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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 28.04.2009
Aktenzeichen: 12 K 45/03
Rechtsgebiete: UmwStG


Vorschriften:

UmwStG § 18 Abs. 4
UmwStG § 27 Abs. 2a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein durch die Veräußerung von Mitunternehmeranteilen entstandener Veräußerungsgewinn nach den Bestimmungen des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) der Gewerbesteuer unterliegt.

Die X GmbH (GmbH) wurde mit Vertrag vom 20. Dezember 1983 gegründet. Das Stammkapital von 50.000 DM hielt der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer X.

Mit notariell beurkundetem Beschluss vom 15. August 1995 (Notar ... UR-Nr. 483/1995) wurde die X Verwaltungs GmbH (Verw.-GmbH) gegründet. Das Stammkapital der Verw.-GmbH betrug 100.000 DM. Alleiniger Gesellschafter der Verw.-GmbH war X. Er trat mit notariellem Vertrag vom selben Tage (Notar ... UR-Nr. 485/1995) einen Teil des Stammkapitals an der GmbH in Höhe von 500 DM (1%) an die Verw.-GmbH ab, so dass diese Gesellschafterin der GmbH wurde.

Mit notariell beurkundeten Gesellschafterbeschluss vom 15. August 1995 (Notar ... UR-Nr. 486/1995) wurde die GmbH nach den Vorschriften der §§ 190 ff. Umwandlungsgesetz (UmwG) "rückwirkend zum 31. 12. 1994" formwechselnd in die X GmbH & Co KG - die Klägerin - umgewandelt. An der Klägerin waren zunächst beteiligt als Komplementärin die Verw.-GmbH mit einem Anteil von 500 DM und als Kommanditist X mit einem Anteil von 49.500 DM. Die Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister erfolgt am 12. Januar 1996.

Seinen Kommanditanteil an der Klägerin veräußerte X mit notariellem Vertrag ebenfalls vom 15. August 1995 (Notar ... UR-Nr. 489/1995) an Y. Der "Anteilsübertragungsvertrag" lautet auszugsweise:

"§ 1 Vertragsgegenstand

Der Verkäufer verpflichtet sich gleichzeitig, die entsprechende Anzahl von Anteilen an der Komplementärin, der Verw.-GmbH, zu gleichen Zeitpunkten abzutreten.

§ 2 Verkauf, Abtretung

Der Verkäufer verkauft dem Käufer seine Gesellschafterstellung an der gem. § 1 bezeichneten Gesellschaft im Wege der Abtretung nach folgender Maßgabe:

Von dem einheitlichen Kommanditanteil werden hiermit drei Anteile mit steuerlicher und dinglicher Wirkung zum Stichtag der Eintragung des Käufers im Handelsregister übertragen. Die Anträge zum Handelsregister sollen wie folgt gestellt werden.

 für einen Anteil von 49% =DM 24.255,00sofort
für einen Anteil von 25% =DM 12.375,00per 01.07.1996
für einen Anteil von 26% =DM 12.870,00per 01.07.1997

Der Käufer nimmt diese Abtretung hiermit für die jeweiligen Stichtage an. Die Übertragung erfolgt im Wege der Sonderrechtsnachfolge. Die Beteiligten werden sich im Innenverhältnis so stellen, als sei der erste Kommanditanteil per 01.07.1995, die beiden anderen jeweils am 01.07.1996 bzw. 01.07.1997 übergegangen.

§ 3 Wirksamwerden

Die Übertragung der Gesellschafterstellung erfolgt jeweils unter der aufschiebenden Wirkung der vollständigen Kaufpreiszahlung.

§ 4 Kaufpreis, Fälligkeit

Der Kaufpreis beträgt für

 DMfällig
einen Anteil von 49%1.127.000,0001.07.1995
einen Anteil von 25%575.000,0001.07.1996
einen Anteil von 26%598.000,0001.07.1997
 2.300.000,00

und ist mit 7% ab Fälligkeit zu verzinsen, ohne dass es einer Mahnung bedarf."

Für den vollständigen Wortlaut wird auf den Anteilsübertragungsvertrag verwiesen. Der Vertrag wurde vereinbarungsgemäß durchgeführt. Unstreitig gingen wie vereinbart die Anteile an der Verw.-GmbH zeitgleich auf Y über.

