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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 17.09.2009
Aktenzeichen: 11 K 245/08
Rechtsgebiete: EStG, SGB III
Vorschriften:
EStG § 32 Abs. 4 | |
EStG § 62 Abs. 1 | |
EStG § 63 Abs. 1 | |
SGB III § 38 Abs. 1 | |
SGB III § 122 | |
SGB III § 309 Abs. 1 | |
SGB III § 327 Abs. 1 |
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin für die Monate März bis Dezember 2007 Anspruch auf Kindergeld hat.
Die Klägerin ist die Mutter von JM (geboren am ... 1988). Im Oktober 2006 beantragte sie unter Beifügung einer Schulbescheinigung (Besuch der ____) Kindergeld für J, das daraufhin zunächst bis November 2007 gezahlt wurde.
Im Zuge eines im Dezember 2007 von der Klägerin gestellten Antrags auf Weiterzahlung von Kindergeld, stellte sich heraus, dass J mit Wirkung vom 14. Februar 2007 wegen unregelmäßiger Unterrichtsteilnahme ausgeschult worden war. Im Vordruck KG 11a erklärten die Klägerin und ihr Sohn in diesem Zusammenhang, J suche einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, sei jedoch bei keiner Stelle gemeldet und bemühe sich vielmehr selbst.
Auf Nachfrage der Beklagten (der Familienkasse) gab die Klägerin an, J habe die Schule abgebrochen. Schreiben über Bemühungen um einen Arbeitsplatz gebe es nicht, da die Bundeswehr mehrmals gemustert habe. Im weiteren Verfahren reichte die Klägerin noch drei nicht datierte Bestätigungsschreiben über mündliche Bewerbungen von J "im Jahr 2007", eine Absage vom 14. August 2007 wegen einer Bewerbung als Aushilfe sowie ein nicht datiertes Bewerbungsschreiben um einen Aushilfsjob als Nachweis für die Eigenbemühungen ihres Sohnes ein (auf Bl. 232 - 236 der KiG-Akte wird verwiesen).
Die Familienkasse hob mit Bescheid vom 5. März 2008 die Kindergeldfestsetzung ab März 2007 auf und forderte für den Zeitraum März bis November 2007 überzahltes Kindergeld in Höhe von 1.386 EUR zurück.
Die Klägerin legte Einspruch ein. J habe sich laut beigefügtem Schreiben der Agentur für Arbeit Br bei dieser am 5. April 2007 durch eine persönliche Vorsprache arbeitsuchend gemeldet. Auf der Meldung sei ein Termin mit der zuständigen Agentur für Arbeit Bu vermerkt. In Bu seien jedoch keine Unterlagen vorhanden. Sie beantrage die Zahlung von Kindergeld bis zum 31. Dezember 2007.
Die Familienkasse wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Berücksichtigungsvoraussetzungen hätten ab März 2007 nicht mehr vorgelegen. J sei im Streitzeitraum weder bei einer Agentur für Arbeit noch einem anderen für Arbeitslosengeld II zuständigen Leistungsträger arbeitslos/arbeitsuchend gemeldet gewesen.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin trägt vor, nach den Akten habe sich ihr Sohn unzweifelhaft arbeitsuchend gemeldet. Es sei weder nachvollziehbar, warum die Agentur für Arbeit Bu keine Unterlagen angelegt habe, noch warum die Agentur für Arbeit Br nicht den dort eingereichten Antrag weitergeleitet habe. Nach der Rechsprechung des BFH gelte die Arbeitsuchendmeldung für einen Zeitraum von drei Monaten, also für April, Mai und Juni 2007.
Darüber hinaus habe sich ihr Sohn nach dem Abbruch seiner Ausbildung auch intensiv um Arbeit oder eine Ausbildung gekümmert. Es sei daher davon auszugehen, dass er sich regelmäßig bei dem zuständigen Arbeitsamt gemeldet habe und diese Meldungen lediglich nicht aufgenommen worden seien.
Da damals die Musterung angestanden habe, habe sich J zudem überlegt, sich über eine Ausbildung bei der Bundeswehr zu informieren.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 5. März 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2008 zu verpflichten, Kindergeld in gesetzlicher Höhe für die Monate März 2007 bis Dezember 2007 festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer in der Einspruchsentscheidung geäußerten Auffassung fest und trägt ergänzend vor, zwar habe J im April 2007 bei der Agentur für Arbeit Br vorgesprochen. Auf dem diesbezüglich als Nachweis eingereichten Schreiben, sei jedoch auch vermerkt, mit dem Sohn sei besprochen worden, dass er sich am 10. April 2007 persönlich bei der für ihn zuständigen Agentur Bu melde und in diesem Fall die Arbeitslosmeldung vom 5. April 2007 anerkannt werde. Die Klägerin habe indes nicht nachgewiesen, dass J sich wie vereinbart in Bu gemeldet habe. Die Agentur für Arbeit Bu habe eine Meldung als Arbeitsuchender auch nicht bestätigen können.
