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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 18.12.2006
Aktenzeichen: 10 K 316/00
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 3 Abs. 1
AO § 235
AO § 238 Abs. 1
AO § 370 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

10 K 316/00

Festsetzung von Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO zur Einkommensteuer 1997

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Hinterziehungszinsen gemäß § 235 Abgabenordnung (AO) und hierbei, ob durch die antragsgemäße Herabsetzung und Rückerstattung der Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 1997 der Tatbestand der Steuerverkürzung gemäß § 370 AO erfüllt ist.

Der Kläger erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die vom Finanzamt X gesondert festgestellt werden. Die Praxis betrieb er zunächst als Einzelpraxis, in der Zeit von 1993 bis Ende 1996 als Gemeinschaftspraxis (im Folgenden: GbR) und anschließend wieder als Einzelpraxis.

Die Kläger sind in ihren Einkommensteuerangelegenheiten seit dem Jahr 1994 durchgängig vom Prozessbevollmächtigten vertreten worden, der für den Kläger auch die Aufgabebilanz für 1993 erstellte und die Gewinnermittlungen ab dem Kalenderjahr 1997 anfertigte. In der Aufgabebilanz für 1993 hatte der Kläger einen laufenden Gewinn in Höhe von x TDM ermittelt und Forderungen in Höhe von ca. x TDM aktiviert.

Die Gewinnermittlungen der GbR hatte die B Steuerberatungsgesellschaft mbH (B) erstellt, die war auch noch mit der laufenden Buchführung für das Jahr 1997 beauftragt, während bereits zu Beginn des Jahres 1997 feststand, dass der Prozessbevollmächtigte für den Kläger den Jahresabschluss für 1997 fertigen sollte. Der Prozessbevollmächtigte wusste aufgrund der ihm vorliegenden Summen- und Saldenliste, dass die B in der laufenden Buchführung nur die Einnahmen und Ausgaben aufgezeichnet hatte.

Mit den Ende 1997 ergangenen Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1994 und 1995 setzte der Beklagte die vierteljährlich zu leistenden Vorauszahlungen für Einkommensteuer 1997 und 1998 auf jeweils 48.639 DM und die vierteljährlichen Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag mit 3.509 DM fest.

Aufgrund der mit Bescheid vom Februar 1998 festgesetzten Einkommensteuer für 1996 ergab sich eine Einkommensteuernachzahlung für 1996 in Höhe von 101.933 DM. Zusätzlich setzte der Beklagte für das Jahr 1997 eine nachträgliche Vorauszahlung in Höhe von 104.400 DM fest und erhöhte die vierteljährlichen Vorauszahlungen für 1998 auf 74.753 DM pro Quartal, so dass von den Klägern zu den beiden Fälligkeitsterminen Anfang März 1998 Zahlungen in Höhe von insgesamt 280.686 DM zu leisten waren.

Kurz vor diesen Terminen ging der vom Prozessbevollmächtigten gefertigte Antrag ein, mit dem dieser für die Kläger neben der Aufhebung der nachträglichen Vorauszahlung auf die Einkommensteuer 1997 auch die Herabsetzung der Vorauszahlungen für 1997 um 138.142 DM auf insgesamt 56.414 DM und für 1998 auf vierteljährlich 14.000 DM sowie die Stundung der Steuernachzahlung für 1996 beantragte. Zur Begründung führte er aus, die von ihm beigefügte betriebswirtschaftliche Auswertung für 1997 weise einen vorläufigen Gewinn in Höhe von nur xxx.xxx DM aus und die Einkommensteuer betrage auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens in Höhe von xxx.xxx DM lediglich xx.xxx DM. Aus der Herabsetzung der Nachzahlungen für 1997 ergebe sich ein mit der Einkommensteuernachzahlung für 1996 verrechenbarer Erstattungsanspruch in Höhe von ca. 149.000 DM, weshalb diese Nachzahlung zu stunden sei.

