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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 13.12.2005
Aktenzeichen: 1 K 407/02
Rechtsgebiete: EStG, GewStG


Vorschriften:

GewStG § 2 Abs. 1 Satz 2
EStG § 15 Abs. 2
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Kläger im Sinne von § 18 EStG selbstständig tätig ist oder ob er einen Gewerbebetrieb unterhält.

Der Kläger ist auf dem Gebiete der Qualitätssicherung als Einzelunternehmer tätig und firmiert unter der Bezeichnung "Qualitätsmanagement L.....". Er ist gelernter Kraftfahrzeugmechaniker, hat diesen Beruf jedoch nur vorübergehend ausgeübt. In den Jahren 1975 bis 1979 hat er zwei Fachschulen für Technik besucht und am 30. Mai 1979 an der Fachschule für Technik der Stadt .... die Prüfung zum staatlich geprüften Techniker im Fach Maschinentechnik-Entwicklungstechnik abgelegt. In der Folgezeit war der Kläger zunächst nichtselbstständig in einem Ingenieurbüro tätig, später dann in größeren deutschen Unternehmen mit internationaler Bedeutung. Zuletzt war er für die Firma .... als Gruppenführer und technischer Sachbearbeiter im In- und Ausland tätig, darunter auch an verschiedenen Kernkraftwerken. In dieser Zeit hat er an diversen Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen, z. B. auch auf dem Gebiete der Qualitätssicherung. Seit Juli 1998 ist der Kläger als selbständiger Unternehmer tätig, hauptsächlich auf dem Gebiet der Qualitätssicherung in der Kerntechnikbranche. Er betätigt sich dort in der Typisierung der Ersatzteile, ihrer Bestellung und Dokumentation, nimmt Qualitätsprüfungen daran vor und erstellt dafür Prüfanweisungen für Sicht- und Ultraschallprüfungen. Er führt die nach dem Genehmigungsverfahren erforderlichen Sachprüfungen durch und prüft Ersatzteile daraufhin, ob sie das Regelwerk einhalten. Nach einer ihm im Juni 2001 verliehenen Urkunde ist der Kläger seit dem berechtigt, den Titel eines EurEtA-Ingenieurs zu führen.

Das Finanzamt hat gegen den Kläger unter dem ..... und ...... Gewerbesteuermessbetragsbescheide für die Streitjahre 1998 und 1999 erlassen. Die Bescheide sind im Hinblick auf alle anhängigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gewerbesteuergesetzes vorläufig nach § 165 AO ergangen. Gegen die Bescheide hat der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, mit der er sich gegen seine Veranlagung zur Gewerbesteuer wendet. Er ist der Auffassung, dass er im Sinne von § 18 EStG freiberuflich und nicht gewerblich tätig geworden sei. Er übe eine ingenieurähnliche freiberufliche Tätigkeit aus. Nach 22 Berufsjahren als staatlich geprüfter Techniker im Anlagen-, Stahl-, Apparate-, Rohrleitungs- und Maschinenbau habe er so viele Berufserfahrung gesammelt und die theoretische Grundlage dafür geschaffen, dass seine Tätigkeit als die eines Ingenieurs ähnlich anzusehen sei. Die Auffassung des Finanzamts, die in den angefochtenen Bescheiden zum Ausdruck komme, sei verfassungswidrig. Die Norm des § 18 EStG sei weit und flexibel auszulegen. Das Gesetz stamme aus dem Jahre 1934. Die darin enthaltene Aufzählung der Katalogberufe sei lange nicht mehr ergänzt worden. Neue Berufsbilder, die in den letzten Jahren entstanden seien, hätten darin keine Aufnahme gefunden. Das zeige sich an Beispielen aus dem Bereich der Datenverarbeitung, dem Medien- und Servicebereich sowie dem des Informatikers und Technikers. Für seine Tätigkeit gelte das gleiche. Seine berufliche Arbeit könne mit der eines Maschinenbauingenieurs mit der Fachrichtung Qualitätssicherung verglichen werden. Diese Fachrichtung sei neu und werde erst seit kurzem von den Hochschulen als Studienfach angeboten. Als er seine Ausbildung begonnen habe, habe das Fachgebiet als Lehrfach noch nicht existiert. Es finde sich deshalb auch nicht in der Aufzählung der Berufsgruppen in § 18 EStG. Der unvollständige und nicht mehr zeitgemäße Berufskatalog der Norm führe dazu, dass bestimmte heutige Berufsgruppen als gewerblich eingestuft würden, obwohl sie im Hinblick auf die Ausbildung der Betroffenen und deren persönlichen Einsatz bei der Berufsausübung viel eher zu den freien Berufen gerechnet werden müssten. Die Norm sei deshalb nur dann noch verfassungsrechtlich haltbar, wenn man sie weit auslege.