Die Klägerin erstellte eine Eröffnungsbilanz auf den 31. Dezember 1994. Sie wird ab 1994 bei dem Beklagten (dem Finanzamt - FA -) geführt, für 1994 erfolgte die Feststellung des Übernahmegewinns als persönlich erzielter Gewinn des X. Im Übrigen ging das FA davon aus, dass die Umwandlung der GmbH in die Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 1995 erfolgte. Die Ergänzungs-Eröffnungsbilanz des Kommanditisten Y wurde auf den 1. Juli 1995 erstellt.

X erklärte in seinen Einkommensteuererklärungen Veräußerungsgewinne gem. § 15 EStG in Höhe von 1.054.820 DM (1995), 511.965 DM (1996) und 576.705 DM (1997). Bei der Klägerin wurden die Veräußerungsgewinne nicht erfasst und damit auch nicht der Gewerbesteuer unterworfen. Die ursprünglichen Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Nach der in den Jahren 2000/2001 von dem FA für Großbetriebsprüfung ... bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung gelangte das FA mit dem Prüfer zu der Auffassung, dass die Gewinne aus der Veräußerung der Kommanditanteile bei der Klägerin als Sonderbetriebseinnahmen des X zu erfassen und unter Gewährung der Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 2 i.V.m. § 16 EStG zu versteuern seien. Zudem unterlägen sie gem. § 18 Abs. 4 UmwStG der Gewerbesteuer der Klägerin.

Das FA erließ gem. § 164 Abs. 2 AO geänderte Gewerbesteuermessbescheide, die vom 15. März 2002 datieren.

Mit dem Einspruch wandte sich die Klägerin gegen die Erfassung des Veräußerungsgewinns für Zwecke der Gewerbesteuer und begründete dies mit der jeweiligen zeitlichen Anwendbarkeit und den Wortlauten der Gesetzesfassungen des § 18 Abs. 4 UmwStG ab 1995:

Ein Übernahmegewinn sei ertragsteuerlich nicht zu erfassen, weil die Personengesellschaft die Buchwerte der Kapitalgesellschaft fortführe. Für die Gewerbesteuer sei dies in § 18 Abs. 2 UmwStG bestimmt.

Der Formwechsel sei keine Umwandlung i.S.d.. § 18 Abs. 4 UmwStG in der vor 1999 geltenden Fassung, weil der Formwechsel nicht mit einem Vermögensübergang von der GmbH auf die Klägerin verbunden sei. Erst ab 1. Januar 1999 sei der Begriff Umwandlung statt Vermögensübergang in das Gesetz aufgenommen. Die anders lautende höchstrichterliche Rechtsprechung werde aber akzeptiert.

Zudem sei die Übertragung von Mitunternehmeranteilen nicht mit der Veräußerung des Betriebes gleichzustellen. Der Mitunternehmeranteil sei auch kein Teilbetrieb der Personengesellschaft. Dies gelte jedenfalls bis zur Gesetzesänderung zum 1. Januar 1997. Bei der Gesetzesänderung durch Einfügung des Satzes 2 in § 18 Abs. 4 UmwStG handele es sich nicht um eine bloße Klarstellung des Gesetzesinhalts, sondern um die konstitutive Schließung einer Gesetzeslücke. Eine Umgehung der Gewerbesteuerpflicht bei Verkauf von Mitunternehmeranteilen im Privatvermögen liege schon deshalb nicht vor, weil der Verkauf von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft im Privatvermögen der Gewerbesteuer ebenfalls nicht unterliege.

Allenfalls die Veräußerung im Jahre 1997 könne der Gewerbesteuer unterfallen. Allerdings sei die schuldrechtliche Grundlage für die Übertragung des Anteils schon im Jahre 1995 geschaffen worden.

Das FA wies den Einspruch mit Bescheid vom 18. Dezember 2002 zurück. Es stellte entscheidend darauf ab, dass sämtliche Mitunternehmeranteile an der Klägerin veräußert worden sind und seiner Auffassung nach damit von der Intention des Gesetzes her ein Missbrauchstatbestand i.S.d.. § 18 Abs. 4 UmwStG vorliegt.

