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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 01.02.2007
Aktenzeichen: VI 285/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

VI 285/06

Kindergeld

In dem Rechtsstreit

hat der VI. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 01.02.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob dem Kläger Kindergeld für das Kind F für die Zeit von April bis September 2007 zusteht, in der das Kind über sechs Monate hinaus einen freiwilligen Dienst als Missionarin auf Zeit in 1/Ecuador ableistet.

Der Kläger bezog laufend Kindergeld für seine Tochter F (geb. 20.07.1986), die bis Ende des Schuljahres 2005/2006 in Schulausbildung an der Fachoberschule in A stand.

Im Rahmen der Überprüfung der weiteren Anspruchsberechtigung für Kindergeld teilte der Kläger mit, F beabsichtige, in der Zeit ab 15.09.2006 einen einjährigen freiwilligen Dienst als "Missionarin auf Zeit" in Ecuador abzuleisten. Träger seien die Missionsdominikanerinnen in B, die allerdings als Träger für einen freiwilligen sozialen Dienst im Ausland nicht förmlich zugelassen seien. F erhalte neben Kost und Unterkunft ein geringes Taschengeld. Im Anschluss an den freiwilligen sozialen Dienst beabsichtige sie, ein Studium an der Fachhochschule für Sozialwesen aufzunehmen.

In diesem Zusammenhang wurde der Praktikantenvertrag vom 20.07.2006 als Mitarbeiterin in der Kindertagesstätte in 1, hilfsweise in der dortigen Schule und eine weitere Vereinbarung mit der Entsendestelle vom 21.07.2006 vorgelegt. Eine Aussage, welche konkreten Kenntnisse und Fähigkeiten während des Praktikums vermittelt werden sollen, wird weder im Praktikantenvertrag noch in der Vereinbarung getroffen. Der Praktikantenvertrag spricht lediglich von einem Arbeitsverhältnis. Trotz Aufforderung wurde vom Kläger kein detaillierter Ausbildungsplan für das Praktikum vorgelegt.

Mit Bescheid vom 24.08.2006 wurde die Bewilligung von Kindergeld für F ab August 2006 aufgehoben. Zur Begründung war ausgeführt, F habe mit Ablauf Juli 2006 die Schulausbildung abgeschlossen. Eine weitere kindergeldrechtliche Berücksichtigung wegen Ableistung eines freiwilligen sozialen bzw. ökologischen Jahres in Ecuador scheitere daran, dass der Träger des freiwilligen sozialen Jahres im Ausland keine Zulassung habe.

Im Einspruchsverfahren wurde ein am 24.08.2007 nachträglich erstellter Ausbildungsplan für F vorgelegt. Auf der Internetseite www.missionarin-auf-zeit.de, die in der Kindergeldakte in Ablichtung eingeheftet ist, werden als Voraussetzungen für den Missionsdienst auf Zeit gefordert:

religiöses und kirchliches Fundament und Motivation,

psychische Ausgeglichenheit und Belastbarkeit,

Bereitschaft, sich auf Menschen anderer Kultur einzulassen,

Fähigkeit und Bereitschaft, in Gemeinschaft zu leben und im Team zu arbeiten,

körperliche Gesundheit (ggf. Tropentauglichkeit),

Mindestalter 18 Jahre,

kirchliches Engagement in der Gemeinde und/oder auf anderen kirchlichen Ebenen.

Daneben heißt es:

"Ein befristeter Missionseinsatz will weder dem Tourismus dienen, noch Ferienfreizeiten anbieten! Er versteht sich auch nicht als Studienreise, sondern will Austausch und das Mitleben junger Christen/innen hier mit den Christen/innen der Welt ermöglichen."

Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als Kindergeld für F bis einschließlich März 2007 bewilligt wurde. Zur Begründung war ausgeführt, die Tätigkeit als Missionarin auf Zeit werde für die Dauer von sechs Monaten als Berufsausbildung anerkannt. Eine darüber hinausgehende Anerkennung als Praktikum sei nicht möglich, da kein detaillierter aussagekräftiger Ausbildungsplan vorgelegt worden sei.

Mit seiner Klage beantragt der Kläger,

den Aufhebungsbescheid vom 24.08.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.09.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Kindergeld für F bis einschließlich September 2007 zu bewilligen (Ende des Freiwilligenjahres).

Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen im Einspruchsverfahren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, die Missionarszeit könne nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG nicht als freiwilliges soziales Jahr berücksichtigt werden, da der Träger des freiwilligen sozialen Jahres im Ausland keine Zulassung habe.

Die gesamte Missionarszeit könne auch nicht als Berufsausbildung bzw. Praktikum nach § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG Berücksichtigung finden. Eine Aussage zum angestrebten Beruf könne nicht getroffen werden. Der vorgelegte Praktikantenvertrag enthalte nur allgemeine Aussagen und reiche nicht als Anerkennung für eine Berufsausbildung aus.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

1. Der Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von Kindergeld über den Monat März 2007 hinaus abgelehnt, weil im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von F als Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG, nämlich, dass F ein freiwilliges Jahr i.S.d. Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres, ein freiwilliges ökologisches Jahr i.S.d. Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres oder einen anderen Dienst im Ausland i.S.v. § 14b des Zivildienstgesetzes geleistet hat, nicht vorliegen.

a) Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG ist ein Kind unter 27 Jahren zu berücksichtigen, wenn es ein freiwilliges soziales oder ein freiwilliges ökologisches Jahr i.S.d. jeweiligen Förderungsgesetze oder einen anderen Dienst im Ausland nach § 14b Zivildienstgesetz leistet.

Das freiwillige soziale Jahr und das freiwillige ökologische Jahr werden aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung des bzw. der Freiwilligen mit einem anerkannten Träger bis zur Dauer von in der Regel zwölf zusammenhängenden Monaten geleistet.

b) Im Streitfall fehlt es für die Anerkennung des Praktikums als soziales Jahr bereits an einer schriftlichen Vereinbarung zwischen F und einem anerkannten Träger mit Sitz im Inland. Diese formale Voraussetzung ist für die Berücksichtigung des Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG zwingend erforderlich.

c) Soweit der Kläger meint, das von F abgeleistete Praktikum sei in analoger Anwendung des Prüfungsmaßstabs des Artikel 3 Abs. 1 GG als freiwilliges ökologisches Jahr i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG zu berücksichtigen, verkennt er, dass das Fehlen einer formalen Anspruchsvoraussetzung nicht im Rahmen der Analogie überbrückt werden kann. Der Gesetzgeber hat zur Anerkennung eines freiwilligen ökologischen oder sozialen Jahres eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Freiwilligen und einem inländischen Träger zur formalen Voraussetzung gemacht.

2. Darüber hinaus hat der Beklagte den Dienst als Missionar auf Zeit zu Recht auch nicht als Berufsausbildung (berufsbezogenes Praktikum) i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG beurteilt, soweit er über die Dauer von sechs Monaten hinausgeht.

a) Nach ständiger Rechtsprechung ist unter Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen danach alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausbildung des angestrebten Berufs geeignet sind (vgl. BFH-Urteil vom 16.04.2002 VIII R 58/01, BStBl. II 2002, 523 m.w.N.).

aa) Es ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass eine Berufsausbildung in dem genannten Sinn nicht nur Ausbildungsmaßnahmen umfasst, die erforderlich sind, um die Mindestvoraussetzung für die Ausbildung des gewählten Berufs zu erfüllen. Erfasst werden auch Maßnahmen, die aus der maßgeblichen Sicht der Eltern und des Kindes geeignet sind, die berufliche Stellung des Kindes zu verbessern (BFH-Urteil vom 08.11.1972 VI R 54/70, BStBl. II 1973, 138).