Der Kläger beantragt,

die Gewerbesteuermessbescheide für 1998 und 1999 vom ...... und ...... sowie den dazu ergangenen Einspruchsbescheid vom ....... ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner bereits im Einspruchsbescheid vertretenen Auffassung fest, dass der Kläger bislang nicht den Nachweis erbracht habe, dass er eine ingenieurähnliche Tätigkeit ausübe. Insbesondere habe er nicht nachgewiesen, dass er über Kenntnisse verfüge, die mit denen vergleichbar seien, die in einem Ingenieurstudium vermittelt würden.

Wegen des Vortrags der Parteien im Übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze im Klage- und Vorverfahren Bezug genommen.

Das Gericht hat mit Beschluss vom ....... Beweis erhoben über die Frage, ob der Kläger in den Streitjahren 1998 und 1999 einen ingenieurähnlichen Beruf ausgeübt hat durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Zum Gutachter ist ein Professor des Fachbereichs Maschinenbau der Fachhochschule ...... bestellt worden. In seiner schriftlichen und mündlich vor dem Senat ergänzten Expertise gelangt der Gutachter zu der Bewertung, dass die Tätigkeitsmerkmale des Klägers und die Art und Weise seiner Berufsausübung von der eines beratenden Ingenieurs nicht zu unterscheiden seien. Allerdings fehle es dem Kläger an dem theoretischen Wissen und den Grundlagenkenntnissen, die ein Hochschulabsolvent habe. Letzteres spiele in der Praxis jedoch keine Rolle. Zum weiteren Inhalt des Gutachtens wird auf die Ausführungen des Sachverständigen auf den Blättern .... bis .... der Gerichtsakte sowie auf das Protokoll der heutigen mündlichen Verhandlung vor dem Senat verwiesen.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.

1. Der Kläger hat in den Streitjahren keinen Gewerbebetrieb unterhalten. Er hat vielmehr einen ingenieurähnlichen Beruf ausgeübt.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist unter einem Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Nach § 15 Abs. 2 EStG ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht unternommen wird, Gewinn zu erzielen und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, ein Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Zu den freien Berufen in diesem Sinne gehört nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Tätigkeit der Ingenieure und der ähnlicher Berufe.

2. Der Kläger ist kein Ingenieur im Sinne von § 18 EStG.

Die selbständige Tätigkeit eines Ingenieurs im Sinne von § 18 EStG übt nur aus, wer nach den Ingenieurgesetzen der Länder aufgrund der vorgeschriebenen Berufsausbildung berechtigt ist, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z. B. Urteil vom 18. Juni 1980 I R 109/77, BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118). Nach § 1 des Niedersächsischen Ingenieurgesetzes vom 30. März 1971 in der Fassung des Gesetzes vom 28. Mai 1996 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt S. 252) darf die Berufsbezeichnung Ingenieur nur führen, wem ein Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft auf Grund eines mindestens dreijährigen Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule einen Diplomgrad mit der Bezeichnung "Ingenieur" verliehen hat.