Mit der Klage wiederholt und vertieft die Klägerin ihre bisherigen Argumente und setzt sich mit der zwischenzeitlichen ergangenen Rechtsprechung auseinander. Sie hält insbesondere an ihrer Auffassung fest, vor Einführung des Satzes 2 in § 18 Abs. 4 UmwStG mit Wirkung vom 1. Januar 1997 habe die Veräußerung von Mitunternehmeranteilen nicht zur Erfassung der Gewinne bei der Gewerbesteuer geführt.

Die Klägerin beantragt,

die Gewerbesteuermessbescheide für 1995 bis 1997 vom 15. März 2002 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 18. Dezember 2002 zu ändern und die Gewerbesteuermessbeträge unter Außerachtlassung eines Veräußerungsgewinns von 1.054.820 DM (1995), 511.965 DM (1996) und 576.705 DM (1997) festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA wiederholt die Begründung der Einspruchsentscheidung und weist darauf hin, dass die Veräußerung sämtlicher Mitunternehmeranteile einer Betriebsveräußerung gleichstehe, so dass § 18 Abs. 4 UmwStG in seiner ursprünglichen Fassung bzw. Satz 1 der ab 1. Januar 1997 geltenden Fassung Anwendung finde. Im Streitfall sei zu beachten, dass die Anteilsübertragungen im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang erfolgt seien.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das FA hat zu Recht die durch die Veräußerung der Mitunternehmeranteile in den Streitjahren entstandenen Gewinne der Gewerbesteuer unterworfen und Gewerbesteuermessbeträge festgesetzt.

1. Rechtsgrundlage für die Erfassung der Gewinne aus der Veräußerung der Mitunternehmeranteile an der Klägerin durch X ist § 18 Abs. 4 UmwStG. Die GmbH ist mit notariell beurkundetem Gesellschafterbeschluss vom 15. August 1995 mit Rückwirkung zum 31. Dezember 1994 - formwechselnd - in die Klägerin, eine Personengesellschaft umgewandelt worden. In der Folgezeit sind unstreitig die Anteile des X an der Klägerin und an der Verw.-GmbH an Y veräußert worden.

a) Die gewerbesteuerlichen Folgen einer Umwandlung sind zum 1. Januar 1995 grundlegend neu geregelt worden. Bis zum 31. Dezember 1994 galt das UmwStG 1977. Seitdem bestimmt § 18 Abs. 4 UmwStG mit den in den Folgejahren vorgenommenen Ergänzungen und Änderungen, unter welchen Voraussetzungen ein nach formwechselnder Umwandlung entstandener Auflösungs- oder Veräußerungsgewinn der Gewerbesteuer unterliegt.

Das am 1. Januar 1995 in Kraft getretenen UmwStG vom 28. Oktober 1994 (UmwStG 1995, BGBl. I 1994, 3267) lautet auszugsweise:

§ 18 Gewerbesteuer bei Vermögensübergang auf eine Personengesellschaft oder auf eine natürliche Person sowie bei Formwechsel in eine Personengesellschaft

(1) Die §§ ... (Gewinnermittlung) ... gelten bei Vermögensübergang auf eine Personengesellschaft oder auf eine natürliche Person sowie bei Formwechsel in eine Personengesellschaft vorbehaltlich des Absatzes 2 auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags. ...

(2) Ein Übernahmegewinn ist nicht zu erfassen.

(4) Wird der Betrieb der Personengesellschaft oder der natürlichen Person innerhalb von fünf Jahren nach dem Vermögensübergang aufgegeben oder veräußert, unterliegt ein Auflösungs- oder Veräußerungsgewinn der Gewerbesteuer.

§ 27 Anwendungsvorschriften

(1) Dieses Gesetz ist erstmals auf den Übergang von Vermögen anzuwenden, der auf Rechtsakten beruht, die nach dem 31. Dezember 1994 wirksam werden.

Mit Gesetz vom 20. Dezember 1996 wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1997 in § 18 Abs. 4 UmwStG Satz 2 (UmwStG 1997, BGBl. I 1996, 2049, 2072) angefügt:

(4) Wird der Betrieb der Personengesellschaft oder der natürlichen Person innerhalb von fünf Jahren nach dem Vermögensübergang aufgegeben oder veräußert, unterliegt ein Auflösungs- oder Veräußerungsgewinn der Gewerbesteuer. Satz 1 gilt entsprechend, soweit ein Teilbetrieb oder ein Anteil an einer Personengesellschaft aufgegeben oder veräußert wird.

