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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 02.07.2007
Aktenzeichen: 11 K 343/05
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 96 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

11 K 343/05

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Kläger innerhalb der Rechtsbehelfsfrist einen Antrag auf schlichte Änderung des Bescheides über Eigenheimzulage vom 22. November 2004 gestellt haben.

Die Kläger sind Eheleute. Zu ihren Gunsten war für den Zeitraum 1996 bis 2003 Eigenheimzulage unter Berücksichtigung von - seit 1997 - vier Kinderzulagen festgesetzt. Auf Grund der Angaben der Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung 2003 und der Eintragung auf der Lohnsteuerkarte 2003 des Klägers ging der Beklagte (das Finanzamt) irrtümlich davon aus, im Streitjahr seien nur die drei jüngeren Kinder, nicht aber der 1982 geborene Sohn C zu berücksichtigen. Tatsächlich bezogen die Kläger für den in Berufsausbildung befindlichen C im Streitjahr Kindergeld.

Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 22. November 2004 die Eigenheimzulage 2003 gemäß § 11 Abs. 2 Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) neu - um eine Kinderzulage (1.500 DM) niedriger - fest. Der schriftliche Einspruch gegen diesen Bescheid ging im Februar 2005 bei dem Finanzamt ein und wurde als unzulässig verworfen.

Die Kläger - nunmehr rechtlich beraten - machten daraufhin unter Vorlage einer Sachverhaltsschilderung des C vom 30. März 2005 geltend, Anfang Dezember 2004 durch C telefonisch einen sogenannten Antrag auf schlichte Änderung des Bescheides gestellt zu haben. C habe sich während der Mittagspause seines Ausbildungsbetriebs bei den Klägern aufgehalten. Sie hätten ihm den Bescheid gezeigt, woraufhin C gegen 14 Uhr beim Finanzamt angerufen habe. Zwar könne das genaue Datum des Telefonats und der Name des Gesprächspartners nicht angegeben werden. Dem Gesprächspartner sei die Problematik erläutert worden. Dieser habe C gesagt, dass unter diesen Voraussetzungen natürlich eine Änderung des Bescheides erfolgen müsse, die Sachbearbeiterin sei allerdings nach 13 Uhr nicht erreichbar. Leider habe C die Sachbearbeiterin in den folgenden Tagen und Wochen telefonisch nicht mehr erreicht. Dies sei erst Anfang 2005 gelungen, woraufhin empfohlen worden sei, Einspruch einzulegen und sachdienliche Unterlagen einzureichen. Auf die Sachverhaltsschilderung des C wird wegen der Einzelheiten verwiesen.

Das Finanzamt konnte niemand ermitteln, der sich an einen Anruf des C erinnerte, und lehnte eine Änderung mit Bescheid vom 13. April 2005 ab. Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsbescheid vom 9. Mai 2005) die Klage.

Die Kläger halten daran fest, durch C innerhalb der Rechtsbehelfsfrist einen Antrag auf schlichte Änderung gestellt zu haben, und beantragen,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 13. April 2005 und des Einspruchsbescheides vom 9. Mai 2005 den Beklagten zu verpflichten, den Eigenheimzulagenbescheid vom 22. November 2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er sieht es nicht als glaubhaft gemacht an, dass das Telefonat stattgefunden habe. Die Akten enthielten keine Hinweise hierauf. Da die Kläger Gesprächspartner und Datum des Telefonats nicht angäben, sei es dem Finanzamt nicht möglich, "einen Gegenbeweis zu führen". Würde dieser Vortrag ausreichen, um eine Änderung eines Bescheides zu erreichen, könne die Bestandskraft jedes Bescheides umgangen werden. Die Aussage des C genüge zur Glaubhaftmachung nicht, weil er ein naher Angehöriger der Kläger sei.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des C als Zeugen. Er hat seine Sachverhaltsschilderung im Wesentlichen bestätigt und insbesondere ausgesagt, das Telefonat Anfang Dezember 2004 geführt zu haben, und zwar mit einer Finanzbeamtin. Sie habe seine Mitteilung an die zuständige Bearbeiterin weiterleiten wollen. Als seine Eltern Mahnungen erhielten, sei ihm klar geworden, dass die Mitteilung nicht an die zuständige Bearbeiterin gelangt sei. Wegen der Einzelheiten der Aussage wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2007 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 24. Juni und 8. Juli 2005 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Ablehnungsbescheid vom 13. April 2005 und der Einspruchsbescheid vom 9. Mai 2005 sind rechtmäßig.

1. Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter ( § 79a Abs. 3 und 4 Finanzgerichtsordnung - FGO).

2. Das Gericht ist nicht davon überzeugt ( § 96 Abs. 1 FGO), dass die Kläger rechtzeitig einen Antrag auf schlichte Änderung gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 a Abgabenordnung (AO) gestellt haben. Der Nachteil der Nichterweislichkeit der Antragstellung geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten der Kläger, die aus dem Nachweis einen Vorteil, die Änderungsmöglichkeit des Eigenheimzulagenbescheides vom 22. November 2004, erlangten.

Nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO darf ein Steuerbescheid, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, zugunsten des Steuerpflichtigen nur aufgehoben werden, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Bei dem Eigenheimzulagenbescheid vom 22. November 2004 handelt es sich auch um einen Steuerbescheid ( § 15 Abs. 1 Satz 1 EigZulG, § 155 Abs. 1 und 4 AO), der nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist. Es hat sich jedoch nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen lassen, dass die Kläger vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist am 27. Dezember 2004 den Antrag gestellt haben.

Die Zeugenaussage des C reicht für die erforderliche Überzeugungsbildung nicht aus. Die Aussage ist aber nicht deshalb bedeutungslos, weil er der Sohn der Kläger ist. Dies ergibt sich nicht etwa aus dem vom Finanzamt herangezogenen BFH-Urteil vom 2. Dezember 2004 (III R 49/03, BStBl II 2005, 483). Der BFH verlangt lediglich, dass die Gründe, aus denen das Finanzgericht seine Überzeugung von der Glaubhaftigkeit der Aussage eines Angehörigen ableitet, dargelegt werden. Das vollständige Zitat lautet:

"Allein die Feststellung, ein Zeuge habe etwas glaubhaft bestätigt, erfüllt das Gebot der Nachvollziehbarkeit der Beweiswürdigung zumindest dann nicht, wenn der Zeuge als naher Angehöriger möglicherweise befangen sein könnte. Das Gericht hat dann im Rahmen seiner Beweiswürdigung auch die Gründe darzustellen, die für seine Überzeugung über die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage leitend gewesen sind."

Das Gericht geht aufgrund der Zeugenaussage des C davon aus, dass er tatsächlich Anfang Dezember 2004 und damit innerhalb der Rechtsbehelfsfrist mit dem Finanzamt telefoniert hat. Die Darstellung des C, er habe seine Mittagspause bei seinen Eltern in der Nähe seiner Arbeitsstelle verbracht, ist ebenso plausibel wie der Vortrag, er habe das Finanzamt in dieser Angelegenheit angerufen. Den Akten ist jedenfalls nicht zu entnehmen, woher C am 30. März 2005 von der Halbtagstätigkeit der zuständigen Sachbearbeiterin wissen konnte, wenngleich die Kenntnis auch aus dem späteren Telefonaten berühren kann. Angesichts der Vielzahl von Telefonaten, die in einem Finanzamt geführt werden, spricht es nicht gegen die Darstellung des C, dass sich die Bearbeiter, die den Anruf des C Anfang Dezember 2004 entgegengenommen haben könnten, bei ihrer Befragung Monate später nicht mehr an das Telefonat erinnern.

Soweit sich aus dem Schriftsatz ohne Datum, mit dem Einspruch gegen den Eigenheimzulagenbescheid vom 22. November 2004 eingelegt worden ist, ergibt, dass das Telefonat von einem Elternteil des C geführt worden ist, wird unterstellt, dass die Formulierungen missglückt sind. C scheint den Einspruch für seine Eltern abgefasst und dabei nicht immer beachtet zu haben, dass er aus Sicht seiner Eltern formulieren muss. Dieser Fehler ist nicht nur im Zusammenhang mit dem Telefonat, sondern auch an anderer Stelle unterlaufen, wenn es z.B. heißt "mir wird vorgeworfen...", obwohl sich der Bescheid an beide Kläger richtet.

Es bleiben jedoch Zweifel, ob bei dem Telefonat tatsächlich ein Antrag auf Änderung des Bescheides gestellt worden ist. Nach der Sachverhaltsschilderung vom 30. März 2005 hat C in dem Telefonat lediglich "die Problematik erläutert". Der Gesprächspartner habe "gesagt, dass unter diesen Voraussetzungen natürlich eine Änderung des Bescheides erfolgen müsste". Diese Schilderung gibt nur ein Rechtsgespräch über die materielle Rechtslage wieder, nicht aber, dass C einen Änderungsantrag gestellt hat.

In seiner Zeugenvernehmung hat C diese Darstellung bestätigt und darüber hinaus allerdings angegeben, die Gesprächspartnerin habe zugesagt, eine Notiz über das Telefonat anzufertigen und an die Sachbearbeiterin weiterzuleiten. Eine solche Zusage wäre ein starkes Indiz dafür, dass C zum Ausdruck gebracht hat, das Finanzamt möge aufgrund des Telefonats in dieser Angelegenheit tätig werden, worin womöglich ein Änderungsantrag erblickt werden könnte.

