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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 08.06.2009
Aktenzeichen: 11 KO 8/09
Rechtsgebiete: RVG, FGO


Vorschriften:

RVG § 2 Abs. 2
RVG Anlage 1.3.2.1
FGO § 139 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig ist, ob der Erinnerungsgegner seinen Prozessbevollmächtigten, den Erinnerungsführern, eine Terminsgebühr zu erstatten hat.

Die Erinnerungsführer vertraten den Erinnerungsgegner im Rahmen des Klageverfahrens 11 K 401/07 wegen eines Lohnsteuerhaftungsbescheides.

Auf Betreiben der Erinnerungsführer war das beklagte Finanzamt __ bereit, die Haftungssumme auf 2.000 EUR zu ermäßigen. Hierzu führte der Sachbearbeiter der Erinnerungsführer, Rechtsanwalt G, neben einem Schriftwechsel u.a. verschiedene Telefonate mit der zuständigen Sachbearbeiterin der Rechtsbehelfsstelle. Eine unmittelbare Besprechung des Prozessbevollmächtigten mit dem Vorsteher des beklagten Finanzamtes bzw. dem Sachgebietsleiter der Rechtsbehelfsstelle fand dagegen nicht statt. Nachdem sich auch der Erinnerungsgegner hiermit einverstanden erklärt hatte, wurde der Rechtsstreit auf dieser Grundlage außergerichtlich erledigt und die Klage sodann zurückgenommen.

Die Erinnerungsführer beantragten ihre Vergütung gegen den Erinnerungsgegner nach § 11 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) festzusetzen und machten im Rahmen des Vergütungsfestsetzungsverfahrens neben einer 1,3-fachen Verfahrens- und einer 1,0-fachen Einigungsgebühr auch eine 1,2-fache Terminsgebühr geltend.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die den Erinnerungsführern zu erstattenden Aufwendungen auf Basis eines Streitwerts in Höhe von 7.728,12 EUR gemäß Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 2. April 2009 wie folgt fest:

 Verfahrensgebühr (1,6-fach)659,20 EUR
Erledigungsgebühr (1,5-fach)618,00 EUR
Pauschale f. Entgelte f. Post/Telekommunikationsdienstl.20,00 EUR
Zwischensumme1.297,20 EUR
Umsatzsteuer 19%246,47 EUR
Gesamtbetrag gerichtliches Verfahren1.543,67 EUR
Auslagen4,50 EUR
Summe1.548,17 EUR

Die Terminsgebühr sei nicht verdient, weil eine mündliche Verhandlung vor dem Senat nicht stattgefunden habe. Auch habe der Senat weder durch Urteil ohne mündliche Verhandlung noch durch als Urteil wirkenden Gerichtsbescheid entschieden.

Hiergegen wenden sich die Erinnerungsführer mit ihrer Erinnerung. Sie sind der Ansicht, die Terminsgebühr sei entstanden, da mit dem beklagten Finanzamt außergerichtlich ein Vergleich geschlossen worden sei. Die Terminsgebühr entstehe, wenn ein Rechtsanwalt mit dem Finanzamt über eine Erledigung der Angelegenheit verhandele, auch ohne Beteiligung des Gerichts. Hierbei könne es keinen Unterschied machen, dass die Besprechungen unmittelbar nur mit der Sachbearbeiterin erfolgt seien. Da diese Rücksprache mit dem Rechtsbehelfsstellensachgebietsleiter habe halten müssen, sei zumindest bei mittelbarer Betrachtung auch eine, den Ansatz einer Terminsgebühr rechtfertigende Besprechung mit dem entscheidungsbefugten Beklagtenvertreter erfolgt.

Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung nicht ab.

II. Die Erinnerung ist begründet.

Die Urkundsbeamtin hat im Beschluss vom 2. April 2009 die Terminsgebühr zu Unrecht nicht angesetzt.

Nach § 139 Abs. 3 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) sind die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt ist, stets erstattungsfähig. Die Gebühren und Auslagen von Rechtsanwälten (Vergütung) bemessen sich dabei nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 2 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 (VV-RVG).

Gemäß Nr. 3202 VV-RVG i.V.m. Vorb. 3 Abs. 3 VV entsteht in Verfahren vor dem Finanzgericht eine Terminsgebühr in Höhe von 1,2 unter anderem für die Mitwirkung an, auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete, Besprechungen ohne Beteiligungen des Gerichts.