Mit Bescheid vom 19. März 1998 setzte der Beklagte die nachträgliche Vorauszahlung für 1997 von 104.400 DM auf 0 DM herab, lehnte jedoch den Antrag auf rückwirkende Herabsetzung der Quartals-Vorauszahlungen für 1997 ab. Nachdem der Prozessbevollmächtigte unter Hinweis auf die von ihm vorgelegten Unterlagen auf der vollumfänglichen Herabsetzung der Vorauszahlungen beharrte, kam der Beklagte der Forderung mit geändertem Vorauszahlungsbescheid vom 22. April 1998 nach und überwies nach Verrechnung eines Teils der Vorauszahlungserstattung mit der fälligen Einkommensteuernachzahlung für 1996 das Restguthaben an die Kläger.

Unter dem 30. Dezember 1998 erließ der Beklagte nach erfolglos angemahnter Abgabe der bevorzugt angeforderten Steuererklärung einen auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Einkommensteuerbescheid für 1997, mit dem er, ausgehend von einem Gewinn des Klägers in Höhe von x DM die Einkommensteuer festsetzte. Aufgrund dieser Steuerfestsetzung ergab sich eine Einkommensteuernachzahlung in Höhe von 39.042 DM.

Anfang Februar 1999 legte der Kläger den Jahresabschluss für 1997 vor, in dem er den Gewinn nach § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt hatte. Die Betriebseinnahmen lagen 352.440 DM über den im Februar 1998 als "vorläufig" erklärten Einnahmen.

Mit Einkommensteueränderungsbescheid vom 14. April 1999 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 1997 herauf, was für die Kläger eine weitere Nachzahlung in Höhe von 64.508 DM zur Folge hatte. Der Einkommensteuerbescheid wurde in der Folgezeit mehrfach geändert, wobei ein Gewinn aus der Praxis der Besteuerung zugrunde gelegt wurde, der etwa 220.000 DM über dem vorläufigen Gewinn lag.

Der für das Jahr 1998 vom Kläger zunächst ermittelte Gewinner verringerte sich wegen des nachträglichen Wechsels zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nach Abzug der zum 31. Dezember 1997 bestehenden Forderungen um ca. 370 TDM. Aufgrund der für 1998 festgesetzten nachträglichen Vorauszahlung in Höhe von 106.400 DM und der Berücksichtigung von gesondert festgestellten Verlusten aus Vermietung und Verpachtung ergaben sich im März/April 2000 aus der Einkommensteuerveranlagung für 1998 Erstattungsbeträge in Höhe von insgesamt 122.000 DM.

Der Beklagte wertete die Abgabe der Einkommensteuererklärung 1997 als strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 AO und setzte mit Bescheid vom 3. September 1999 für hinterzogene Einkommensteuer und hinterzogenen Solidaritätszuschlag Zinsen in Höhe von insgesamt 6.035 DM fest.

Nachdem das Einspruchsverfahren keinen Erfolg hatte, begehren die Kläger mit der Klage die Aufhebung der Zinsfestsetzung. Sie halten an ihrer bereits im Vorverfahren vertretenen Ansicht fest, dass der als Voraussetzung für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen erforderliche Tatbestand der Steuerhinterziehung nicht erfüllt sei.

Zur Begründung tragen sie vor, die Höhe des Gewinns des Klägers habe sich erst im nachhinein als zu niedrig eingeschätzt erwiesen, deshalb könne sie kein Verschulden treffen. Der Prozessbevollmächtigte habe den Herabsetzungsantrag auf der Grundlage einer von der B nach § 4 Abs. 3 EStG erstellten Gewinnermittlung gestellt. Man habe aufgrund dieser betriebswirtschaftlichen Auswertung davon ausgehen können, dass die Angaben zum voraussichtlichen Gewinn zutreffend sein würden.

Die Abweichung zwischen dem voraussichtlichen Gewinn und dem erklärten Gewinn beruhe ausschließlich auf der Ausübung von Wahlrechten. Die Wahlentscheidung sei im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften getroffen worden und wenn bei Wahl einer bestimmten Gewinnermittlungsart der geringere Gewinn denkbar sei, könne er nicht objektiv unrichtig im Sinne des § 370 AO sein. Der Kläger habe für das Jahr 1997 erstmals zu entscheiden gehabt, ob er den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG oder nach § 4 Abs. 3 EStG ermittele, die Auswirkung der Wahlentscheidung auf die Höhe der Einkünfte sei ihm im Zeitpunkt des Herabsetzungsantrags nicht bewusst gewesen, sondern vom Prozessbevollmächtigten erst im Rahmen der Besprechung im Februar 1999 erläutert worden. Bis zu diesem Zeitpunkt habe noch keine Kenntnis über die Höhe des tatsächlichen Gewinns bestanden. Deshalb habe dem Kläger auch nicht auffallen müssen, dass in dem Zahlenwerk der B die Forderungen nicht erfasst gewesen seien.

