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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 28.10.2008
Aktenzeichen: 13 K 457/07
Rechtsgebiete: EStG, InsO, HGB


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 7 S. 2
EStG § 5 Abs. 1 S. 1
InsO §§ 174 ff.
HGB § 249
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

13 K 457/07

Einkommensteuer 2004

Tatbestand:

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn B (zukünftig: Steuerpflichtiger). Über das Vermögen wurde am 19. Mai 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Steuerpflichtige war an der R/B GbR beteiligt. Die Gesellschaft betätigte sich als Bauträger.

Die GbR hatte in früheren Jahren in ihren Bilanzen Rückstellungen in erheblicher Größenordnung für Mietgarantien und drohende Rückabwicklungen gebildet. Zugrunde lagen Bauvorhaben in S und F, die die GbR in den Jahren 1994 und 1995 vermarktet hatte. Die Rückstellungen sollten bis zum Ablauf der Verjährungsfristen eingestellt bleiben.

Im Streitjahr 2004 löste die GbR die Rückstellungen in Höhe von 1.687.131 EUR auf. Als weitere Erträge wies die GbR sonstige betriebliche Erträge in Höhe von 489.956 EUR aus, die allem Anschein nach aus der Realisierung stiller Reserven herrührten. Der erzielte Gewinn betrug 1.304.991 EUR. Der auf den Steuerpflichtigen entfallende Gewinnanteil betrug 326.247 EUR. Das zuständige Finanzamt G erließ einen entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheid.

In der von dem Steuerpflichtigen eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 waren nur negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Einkünfte aus einer Rente enthalten. Nachdem der Beklagte zunächst nach dieser Maßgabe veranlagt hatte, erging am 20. November 2006 ein nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO geänderter Einkommensteuerbescheid für 2004, der an den Insolvenzverwalter gerichtet war und der den Gewinnanteil des Steuerpflichtigen an der R/B GbR berücksichtigte. Die festgesetzte Einkommensteuer betrug 107.110 EUR. Der Beklagte begründete die geänderte Steuerfestsetzung damit, dass es sich bei der Steuer, die auf den GbR-Gewinnanteil entfiel, um eine Masseverbindlichkeit handele.

Am 17. August 2007 änderte der Beklagte die Steuerfestsetzung dahingehend, dass die auf die Renteneinkünfte entfallende Einkommensteuer dem insolvenzfreien Bereich zugeordnet wurde. Für die Steuer auf die Renteneinkünfte erging ein an den Steuerpflichtigen gerichteter Einkommensteuerbescheid. Entsprechend reduzierte sich die gegenüber dem Kläger festgesetzte Einkommensteuer geringfügig.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsbescheid vom 24. August 2007) erhob der Kläger mit am 18. September eingegangenem Schriftsatz Klage.

Er trug im Einspruchs- und Klageverfahren vor, dass es nicht zulässig sei, den Einkommensteuerbescheid für und gegen die Masse zu erlassen, weil die Masse keine Einnahmen aus dem GbR-Gewinnanteil generiert habe. Die Insolvenzordnung sehe nur vor, dass nach Insolvenzeröffnung erzielte Einnahmen der Insolvenzmasse zuzurechnen seien, soweit sie zur Masse fließen würden. Da im vorliegenden Fall keine entsprechenden Einnahmen in die Masse geflossen seien, brauche die Masse auch keine diesbezüglichen Steuern zu begleichen. Der Beklagte verkenne grundlegend, dass es für die Einordnung als Masseverbindlichkeiten darauf ankomme, ob es sich um Einkünfte handele, welche die Insolvenzmasse vermehrt hätten (BFH, ZIP 1995, 661, 662 f.).