Voraussetzung für die Auslösung einer Terminsgebühr ist nach der Zivilrechtsprechung eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung, an der beide Seiten mitgewirkt haben (z.B. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. Oktober 2008 6 W 73/08, [...]). Eine solche Besprechung setzt als mündlicher Austausch von Erklärungen die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Ausreichend hierfür kann auch ein Telefongespräch sein (BGH-Beschluss vom 11. Juni 2008 XII ZB 11/06, NJW 2008, 2993; ebenso Hessisches Finanzgericht , Beschluss vom 22. April 2008 12 KO 379/06, EFG 2008, 1152; FG Saarland, Beschluss vom 14. November 2005, 2 S 335/05, EFG 2006, 926; Stapperfend in Gräber, FGO, 6. Auflage 2006, § 139 Rn. 69).

Darüber hinaus wird in der Literatur und Rechtsprechung zum Teil gefordert, die Entstehung der Terminsgebühr setze die Teilnahme eines im konkreten Verfahren entscheidungsbefugten Amtsträgers, d.h. des Vorstehers oder des Sachgebietsleiters der Rechtsbehelfsstelle, voraus (Stapperfend in Gräber a.a.O., § 139 Rn. 66; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Rn. 92; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 139 FGO Rn. 49; Niedersächsiches Finanzgericht , Beschluss vom 14. Februar 2006 10 KO 39/05, EFG 2006, 1012; Hessisches Finanzgericht , Beschluss vom 22. April 2008 12 KO 379/06, EFG 2008, 1152; a.A. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Auflage 2008, VV Vorb. 3 Rn. 117).

Der erkennende Senat ist abweichend hiervon der Ansicht, dass auch ein - auf Erledigung des Verfahrens gerichtetes - Telefongespräch mit der zuständigen und gesprächsbereiten Sachbearbeiterin der Rechtsbehelfsstelle die Entstehung einer Terminsgebühr rechtfertigt.

Grundsätzlich sind die Anforderungen, die an eine, die Terminsgebühr auslösende Besprechung gestellt werden, gering. So reicht gerade eine mündliche Besprechung, ohne dass es auf deren Dauer ankäme. Unerheblich ist insbesondere auch, ob das Gespräch erfolgreich ist, da die Terminsgebühr für das Gespräch an sich entsteht (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt a.a.O., VV Vorb. 3 Rn. 108).

Nach Ansicht des Senats würde es die Anforderungen an eine Besprechung mit einer Behörde überspannen, wenn der Prozessbevollmächtigte entsprechende Bemühungen nicht auch gegenüber dem, mit dem Fall betrauten Sachbearbeiter entfalten könnte, sondern - will er sich der Honorierung seiner Bemühungen sicher sein - das Gespräch unmittelbar mit dem vorgesetzten Sachgebietsleiter führen müsste. Der Sachbearbeiter ist regelmäßig damit beauftragt, die Sache so weit vorzubereiten, dass der Sachgebietsleiter als eigentlicher Entscheidungsträger zu seiner Entscheidung in der Lage ist. Insoweit ist es sinnvoll und entspricht dem praktischen Bedürfnis, das Gespräch zunächst mit diesem zu suchen, auch wenn der Sachbearbeiter möglicherweise nicht sofort eine Zusage erteilen kann, sondern insoweit zunächst das Einverständnis seines Vorgesetzten einholen muss. Ansonsten dürfte die Terminsgebühr in zivilrechtlichen Streitigkeiten bspw. auch dann nicht ausgelöst werden, wenn das Gespräch mit einem gegnerischen Anwalt erfolgt, der keinen Vergleich ohne Rücksprache mit seinem Mandanten schließen darf.

Dieses Verständnis von einer die Terminsgebühr auslösenden Besprechung entspricht auch der Vorstellung des Gesetzgebers, nach der mit der Einführung der Terminsgebühr das ernsthafte Bemühen des Prozessbevollmächtigten um einen Abschluss des Verfahrens ohne Beteiligung des Gerichts honoriert und damit zugleich die außergerichtliche Streitbeilegung - auch zur Entlastung der Gerichte - gefördert werden soll (BT-Drucks. 15/1971, S. 148, 209).

Bei Ansatz einer Terminsgebühr sind die von dem Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten wie folgt festzusetzen:

 Verfahrensgebühr (1,6-fach)659,20 EUR
Terminsgebühr (1,2-fach)494,40 EUR
Erledigungsgebühr (1,5-fach)618,00 EUR
Pauschale f. Entgelte f. Post/Telekommunikationsdienstl.20,00 EUR
Zwischensumme1.791,60 EUR
Umsatzsteuer 19%340,40 EUR
Gesamtbetrag gerichtliches Verfahren2.132,00 EUR
Auslagen4,50 EUR
Summe2.136,50 EUR



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