Weil die Wahl der Gewinnermittlungsart noch nicht abschließend entschieden und der Gewinn im Zeitpunkt der Antragstellung nicht unrichtig gewesen sei, habe auch keine Berichtigungspflicht nach § 153 AO bestanden. Im Februar 1999 habe keine Berichtigung des Herabsetzungsantrags mehr erfolgen können, weil zu diesem Zeitpunkt bereits ein Jahressteuerbescheid ergangen sei.

Auch den Prozessbevollmächtigten treffe kein Schuldvorwurf, weil die Buchführung von der B unter der Prämisse erstellt worden sei, dass der Gewinn, wie üblich nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt werde. Daher enthalte die Spalte Eröffnungsbilanz in der Summen- und Saldenliste keine Werte und seien z.B. Forderungsbestbestände nicht geführt worden. Nach dieser Gewinnermittlung hätte der Gewinn dem im Herabsetzungsantrag mitgeteilten Gewinn entsprochen und sei demnach objektiv richtig gewesen. Objektiv unrichtig sei der Gewinn erst geworden, als man im Zeitpunkt der Erstellung der Steuererklärungen die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG gewählt und die Bestandswerte mit erfasst habe. Allerdings sei diese Gewinnermittlung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unzulässig und die auf der Grundlage des erklärten Gewinns bestandskräftige Steuerfestsetzung daher rechtswidrig. Eine fehlerhaft überhöhte Steuerfestsetzung könne nicht Grundlage einer Steuerverkürzung sein.

Die Zinsen seien unzutreffend berechnet, weil die Aussetzungszinsen in Höhe von 195 DM und die Herabsetzung der Einkommensteuer um 4.178 DM nicht berücksichtigt worden seien. Auch ende der Zinslauf am 15. Dezember 1998, weil zu diesem Zeitpunkt das Vorauszahlungsverfahren mit Festsetzung der Einkommensteuer 1997 durch Bescheid vom 15. Dezember 1998 abgeschlossen gewesen sei.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid über die Festsetzung von Zinsen für hinterzogene Steuern gemäß § 235 AO ... aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält an seiner im Vorverfahren und im Einspruchsbescheid vertretenen Auffassung fest, die Kläger hätten durch den im März 1998 gestellten Antrag auf Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen für die Jahre 1997 und 1998 den Tatbestand der Steuerhinterziehung ( § 370 AO) erfüllt.

Der Herabsetzungsantrag sei objektiv unrichtig gewesen, weil die aufgrund der Jahresveranlagung zu leistende Nachzahlung gezeigt habe, dass die zunächst zutreffend festgesetzten Vorauszahlungen ungerechtfertigt herabgesetzt worden seien. Die Kläger hätten die Einkünfte für 1997 bewusst unrichtig dargestellt und es sei davon auszugehen, dass die Höhe des Gewinns aufgrund der Buchführung bereits Anfang 1998, spätestens aber vor Ergehen des Schätzungsbescheides bekannt gewesen sei.

Das Handeln der Kläger sei auch kausal für den Eintritt der Steuerverkürzung, weil das Finanzamt ohne die auf der Basis eines unzutreffenden Gewinns gestellten Anträge die Vorauszahlungen nicht herabgesetzt hätte.

Der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung sei von der Klägern ebenfalls verwirklicht worden, weil sie bedingt vorsätzlich gehandelt hätten. Aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung sei erkennbar gewesen, dass die zum Ende des Kalenderjahres definitiv bestehenden Forderungen bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigt worden seien. Von ihnen sei billigend in Kauf genommen worden, dass die unvollständigen Angaben zur Höhe des Gewinns eine ungerechtfertigte Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen bewirkten. Da der Gewinnfeststellungsbescheid des Finanzamtes X für den Beklagten bindende Wirkung habe, sei es unerheblich, ob eine rechtmäßige oder rechtswidrige Gewinnermittlung Grundlage der Gewinnfeststellung gewesen sei.