Im Übrigen seien die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb der R/B GbR keine nachinsolvenzrechtlichen Einkünfte, die die Masse betreffen würden. Es handele sich um Berichtigungen von Verlustzuweisungen, die zwar steuertechnisch zu einem Gewinn führen würden, jedoch nicht als Masseverbindlichkeit anzusehen seien. Die Steuerforderungen seien insolvenzrechtlich bereits im Zeitpunkt ihrer unberechtigten Bildung entstanden und nicht erst im Zeitpunkt der Auflösung. Der BFH habe in seinem Beschluss vom 1. April 2008 (ZIP 2008, 1780, 1781) klargestellt, dass ein Steueranspruch bloße Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO sei, wenn er vor Eröffnung des Verfahrens in der Weise begründet worden sei, dass der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung geführt habe, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sei. Im vorliegenden Fall seien der zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung geführt habe, bereits mit der Vereinnahmung der Veräußerungserlöse aus dem jeweiligen Bauvorhaben abgeschlossen worden. Ansonsten könne es das Finanzamt in sein Belieben stellen, ob Steuerverpflichtungen eines insolventen Schuldners Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten seien. Daher seien die geltend gemachten Steueransprüche gegen den Schuldner zu richten oder zur Tabelle anzumelden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten für 2004 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom 20. November 2006, geändert mit Bescheid vom 17. August 2007 in der Form des Einspruchsbescheids der Beklagten vom 24. August 2007 (Steuernummer: x) aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf den Einspruchsbescheid. Darin wird ausgeführt, dass zur Insolvenzmasse nach § 35 InsO das gesamte Vermögen gehöre, was dem Schuldner im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens gehört habe und welches er während des Verfahrens erlange. Die Beteiligung an der R/B GbR habe zur Insolvenzmasse gehört. Für die Zuordnung einer Einkommensteuerverbindlichkeit als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit sei entscheidend, ob die Steuer vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sei. Eine Steuer sei begründet, wenn der Sachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung führe, verwirklicht worden sei. Durch die Bildung der Rückstellung sei noch keine Steuerforderung entstanden. Sie sei erst in dem Zeitpunkt begründet worden, in dem das Ereignis eintrete, welches zur Auflösung der Rückstellungen führte. Erst im Streitjahr sei dieses Ereignis eingetreten.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

I. Der Beklagte hat die auf dem Gewinnanteil an der R/B GbR beruhende Einkommensteuer für das Jahr 2004 zu Recht als Masseverbindlichkeit behandelt und gegenüber dem Kläger mittels Einkommensteuerbescheid geltend gemacht.

1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt steuerrechtlich nicht zu Steuerfestsetzungen für einen Besteuerungszeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung (st. Rspr. seit Aufgabe der sog. Separationstheorie des RFH, vgl. Urteil des RFH vom 22. Juni 1938 VI 687/37, RStBl 1938, 669). Die Einkommensteuer ist nach § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG eine Jahressteuer. Die Grundlagen für die Festsetzung sind für das jeweilige Kalenderjahr zu ermitteln (§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG). Der Veranlagungszeitraum für die Festsetzung der Einkommensteuer ist ebenfalls das Kalenderjahr (§ 25 Abs. 1 EStG).

Auch in der Insolvenz ist daher für den jeweiligen Besteuerungszeitraum eine einheitliche Veranlagung durchzuführen, in die sämtliche Einkünfte einzubeziehen sind, die der Insolvenzschuldner in dem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Die steuerlichen Rechtsfolgen der Tatbestandsverwirklichung, also der Grund und die Höhe des Einkommensteueranspruchs, richten sich allein nach dem Steuerrecht (BFH-Urteil vom 7. November 1963 IV 210/62 S, BStBl III 1964, 70; BFH-Urteil vom 14. Februar 1978 VIII R 28/73, BStBl I 1978, 356; BFH-Urteil vom 25. Juli 1995 VIII R 61/94, BFH/NV 1996, 117; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 6. Auflage, S. 80 ff.; Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenz und Steuern, 7. Auflage, Rz. 1081; Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rz. 2267).

Im Falle einer Insolvenz ist diese einheitlich ermittelte Einkommensteuer aber den verschiedenen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien zuzuordnen. Die Zuordnung der Steuerforderung zu den verschiedenen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien bestimmt sich nicht nach dem Steuerrecht, sondern nach dem Insolvenzrecht (BFH-Urteil vom 14. Februar 1978 VIII R 28/73, BStBl II 1978, 356; BFH-Urteil vom 11. November 1993 XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477; BFH-Urteil vom 25. Juli 1995 VIII R 61/94, BFH/NV 1996, 117; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Auflage, § 80 Rz. 25; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 6. Auflage, S. 106 ff.; Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 7. Auflage, Rz. 1151 ff.). Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Begründetseins des gegen den Insolvenzschuldner gerichteten Anspruchs. Auf die Entstehung des Steueranspruchs im Sinne des § 38 AO kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 29. März 1984 IV R 271/83, BStBl II 1984, 602; BFH-Urteil vom 11. November 1993 XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477; BFH-Beschluss vom 1. April 2008 X B 201/07, BFH/NV 2008, 925).