Im Streitfall hat der Kläger kein mindestens dreijähriges Studium an einer Hochschule absolviert, er besitzt kein Ingenieursdiplom. Die Bezeichnung "EurEta-Ingenieur" ist keine Berufsbezeichnung im Sinne des Niedersächsischen Ingenieurgesetzes. Die EurEta ist ein europäischer Berufsverband der Ingenieure und Techniker. Die Abkürzung steht für "European Higher Engineering and Technical Professionals Association". Eines seiner Ziele besteht darin, angesichts der unterschiedlichen Berufsbezeichnungen in Europa Transparenz zu schaffen. Diese Transparenz will der Verband dadurch erreichen, dass Ingenieure oder Techniker mit der Eintragung ins EurEta-Register die Berechtigung erhalten, sich EurEta-Ingenieur zu nennen, damit über alle Grenzen in Europa erkennbar wird, dass der Titelträger ein Ingenieur oder Techniker ist. Nationale Titel werden durch den EurEta-Titel nicht tangiert (vgl. die Darstellung des Verbandes im Internet unter www.eureta.org).

3. Der Kläger übt jedoch eine ingenieursähnliche Tätigkeit aus. Seine Berufstätigkeit ist mit der eines beratenden Maschinenbauingenieurs der Fachrichtung Qualitätssicherung vergleichbar.

a) Wie der BFH in ständiger Rechtsprechung erkennt, liegt eine ähnliche Berufstätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor, wenn sie in ihren wesentlichen Punkten mit einem in dieser Vorschrift genannten Katalogberuf verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der beruflichen Ausbildung und der beruflichen Tätigkeit (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1989 IV R 154/86, BFHE 158/409, BStBl II 1990, 73). Die Ausbildung muss nicht an einer Hoch- oder Fachhochschule erworben sein. Es müssen jedoch theoretische Kenntnisse vorhanden sein, die in ihrer Breite und Tiefe denen an einer Fachhochschule oder Hochschule Ausgebildeten entsprechen (BFH-Beschluss vom 14. November 2000 IV B 156/99, BFH/NV 2001, 593). Diese theoretischen Kenntnisse sind nach Einschätzung des BFH deshalb bedeutsam, weil nur derjenige, der über ein gründliches und umfassendes theoretisches Wissen verfüge, relativ einfach erscheinende Probleme in einem größeren Zusammenhang zu sehen vermöge und damit sicherer beurteilen könne als jemand, der dies nur aufgrund einer vorwiegend praktischen Ausbildung und aus praktischer Erfahrung tue (BFH, Urteil vom 18. Juni 1980 I R 109/77, BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118). Die theoretischen Kenntnisse seien damit prägend für die Tätigkeit des Katalogberufes (BFH, Urteil vom 5. Oktober 1989 IV R 154/86, BFHE 158/409, BStBl II 1990, 73).

b) Im Streitfall ist die praktische berufliche Tätigkeit des Klägers mit der eines beratenden Ingenieurs vergleichbar. Dies hat der Sachverständige in seinem Gutachten bestätigt. Ihm haben Arbeitsproben des Klägers vorgelegen. Der Sachverständige ist zu der Überzeugung gelangt, dass sich diese Arbeiten von denen eines Ingenieurs nicht unterscheiden lassen. Dem schließt sich auch das Gericht an.

c) Dagegen hat der Sachverständige bei den theoretischen Kenntnissen des Klägers Defizite gegenüber einem Ingenieur ausgemacht. Sie liegen z. B. in den Bereichen Mechanik, Physik und Mathematik. Aus diesem Grund verfügt der Kläger in Breite und Tiefe nicht über das Grundlagenwissen eines Ingenieurs.