Die Berechnung der Hinterziehungszinsen sei zutreffend. Der Zinslauf beginne mit Bekanntgabe des Herabsetzungsbescheides und ende gemäß § 235 Abs. 3 AO erst mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Die Zahlungen seien erst am x. März 1999 und am x. Mai 1999 erfolgt. Der Zeitraum, für den die Aussetzungszinsen festgesetzt worden seien, sei nicht in die Berechnung der Hinterziehungszinsen einbezogen worden. Soweit die Einkommensteuer im Juli 1999 nochmals aus anderen Gründen herabgesetzt worden sei, berühre dieser Umstand nicht die Zinspflicht, weil der Zinslauf zu diesem Zeitpunkt bereits beendet gewesen sei.

Der Kläger hat schriftlich erklärt, er könne keine Angaben machen, weil er sämtliche steuerlichen Angelegenheiten den Steuerberatern überlassen habe. Der Prozessbevollmächtigte habe jederzeit Zugang zu allen Unterlagen der wirtschaftliche Situation seiner Praxis gehabt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen ist rechtmäßig.

Gemäß § 235 Abs. 1 Satz 1 AO sind hinterzogenen Steuern zu verzinsen, ohne dass dem Finanzamt bei der Entscheidung über die Festsetzung der Zinsen ein Ermessensspielraum zusteht (BFH-Urteil vom 27. Juni 1991 V R9/86 BFHE 165, 10, BStBl II 1991, 822). Steuervorauszahlungen sind Steuern im Sinne des § 3 Abs. 1 AO und können Gegenstand einer Steuerhinterziehung wie auch Gegenstand der Verzinsung hinterzogener Steuern sein (BFH-Urteil vom 15. April 1997 VII R74/96 BFHE 182, 499, BStBl II 1997, 600).

Zinsschuldner im Sinne des § 235 Abs. 1 Satz 2 AO ist grundsätzlich der Steuerschuldner, selbst wenn er an der Steuerhinterziehung nicht mitgewirkt hat (vgl. BFH-Urteile vom 27. Juni 1991 V R9/86, BFHE 165, 10, BStBl II 1991, 822; vom 15. April 1997 VII R74/96 BFHE 182, 499, BStBl II 1997, 600).

Die Erhebung von Hinterziehungszinsen setzt voraus, dass objektiv und subjektiv die Tatbestandsmerkmale einer vollendeten Steuerhinterziehung vorliegen; Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe hindern die Entstehung des Zinsanspruchs, nicht aber eine Selbstanzeige als persönlicher Strafausschließungsgrund (Klein/Rüsken Kommentar AO 9. Aufl. § 235 Rz. 5 m.w.N.).

Das Finanzgericht entscheidet in eigener Zuständigkeit, ob die Voraussetzungen für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen gegeben sind. Eine strafrechtliche Verurteilung ist nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 7. November 1973 I R92/72, BFHE 111, 7, BStBl II 1974, 125 ).

Der Beklagte hat im Ergebnis zu Recht eine vollendete Steuerverkürzung angenommen, denn zur Überzeugung des Gerichts hat der Prozessbevollmächtigte bei Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten für die Kläger den objektiven und den subjektiven Tatbestand der vollendeten Steuerhinterziehung erfüllt, mit der Folge, dass gegenüber den Klägern als Schuldnern der Steuer die Hinterziehungszinsen festzusetzen waren.

Wegen Steuerhinterziehung macht sich strafbar, wer den Steuerbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt ( § 370 Abs. 1 AO ). Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kommt es nur darauf an, ob eine Steuer verkürzt worden ist. Ob der Steuerschuldner selbst oder sein Vertreter bzw. Erfüllungsgehilfe den Tatbestand einer Steuerhinterziehung erfüllt hat, ist unerheblich (BFH-Urteile vom 31. Januar 1989 VII R77/86, BFHE 156, 30, BStBl II 1989, 442 und vom 30. Oktober 1990 VII R18/88, BFH/NV 1991, 721).

