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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 06.07.2007
Aktenzeichen: 11 K 192/04
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 19 Abs. 1 S. 2 |
Finanzgericht Niedersachsen
Tatbestand:
Streitig ist, ob Aufnahmegebühren und Jahresbeiträge, die die Klägerin für die Nutzung des ... Clubs (C) durch drei ihrer Arbeitnehmer entrichtet hat, Arbeitslohn darstellen.
Die Klägerin ist eine Holding-Gesellschaft, die bestrebt ist, Beteiligungen an anderen Unternehmen und an Investitionsvorhaben durch Einsatz und Vermittlung erheblicher finanzieller Mittel in Millionenhöhe zu verwirklichen. Ihre Geschäftsräume in der Innenstadt von A sind ca. 200 Meter von dem C entfernt.
Die Klägerin wurde im Jahr 2001 Mitglied des C. Bei C handelt es sich nach eigenen Angaben um einen der führenden Wirtschaftsclubs. Auf der Homepage (Stand: ...) heißt es:
"C fühlt sich dem Anspruch an Exklusivität und Internationalität verpflichtet. Großzügige Räumlichkeiten ... mit... einer herausragenden Vollgastronomie mit einem erlesenen Weinangebot schaffen ein Refugium in bester City-Lage.
Zahlreiche Veranstaltungen bieten Gelegenheit zum informellen Austausch... Als Mitglied können Sie Ihre Meetings mit Ihren Geschäftspartnern kostenlos in unseren Räumlichkeiten durchführen. Darüber hinaus können Sie die C in ... nutzen.
Mit unserem außergewöhnlichen Ambiente, der herausragenden Küche und dem vielfältigen Dienstleistungsangebot bietet sich Ihnen ein idealer Ort der Entspannung und Ruhe."
Die Regeln des C sehen vor, dass Mitglieder in der Rechtsform juristischer Personen natürliche Personen zu benennen haben, die für die juristische Person als Mitglied handeln. Die Klägerin benannte die Gesellschafter-Geschäftsführer G, P und S sowie den Generalbevollmächtigten, der nicht Arbeitnehmer der Klägerin ist.
Die Klägerin entrichtete für G, P und S die Aufnahmegebühren in Höhe von je ... DM sowie Jahresbeiträge in Höhe von pro Person ... DM (2001), ... EUR (2002) und für das Jahr 2003 nur noch für G in Höhe von ... EUR. Nach der Geschäftsverteilung in der Geschäftsführung war G für die allgemeine Verwaltung, P für die allgemeine Unternehmens- und Beteiligungsberatung und S für die Emissionsberatung zuständig. Von den Gesellschaftern und Geschäftsführern der Klägerin waren der für die technische Kundenbetreuung zuständige Gesellschafter-Geschäftsführer X sowie die Gesellschafter und Arbeitnehmer Y und Z dem Club von der Klägerin nicht als Nutzungsberechtigte benannt.
Der Beklagte (das Finanzamt) sah im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung der Prüferin folgend die von der Klägerin getragenen Aufnahmegebühren und Jahresbeiträge als Arbeitslohn an und nahm die Klägerin als Arbeitgeber für die nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) mit Haftungsbescheid vom 16. Dezember 2003 in Anspruch. Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsbescheid vom 3. März 2004) die Klage.
Die Klägerin meint, die streitigen Zahlungen seien nicht durch das Dienstverhältnis veranlasst, sondern im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin erfolgt. Die Geschäftsräume der Klägerin seien - gemessen an ihrem Unternehmenszweck - relativ bescheiden. Der C biete die Möglichkeit, geschäftliche Besprechungen in einem höchst exklusiven Rahmen abzuhalten, der im Hinblick auf die Bedeutung der Geschäfte und die dabei diskutierten Geldbeträge für erforderlich erachtet worden sei. Ein vergleichbares Umfeld für geschäftliche Gespräche selbst zu schaffen, würde ein Vielfaches der aufgewendeten Mitgliedsbeiträge kosten.
In dem C sei es möglich gewesen, Verhandlungen ohne störenden Bürobetrieb in den Nachbarräumen zu führen und gleichwohl - anders als in öffentlichen Restaurants - die Vertraulichkeit zu wahren. Im Jahr 2001 hätten acht, im Jahr 2002 drei und im Jahr 2003 keine geschäftlichen Treffen in dem C stattgefunden.
Die Auswahl der nutzungsberechtigten Arbeitnehmer sei danach erfolgt, wer für die Klägerin Verhandlungen, bei denen es auf ein repräsentatives Umfeld ankomme, zu führen habe.
Die Mitgliedschaft sei nicht mit der Mitgliedschaft in einem Tennisverein oder im Rotary-Club vergleichbar. Bei der Mitgliedschaft in einem Tennisverein stehe der Sport im Mittelpunkt. Bei Rotary, Round Table oder ähnlichen Vereinigungen handele es sich um geschlossene Gruppen, die sich regelmäßig treffe und sich über Anstecknadeln o. ä. identifiziere. Eine solche Mitgliedschaft vermittele die Zugehörigkeit zu einem exklusiven Kreis und damit gesellschaftliche Reputation. Im Gegensatz hierzu sei die Mitgliedschaft in dem C offen, die Mitglieder kennten sich in der Regel nicht und es gebe keine Dokumentation der Mitgliedschaft nach außen. Eine private Nutzung des C oder der Partnerunternehmen durch die Arbeitnehmer habe nicht stattgefunden...