aa) Diese Defizite spielen nach Einschätzung des Sachverständigen in der heutigen beruflichen Praxis jedoch keine Rolle mehr. Entscheidend sei, wie der Sachverständige weiter bekundet hat, immer die Leistung im Einzelfall. Wenn die Arbeitsleistung stimme, frage niemand danach, ob der Leistende Ingenieur oder Techniker sei. Die Praxis honoriere nicht die Ausbildung, sondern die Leistung. Dabei sei ein Techniker mit langjähriger Berufserfahrung einem jungen Ingenieur trotz dessen akademischer Ausbildung in der Regel überlegen. Das gelte gerade auch im Fachbereich Qualitätsmanagement, den der Kläger abdecke. In diesem Bereich sei es sogar so, dass ein junger Ingenieur nach Abschluss des Studiums darin zunächst gar nicht ohne fremde Hilfe tätig werden könne. Er könne sich auf diesem Sektor nur unter entsprechender Aufsicht und Anleitung betätigen oder müsse Zusatzqualifikationen erwerben oder eben Erfahrungen sammeln. Der Umstand, dass ein Techniker nicht über das Grundlagenwissen eines Ingenieurs verfüge, sei im heutigen Berufsleben zu vernachlässigen. Heutzutage würden schwierige mathematische Berechnungen ohnehin fast immer mit Computern durchgeführt und die könnten von Ingenieuren und Technikern gleichermaßen verwendet werden. Validierte Softwarepakete, die auch Technikern bekannt seien, deckten den Rechenbedarf ab. Selbstverständlich müsse jeder, der mit Computersoftware arbeite, in der Lage sein, die Ergebnisse abzuschätzen und auf ihre Plausibilität zu prüfen. Das könne aber auch der Kläger, wobei im Streitfall noch hinzu komme, dass für den Bereich des Qualitätsmanagements ohnehin keine umfangreichen mathematischen Kenntnisse in Form komplexer analytischer Berechnungsverfahren erforderlich seien.

Der Sachverständige hat weiter darauf hingewiesen, dass in der freien Wirtschaft weder die Position noch die Bezahlung davon abhänge, ob jemand Ingenieur oder Techniker sei. Lediglich bei Berufsanfängern werde Position und Bezahlung noch von der Ausbildung bestimmt. Davon abgesehen richte sich die Stellung im Unternehmen und das Gehalt ausschließlich nach den erworbenen Fähigkeiten, dem Arbeitsstil und dem persönlichen Engagement. Selbst Tarifverträge trügen dieser Praxis Rechnung und böten Technikern die gleichen Möglichkeiten wie Ingenieuren. Sogar der öffentliche Dienst habe sich diese Grundsätze zu Eigen gemacht. So sei ihm, dem Sachverständigen, bekannt, dass z. B. bei der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt, einer Anstalt mit internationalem Ruf auf den Gebieten der Naturwissenschaften, nicht nur Ingenieure sondern auch Techniker als Fachbereichsleiter tätig seien.

Weiter hat der Sachverständige bekundet, dass in der Berufswelt die Rechtsstellung der Ingenieure nicht mit der der Juristen oder Mediziner vergleichbar sei. Juristen und Mediziner seien wahrscheinlich die einzigen Berufsgruppen, die noch durch ihre Ausbildung geschützt würden. In dem Moment, in dem ein Jurist oder Arzt die erforderlichen Examina abgelegt habe, dürfe kein Nichtjurist oder Nichtmediziner zu ihnen in Konkurrenz treten. Die Ausübung des Berufes sei nur Absolventen mit entsprechender Ausbildungsqualifikation vorbehalten. Im Ingenieurberuf sei das anders. Der akademisch ausgebildete Ingenieur befinde sich von Anfang an in Konkurrenz mit Nichtingenieuren und könne in diesem Konkurrenzkampf nur dann bestehen, wenn er fachlich gleichwertige Arbeiten abliefere. Der einzige Vorteil, den akademisch ausgebildete Ingenieure gegenüber nicht akademisch ausgebildeten Technikern heute noch besäßen, bestehe darin, dass sie wegen ihres breiteren Grundlagenwissens bei Bedarf schneller in der Lage seien, von einem Fachgebiet in ein anderes zu wechseln.

bb) Der Senat, der über kein besseres Wissen verfügt als der Sachverständige, der als Professor an einer Fachhochschule Ingenieure ausbildet und deren Grundlagenwissen und dessen Bedeutung in der beruflichen Praxis einzuschätzen weiß, schließt sich dessen Einschätzung an.