Die Steuerforderung stellt eine Insolvenzforderung dar, soweit es sich um einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch handelt (vgl. § 38 InsO). Eine als Insolvenzforderung zu qualifizierende Steuerforderung kann nur durch Anmeldung zur Insolvenztabelle gem. §§ 174 ff. InsO durchgesetzt werden. Sie nimmt an dem insolvenzrechtlichen Masseverteilungsverfahren teil.

Wird die Steuerforderung dagegen durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse begründet, so handelt es sich um eine sonstige Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Eine als Masseverbindlichkeit zu qualifizierende Steuerforderung ist nach § 53 InsO vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen. Sie wird mittels Einkommensteuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 1993 XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477; BFH-Urteil vom 25. Juli 1995 VIII R 61/94, BFH/NV 1996, 117; BFH-Urteil vom 5. März 2008 X R 60/04, BFH/NV 2008, 1569).

Schließlich kann die Steuerforderung auf dem insolvenzfreien Vermögen des Insolvenzschuldners beruhen. Hierbei handelt es sich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO um Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, also um das pfändungsfreie Vermögen. Soweit die Steuerforderung durch das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners entstanden ist, ist sie gegenüber dem Insolvenzschuldner festzusetzen.

Sind in einem Veranlagungszeitraum mehrere insolvenzrechtliche Forderungskategorien betroffen, so ist die einheitlich ermittelte Einkommensteuer aufzuteilen (BFH-Urteil vom 29. März 1984 IV R 271/83, BStBl II 1984, 602; BFH-Urteil vom 25. Juli 1995 VIII R 61/94, BFH/NV 1996, 117; BFH-Urteil vom 5. März 2008 X R 60/04, BFH/NV 2008, 1569). Nach Auffassung des BFH ist der Aufteilungsmaßstab das Verhältnis der Teileinkünfte zueinander (BFH-Urteil vom 29. März 1984 IV R 271/83, BStBl II 1984, 602; BFH-Urteil vom 11. November 1993 XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477).

Diese Grundsätze gelten auch, wenn eine nicht insolvente Gesellschaft Gewinne erzielt, die steuerrechtlich einem insolventen Mitunternehmer zuzurechnen sind. Auch in diesem Fall wird die Einkommensteuer des Mitunternehmers nach steuerrechtlichen Grundsätzen und damit unter Berücksichtigung der Zurechnungsnorm des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG für den Gewinnanteil der Gesellschaft ermittelt. Erst die anschließende Zuordnungsentscheidung zu den verschiedenen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien erfolgt nach insolvenzrechtlichen Kriterien.

2. Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewandt, handelt es sich bei der gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Steuerpflichtigen festgesetzten Einkommensteuerschuld um eine Masseverbindlichkeit.

a) Der Beklagte hat die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2004 zutreffend nach den steuerrechtlichen Grundsätzen mit 107.110 EUR ermittelt. Insbesondere hat der Beklagte zu Recht den Gewinnanteil an der R/B GbR nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfasst.

Da der Gewinn der GbR nach §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 2 Buchstabe a AO einheitlich und gesondert festgestellt worden ist, kann auf der Ebene der Einkommensteuerfestsetzung nicht geprüft werden, ob die Höhe des Gewinns der Gesellschaft oder die Zurechnung des Gewinnanteils zutreffend ist. Die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung ist für den Einkommensteuerbescheid bindend (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO). Einwendungen bezüglich der Gewinnfeststellung müssen nach § 351 Abs. 2 AO gegen den Grundlagenbescheid geltend gemacht werden. Daher kann das Gericht in dem hier vorliegenden Verfahren nicht überprüfen, ob die Rückstellungen steuerrechtlich zutreffend in dem Jahr 2004 aufgelöst worden sind, oder ob der Gewinnanteil noch dem Steuerpflichtigen zugerechnet werden durfte (vgl. § 42 FGO).

b) Erst nach der vorrangigen Ermittlung der Einkommensteuerschuld für das Jahr 2004 stellt sich die insolvenzrechtlich zu lösende Frage, welcher insolvenzrechtlichen Forderungskategorie die Einkommensteuerforderung 2004 zuzuordnen ist.

