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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 29.11.2005
Aktenzeichen: 13 K 189/02
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Klägerin für ihren Sohn S., geb. am 29.04.1976, Kindergeld für die Monate Juli bis Dezember 1999 zusteht.

Der Sohn der Klägerin leistete bis zum 30. Juni 1999 Zivildienst. Ab 1. August 1999 begann er eine Berufsausbildung zum Landwirt. Hieraus erzielte er eine Ausbildungsvergütung i.H.v. 5.115 DM. Im Jahr 1999 erzielte S. Einkünfte aus Land- und Fortwirtschaft abzüglich Freibetrag i.H.v. 9.475 DM, wovon 4.737 DM auf die Zeit von Juni bis Dezember 1999 entfallen. Im Zusammenhang mit der Beendigung seines Zivildienstes hat S.ein Entlassungsgeld i.H.v. 1.500 DM erhalten. Von September bis Dezember 1999 hat S. darüber hinaus eine Berufsausbildungsbeihilfe erhalten, wovon der Beklagte nach Abzug der Fahrtkosten lediglich 318,88 DM als Einnahme berücksichtigte. Als Rentenzahlungen hat der Beklagte 3.590 DM angesetzt.

Nach Abzug der Werbungskostenpauschale i.H.v. 2.000 DM und der anteiligen Kostenpauschale für Bezüge ergibt sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte und Bezüge i.H.v. 13.080,88 DM. Dieser Betrag ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Die Klägerin begehrt bei der Berechnung der zur Bestreitung des Unterhalts anzusetzenden Einkünfte den weiteren Abzug von Altenteilsleistungen i.H.v. 8.587, 50 DM. Zur Begründung führt die Klägerin aus, nach dem Tode ihres Mannes und des Vaters von S. im Jahre 1993 habe S. den Hof seines Vaters, der ein Hof im Sinne der Höfeordnung sei, geerbt. Er sei Hofeserbe geworden. Mit Vertrag vom 20. Juni 1994 habe S. ihr an dem Hof ein Verwaltungs- und Nutznießungsrecht eingeräumt. Hierauf habe sie nach § 14 Abs. 1 Höfeordnung (HöfeO) einen Anspruch, da S. zum Zeitpunkt der Erbfolge noch keine 25 Jahre alt gewesen sei.

Mit notarieller Urkunde vom 3. April 1995, ergänzt durch Urkunde vom 14. August 1995, sei die Eintragung dieses Rechtes ins Grundbuch bewilligt worden. Mit Vertrag vom 23. Mai 1997 sei das Nießbrauchsrecht zum 1. Juli 1997 aufgehoben worden. Gleichzeitig sei ihr ein Altenteilsrecht eingeräumt worden, wonach S. verpflichtet sei, ihr 12.000 DM in bar zu leisten, ihr ein Wohnrecht im Erdgeschoss einzuräumen sowie sämtliche Wohnnebenkosten zu übernehmen. Darüber hinaus sei S. verpflichtet, sie in alten und kranken Tagen zu hegen und zu pflegen.

Im Einkommensteuerbescheid 1999 seien die Leistungen, die S. im Rahmen der Altenteilsregelung verpflichtet gewesen sei zu tragen, mit 17.175 DM als Sonderausgaben berücksichtigt worden. Die Hälfte hiervon - ab Juli 1999 - begehre sie bei der Ermittlung der berücksichtigungsfähigen Einkünfte ihres Sohnes abzuziehen.

Die Klägerin beruft sich im Wesentlichen auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 11. Januar 2005 (2 BvR 167/02). In dieser Entscheidung führe das Bundesverfassungsgericht aus, dass § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) verfassungskonform so auszulegen sei, dass sowohl von den Bezügen als auch von den Einkünften nur diejenigen in den Jahresgrenzbetrag einfließen, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet seien. Die Altenteilsleistungen, die S. an sie zu erbringen habe, hätten S. nicht zur Bestreitung des Unterhalts zur Verfügung gestanden.