Danach hat sich im heutigen Berufsleben ein Wandel vollzogen (vgl. dazu schon: Nds. Finanzgericht vom 14.05.2003, 7 K 280/96, EFG 2004, 1018). Die Bedeutung, die die Ausbildung und das Grundlagenwissen für die Abgrenzung der Berufsgruppen der Ingenieure und Techniker in der Vergangenheit gehabt haben, ist geringer geworden. Der Fortschritt im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung hat zu einer Nivellierung der Unterschiede geführt. Das Grundlagenwissen, das ehedem nur Ingenieure besaßen, ist inzwischen in Softwareprogramme eingeflossen, die von Ingenieuren und Technikern gleichermaßen bedient werden können. Die Auffassung, die der BFH noch in seiner Entscheidung vom 18. Juni 1980 I R 109/77, BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118 vertreten hat, nach der Ingenieure wegen ihres breiteren und tieferen Grundlagenwissens in der Lage seien, Probleme in einem größeren Zusammenhang zu sehen und damit sicherer zu beurteilen als ein Techniker, mag seinerzeit zugetroffen haben, ist heute allerdings überholt. Für den hier streitigen Fachbereich der Qualitätssicherung gilt nach Einschätzung des Gerichts sogar das Gegenteil, weil - wie der Sachverständige bekundet hat - auch ein akademisch ausgebildeter Ingenieur in diesem Fachbereich erst nach längeren Berufsjahren oder unter Aufsicht und Leitung eines erfahrenen Kollegen - der vielleicht sogar ein Techniker sein kann - in der Lage ist, gleichwertige Arbeit zu liefern wie ein Techniker mit Berufserfahrung. Der erweiterte Blickwinkel, den ein Ingenieur in der Vergangenheit durch seine Ausbildung erfahren haben mag, ist heute dank des Einsatzes fachgerechter Computertechnik auch für einen Techniker geöffnet.

Das Gericht verzichtet deshalb bei der Prüfung der ingenieurähnlichen Tätigkeit eines Technikers auf das Erfordernis des ingenieurähnlichen Grundlagenwissens.

cc) Doch selbst wenn man, entgegen der Auffassung des Senats und den Bekundungen des Sachverständigen, weiterhin an dem Erfordernis festhalten wollte, dass ein Techniker nur dann eine ingenieursähnliche Betätigung ausübt, wenn er in Breite und Tiefe über ein Grundlagenwissen verfügt, das dem eines Ingenieurs ähnlich ist, tritt im Streitfall eine Besonderheit hinzu, die gerade dem Berufsfeld der Qualitätssicherung eigen ist. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass dieses Berufsfeld erst eine junge wissenschaftliche Disziplin ist. Das Fach Qualitätssicherung sei erst seit etwa 8 bis 10 Jahren Teil des Hauptstudiums eines Maschinenbauingenieurs. Es habe sich zunächst nach und nach in der Praxis herausgebildet und sei erst später in die Ausbildung der Ingenieure aufgenommen worden. Es sei kennzeichnend für alle naturwissenschaftliche Berufe, dass sich Praxis und Wissenschaft gegenseitig befruchteten. Bei der Qualitätssicherung seien die Impulse von der Praxis ausgegangen, die Wissenschaft habe "hinterhergehinkt".

Aufgrund dieser Angaben sieht das Gericht die Behauptung des Klägers als erwiesen an, dass seinerzeit, als er seine Ausbildung begonnen habe, dieses Fachgebiet als Lehrfach noch nicht existiert habe. Aus diesem Umstand gewinnt das Gericht die Erkenntnis, dass dem Kläger zu jener Zeit fehlendes Grundlagenwissen nicht zum Nachteil gereichen konnte. Da es vor 8 bis 10 Jahren noch keine wissenschaftliche Ausbildung in diesem Fachbereich gab, konnte dem Kläger damals die Zuerkennung einer ingenieurähnlichen Tätigkeit nicht wegen fehlenden Grundlagenwissens versagt werden; dieses Grundlagenwissen existierte seinerzeit noch nicht. Wenn dem Kläger mithin vor 8 bis 10 Jahren eine ingenieurähnliche Tätigkeit hätte zuerkannt werden müssen, kann ihm diese Qualifikation nach Einschätzung des Gerichts heute nicht allein deswegen versagt bleiben, weil inzwischen das Qualitätsmanagement Eingang in die Wissenschaft gefunden hat, als Lehrfach in die Ingenieursausbildung aufgenommen worden ist und damit wissenschaftliches Grundlagenwissen zur Verfügung steht.