aa) Die Zuordnungsfrage ist nicht auf der Ebene der Gesellschaft zu entscheiden. Zwar gibt es in der Literatur die Auffassung, dass die Zuordnungsentscheidung schon in dem Gewinnfeststellungsbescheid zu erfolgen habe (Benne, Betriebs-Berater 2001, 1977 (1987 f.)). Dieser Ansicht ist zuzugeben, dass das Betriebsfinanzamt die genaueren Kenntnisse über die einzelnen Vorgänge in der Gesellschaft haben wird. Jedoch würde die insolvenzrechtliche Zuordnungsentscheidung in dem steuerrechtlichen Grundlagenbescheid die rein steuerrechtliche Funktion der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung ausblenden. Außerdem kann sich die insolvenzrechtliche Zuordnungsfrage immer nur auf Steuerforderungen beziehen. Auf der Ebene der Gewinnfeststellung existiert aber noch keine festgesetzte Steuerforderung. Es ist auf dieser Ebene auch nicht absehbar, ob eine Einkommensteuerforderung entstehen wird und wie hoch sie sein wird. Daher kann die insolvenzrechtliche Zuordnungsentscheidung nur auf der Ebene der Einkommensteuerfestsetzung getroffen werden. Hierfür spricht auch der Beschluss des Großen Senats des BFH vom 11. April 2005 (GrS 2/02, BStBl II 2005, 679) zur sog. Zebragesellschaft.

bb) Der Beklagte hat die Einkommensteuerforderung mit Bescheiden vom 17. August 2007 zu Recht in eine Forderung wegen der insolvenzfreien Tätigkeit des Steuerpflichtigen (Rente) und eine die Insolvenzmasse betreffende Forderung aufgeteilt. Der Aufteilungsmaßstab entspricht den von der Rechtsprechung vorgegebenen Grundsätzen. Der Beklagte hat die verbliebene Einkommensteuerforderung ebenfalls zu Recht als Masseverbindlichkeit qualifiziert.

aaa) Ob der Steueranspruch vor oder nach der Insolvenzeröffnung begründet wurde, ergibt sich danach, ob der Rechtsgrund für die Entstehung des Steueranspruchs bereits zu diesem Zeitpunkt gelegt war. Zwar entsteht die Einkommensteuerschuld nach § 36 Abs. 1 EStG steuerrechtlich erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Sie wird aber für die insolvenzrechtliche Zuordnungsentscheidung schon dann "begründet", wenn im Laufe des Veranlagungszeitraums die einzelnen für die Höhe des Jahreseinkommens maßgebenden Besteuerungsmerkmale verwirklicht werden. Der schuldrechtliche Tatbestand, der die Grundlage für den Steueranspruch bildet, muss vollständig abgeschlossen sein (Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Auflage, § 55 Rz. 37). Für die insolvenzrechtliche Betrachtung ist es daher entscheidend, ob die die Steuer auslösenden Besteuerungsmerkmale vor oder nach der Insolvenzeröffnung verwirklicht worden sind (BFH-Urteil vom 29. März 1984 IV R 271/83, BStBl II 1984, 602; BFH-Urteil vom 11. November 1993 XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477; BFH-Beschluss vom 1. April 2008 X B 201/07, BFH/NV 2008, 925).

Nach § 721 Abs. 2 BGB entsteht der Anspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft auf den Gewinnanteil erst nach Ablauf des Geschäftsjahres. Er setzt die Aufstellung und Feststellung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung voraus. Hierbei handelt es sich um einen rechtsbegründenden Akt. Ohne die Feststellung der Bilanz entsteht der Gewinnanspruch nicht (BGH-Urteil vom 6. April 1981 II ZR 186/80, BGHZ 80, 357; Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Recht, Buch 2 §§ 705-740, Bearbeitung 2003, § 721 Rz. 8 f.). Daher spricht viel dafür, dass der Gewinnanteil auch insolvenzrechtlich erst begründet ist, wenn die Bilanz festgestellt worden ist. Ohne festgestellten Gewinnanteil kann auch die darauf beruhende Steuerforderung noch nicht begründet sein. Schon aus diesem Grund ist der Senat nicht der Auffassung, dass die Steuerforderung zivilrechtlich bereits mit dem Abschluss der Bauvorhaben in den Jahren 1994 und 1995 begründet worden ist.