Zur Anwendung der Neufassung heißt es in § 27 Abs. 2a UmwStG:

(2a) § 18 Abs. 4 ist erstmals auf Aufgabe- und Veräußerungsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1996 erfolgen.

Der Gesetzgeber hielt die Anfügung des Satzes 2 für erforderlich, um zum Ausdruck zu bringen, dass die Aufgabe oder Veräußerung eines Teilbetriebes oder eines Anteils an einer Personengesellschaft der Aufgabe oder Veräußerung des (ganzen) Betriebs gleichsteht.

Mit Gesetz vom 24. März 1999 änderte der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Januar 1999 den § 18, indem in Abs. 2 ua. auch der Übernahmeverlust angesprochen wird und in Abs. 4 die Wörter "dem Vermögensübergang" durch die Wörter "der Umwandlung" ersetzt wurden (UmwStG 1999, BGBl. I 1999, 402, 486). Die Vorschrift lautet nunmehr:

(2) Ein Übernahmegewinn oder -verlust ist nicht zu erfassen.

(4) Wird der Betrieb der Personengesellschaft oder der natürlichen Person innerhalb von fünf Jahren nach der Umwandlung aufgegeben oder veräußert, unterliegt ein Auflösungs- oder Veräußerungsgewinn der Gewerbesteuer. Satz 1 gilt entsprechend, soweit ein Teilbetrieb oder ein Anteil an der Personengesellschaft aufgegeben oder veräußert wird.

Die Änderung in Abs. 4 sollte darstellen, dass steuerlich in einer (formwechselnden) Umwandlung auch ein - fiktiver, nicht rechtlicher - Vermögensübergang zu sehen ist.

b) Das UmwStG 1977 in der Fassung für 1994 findet keine Anwendung mehr. Für die maßgebliche Gesetzesfassung ist ohne Belang, dass eine Umwandlung "rückwirkend zum 31. 12. 1994" beschlossen worden ist und ob die Zeitangabe dahin auszulegen ist, dass die Klägerin schon am 31. Dezember 1994 bestehen sollte - so offenbar die Klägerin - oder - wie die Handhabung des FA ergibt - erst ab 1. Januar 1995.

Nach § 27 Abs. 1 UmwStG 1995 ist das UmwStG 1995 erstmals auf den Übergang von Vermögen anzuwenden, der auf Rechtsakten beruht, die nach dem 31. Dezember 1994 wirksam geworden sind. Anknüpfungspunkt ist daher die Wirksamkeit der Rechtsakte, die zum Vermögensübergang geführt haben. Die Verwendung des Begriffs Vermögensübergang ist insofern nicht stimmig, als bei einer formwechselnden Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft ein Vermögensübergang zivilrechtlich nicht stattfindet. Da das UmwStG aber auch formwechselnde Umwandlungen betrifft, muss sich die Bestimmung der zeitlichen Anwendbarkeit des Gesetzes auch auf diese Umwandlungen beziehen.

§ 27 Abs. 1 UmwStG 1995 knüpft für den zeitlichen Anwendungsbereich auf "Rechtsakte" an, auf denen der Vermögensübergang "beruht", und auf deren Wirksamkeit, nicht dagegen den fiktiven Vermögensübergang als solchen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gilt dies auch, wenn die steuerlichen Wirkungen der Umwandlung auf einen früheren Termin (31. Dezember 1994) zurückbezogen sind (BFH-Urteil vom 16. November 2005 X R 6/04, BFHE 211, 518, BStBl. II 2008, 62; Widmann/Mayer Umwandlungsrecht § 27 Rz. 1). Im Streitfall beruht der fiktive Vermögensübergang auf die Klägerin auf dem notariell beurkundeten Gesellschafterbeschluss vom 15. August 1995; dieser wurde sogleich zivilrechtlich wirksam. Soweit das Gesetz, die Rechtsprechung und die Literatur den steuerlichen Übertragungsstichtag behandeln, berührt dieser Stichtag nicht den zeitlichen Anwendungsbereich des Gesetzes. Hierbei handelt es sich um einen Zeitpunkt, in dem für steuerliche Zwecke, ggf. abweichend von Bestimmungen des HGB, von einem (fiktiven) Vermögensübergang ausgegangen wird; eine Rückbeziehung ist möglich.

c) Im Streitfall ist § 18 Abs. 4 UmwStG in den jeweiligen in den Streitjahren geltenden Fassungen anzuwenden. Ob sich die materielle Rechtlage in den Jahren 1995, 1996 und 1997 durch die Änderungen und Ergänzungen der Vorschrift unterschiedlich darstellt, wird an anderer Stelle zu behandeln sein.