Die Klägerin beantragt,

das Kindergeld für das Kind S. für die Monate Juli bis Dezember 1999 zu gewähren, hilfsweise, für den Fall ihres Unterliegens, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise für den Fall ihres Unterliegens, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Die Beklagte beruft sich darauf, dass grundsätzlich Sonderausgaben bei der Berechnung der zur Bestreitung des Unterhalts anzusetzenden Einkünfte außer Ansatz zu bleiben haben. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Da es sich bei den Altenteilerleistungen nicht um Betriebsausgaben, sondern um Sonderausgaben handele, dürften diese Leistungen keine Berücksichtigung finden. Dieser Auffassung stehe auch nicht die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entgegen. Denn aus dieser Entscheidung ergebe sich, dass lediglich Sozialversicherungsbeiträge aufgrund gesetzlicher Verpflichtung bei der Berechnung der zur Bestreitung des Unterhalts anzusetzenden Einkünfte abzusetzen seien, nicht aber generell sämtliche Sonderausgaben.

Wegen des weitergehenden Vorbringens wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Dem Gericht hat die bei der Beklagten geführte Kindergeldakte für die Klägerin vorgelegen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht für den Zeitraum von Juli bis Dezember 1999 kein Kindergeld für ihren Sohn S. zu. Die Einkünfte und Bezüge von Stefan übersteigen den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.

Nach dieser Vorschrift i.V.m. § 62 Abs. 1 Nr. 1 und § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG besteht ein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, dass das 18. Lebensjahr vollendet hat, nur dann, - die weiteren Voraussetzungen für eine Kindergeldgewährung sind unstreitig gegeben - wenn das Kind Einkünfte und Bezüge von nicht mehr als 13.020 DM im Kalenderjahr hat, die zur Bestreitung des Unterhalts und der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind. Der Grenzbetrag von 13.020 DM ist ein Jahresbetrag, der sich nach § 32 Abs. 4 Satz 7 EStG für jeden Kalendermonat, an dem die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld an keinem Tag vorgelegen hat, um 1/12 ermäßigt.

In den Monaten Januar bis Juni 1999 leistete der Sohn der Klägerin seinen Zivildienst ab und er erfüllte in dieser Zeit unstreitig nicht die Voraussetzungen auf Gewährung von Kindergeld, mit der Folge, dass der Grenzbetrag um diese 6 Monate zu kürzen ist. Der Grenzbetrag beträgt demgemäß 6.510 DM.

Die Einkünfte und Bezüge, die S, in den Monaten Juli bis Dezember 1999 bezogen hat, liegen über diesem Grenzbetrag.

Der Gesamtbetrag der Einkünfte und Bezüge, die der Sohn der Klägerin in den Monaten Juli bis Dezember 1999 bezogen hat, liegen lt. Einspruchsbescheid vom 24. April 2002 bei 13.080,88 DM. Auch die Klägerin geht von diesen Einkünften und Bezügen aus (s. Bl. 2 des Schriftsatzes vom 5. August 2002).

Der Senat folgt diesen unstreitigen Berechnungen, soweit diese sich zugunsten der Klägerin auswirken (Kürzung der Berufsausbildungsbeihilfe um die Fahrtkosten und gleichzeitige Berücksichtigung der Werbungskostenpauschale in vollem Umfang) und verändert diese Berechnung, soweit diese sich zum Nachteil der Klägerin auswirkt. Dies ist beim Rentenbezug der Fall. Die Beteiligten gehen übereinstimmend von einem Rentenbezug i.H.v. 3.590 DM aus. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen hat der Sohn der Klägerin lediglich Rentenleistungen i.H.v. 2.749,92 DM bezogen. Von der Hannoverschen Landwirtschaftlichen Sozialversicherung hat der Sohn der Klägerin ausweislich der Bescheinigung vom 29. August 2001 5 x 127,50 DM (= 637,50 DM) an Waisenrente erhalten. Von der BfA hat der Sohn der Klägerin ausweislich des Rentenbescheids vom 26. Juni 2001 in den Monaten Juli bis Dezember 1999 jeweils 352,07 DM an Rente (insgesamt: 2.112,42 DM) erhalten.

Hiernach ergeben sich Einkünfte und Bezüge für die Monate Juli bis Dezember 1999 i.H.v. 12.240,80 DM (13.080,88 DM - 3.590 DM + 2.749,92 DM).

