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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 19.05.2005
Aktenzeichen: IV 391/2003
Rechtsgebiete: EigZulG
Vorschriften:
EigZulG § 4 Satz 2 |
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger eine Eigenheimzulage zusteht.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 19.12.2002 erwarb der Kläger von seiner Mutter den halben Miteigentumsanteil an dem Grundstück in A, 4, Grundbuch des Amtsgerichts B für A FINr. 785 zum Preis von 70.000 €. Tag der Übergabe war der 19.12.2002. Nach § 4 Absatz 4 der Urkunde sollen hinsichtlich der künftigen Nutzung in dieser Urkunde keine Regelungen oder Verpflichtungen aufgenommen werden.
Mit Antrag vom 16.01.2003 begehrte der Kläger ab dem Jahr 2002 Eigenheimzulage und Kinderzulage für 3 Kinder als Erwerber dieses Objekts, das er nicht zu eigenen Wohnzwecken nutzt, sondern laut Antrag seiner Mutter unentgeltlich zur Nutzung überlässt. Das Haus bestand ursprünglich aus einer Wohnung und wurde von der Mutter des Klägers sowie vom Bruder des Klägers gemeinsam zu Wohnzwecken genutzt. Nach Ausbau des Kellergeschosses bzw. des Untergeschosses zu einer zweiten vollständigen Wohnung erfolgte eine Teilungserklärung, nach der nunmehr zwei Eigentumswohnungen bestehen. Der Kläger und sein Bruder kauften der Mutter mit notariellem Kaufvertrag vom 19.12.2002 jeweils eine Eigentumswohnung ab. Der Bruder des Klägers nutzte fortan die im Keller entstandene neue Wohnung zu Wohnzwecken für sich und seine Familie. Die Mutter des Klägers nutzte unverändert ihre bisher bewohnte Wohnung. Der Kläger selbst wohnt nach wie vor nicht in dem Haus Str. 4, sondern in dem danebenliegenden Haus Str. 6.
Das Finanzamt lehnte mit Bescheid vom 17.02.2003 die Festsetzung einer Eigenheimzulage ab, weil die bisherige Eigentümerin (Mutter) die Wohnung aufgrund eines faktischen Vorbehaltswohnrechts weiterhin selbst nutze. Eine unentgeltliche Überlassung zu eigenen Wohnzwecken an einen Angehörigen i.S.d. § 4 Satz 2 EigZulG liege insoweit nicht vor.
Der Einspruch des Klägers wurde vom Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 23.10.2003 zurückgewiesen, da bezüglich der Nutzung der Wohnung durch die Mutter von einem faktischen Wohnrecht auszugehen sei. Im Falle der unentgeltlichen Überlassung müsse der Nutzende seine Berechtigung von Eigentümer ableiten. Dies bedeute, eine Nutzung aufgrund eines vereinbarten vorbehaltenen dinglichen oder obligatorischen Rechts sei aus Sicht des Wohnungseigentümers nicht zulagenbegünstigt, da in einem solchen Fall die Nutzung aufgrund eigenen Rechts, nicht aufgrund abgeleiteten Rechts erfolge. Die Mutter habe sich zwar im Streitfall nicht im notariellen Vertrag und laut Kläger auch nicht in anderen schriftlichen Vereinbarungen ein Nutzungsrecht vorbehalten, ein solches Nutzungsrecht könne jedoch auch formlos vereinbart werden. So sei im Streitfall davon auszugehen, dass sich die Mutter das Recht auf Weiternutzung der Wohnung zumindest mündlich ausbedungen bzw. gesichert habe. Damit müsse von einem faktischen Vorbehaltswohnrecht ausgegangen werden. Der Sinn und Zweck des EigZulG, nämlich die Bildung von neuem Wohnraum zu fördern, sei bei dieser Sachlage nicht erfüllt.
Mit der Klage beantragt der Prozessbevollmächtigte die Festsetzung einer Eigenheimzulage i.H.v. 1.278 € sowie die Festsetzung von Kinderzulage für drei Kinder i.H.v. jeweils 767 €, insgesamt also 3.579 € ab dem Jahr 2002.
Der Klageantrag wird damit begründet, dass gemäß der Kaufvertragsurkunde für die Verkäuferin kein dingliches Wohnrecht im Grundbuch zu ihren Gunsten eingetragen worden sei. Da die Immobilie veräußert wurde, sei davon auszugehen, dass der Kläger als Erwerber jederzeit selbst in die Wohnung einziehen könne oder diese zur Erzielung von Einkünften vermieten könne. Die Überlassung an die Mutter erfolge aus freien Stücken. Es sei gerade keine Verpflichtung zur Überlassung an die Mutter in der Urkunde getroffen worden. Es bestünden auch keine Nebenabreden. Im Immobilienrecht gebe es lediglich ein Wohnrecht mit notarieller Regelung und gleichzeitiger Eintragung im Grundbuch. Jegliche mündliche oder schriftliche Vereinbarungen, die nicht notariell festgelegt wurden und somit nicht zum Eintrag ins Grundbuch führen würden, seien jedoch nichtig. Deshalb sei die Argumentation des Finanzamts unverständlich, dass es sich um ein faktisches Wohnrecht für die Mutter des Klägers handle und es sich somit um keine unentgeltliche Überlassung der Wohnung handle. Der BFH habe in einem Urteil vom 01.10.2002 (Aktenzeichen: IX R 9/02; BFH/NV 2003, 145) entschieden, dass dem Kläger beim Erwerb eines Zweifamilienhauses von den Eltern sogar für zwei Wohnungen die Eigenheimzulage in ähnlicher Situation zustehe.