Unter Geltung der Gesetzesfassungen ab 1995 bleibt nach der Gesetzessystematik der Übernahmegewinn gewerbesteuerfrei. Unter den in § 18 Abs. 4 UmwStG genannten Voraussetzungen unterliegt dagegen der Auflösungs- oder Veräußerungsgewinn der Gewerbesteuer. Es ist schon aus diesem Grunde unter den Gesetzesfassungen ab 1. Januar 1995 nicht an die Zeitpunkte der Wirksamkeit der Umwandlung (steuerlicher Übertragungszeitpunkt) oder an die Wirksamkeit des Umwandlungsbeschlusses anzuknüpfen. Steuergegenstand ist die Erfassung - im Streitfall - eines Veräußerungsgewinns, der durch die Veräußerung der Gesellschaftsanteile entstanden ist.

Veräußerung ist die entgeltliche Übertragung des Eigentums oder eines Rechts; bei Divergenz zwischen zivilrechtlichem oder wirtschaftlichem Eigentum ist für steuerliche Zwecke das wirtschaftliche Eigentum maßgebend. Der Zeitpunkt der Veräußerung bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Übertragung des zivilrechtlichen oder zumindest wirtschaftlichen Eigentums an dem Veräußerungsgegenstand; auf das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 22. September 1992 VIII R 7/90, BFHE 170, 29, BStBl. II 1993, 228 m.w.N.; vgl. Schmidt, EStG § 16 Rz. 20, 214). In seinem Urteil vom 30. August 2007 IV R 22/06, BFH/NV 2008, 109 hat der BFH ausgeführt, dass es für die Erfassung eines Veräußerungsgewinns im Hinblick auf die Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 2a UmwStG 1997 ("Vermögensvorgänge, die nach dem 31. Dezember 1996 erfolgen") auf den Zeitpunkt des Übergangs des Anteils an der Personengesellschaft ankommt. Der Zeitpunkt der Anteilsübertragung - so der BFH - falle nicht zwangsläufig mit dem Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts zusammen. Zwar könne der Erwerber schon bei Vertragsschluss die steuerlich maßgebende wirtschaftliche Inhaberschaft erlangen. Das führe aber nicht dazu, für die Geltung der Gesetzesfassung an diesen Zeitpunkt anzuknüpfen, wenn die Vertragschließenden die Gesellschafterrechte erst zu einem späteren Zeitpunkt übergehen lassen wollten.

Im Streitfall haben der Gesellschafter X und der Erwerber Y die Übertragung des aufgeteilten Kommanditanteils im Vertrag vom 15. August 1995 bestimmt. Der Übergang der Anteile erfolgte am 1. Juli 1995, 1. Juli 1996 und am 1. Juli 1997. Zeitgleich gingen die Anteile an der Verw.-GmbH über. Unerheblich ist in Ansehung der eindeutigen Rechtsprechung des BFH, dass die Übertragungen auf einem einzigen schuldrechtlichen Vertrag beruhen.

2. Im zu entscheidenden Fall wird die Gewerbesteuer durch den Verkauf sämtlicher Anteile an der Klägerin ausgelöst.

a) Allen Gesetzesfassungen ist gemeinsam, dass für die Gewerbesteuerpflicht die Veräußerung innerhalb von fünf Jahren nach dem fiktiven Vermögensübergang erfolgt sein muss. Die zeitliche Voraussetzung ist im Streitfall unproblematisch gegeben, weil der steuerliche Übertragungsstichtag frühestens Ende Dezember 1994 liegt und der letzte Kommanditanteil am 1. Juli 1997 übertragen wurde.

b) Unproblematisch ist die Bestimmung des Steuerpflichtigen für die Gewerbesteuer. Dies ist nicht der veräußernde Gesellschafter, sondern die das Vermögen der Kapitalgesellschaft fiktiv übernehmende Personengesellschaft, hier also die Klägerin (Schmitt/Hörtnagl/Stratz UmwG, UmwStG § 18 Rz. 60; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht § 18 Rz. 238; s. auch BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 I R 118/87, BFHE 159, 455, BStBl. II 1990, 474 zu § 25 UmwStG 1977).

