstück oder Miteigentumsanteile veräußern. Die Gegenansicht, die darauf abstellt, ob die Miteigentümer eine Erklärung vor dem Notar über das gesamte Grundstück oder über ihren Miteigentumsanteil abgeben, verkennt nach der Auffassung des Senats, dass der Miteigentumsanteil grunderwerbsteuerlich den Grundstücksbegriff erfüllt. Deshalb kann von einem Miteigentümer vor dem Notar nur eine Erklärung über den Miteigentumsanteil abgegeben werden, nicht aber über das gesamte Grundstück. Gleiches gilt, wenn beide bzw. alle Miteigentümer diese Erklärung abgeben. Eine Anforderung zu stellen, dass vor dem Notar ausdrücklich Erklärungen über den Miteigentumsanteil abgegeben werden, wäre indes ein schwer zu rechtfertigender Formalismus und würde zu erheblichen Abgrenzungsproblemen führen, ob die vom Notar verwendete Formulierung noch als Übertragung eines Miteigentumsanteil oder als gemeinschaftliche Verfügung anzusehen ist.
4. Dieser Entscheidung steht auch nicht das BFH-Urteil vom 28.03.2007 (II R 15/06, BFH/NV 2007, 1349) entgegen, da der BFH in diesem Urteil eine Entscheidung nur hinsichtlich des Gesamtguts bei einer Gütergemeinschaft von Ehegatten getroffen hat. Bei Grundstücken, die sich im Gesamtgut einer Gütergemeinschaft befinden, kann der einzelne Ehegatte nach § 1419 Abs. 1 BGB nicht allein verfügen, sodass nach dem BFH-Urteil vom 28.03.2007 auch grunderwerbsteuerlich nur ein Erwerb verwirklicht wird. Im Streitfall lag bei dem veräußernden Ehepaar jedoch der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft vor. Hierin unterscheidet sich der zu entscheidende Fall auch vom Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 10.04.1957 (II 167/56 U, BStBl. III 1957, 213) zugrunde lag, denn dort hatte der BFH über eine Konstellation bei dem früher möglichen Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143, 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten sowie die Abwendungsbefugnis, der von Amts wegen zu erfolgen hat, ergibt sich aus den §§ 151 Abs. 1 Satz 1 FGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird der Anregung der Beteiligten entsprechend wegen der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) der Streitsache zugelassen.
Ende der Entscheidung
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