Die Klägerin beantragt,
den Haftungsbescheid vom 16. Dezember 2003 und den Einspruchsbescheid vom 3. März 2004 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Verfolgung beruflicher Interessen bei der Nutzung des C könne im Einzelfall zwar nicht ausgeschlossen werden. Berührt werde jedoch auch die Privatsphäre des Arbeitnehmers. Er habe die Möglichkeit, den C auch privat zu nutzen, und sein gesellschaftliches Ansehen werde erhöht.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 24. Mai 2004 und 24. Oktober 2005 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
1. Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter (§ 79a Abs. 3 und 4 Finanzgerichtsordnung - FGO).
2. Der Haftungsbescheid vom 16. Dezember 2003 und der Einspruchsbescheid vom 3. März 2004 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Mit der Zahlung der Aufnahmegebühren und Jahresbeiträge hat die Klägerin den drei Arbeitnehmern keinen Lohn zugewendet.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG) und unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV). Zu den Einnahmen gehören auch geldwerte Vorteile gemäß § 8 Abs. 2 EStG.
"Für" seine Arbeitsleistung erhält ein Arbeitnehmer die Einnahmen und erzielt so steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn der vom Arbeitgeber zugewendete Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft hat. Dagegen sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. In diesem Fall des "ganz überwiegend" eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteil vom 11. April 2006 VI R 60/02, BStBl II 2006, 691 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Danach haben die streitigen Zahlungen keinen Entlohnungscharakter. Die Klägerin hat diese Aufwendungen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse getragen.
Der Klägerin ist es darum gegangen, für geschäftliche Verhandlungen, bei denen ein exklusiver Rahmen für notwendig erachtet wurde, die Räumlichkeiten des C nutzen zu können. Es ist nachvollziehbar, dass bei dem Unternehmenszweck der Klägerin ein derartiger Repräsentationsbedarf bestehen kann. Der C bietet dieses repräsentative Umfeld für Verhandlungen. Dass die Geschäftsräume der Klägerin diesen Anforderungen nicht genügen, ist unbestritten. Zudem werden dort Verhandlungen durch die Unruhe des Bürobetriebs gestört. Diese Störungen ließen sich zwar dadurch vermeiden, dass die Verhandlungen in einem Restaurant geführt werden. In einem öffentlichen Restaurant wäre aber die Vertraulichkeit der Verhandlungen gefährdet.
Die Nutzung des C ist wirtschaftlich sinnvoll. Der C ist vom Geschäftssitz der Klägerin bequem zu Fuß zu erreichen. Würde sich die Klägerin entschließen, vergleichbar repräsentative und ruhige Räumlichkeiten selbst zu schaffen, müsste sie erhebliche, die streitigen Aufwendungen weit übersteigende Investitionen vornehmen.
Die Auswahl der begünstigten Arbeitnehmer ist nach dem von der Klägerin verfolgten Zweck schlüssig. Ausgewählt wurden mehrere Geschäftsführer (und der Generalbevollmächtigte), die mit den Geschäftspartnern in Kontakt treten und bei denen der Bedarf, die Räumlichkeiten des C im betrieblichen Interesse zu nutzen, auftreten kann. Dass weder alle Gesellschafter noch alle Geschäftsführer dazugehören, spricht dafür, dass die Auswahl nach betrieblichen Erfordernissen vorgenommen worden ist. Auch ist nicht erkennbar, dass die Beteiligungshöhe eine entscheidende Höhe gespielt hat. Der Arbeitnehmer Y ist im gleichen Umfang wie P und S an der Klägerin beteiligt und trotzdem unberücksichtigt geblieben.
Der von der Klägerin verfolgte betriebliche Zweck steht ganz im Vordergrund. Daran ändert auch nichts, dass die Mitgliedschaft auch für private Zwecke der Arbeitnehmer genutzt werden kann. Feststellungen des Finanzamts zur Nutzung des C durch die Arbeitnehmer aus privaten Gründen gibt es nicht.
Das Finanzamt ist einen Beweis oder eine Glaubhaftmachung seiner Behauptung, die Nutzungsmöglichkeit des C erhöhe die Reputation der Arbeitnehmer, schuldig geblieben. Die Klägerin bestreitet die behauptete Tatsache mit dem Argument, ein Außenstehender bemerke die Berechtigung der Arbeitnehmer, den C zu nutzen, gar nicht. Dem ist zwar entgegenzuhalten, dass jedenfalls die anderen Mitglieder die Zugehörigkeit zum C erkennen. Dass dies aber die Reputation steigert, ist nicht erwiesen. Es besteht auch weder ein entsprechender Erfahrungssatz noch ist die behauptete Tatsache allgemein- oder gerichtsbekannt. Ob die Mitgliedschaft in dem C tatsächlich die Reputation steigert, kann aber auf sich beruhen.
Angesichts der besonderen Geeignetheit des C für betriebliche Zwecke der Klägerin könnte ein den Arbeitnehmern verschaffter Vorteil "Steigerung der Reputation" ohnehin vernachlässigt werden. Gleiches gilt für die Möglichkeit, den C auch privat zu nutzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Mitgliedschaft lediglich den Zutritt zu den Räumlichkeiten vermittelt, der private Verzehr aber wie in anderen Restaurants auch von dem Arbeitnehmer selbst getragen werden muss. Wer eine herausragende Gastronomie und ein erlesenes Weinangebot in Anspruch nehmen und bezahlen will, findet auch außerhalb des C Restaurants, die ein vergleichbares Niveau bieten.
Allerdings besteht eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers. Je höher aus der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist, desto geringer zählt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber - neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers - ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur Lohnzuwendung (BFH in BStBl II 2006, 691 m.w.N.). Im Streitfall hat sich aber bereits ein nicht unerhebliches Interesse der Arbeitnehmer an der Mitgliedschaft nicht feststellen lassen. Die Bereicherung der Arbeitnehmer ist auch nicht so hoch, dass das eigenbetriebliche Interesse an Bedeutung verliert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Ende der Entscheidung
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