dd) Darüber hinaus ist das Gericht auch davon überzeugt, dass dem Kläger auch aus verfassungsrechtlichen Gründen die Zuerkennung einer ingenieurähnlichen Tätigkeit jedenfalls nicht wegen fehlenden Grundlagenwissens versagt bleiben kann. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 7. Oktober 1980 1 BvL 50/79, BVerfGE 55, 72, NJW 1981, 271 und vom 3. November 1982 1 BvR 620/78, BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717 erkannt hat, liegt eine Verletzung des Gleichheitssatzes vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Würde man dem Kläger die Zuerkennung einer ingenieurähnlichen Tätigkeit verwehren, läge eine derartige Ungleichbehandlung zur Berufsgruppe der Heilpraktiker, Dentisten und Krankengymnasten vor. Diese Berufsgruppen sind in § 18 Abs. 1 EStG ausdrücklich als freiberufliche Tätigkeiten genannt und genießen die damit verbundenen steuerrechtlichen Privilegien. Eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung im Vergleich zu den Technikern vermag das Gericht allerdings nicht zu erkennen, zumal der Sachverständige bekundet hat, dass Techniker - namentlich auch der Kläger - in ihrem Grundlagenwissen dem Ingenieur deutlich näher stehen als die Gruppe der Heilpraktiker, Dentisten und Krankengymnasten dem Arzt.

Eine weitere Ungleichbehandlung des Klägers läge gegenüber der Berufsgruppe der Ingenieure vor, würde man ihm die Zuerkennung einer ingenieurähnlichen Tätigkeit wegen fehlenden Grundlagenwissens verwehren. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, befinden sich Techniker und Ingenieure in einer Konkurrenzsituation. In dieser Konkurrenz behaupte sich derjenige, der die beste Leistung im Einzelfall erbringe. Auf das Grundlagenwissen komme es nicht an.

Bei dieser Konstellation sieht das Gericht keine Rechtfertigung des Staates, in den Konkurrenzkampf dergestalt einzugreifen, dass einer der beiden Konkurrenten mit einer Gewerbesteuer belegt wird und er damit seine Leistung zu teureren Preisen auf dem Markt anbieten muss als der andere. Damit könnte gerade der Konkurrent einen Nachteil erleiden und vom Markt verdrängt werden, der u. U. die bessere Leistung im Einzelfall anbietet. Daran kann kein schützenswertes Interesse des Gesetzgebers bestehen. Außerdem läge darin zugleich auch ein Eingriff in die Berufsfreiheit und ein Verstoß gegen Art. 12 GG.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151 Abs. 3 und 155 FGO in Verbindung mit § 708 Nrn. 10, 11 Zivilprozessordnung.

Das Gericht weicht mit seiner Rechtsauffassung über die Bedeutung des Grundlagenwissens bei den Anforderungen für eine ingenieurähnliche Tätigkeit von der des Bundesfinanzhofs ab. Damit war die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. II Ziff. 2 FGO).

Anmerkung

Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, da es mit seiner Rechtsauffassung über die Bedeutung des Grundlagenwissens bei den Anforderungen für eine ingenieurähnliche Tätigkeit von der des BFH abweicht. Sollte in vergleichbaren Fällen zu Lasten der Stpfl. entschieden werden, sollten diese bis zu einer endgültigen Entscheidung des BFH offen gehalten werden.

Ende der Entscheidung

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