Von diesem Betrag von 12.240,80 DM sind noch die Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 1.218,41 DM insgesamt abzusetzen.

Ausweislich der Lohnsteuerkarte hat der Sohn der Klägerin in der Zeit vom 16.7. bis 31.12.1999 1.079,36 DM an Sozialversicherungsbeiträgen geleistet. Hierzu kommen noch die Sozialversicherungsbeiträge, die dem Sohn der Klägerin im Zusammenhang mit dem Rentenbezug abgezogen worden sind, und zwar i.H.v. 139,05 DM (5 x 27,81 DM).

Zugunsten der Klägerin hat der Senat bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge ihres Sohnes das Entlassungsgeld i.H.v. 1.500 DM nicht berücksichtigt, da in der mündlichen Verhandlung nicht geklärt werden konnte, ob der Sohn der Klägerin das Entlassungsgeld im Juni oder Juli 1999 erhalten hat.

Die Einkünfte und Bezüge des Sohnes der Klägerin in den Monaten Juli bis Dezember 1999 belaufen sich somit auf 9.522,39 DM und liegen damit über dem Grenzbetrag von 6.510 DM. Die Altenteilsleistungen des Sohnes der Klägerin an diese aufgrund des notariellen Vertrages vom 23. Mai 1997 sind von den Einkünften und Bezügen des Sohnes der Klägerin nicht abzusetzen. Bei diesen Altenteilsleistungen handelt es sich um Zahlungen, die bei der Einkommensteuerveranlagung des Sohnes der Klägerin als dauernde Lasten und damit als Sonderausgaben bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens abgesetzt wurden. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass diese rechtliche Qualifizierung der Altenteilsleistungen als dauernde Last zutreffend ist. Der Senat folgt dieser Beurteilung, obwohl im Hinblick auf die Höhe der Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft und der Höhe der Altenteilsleistungen nicht sicher ist, ob die Altenteilsleistungen aus den Erträgen des Betriebes finanzierbar sind.

Aus dem Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, der von Einkünften und nicht von Einkommen oder zu versteuernden Einkommen spricht, ergibt sich, dass lediglich Betriebsausgaben/Werbungskosten bei der Errechnung des Kindeseinkommens abziehbar sind, nicht jedoch Sonderausgaben.

Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Beschluss vom 11. Januar 2005 (2 BvR 167/02) auf den sich beide Beteiligten berufen, diese bislang vom Bundesfinanzhof vertretene Auffassung verworfen und ausgeführt, dass sich der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enthaltene Passus "die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind" nicht nur auf Bezüge, sondern auch auf Einkünfte bezieht und damit insoweit ein über das Steuerrecht hinausgehendes wertendes Element in der Vorschrift gesehen.

In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die Sozialversicherungsbeiträge des Kindes nicht in die Bemessungsgrundlage für den Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen sind und in der Begründung hervorgehoben, dass der Abzug der gesetzlichen Pflichtbeiträge unabhängig von einer Willensbetätigung der Beteiligten erfolge.

Der Senat folgert hieraus im Umkehrschluss, dass grundsätzlich freiwillig begründete Leistungsverpflichtungen, wenn diese nicht zu Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben führen, bei der Berechnung des Jahresgrenzbetrages unberücksichtigt bleiben müssen.

Da die Verpflichtung des Sohnes der Klägerin zu Altenteilsleistungen nicht auf Gesetz, sondern auf dem notariellen Vertrag vom 23. Mai 1997 beruht, sind diese Leistungen, da sie keine Werbungskosten darstellen, bei der Berechnung des Jahresgrenzbetrages nicht anzusetzen.

Die Einkünfte und Bezüge des Sohnes der Klägerin liegen über dem Grenzbetrag, so dass die Klägerin keinen Anspruch auf Kindergeld für den streitigen Zeitraum hat.

Es kann aus diesem Grunde auch offen bleiben, ob Zahlungen des Kindes, für das Kindergeld begehrt wird, an den Kindergeldberechtigten überhaupt Berücksichtigung bei der Ermittlung des Jahresgrenzbetrages finden kann.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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