Wollte man, wie es der Kläger meint, auf die einzelnen Geschäftsvorfälle in der Gesellschaft abstellen, würde dies eine umfassende Prüfung der Buchführung der Gesellschaft auf das "Begründetsein" jedes einzelnen Geschäftsvorfalls auf der Einnahmen- und Ausgabenseite bedeuten. Es müssten an den insolvenzrechtlichen Kriterien "Insolvenzforderung" und "Masseverbindlichkeit" ausgerichtete Gewinnermittlungen gefertigt werden, die in eine neue Aufteilung des Gewinns münden würden. Eine solche Vorgehensweise dürfte bei größeren Gesellschaften praktisch kaum umsetzbar sein. Schon in dem hier vorliegenden Fall beruhte der Gewinnanteil des Steuerpflichtigen entgegen dem Vortrag des Klägers nicht ausschließlich auf der Auflösung von Rückstellungen, sondern auch auf sonstigen betrieblichen Erträgen in nicht unbedeutender Höhe.

Selbst wenn auf die einzelnen Geschäftsvorfälle in der Gesellschaft abzustellen wäre, war der zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Auflösung der Rückstellungen geführt hat, entgegen der Auffassung des Klägers nicht mit der Vereinnahmung der Veräußerungserlöse aus den jeweiligen Bauvorhaben abgeschlossen. Insbesondere trifft die Annahme des Klägers nicht zu, dass die Steueransprüche zivilrechtlich bereits mit der Vereinnahmung der Veräußerungserlöse entstanden seien und dass die steuerrechtliche Bildung der Rückstellungen unerheblich sei.

Für die Frage, ob ein Steueranspruch besteht oder nicht besteht, ist nicht das Zivilrecht bzw. das Insolvenzrecht maßgeblich ist, sondern ausschließlich das Steuerrecht. Nach den steuerrechtlichen Vorschriften war der Gewinn aus der Auflösung der Rückstellungen erst im Veranlagungszeitraum 2004 zu erfassen. Die sich erst an die steuerrechtliche Ermittlung der Einkommensteuer anschließende insolvenzrechtliche Zuordnungsentscheidung kann die Steuerforderung nicht in einen Veranlagungszeitraum verschieben, in dem sie steuerrechtlich noch gar nicht entstanden ist. Würde man dem Gedankengang des Klägers folgen, dann wäre die Steuerforderung bereits Mitte der 90ziger Jahre insolvenzrechtlich begründet, mit der Folge, dass es sich nur um eine Insolvenzforderung handeln würde. Es wäre für das Finanzamt aber nicht möglich, eine entsprechende erhöhte Steuerforderung für die Jahre 1994 oder 1995 zur Insolvenztabelle anzumelden, weil eine solche Steuerforderung nach steuerrechtlichen Maßstäben (noch) nicht entstanden wäre. Steuerrechtlich wäre es unzulässig, die Rückstellungen bereits in Zeiträumen aufzulösen, in denen die Voraussetzungen für die Rückstellungsbildung noch vorlagen. Eine Anmeldung der hier streitigen Steuerforderung für Veranlagungszeiträume in denen die Veräußerungserlöse aus den Bauvorhaben vereinnahmt worden waren, wäre rechtswidrig. Der Insolvenzverwalter könnte der Anmeldung mit Erfolg widersprechen.

Hinzu kommt, dass die Annahme des Klägers, dass der zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung geführt hat, bereits mit der Vereinnahmung der Veräußerungserlöse abgeschlossen war, auch inhaltlich nicht zutrifft. Rückstellungen sind sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich zu bilden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (§ 249 HGB in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Bei Rückstellungen wegen ungewisser Verbindlichkeiten steht keineswegs bereits im Zeitpunkt der Bildung fest, dass diese zukünftig gewinnerhöhend wieder aufzulösen sein werden. Die gewinnerhöhende Auflösung kommt vielmehr nur in Betracht, wenn sich das zurückgestellte Risiko nicht verwirklicht hat. Voraussetzung für die Entstehung der Steuerforderung ist daher neben der Bildung der Rückstellungen zusätzlich, dass weder die Mietgarantien in Anspruch genommen wurden, noch die befürchteten Rückabwicklungen eintraten. Der zivilrechtliche Lebenssachverhalt, der zu der Steuerforderung führte, umfasste deshalb den Zeitraum, in dem sich die befürchteten Risiken nicht verwirklichten. Erst nach Ablauf der Verjährungsfristen im Jahr 2004 war klar, dass die Rückstellungen gewinnerhöhend aufzulösen waren und dass eine Steuerforderung entstehen würde. Deshalb wurde die Steuerforderung auch insolvenzrechtlich erst im Jahr 2004 begründet.