c) Unstreitig sind nicht nur sämtliche Kommanditanteile an der Klägerin, sondern zeitgleich die entsprechenden Anteile an der Verw.-GmbH als Komplementärin veräußert worden. Wie zuvor X alleiniger Inhaber der Anteile an der GmbH war ist nunmehr Y alleiniger Anteilseigner bei der Komplementärin und alleiniger Kommanditist geworden. Somit braucht nicht der Frage nachgegangen zu werden, ob § 18 Abs. 4 UmwStG möglicherweise für alle oder einzelne Streitjahre nicht eingreift, wenn mit den Kommanditanteilen weniger als sämtliche Anteile an der Klägerin veräußert wurden.

d) § 18 Abs. 4 UmwStG findet bereits in seiner ursprünglichen Fassung auf die formwechselnde Umwandlung Anwendung. Das Gericht folgt nicht der Auffassung der Klägerin, bis zur Gesetzesänderung mit Wirkung ab 1. Januar 1999 würden Fälle mit fiktivem Vermögensübergang nicht erfasst.

Nach dem Wortlaut der bis zum 1. Januar 1999 geltenden Fassung des § 18 Abs. 4 UmwStG unterfällt ein Veräußerungsgewinn der Gewerbesteuer bei Veräußerung innerhalb von fünf Jahren nach dem "Vermögensübergang", danach nach "Umwandlung". Der BFH, bestätigt durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), hat in zahlreichen Entscheidungen ausgeführt, dass seit 1995 - wie unter der Geltung des UmwStG 1977 - auch der fiktive Vermögensübergang von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft zu einem bei der Gewerbesteuer zu erfassenden Veräußerungsgewinn führt; die Gesetzesänderung mit Wirkung vom 1. Januar 1999 durch Anpassung des Wortlauts an die bereits geltende materielle Rechtslage dient nur der Klarstellung und ist - auch weil mit ihr keine unzulässige Rückwirkung verbunden ist - verfassungsrechtlich unbedenklich.

So hat der BFH hat in seinem Urteil vom 11. Dezember 2001 VIII R 23/01, BFHE 197, 425, BStBl. II 2004, 474 umfassende Ausführungen zum Inhalt des § 18 Abs. 4 UmwStG gemacht und entschieden, dass in Ansehung des Gesetzeswortlauts, der Gesetzesgeschichte und der Intention des Gesetzgebers, einer missbräuchlichen Gestaltung zur Vermeidung der Gewerbesteuer entgegenzutreten, auch im Falle der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft, bei der der Vermögensübergang für steuerliche Zwecke nur fingiert wird, ein Veräußerungsgewinn der Gewerbesteuer unterfällt. Das gelte auch für die Veranlagungszeiträume vor dem 1. Januar 1999. Die Änderung des Gesetzeswortlauts mit Gesetz vom 24. März 1999 (Ersetzung des Worts "Vermögensübergang" durch "Umwandlung") habe, wie die Gesetzesbegründung zeige, nur klarstellende, nicht dagegen konstitutive Bedeutung (Bestätigung dieser Rechtsprechung durch BFH-Beschluss vom 1. Oktober 2003 VIII B 22/03, BFH/NV 2004, 384; BFH-Urteil vom 20. November 2006 VIII R 45/05, BFH/NV 2007, 793 m.w.N.; vom 26. Juni 2007 IV R 58/06, BFHE 217, 162, BStBl. II 2008, 73, bestätigt durch BVerfG vom 6. November 2008 1 BvR 2360/07, [...]; vom 30. August 2007 IV R 22/06, BFH/NV 2008, 109 m.w.N.).

e) § 18 Abs. 4 UmwStG in seiner ursprünglichen Fassung erfasste bereits auch die Veräußerung sämtlicher Anteile an einer Personengesellschaft. Die Anfügung des Satzes 2 in Abs. 4 der Vorschrift mit Wirkung vom 1. Januar 1997 hat für den zu entscheidenden Fall keine Bedeutung. Die Veräußerung aller Mitunternehmeranteile steht nach Auffassung des Senats der Veräußerung des - ganzen - Betriebes gleich. Dies ergibt sich aus dem Sinn und dem Zweck der Vorschrift als Missbrauchsverhinderungsnorm. Der BFH hat diese Wertung zwar nicht ausdrücklich getroffen, in zwei Entscheidungen aber angedeutet.