bb) Der BFH hat im Anschluss an die Übernahme des Kindergeldrechts in das Einkommensteuergesetz durch das Jahressteuergesetz 1996 den Begriff der Berufsausbildung in mehreren Grundsatzurteilen neu bestimmt und erweiternd ausgelegt. Maßgebend für diese erweiternde Auslegung ist der Gesichtspunkt, dass die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern auch dann gemindert wird, wenn sich ein Kind unabhängig von vorgeschriebenen Studiengängen in Ausbildung befindet und von seinen Eltern unterhalten wird (BFH-Urteil vom 24.06.2004 III R 3/03, BFH/NV 2004, 1581).

Ausschlaggebend für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Ausbildung für einen Beruf" i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG ist die Zielrichtung des Kindergeldrechts, die kindbedingte Minderung der steuerrechtlichen Leistungsfähigkeit der Eltern während der Ausbildung des Kindes zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 24.05.2000 VI R 143/99, BStBl. II 2000, 473). Der steuerliche Begriff der Berufsausbildung umfasst danach jede Ausbildung zu einem künftigen Beruf.

cc) In Berufsausbildung befindet sich, wer seine Berufsziele noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft darauf vorbereitet (BFH-Urteil vom 23.04.1997 VI R 135/95, BFH/NV 1997, 655 m.w.N.). Einzubeziehen sind alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausbildung im angestrebten Beruf geeignet sind. Das Berufsziel ist daher nicht ohne weiteres dann als erfüllt anzusehen, wenn das Kind die Mindestvoraussetzungen für die Ausübung des von ihm gewählten Berufs erfüllt. Die technische und wirtschaftliche Entwicklung in praktisch allen Berufszweigen lässt es vielmehr als notwendig erscheinen, Fähigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, die über das vorgeschriebene Maß hinausgehen. Kindern muss daher zugebilligt werden, zur Vervollkommnung und Abrundung von Wissen und Fähigkeiten auch Maßnahmen außerhalb eines fest umschriebenen Bildungsgangs zu ergreifen (BFH-Urteil vom 09.06.1999 VI R 16/99, BStBl. II 1999, 713). Den Eltern und dem Kind steht bei der Gestaltung der Ausbildung ein breiter Entscheidungsspielraum zu (BFH-Urteil vom 14.01.2000 VI R 11/99, BStBl. II 2000, 199).

b) Ausgehend von der vorgenannten BFH-Rechtsprechung kann bei der Tätigkeit von F als "Missionarin auf Zeit" nicht ohne weiteres von einer Berufsausbildung oder einem berufsvorbereitenden Praktikum ausgegangen werden. Es handelt sich um einen reinen sozialen Hilfsdienst ohne konkreten Bezug auf einen zu ergreifenden Beruf. Der Kläger hat hierzu trotz wiederholter Aufforderung keine Angaben gemacht. Allein der Hinweis, F beabsichtige, nach dem Freiwilligenjahr ein Studium an einer Fachhochschule für Sozialwesen aufzunehmen, genügt nicht um einen konkreten Bezug zu einem künftig zu ergreifenden Beruf herzustellen. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger keinerlei Bezug zu einem künftig von F zu ergreifenden Beruf herstellen können. Allein die wage Auskunft, F wolle in einem Sozialberuf mit internationalem Bezug tätig sein, ist zu unbestimmt.

c) Soweit der Beklagte bereits die Zeit bis einschließlich März 2007 als Berufsausbildung anerkannt und dem Kläger hierfür Kindergeld bewilligt hat, ist diese Entscheidung vom Gericht nicht zu überprüfen. Selbst für den Fall, dass das Gericht zu einer anderen rechtlichen Auffassung gelangen würde, könnte es aufgrund des Verböserungsverbots und mangels Klageantrags insoweit keine Sachentscheidung treffen.

Eine Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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