Täter einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung kann deshalb auch derjenige sein, der die Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen wahrnimmt, also sein Steuerberater (vgl. in diesem Sinne BFH-Urteil vom 19. Dezember 2002, IV R37/01, BFHE 200, 495; BStBl II 2003, 385; Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 11. April 2001, 18 K 7170/97 E, EFG 2001, 944). Das setzt voraus, dass der jeweilige Täter den Tatbestand in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt (BFH-Urteil vom 2. April 1998 V R60/97, BFHE 186, 1 , BStBl II 1998, 530).

Die Kläger selbst haben sich zwar keiner Steuerhinterziehung schuldig gemacht. Denn sie hatten zur Überzeugung des Gerichts im Zeitpunkt der Antragstellung keine Kenntnis von der tatsächlichen Höhe des Gewinns unter Berücksichtigung der Auswirkungen bei Ausübung von Gewinnermittlungswahlrechten. Der Kläger hat sich dahingehend geäußert, dass er sämtliche steuerlichen Angelegenheiten den Steuerberatern überlassen habe. Das Gericht schließt daraus, dass der Kläger die Einhaltung seiner steuerlichen Verpflichtungen im Wesentlichen den Steuerberatern und insbesondere dem Prozessbevollmächtigten überlassen hat. Diese Einschätzung wird durch den Inhalt der Steuerakten und der Gerichtsakte bestätigt. Die Kläger werden seit dem Jahr 1994 in ihren Einkommensteuerangelegenheiten vom Prozessbevollmächtigten vertreten. Der Bevollmächtigte hat zudem für die Praxis des Klägers die Abschlussbilanz für das Kalenderjahr 1993 gefertigt und dieser ist unmittelbar nach Gründung der Einzelpraxis Anfang 1997 wieder mit der Erstellung des Jahresabschlusses für das Kalenderjahr 1997 betraut worden. Der Kontakt zum Finanzamt erfolgte ausschließlich über den Prozessbevollmächtigten. Dieser hat die Steuererklärungen erstellt, Einspruch eingelegt und soweit erforderlich Anträge (auf Aussetzung der Vollziehung, Herabsetzung von Steuern, Steuervorauszahlungen etc.) gestellt. Der Umstand, dass der Kläger den Zeitpunkt der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten unter Berücksichtigung des Akteninhalts unzutreffend benannt hat, spricht ebenfalls für die Annahme, dass die Kläger sich wenig mit ihren steuerlichen Angelegenheiten befasst und im Vertrauen auf den Prozessbevollmächtigten diesem die Wahrnehmung ihrer steuerlichen Pflichten übertragen haben. Im Ergebnis bestätigt wird diese Beurteilung auch durch den Prozessbevollmächtigten selbst, der in seinem Schriftsatz vom ... ausführt, dass er den Klägern erst im Februar 1999 die Auswirkungen der Wahlentscheidung erläutert habe und diese erst zu diesem Zeitpunkt von den Auswirkungen der Gewinnermittlungsart auf die Höhe der Einkünfte erfahren haben.

Jedoch hat der Prozessbevollmächtigte unmittelbar durch eigene aktive Handlungen den Tatbestand einer Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt, indem er die von ihm erstellten und unterzeichneten Herabsetzungsanträge dem Finanzamt eingereicht hat.

Der objektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung ist erfüllt, denn die Steuern sind dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden, auch wenn die Festsetzung vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt ( § 370 Abs. 4 Satz 1 AO). Die Festsetzung von Einkommensteuervorauszahlungen gilt als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ( § 164 Abs. 1 Satz 2 AO), auch wenn die Festsetzung ohne besondere Erklärungspflicht aufgrund der Vorjahresveranlagung erfolgt ( §§ 149 , 150 AO in Verbindung mit 37 Abs. 3 Satz 2 - EStG -). Im Streitfall ist der objektive Tatbestand erfüllt.