Dieser von C bekundete Geschehensablauf ist möglich. Das Gericht ist aber nicht davon überzeugt, dass es eine Zusage in dieser Form gegeben hat. Es bestehen angesichts der seit Anfang Dezember 2004 verstrichenen Zeit Zweifel an der Verlässlichkeit der Erinnerung und damit an der Glaubhaftigkeit der diesbezüglichen Aussage des C.

Von dieser Zusage ist vor der mündlichen Verhandlung nie die Rede gewesen, insbesondere auch nicht in der vergleichsweise zeitnah und nach anwaltlicher Beratung gefertigten Sachverhaltsschilderung des C vom 30. März 2005. Ferner wird in der Einspruchsschrift vom 22. April 2005 wie auch in der Klageschrift zu dem Inhalt des Telefonats mehrfach in tatsächlicher Hinsicht (nur) ausgeführt, dort sei von C der Sachverhalt geschildert worden. Ein gegenüber der Gesprächspartnerin ausdrücklich geäußertes oder den Umständen zu entnehmendes Begehren des C, das Finanzamt möge den Bescheid, was entscheidend ist, schon aufgrund des Telefonats ändern, wird nirgends erwähnt.

Gegen die neue Darstellung spricht außerdem, dass die Notiz jedenfalls nicht zu der zuständigen Bearbeiterin bzw. zur Akte der Kläger gelangt ist. Das von C bezeugte Verhalten der Gesprächspartnerin ist auch ungewöhnlich. Da die Rechtsbehelfsfrist erst am 27. Dezember 2004 ablief und das Finanzamt ohne einen Ausbildungsnachweis des C den Bescheid nicht ändern konnte, wäre eine näherliegende Reaktion gewesen, C zu empfehlen, innerhalb der Rechtsbehelfsfrist schriftlich Einspruch einzulegen und einen Ausbildungsnachweis beizufügen bzw. kurzfristig nachzureichen. Der Einspruch würde problemlos zur zuständigen Bearbeiterin gelangen und könnte, wenn der Ausbildungsnachweis beigefügt wäre, ohne Rückfrage bearbeitet werden. Demgegenüber hat der Notizzettel den Nachteil, dass die zuständige Bearbeiterin die Kläger noch schriftlich auffordern muss, den Ausbildungsnachweis zu erbringen. Dass nach der Zeugenaussage die Gesprächspartnerin zwar zugesagt haben soll, eine Notiz für die Bearbeiterin zu fertigen, nicht aber gleichzeitig C zur Vorlage des Ausbildungsnachweises aufgefordert haben soll, ist kein verwaltungsökonomisches Handeln.

Schließlich ist nicht zu verkennen, dass die Aussage des C in mehreren anderen Punkten gewechselt hat. So ist in der Sachverhaltsschilderung vom 30. März 2005 noch von "dem Gesprächspartner" die Rede, während nach der Zeugenaussage das Telefonat mit einer weiblichen Bediensteten geführt worden sein soll. Dies entspricht den Angaben des Finanzamts, wonach unter der im Bescheid aufgeführten Telefonnummer eine weibliche Mitarbeiterin zu erreichen war.

Nach der Sachverhaltsschilderung vom 30. März 2005 hat C nach dem ersten Telefonat Anfang Dezember 2004 "in den folgenden Tagen..." versucht, die Sachbearbeiterin telefonisch zu erreichen. Nach der Zeugenaussage trifft das nicht zu, sondern es gab nur ein Telefonat Anfang Dezember 2004 und weitere im Jahr 2005, nachdem die Kläger Mahnungen des Finanzamts erhalten hatten. Die neue Darstellung ist anders als die alte zwar mit der angeblichen Zusage des Finanzamts gut vereinbar. Mehrere Anrufe im Dezember 2004 machen keinen Sinn, wenn die Kläger davon ausgehen, ihr Änderungsantrag sei seit dem ersten Anruf in Bearbeitung, und sprechen daher gegen einen im ersten Anruf gestellten Änderungsantrag. Die Kläger haben aber keine einleuchtende Erklärung, warum C wenige Wochen nach den Vorfällen diese zeitlichen Abläufe durcheinanderbringt, nunmehr aber nach mehr als zwei Jahren zutreffend einordnen können soll.

Soweit in der Sachverhaltsschilderung davon die Rede ist, C habe das Telefonat in der Mittagspause "seines Ausbildungsbetriebs" geführt, liegt offenbar ein Versehen vor. Am Anfang der Sachverhaltsschilderung wird bereits mitgeteilt, dass die Ausbildung im Sommer 2004 geendet hat.

Das Gericht verkennt nicht, dass die genannten, gegen die neue Darstellung des C sprechenden Umstände seine Aussage nicht widerlegen. Das ist aber auch nicht erforderlich. Entscheidend ist, dass das Gericht nicht davon überzeugt ist, C habe in dem Telefonat Anfang Dezember 2004 einen Antrag auf schlichte Änderung gestellt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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