Insoweit besteht eine Rechtslage, wie bei der Verwertung von betrieblichen Wirtschaftsgütern durch den Insolvenzverwalter. In diesen Fällen haben sich die realisierten stillen Reserven auch über einen längeren Zeitraum vor der Insolvenzeröffnung aufgebaut. Dennoch geht der BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die aus der Versilberung entstehende Steuerforderung eine Masseverbindlichkeit ist. Der Grund für diese Rechtsprechung ist, dass das bloße Ansammeln und Halten stiller Reserven einkommensteuerrechtlich irrelevant ist. Eine Erfassung im Stadium der Vermögensbildung widerspricht dem Realisations- und dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Diese steuerrechtliche Würdigung ist auch für die nachfolgende insolvenzrechtliche Zuordnungsentscheidung maßgeblich (BFH-Urteil vom 7. November 1963 IV 210/62 S, BStBl III 1964, 70; BFH-Urteil vom 29. März 1984 IV R 271/83, BStBl II 1984, 602; BFH-Urteil vom 11. November 1993 XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477; Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rz. 2280 f.; Classen, Betriebs-Berater 1985, 50 (51); anderer Ansicht z.B. Meyer/Verfürth, Betriebs-Berater 2007, 862 (864 f.)). Der hier vorliegende Fall ist insoweit vergleichbar, als die bloße Bildung einer Rückstellung für sich genommen noch nicht besagt, dass sie später gewinnerhöhend aufgelöst werden muss. Eine insolvenzrechtliche Zuordnung der Steuerforderung in Zeiträume, in denen die gewinnerhöhende Auflösung der Rückstellungen handelsrechtlich und steuerrechtlich noch nicht zulässig ist, würde gegen das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip verstoßen.

Soweit der Gewinnanteil des Steuerpflichtigen auf den "sonstigen betrieblichen Erträgen" beruhte, dürfte es sich um die Realisierung von stillen Reserven gehandelt haben, so dass nach der oben zitierten Rechtsprechung die insolvenzrechtliche Begründung der Steuerforderung erst mit der Veräußerung in dem Jahr 2004 erfolgte.

bbb) Die Einordnung als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO scheitert auch nicht daran, dass die aus dem Gewinnanteil der GbR resultierende Steuerforderung nicht auf Handlungen des Insolvenzverwalters beruhte, sondern auf Handlungen der Geschäftsführer der GbR. Die Beteiligung an der Personengesellschaft gehörte zur Insolvenzmasse des Gesellschafters. Die Verwaltungs- und Verfügungsrechte wurden nach der Insolvenzeröffnung von dem Insolvenzverwalter ausgeübt. Daher gehörte die Beteiligung zum Verwaltungs- und Verfügungsbereich des Insolvenzverwalters. Zwar wird die Steuerforderung nicht unmittelbar "durch Handlungen des Insolvenzverwalters" im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 InsO begründet. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 InsO reicht es aber aus, dass sie "in anderer Weise" im Zusammenhang mit der Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse begründet wird (BFH-Urteil vom 7. April 2005 V R 5/04, BStBl II 2005, 848). Die Einkommensteuerforderung kann daher als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO eingeordnet werden (ebenso: Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 6. Auflage, S. 136 f.; Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 318; anderer Ansicht wohl Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Auflage, § 80 Rz. 25).

ccc) Der Kläger kann auch nicht mit dem Argument durchdringen, dass der zugerechnete Gewinn aus der GbR die Insolvenzmasse nicht vermehrt habe und dass deshalb die darauf lastende Steuerforderung nicht Masseverbindlichkeit sein kann.

Zwar entspricht die im Einspruchsverfahren geäußerte Auffassung des Beklagten, dass es nie darauf ankomme, ob der Masse etwas zufließe, nicht der Rechtsprechung des BFH. Der BFH hat für den Fall, dass ein absonderungsberechtigter Gläubiger einen Gegenstand der Insolvenzmasse außerhalb des Insolvenzverfahrens zwangsversteigern lässt, die auf dem Veräußerungsgewinn beruhende Steuerforderung nicht als Masseverbindlichkeit angesehen (BFH-Urteil vom 14. Februar 1978 VIII R 28/73, BStBl II 1978, 356; BFH-Urteil vom 29. März 1984 IV R 271/83, BStBl II 1984, 602). Daraus wird allgemein gefolgert, dass eine Steuerforderung nicht Masseverbindlichkeit sein kann, wenn das zugrunde liegende Einkommen, welches die Steuerforderung ausgelöst hat, nicht der Masse zugute kommt (Benne, Betriebs-Berater 2001, 1977 (1979 ff.); Meyer/Verfürth, Betriebs-Berater 2007, 862 (865); Waza/ Uhländer/ Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 7. Auflage, Rz. 1210; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 6. Auflage, S. 135 ff.; vgl. auch BFH-Urteil vom 9. November 1994 I R 5/94, BStBl II 1995, 255; BFH-Urteil vom 5. März 2008 X R 60/04, BFH/NV 2008, 1569; Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rz. 2283 f.).