Die Einkommensteuernachzahlung aufgrund der Einkommensteuerveranlagung 1997 hat gezeigt, dass durch den Herabsetzungsantrag vom 23. Februar 1998 die Vorauszahlungen für das Kalenderjahr 1997, die aufgrund der vorhergehenden Veranlagung mit jährlich insgesamt 194.566 DM festgesetzt worden waren und die für 1997 zu leistende nachträgliche Vorauszahlung in Höhe von 104.000 DM ungerechtfertigt herabgesetzt worden sind. Es kommt nicht darauf an, dass die Kläger keine Pflicht trifft, eine Erhöhung der Vorauszahlungen zu beantragen, wenn sie erkennen, dass die Einkommensteuerschuld voraussichtlich höher als die Summe der Vorauszahlungen wird (vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, 25. Aufl., § 37 Anm. 5). Im Streitfall sollte keine vom Finanzamt initiierte Entscheidung zu Lasten der Kläger geändert werden, sondern die Initiative zur Herabsetzung ging ausschließlich vom Prozessbevollmächtigten der Kläger aus. Der Prozessbevollmächtigte hat ohne Zutun oder Anregung des Finanzamtes den Antrag auf Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen gestellt und aufgrund dessen sind die bislang der Höhe nach eher zutreffend festgesetzten Vorauszahlungen der Kläger herabgesetzt und - soweit bis dahin zuviel geleistet worden ist - erstattet worden.

Der Herabsetzungsantrag war objektiv unrichtig, weil die Einkünfte für 1997 - wie die festgesetzte Einkommensteuer 1997 belegt - unvollständig und unzutreffend dargestellt waren. Der Gewinn des Klägers für das Kalenderjahr 1997 ist dem Finanzamt im Herabsetzungsantrag unter Verschweigen der Forderungsbestände erheblich zu niedrig mitgeteilt worden.

Selbst wenn die Gewinnermittlung des Klägers durch Bestandsvergleich nach Ablauf des Kalenderjahres nach der Rechtsprechung des BFH möglicherweise unzulässig war, kann dieses keinen Einfluss auf die Entscheidung haben. Aufgrund des auf Grundlage der Gewinnermittlung über den Gewinnfeststellungsbescheid in die Einkommensteuerermittlung einfließenden Gewinns ist die Einkommensteuer heraufgesetzt worden. Die unter Berücksichtigung dieses Gewinns ergangenen Einkommensteuer(änderungs)bescheide sind bestandskräftig. Der Eintritt der Bestandskraft hat die Bindung der Beteiligten insbesondere an die Höhe der mit dem Bescheid festgesetzten Einkommensteuer zur Folge, selbst wenn die Bemessungsgrundlagen unzutreffend oder rechtswidrig sein sollten. Die Kläger haben die Gewinnermittlung mit zur Grundlage ihrer Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr gemacht und müssen diese von ihnen getroffene Entscheidung auch gegen sich wirken lassen.

Die Entscheidung über die objektive Richtigkeit des Herabsetzungsantrags hängt deshalb nicht davon ab, ob eine bestandskräftige Steuerfestsetzung im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH steht, sondern ausschließlich davon, ob die vom Steuerpflichtigen mitgeteilten Einkünfte, die Grundlage für die Festsetzung der Vorauszahlungen sind, der Höhe nach den Einkünften entsprechen, die später im Jahressteuerbescheid in die Bemessungsgrundlage einfließen und ob im Fall einer erheblichen Abweichung dieser Angaben nach oben, die zur Abweichung führenden Fakten im Zeitpunkt der Antragstellung bereits existierten oder nicht. Waren diese die Erhöhung der Einkünfte bewirkenden Fakten im Zeitpunkt der Antragstellung existent, ist der Antrag objektiv unrichtig, weil aufgrund dieser Fakten die vom Steuerpflichtigen mit der Antragstellung abgegebene Einkünfteprognose so nie zutreffen kann (vgl. Dörn, DStR 1995, 868, 869) .