Auch eine Berücksichtigung als ausbildungsplatzsuchendes Kind komme nicht in Betracht. Bislang sei insoweit als Nachweis nur die nicht weiter aussagekräftige Bestätigung der Firma ____ GmbH vorgelegt worden.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist unbegründet.
Die Beklagte hat die Kindergeldfestsetzung zu Recht ab März 2007 aufgehoben. Die Klägerin ist hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt.
Die Entscheidung der Beklagten, die Klägerin habe für den Streitzeitraum März bis Dezember 2007 keinen Anspruch auf Kindergeld, ist nicht zu beanstanden.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kindergeld für J gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
a) Danach wird ein Kind, welches das 18. Lebensjahr vollendet hat, beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.
Der Registrierung des arbeitsuchenden Kindes bzw. der daran anknüpfenden Bescheinigung der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit kommt dabei keine (echte) Tatbestandswirkung zu (a.A. Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes 63.3.1 Abs. 3, BStBl I 2004, 743, 761). Eine positive Bescheinigung der Agentur für Arbeit reicht zwar in aller Regel als Nachweis der Registrierung als Arbeitsuchender aus. Der Kindergeldanspruch kann aber nicht allein von einer Bescheinigung der Agentur für Arbeit über die Meldung des Kindes abhängig gemacht werden (BFH-Urteil vom 25. September 2008 III R 91/07, BFH/NV 2009, 450).
Entscheidend abzustellen ist vielmehr darauf, ob sich das Kind im konkreten Fall tatsächlich bei der Arbeitsvermittlung als Arbeitsuchender gemeldet bzw. diese Meldung alle drei Monate erneuert hat und damit seine kindergeldrechtlichen Mitwirkungspflichten wahrgenommen hat (BFH-Urteil vom 25. September 2008 III R 91/07, BFH/NV 2009, 450).
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Eine Arbeitsuchendmeldung von J ist nicht erfolgt.
Nach der Neufassung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG genügt die Meldung als Arbeitsuchender, sie ist jedoch auch erforderlich (BFH-Urteil v. 20. November 2008 III R 10/06, BFH/NV 2009, 567). In diesem Fall unterstellt das Gesetz typisierend, dass die Voraussetzungen der §§ 118 ff SGB III vorliegen (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 III R 68/05, BFH/NV 2008, 1610).
Für die Frage, was unter einer Meldung als Arbeitsuchender zu verstehen ist, sind die Bestimmungen des Sozialrechts heranzuziehen (ebenso Sächsisches Finanzgericht , Urteil vom 24. März 2009 5 K 2355/06, [...]). Für die Arbeitslosmeldung gilt dabei § 122 SGB III. Nach dieser Vorschrift hat sich der Betreffende persönlich bei der zuständigen Agentur zu melden. Auch nach den übrigen Vorschriften des SGB III zur Arbeitsförderung ist der Betreffende regelmäßig zur persönlichen Meldung verpflichtet. So hat die Meldung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB III persönlich zu erfolgen. Auch § 309 Abs. 1 Satz 1 SGB III, der über § 38 Abs. 1 Satz 6 SGB III für die Pflichten des Ausbildungs- und Arbeitsuchenden entsprechend gilt, sieht die persönliche Meldung vor.
Durch die persönliche Meldepflicht soll gewährleistet werden, dass die Agentur Kenntnis von dem Eintreten eines Leistungsfalls erlangt und daraufhin eine sachgerechte Vermittlung des Arbeitsuchenden in die Wege leiten kann. Zuständig für die Entgegennahme der Meldung ist gemäß § 327 Abs. 1 Satz 1 SBG III die Agentur, in deren Bezirk der Leistungssuchende bei Eintritt der leistungsbegründenden Tatbestände seinen Wohnsitz hat.
Örtlich zuständige Agentur für Arbeit war für den in B lebenden Sohn der Klägerin die Geschäftsstelle in Bu. Dort hat sich J indes unstreitig nicht persönlich gemeldet.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die persönliche Vorsprache ihres Sohnes bei der örtlich unzuständigen Agentur für Arbeit Br nicht ausreichend. Insoweit handelt es sich nicht um eine Meldung i.S.d. § 122 Abs. 1 Satz 1 SBG III, sondern - bedingt durch die fehlende örtliche Zuständigkeit der Agentur in Br - um einen fehlgeschlagenen Meldungsversuch.
J hat zwar ausweislich des Vermerks auf dem Fragebogen zu seinen persönlichen und beruflichen Daten am 5. April 2007 (Gründonnerstag) in Br vorgesprochen. Dort ist jedoch gleichfalls vermerkt, dass eine Anerkennung seiner Arbeitslosmeldung mit Wirkung zum 5. April 2007 nur dann erfolge, wenn er sich am 10. April 2007 (Osterdienstag) bei der für ihn zuständigen Agentur in Bu (erneut) persönlich melde. Dieses Vorgehen entspricht der üblichen Praxis (Brand in Niesel, Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung SGB III, 4. Aufl. 2007, § 122 Rn. 5).
Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass J durch die unzuständige Agentur Br fehlerhaft beraten oder dass ihm dort zugesichert worden sei, seine Meldung werde an die zuständige Agentur in Bu weitergeleitet. Sollte der Sohn - wie von der Klägerin behauptet - nicht verstanden haben, dass er sich erneut in Bu melden muss, so geht dieser Umstand zu seinen Lasten.
Ebenso wie die Agentur für Arbeit nicht zur Leistungsgewährung verpflichtet ist, wenn der Leistungssuchende sich nur bei der unzuständigen Agentur meldet und - nach Hinweis auf die zuständige Agentur - der Aufforderung, sich dort am nächsten Werktag zu melden, nicht folgt (Brand in Niesel a.a.O., § 122 Rn. 5 m.w.N.), ist die Beklagte nicht verpflichtet, allein aufgrund des Meldungsversuchs Kindergeld ab diesem Zeitpunkt zu gewähren. Da eine Leistungsansprüche i.S.d. SGB III begründende Arbeitslosmeldung seitens J nicht erfolgt ist, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Kindergeld gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG.
b) Ob J sich - wie von der Klägerin vorgetragen - unabhängig von der Arbeitsuchendmeldung auch selbst intensiv um einen Arbeitsplatz bemüht hat, ist nicht entscheidungserheblich. Nach der Neufassung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG reicht die Arbeitsplatzsuche des Kindes auf eigene Initiative ohne gleichzeitige Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit nicht aus (BFH-Urteil v. 20. November 2008 III R 10/06, BFH/NV 2009, 567).
2. Der Klägerin steht für den Streitzeitraum auch auf Grundlage von § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) EStG kein Kindergeld zu.
Danach besteht für ein Kind, das sein 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Sofern es nicht bei der Bundesagentur für Arbeit als ausbildungsplatzsuchend gemeldet ist, hängt die Berücksichtigung nach der Rechtsprechung davon ab, dass es dem Kind trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen ist, seine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen (BFH-Urteil vom 15. Juli 2003 VIII R 71/99, BFH/NV 2004, 473, und BFH-Beschluss vom 21. Juli 2005 III S 19/04 (PKH), BFH/NV 2005, 2207). Der Berechtigte muss der Familienkasse die ernsthaften Bemühungen um einen Ausbildungsplatz durch geeignete Unterlagen nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
Die Ausbildungsbereitschaft des Kindes muss sich durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben. Ansonsten bestünde die Möglichkeit, durch die bloße Geltendmachung der Ausbildungswilligkeit des Kindes den Anspruch auf Kindergeld zu begründen. Die Beibringung entsprechender Nachweise obliegt dem Kindergeldberechtigten (BFH-Beschluss vom 21. Juli 2005 III S 19/04 (PKH), BFH/NV 2005, 2207).
Den erforderlichen Nachweis, J habe sich selbst ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, hat die Klägerin nicht erbracht. Die hierzu von ihr eingereichten Schreiben reichen nicht aus. In zwei Schreiben bestätigen die angefragten Unternehmer lediglich durch ihren Stempel bzw. ihre Unterschrift unter einem vorformulierten Zweizeiler, dass J sich im Jahr 2007 mündlich bei ihnen beworben habe. Wann die Bewerbungen erfolgten oder ob es sich um Bewerbung um einen Ausbildungsplatz handelte, ist nicht erkennbar. Aus einer Absage vom 14. August 2007 sowie einem nicht datierten Bewerbungsschreiben geht explizit hervor, dass es sich um Bewerbungen als Aushilfskraft handelte.
Auch die von der Klägerin vorgelegte schriftliche Erklärung ihres Schwiegersohnes ___ (S) ist keine geeignete Unterlage, die ernsthaften Bemühungen von J um einen Ausbildungsplatz zu belegen. So gibt die Klägerin selbst an, J habe sich im Zusammenhang mit seiner Musterung überlegt, sich über Ausbildungsmöglichkeiten bei der Bundeswehr zu informieren. Aus der schriftlichen Erklärung des S geht nur hervor, er habe J zu einem Termin im Kreiswehrersatzamt in S begleitet, wo dieser sich über die Möglichkeiten zur Berufung als Zeitsoldat informiert habe. Hieraus ergibt sich lediglich, dass J sich überlegte, eine militärische Karriere einzuschlagen, evtl. verbunden mit der Option, zum Ende der Dienstzeit von den Ausbildungsmöglichkeiten bei der Bundeswehr zu profitieren.
Lediglich auf der von der ____ GmbH bescheinigten mündlichen Bewerbung "im Jahr 2007" ist der Zusatz "wg. Azubistelle" enthalten. Selbst wenn man die letzte Bestätigung als Nachweis um einen Ausbildungsplatz ausreichen lassen würde, kann bei einer belegten Bewerbung in einem Zeitraum von zehn Monaten nicht von ernsthaften Bemühungen gesprochen werden.
Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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