§ 18 Abs. 4 UmwStG hat wie seine Vorgängervorschrift § 24 UmwStG 1977 den Zweck, Steuerausfälle zu verhindern. Bei einer Kapitalgesellschaft unterliegt der Gewinn aus der Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe der Gewerbesteuer, bei einer Personengesellschaft vom Grundsatz her nicht. Die Gewerbesteuerpflicht könnte umgangen werden, indem eine Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft umgewandelt und anschließend gewerbesteuerfrei die Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe vollzogen wird. Der Gesetzgeber hat daher Regelungen in das UmwStG aufgenommen, die verhindern sollen, dass eine Kapitalgesellschaft allein zu dem Zweck der Gewerbesteuerersparnis kurz vor Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe in eine Personengesellschaft umgewandelt wird (BT-Drs. 13/5952 S. 53). Eine Umgehung der Gewerbesteuerpflicht kann vor diesem Gesetzeszweck nicht dadurch gelingen, dass nicht der gesamte Betrieb der Personengesellschaft veräußert oder aufgegeben wird, sondern die Gesellschafteranteile veräußert werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - in einem Akt sämtliche Anteile auf eine einzige andere Person übergehen und damit faktisch eine Betriebsveräußerung stattfindet.

Der BFH hat mit seinem Urteil vom 13. Dezember 1989 I R 118/87, BFHE 159, 455, BStBl. II 1990, 474 zu § 24 Abs. 2 UmwStG 1977 entschieden, dass die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft nach Umwandlung keine Veräußerung des übergegangenen Betriebs darstellt. Der BFH leitet seine Auffassung unter Beachtung der Motive des Gesetzgebers aus dem Wortlaut der Vorschrift und der insoweit fehlenden Gesetzesbegründung her. Ausdrücklich dahingestellt bleibt in der Entscheidung indes, ob eine Betriebsveräußerung anzunehmen ist, wenn sämtliche Mitunternehmer ihre Anteile veräußern.

Der Gesetzgeber hat auf dieses Urteil mit Einfügung des Satzes 2 in § 18 Abs. 4 UmwStG reagiert. In der Begründung heißt es, § 18 Abs. 4 UmwStG sei lückenhaft, da nach der Entscheidung des BFH die Veräußerung von Mitunternehmeranteilen und Teilbetrieben nicht erfasst würden (BT-Drs. 13/13/5951).

In seinem Urteil vom 11. Dezember 2001 VIII R 23/01, BFHE 197, 425, BStBl. II 2004, 474, das sich mit der Rechtslage ab 1. Januar 1997 zu befassen hatte, hat der BFH auf die Entstehungsgeschichte des § 18 Abs. 4 UmwStG sowie auf die Schließung der "Besteuerungslücke" durch Einfügung des Satzes 2 in Abs. 4 hingewiesen. Er hält ausdrücklich an seiner Entscheidung vom 13. Dezember 1989 fest und führt aus, die Veräußerung von Mitunternehmeranteilen stehe einer Betriebsveräußerung nicht gleich; der Gesetzgeber habe die Rechtslage im Wege einer tatbestandlichen Rückanknüpfung (wg. früherer Umwandlung) verschärfen dürfen. Das Urteil - so der BFH weiter - habe allerdings offen gelassen, ob dann eine andere Beurteilung geboten sein könnte, wenn sämtliche Mitunternehmeranteile innerhalb der 5-Jahres-Frist veräußert würden. Er fährt fort: "Von diesem Ausnahmesachverhalt abgesehen, ...". Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts kam der erwähnte "Ausnahmesachverhalt" nicht in Betracht, so dass der BFH an sich keine Veranlassung hatte, den Fall anzusprechen oder näher auf die Thematik einzugehen.