Im Zeitpunkt der Antragstellung waren die Tatsachen, die Einfluss auf die endgültige Höhe des Gewinns haben konnten, zur Überzeugung des Gerichts vollumfänglich bekannt, weil das Kalenderjahr 1997 bereits seit 2 Monaten abgelaufen war. Die für das Jahr 1997 durchgeführte Betriebsprüfung hatte kaum zu Beanstandungen geführt, weshalb der Senat davon ausgeht, dass die Buchführung von der B fortlaufend und vollständig geführt worden war. Weder die Kläger noch der Prozessbevollmächtigte haben behauptet, Forderungen in erheblicher Höhe seien erst nach Antragstellung bekannt geworden oder nachgebucht worden, woraus das Gericht den Schluss zieht, dass infolge dieser ordnungsgemäßen Buchführung der B im Zeitpunkt der Antragstellung nicht nur die Höhe der Einnahmen, sondern auch die ungefähre Höhe der Forderungen feststand, selbst wenn letztere in der Summen- und Saldenliste nicht ausgewiesen waren. Der Prozessbevollmächtigte wusste durch die Erstellung der Abschlussbilanz für 1993, dass in der Praxis des Klägers bedingt durch die Form der Abrechnung mit den Kassen und Patienten zum Ende eines Quartals, so auch zum Ende des Kalenderjahres 1997, ein nicht unerheblicher Bestand an Forderungen vorhanden sein würde und die Höhe des Forderungsbestandes durch die Abfrage des Kontos 1410, auf dem die Forderungen in der Buchführung der B erfasst waren, auch mühelos zu ermitteln war.

Wenn der Steuerpflichtige bzw. dessen steuerlicher Berater noch keine abschließende Entscheidung über die Art der Gewinnermittlung getroffen hat und die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich überhaupt in Erwägung zieht, muss er bei einem Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, da anderenfalls das Ergebnis der Gewinnermittlung immer unvollständig ist, weil nicht alle, die Höhe des Gewinns beeinflussenden Faktoren vollständig in die Gewinnermittlung einfließen.

Der Prozessbevollmächtigte hat auch den subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht, in dem er dem Finanzamt bedingt vorsätzlich einen unvollständigen Sachverhalt unterbreitet und dadurch die unzutreffende Herabsetzung der Vorauszahlungen in Kauf genommen hat.

Die Steuerhinterziehung erfordert ein vorsätzliches Handeln, wobei die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Täters maßgebend sind. Vorsätzliches Handeln erfordert eine wissentliche und willentliche Erfüllung der oben genannten objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 370 AO. Dabei reicht es aus, wenn der Täter weiß, dass er über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder die Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen pflichtwidrig in Unkenntnis lässt. Die Erklärung eines unvollständigen Sachverhalts unterscheidet sich im Ergebnis nicht von der Erklärung eines falschen Sachverhalts, weil das Finanzamt in beiden Fällen über steuererhebliche Tatumstände getäuscht wird.

Den Steuerpflichtigen trifft die Pflicht zu wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben wenn er einen Steuerherabsetzungsantrag stellt, sodass bei vorsätzlich schuldhaft falschen Angaben eine Steuerhinterziehung in Form der Erlangung eines nichtgerechtfertigten Steuervorteils vorliegt, wenn das Finanzamt nach den Angaben die Vorauszahlungen anpasst (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 1979 IV R42/78, BStBl II 1980, 147; Urteil des FG Nürnberg vom 24. März 1993 V 168/90, EFG 1993, 698 m.w.N.).

Der Prozessbevollmächtigte hatte die Abschlussbilanz für 1993 erstellt und wusste demzufolge, dass grundsätzlich ein Forderungsbestand vorhanden war, der sich - insoweit hat er von Berufs wegen das entsprechende Fachwissen - abhängig von der Art der Gewinnermittlung steuerlich auswirken würde. Da ihm aus dem Jahr 1993 die Größenordnung der Forderungen bekannt war, wusste er auch, dass die (Nicht-)Berücksichtigung der Forderungen erheblichen Einfluss auf die Höhe des Gewinns des Klägers haben würde. Er hat das Finanzamt jedoch darüber im Unklaren gelassen, dass eine Ermittlung des Gewinn durch Bestandsvergleich nicht ausgeschlossen war, die Herabsetzung der Vorauszahlungen aber nur unter der Voraussetzung der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gerechtfertigt sein würde und es darauf ankommen lassen, dass aufgrund der zunächst mitgeteilten Gewinnermittlung die Herabsetzungen im Hinblick auf die noch nicht abschließend getroffene Wahl der Ermittlungsart letztlich unzutreffend erfolgten.