Das Finanzamt beantragt Klageabweisung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO) einverstanden erklärt.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Das Finanzamt hat zu Recht eine Eigenheimzulage und Kinderzulage nicht gewährt.
Nach § 4 Satz 1 EigZulG besteht Anspruch auf Gewährung der Eigenheimzulage, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Nach § 4 Satz 2 EigZulG liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch vor, soweit eine Wohnung unentgeltlich an einen Angehörigen i.S.d. § 15 AO zu Wohnzwecken überlassen wird. Überlassen einer Wohnung bedeutet, dass der Nutzungsberechtigte seine Berechtigung vom Eigentümer ableitet. Das ist der Fall, wenn der Eigentümer dem Angehörigen die Nutzung der für diesen fremden Wohnung durch Einräumung eines obligatorischen oder dinglichen Nutzungsrechts ermöglicht. Behält sich der bisherige Eigentümer anlässlich der Übertragung des Grundstücks ein Nutzungsrecht vor, so kann der Erwerber dem Nutzungsberechtigten kein Recht verschaffen (vgl. BFH-Urteil vom 14.10.1998 X R 56/96, BStBl. II 1999, 89; Wacker EigZulG § 4 Rz. 25). Das Nutzungsrecht mindert vielmehr von vornherein den Wert des übertragenen Vermögens. Sinn und Zweck der Eigenheimzulage ist es, die Bildung von Wohnungseigentum zu fördern. Durch Begünstigung der Überlassung von Wohnraum an Angehörige soll die Mobilisierung von Raumreserven in Eigenheimbereichen gefördert werden, nicht jedoch soll die Umverteilung des Eigentums innerhalb der Familie einen Anspruch auf Förderungsleistung eröffnen, ohne dass tatsächlich für die Familie neuer Wohnraum hergestellt oder angeschafft worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 19.07.1999 IX B 43/99, BFH/NV 2000, 35).
Zwar behielt sich die Mutter des Klägers in der notariellen Urkunde kein Nutzungsrecht vor; auch andere schriftliche Vereinbarungen oder Nebenabreden über das Nutzungsrecht sind nach der Einlassung des Klägers nicht geschlossen worden. Dem Senat sind entsprechende Nebenabreden nicht bekannt. Da ein Nutzungsrecht auch formlos vereinbart werden kann, schließt der Senat aus den tatsächlichen Verhältnissen, dass eine entsprechende mündliche oder konkludente Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Mutter vorliegt. Die Mutter des Klägers hat die Wohnung vor und nach der Übergabe unverändert selbst genutzt. Die Tatsache der unveränderten Nutzung durch die Mutter und die nach Einlassung des Klägers nicht bestehende Nebenabrede zur Nutzung durch die Mutter bei der Überlassung deutet der Senat dahin, dass, selbst wenn keine ausdrücklichen Vereinbarungen getroffen worden sein sollten, zwischen den Vertragsbeteiligten von vornherein Einigkeit darüber bestand, die Wohnung werde im Hinblick auf die weiterhin erfolgte Nutzung durch die Mutter des Klägers verkauft. Dem widerspricht auch nicht die in § 4 des notariellen Kaufvertrages verwendete Formulierung, dass hinsichtlich der künftigen Nutzung der Wohnung in dieser Urkunde keine Regelungen oder Verpflichtungen aufgenommen werden. Wenn zwischen den Vertragsbeteiligten von vornherein Einigkeit darüber bestand, die Wohnung werde im Hinblick auf die weiterhin erfolgte Nutzung durch die Mutter des Klägers verkauft, dann besteht kein Anlass, dies in die Urkunde mit aufzunehmen. Deshalb ist von einem formlos vereinbarten Nutzungsrecht auszugehen. Hierfür besteht nach Ansicht des Senats auch keine Formbedürftigkeit nach § 311 b BGB (§ 313 BGB a.F.). Im Übrigen sind eventuelle Formmängel steuerrechtlich nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AO unbeachtlich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen (vgl. Tipke/Kruse AO § 41 Rz. 16).
Auch aus dem von der Klägerseite angeführten Urteil des BFH vom 01.10.2002 (IX R 9/02, BFH/NV 2003, 145) ergibt sich nichts anderes. Dieses Urteil befasst sich nur mit der Frage der Objektbeschränkung, nicht aber damit, ob die Wohnung vom Antragsteller auf Eigenheimzulage bei unveränderten Nutzungsverhältnissen überlassen wurde. Die unentgeltliche Überlassung an einen Angehörigen war in diesem Fall - im Gegensatz zum Streitfall - zwischen den Beteiligten unstreitig. Der BFH hatte über diese Frage nicht zu entscheiden.
Da der Kläger keinen Anspruch auf Eigenheimzulage hat, war der Antrag auf den Fördergrundbetrag und auf die Kinderzulage zu versagen (§ 9 Abs. 1 EigZulG).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.
Anmerkung
Revision zugelassen durch BFH Beschluss IX B 108/05 (n. v.)
Ende der Entscheidung
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