Das Gericht entnimmt diesen Entscheidungen die Grundaussage, dass die Veräußerung von Mitunternehmeranteilen an der durch Umwandlung entstandenen Personengesellschaft keine Gewerbesteuer auslöst. Das gilt aber nicht, wenn innerhalb des 5-Jahres-Zeitraums sämtliche Anteile veräußert werden. Die Veräußerung sämtlicher Mitunternehmeranteile an der Personengesellschaft in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang steht der Veräußerung des Betriebes gleich und wird schon seit 1995 durch § 18 Abs. 4 UmwStG in seiner ursprünglichen Fassung bzw. durch Satz 1 in der Fassung der Vorschrift seit dem 1. Januar 1997 der Gewerbesteuer unterworfen (so auch Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht § 18 Rz. 246 m.w.N. zur Rechtslage vor dem 1. Januar 1997). Der BFH bezeichnet diese Konstellation in seinem Urteil vom 11. Dezember 2001 selbst als "Ausnahmesachverhalt" und deutet damit an, dass eine Betriebsveräußerung angenommen werden könnte. Der Gesetzgeber hatte schon seit den Vorläufern des UmwStG 1995 die Vorstellung, einen Missbrauch durch Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft mit anschließendem Verkauf einzelner oder aller Mitunternehmeranteile verhindern zu wollen. Er hat eine gesetzliche Systematik entwickelt und ergänzt, den Übertragungsgewinn zunächst gewerbesteuerfrei zu belassen und erst bei Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs oder der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen innerhalb des 5-Jahres-Zeitraums einen Veräußerungsgewinn zu erfassen. Bei Beantwortung der Frage, welche Vermögensteile mit der Anteilsübertragung übergehen müssen (betr. die Höhe des Veräußerungsgewinns) hat der BFH mehrfach betont, der Gesetzgeber gehe bei seiner Regelungsidee von einer fortdauernden Verstrickung des Vermögens der umgewandelten Kapitalgesellschaft aus, was es rechtfertige, auch die Realisierung der zwischen Umwandlung und Veräußerung entstandenen stillen Reserven zu erfassen (zuletzt BFH-Beschluss vom 9. Januar 2009 IV B 27/808, [...]). Dieser Gedanke lässt den Schluss zu, dass die Veräußerung sämtlicher Mitunternehmeranteile schon seit 1. Januar 1995 mit § 18 Abs. 4 UmwStG erfasst wird, und zwar in Auslegung des Gesetzeswortlauts. Im Steuerrecht gilt im Allgemeinen die wirtschaftliche Betrachtungsweise. Wie bereits ausgeführt, besteht im Hinblick auf die Verhinderung missbräuchlicher Gestaltung kein Grund zu einer unterschiedlichen steuerlichen Beurteilung danach, ob ein Betrieb im Ganzen den Inhaber wechselt oder sämtliche Mitunternehmeranteile veräußert werden.

Im zu entscheidenden Fall kommt hinzu, dass alle Akte, die die formwechselnde Umwandlung und die Veräußerung sämtlicher Anteile an der Verw.-GmbH und der KG betreffen, an einem Tag erfolgten. Die Beschlüsse zur Gründung der Verw.-GmbH, zur Umwandlung, zur Übertragung eines Anteils von X an der GmbH auf die Verw.-GmbH und der Vertrag zur Veräußerung und Abtretung der Anteile des X an der Verw.-GmbH und der Klägerin sind am 15. August 1995 geschlossen worden. Daher liegt von vornherein ein Gesamtplan vor, der wirtschaftlich eine Veräußerung des Betriebs der GmbH an Y zum Gegenstand hat. X bzw. die Vertragspartner haben gerade diejenige Gestaltung gewählt, die der Gesetzgeber als missbräuchlich verhindern will.

f) Die Höhe der festgesetzten Gewerbesteuermessbeträge ist unstreitig zutreffend und wird von der Klägerin nicht angegriffen; das Gericht vermag insoweit keine Rechtswidrigkeit zu erkennen. Es sind auch die stillen Reserven aufzudecken, die zwischen Umwandlung und Veräußerung entstanden sind, sofern sie aus dem übertragenen Vermögen stammen (BFH-Urteil vom 16. November 2005 X R 6/04, BFHE 211, 518, BStBl. II 2008, 62 Rz. 16 m.w.N. , vom 26. Juni 2007 IV R 58/06, BFHE 217, 162, BStBl. II 2008, 73, bestätigt BVerfG vom 6. November 2008 1 BvR 2360/07, [...]). Vermögen, das zuvor schon der Klägerin gehört hat oder Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters war, gibt es soweit ersichtlich nicht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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