Wenn ein in steuerlichen Fragen sachkundiger Bevollmächtigter einen Antrag auf Herabsetzung von Vorauszahlungen mit dem Wissen stellt, dass die Wahl der Gewinnermittlungsart unmittelbare Auswirkung auf die Höhe des Gewinns hat und sich die endgültige Wahl der Gewinnermittlungsart vorbehält, weiß er bereits im Zeitpunkt der Antragstellung, dass die Richtigkeit seiner Erklärung zur Höhe des Gewinns im Vorauszahlungsverfahren von Faktoren abhängig ist, die allein in seinem Einflussbereich, in seiner Entscheidungsbefugnis liegen. Er weiß in diesem Fall auch, dass die gegenüber dem Finanzamt abgegebene Erklärung nicht auf jeden Fall dem Ergebnis seiner endgültigen Entscheidung zur Gewinnermittlungsart entspricht. Von einer Kenntnis über die Mitteilung eines unzutreffenden, zu niedrigen Gewinns, ist umso mehr auszugehen, wenn wie im Streitfall wegen des Zeitablaufs keine von außen eintretenden Veränderungen mehr Einfluss auf die Höhe des Gewinns haben können. Mit dem Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen hat der Prozessbevollmächtigte, dem zur Überzeugung des Gerichts auf Grund seiner langjährigen Beratungstätigkeit für die Kläger auch die wirtschaftliche Situation der Praxis des Klägers bestens bekannt gewesen ist, jedenfalls billigend in Kauf genommen, dass das Finanzamt seine Entscheidung aufgrund eines unvollständiger Sachverhalts, unvollständig in Bezug auf die Höhe des sich durch die Gewinnermittlungsart letztlich ergebenden Gewinns, getroffen hat.

Der Senat ist wegen der Verknüpfung der Anträge auf Herabsetzung der Vorauszahlungen und der Verrechnung des Erstattungsanspruchs mit der Einkommensteuernachzahlung für 1996 ebenfalls der Überzeugung, dass der Prozessbevollmächtigte diese Anträge bewusst gestellt hat, um den Kläger die Steuernachzahlung in Höhe von insgesamt 280.686 DM zu ersparen.

Die Hinterziehung der Vorauszahlungen ist auch vollendet, da die Vollendung mit der Festsetzung der Steuer im (geänderten) Vorauszahlungsbescheid (BFH-Urteil vom 15. April 1997 VII R74/96 BFHE 182, 499, BStBl II 1997, 600), im Streitfall mit Erlass des geänderten Vorauszahlungsbescheides vom 22. April 1998 eintritt.

Die Berechnung der Zinsen ist zutreffend erfolgt. Der Zinslauf beginnt gemäß § 235 Abs. 2, 3, § 238 Abs. 1 AO grundsätzlich mit dem Eintritt der Verkürzung, d.h. mit dem Tag der Bekanntgabe des unrichtigen Verwaltungsaktes. Der Herabsetzungsbescheid vom 22. April 1998 gilt gemäß § 122 Abs. 2 AO als am 25. April 1998 bekannt gegeben, Diesen Tag hat der Beklagte als Beginn des Zinslaufs festgesetzt. Der Zinslauf endet gemäß § 235 Abs. 3 AO mit Zahlung der hinterzogenen Steuern. In Höhe des durch Umbuchung am 15. Dezember 1998 getilgten Betrages endete der Zinslauf am 15. Dezember 1998. Die Zinsberechnung des Beklagten berücksichtigt diesen Umstand. Hinsichtlich der gezahlten Teilbeträge, soweit diese nicht von der Vollziehung ausgesetzt gewesen sind, hat der Beklagte zutreffend gemäß § 235 Abs. 3 AO das Ende des Zinslaufs mit dem Tag der jeweiligen Teilzahlung angenommen. Soweit der Teilbetrag in Höhe von x DM ab dem 2. Februar 1998 von der Vollziehung ausgesetzt gewesen ist und Aussetzungszinsen festgesetzt worden sind, ist dieser Zeitraum vom Beklagten nicht in die Berechnung einbezogen worden. Die nach Ende des Zinslaufs erfolgte Herabsetzung der Steuer ist zutreffend gemäß § 235 Abs. 3 AO nicht zinsmindernd berücksichtigt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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