Indes stellt die Beteiligung an der R/B GbR insolvenzrechtlich einen Vermögensgegenstand der Insolvenzmasse dar. Wenn die Gesellschaft Gewinne erzielt, erhöht der erzielte Gewinn zumindest mittelbar den Wert der Beteiligung. Außerdem besteht nach § 721 BGB grundsätzlich ein der Masse zustehender Auszahlungsanspruch hinsichtlich des Gewinnanteils. Deshalb sind Einkommensteuerverbindlichkeiten, die durch Gewinne einer Personengesellschaft entstehen, deren Beteiligung zur Insolvenzmasse des Gesellschafters gehört, insolvenzrechtlich grundsätzlich als Masseverbindlichkeiten einzuordnen (ebenso: Benne, Betriebs-Berater 2001, 1977 (1979 f.); Waza/ Uhländer/ Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 7. Auflage, Rz. 1235; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 6. Auflage, S. 133 ff.; Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rz. 2302; Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 318). Dies führt zwar zu unbefriedigenden Ergebnissen, wenn die Gesellschaft entweder selbst insolvent ist oder die Gewinne nur bestehende Verlustvorträge abbauen und bei einer Veräußerung der Beteiligung kein Erlös erzielt werden kann. In diesen Fällen führt der Gewinnanteil wirtschaftlich zu keiner Erhöhung der Masse. Vielmehr wird umgekehrt die Masse durch die Einkommensteuerforderung geschmälert (ausführlich: Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 6. Auflage, S. 134 ff.; Benne, Betriebs-Berater 2001, 1977 (1980)). Dennoch hat der BFH für den Fall eines Simultankonkurses entschieden, dass der auf den Einkünften aus der Mitunternehmerschaft beruhende Einkommensteuerbescheid gegen den Konkursverwalter über das Vermögen des Mitunternehmers zu richten ist (BFH-Urteil vom 5. März 2008 X R 60/04, BFH/NV 2008, 1569; vgl. auch Kahlert, ZIP 2008, 1645). Obwohl der in der Personengesellschaft erwirtschaftete Gewinn wegen des eröffneten Konkursverfahrens nur den Masse- und Konkursgläubigern zur Verfügung stand, sah es der BFH zumindest bei unbeschränkt haftenden Gesellschaftern als gerechtfertigt an, dass die Einkommensteuer aus der Konkursmasse des Gesellschafters gezahlt wird. Begründet wird dieses Ergebnis damit, dass der auf der Ebene der Gesellschaft erzielte Gewinn dem Gesellschafter haftungsmindernd zugute kommt (so auch Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 315).

Der Senat schließt sich dieser Erwägung an. Würde man in dem vorliegenden Fall einen konkreten Geldzufluss in die Insolvenzmasse zur Voraussetzung für den Ansatz der Einkommensteuerforderung als Masseverbindlichkeiten machen, könnte die Einkommensteuerforderung überhaupt nicht mehr geltend gemacht werden (ebenso: Benne, Betriebs-Berater 2001, 1977 (1981); Weiss, Finanzrundschau 1990, 539 (543): "Alles oder Nichts"). Eine Einordnung als Masseverbindlichkeit entfiele, weil kein konkreter Geldzufluss stattgefunden hat. Eine Einordnung als Insolvenzforderung wäre nicht möglich, weil die Einkommensteuerforderung nach den obigen Ausführungen nicht vor der Insolvenzeröffnung begründet worden ist. Eine Zuordnung zum insolvenzfreien Vermögen wäre nicht möglich, weil es sich bei dem Besteuerungsgegenstand nicht um pfändungsfreies Vermögen handelt. Ein solches Ergebnis wäre unzutreffend, weil mit der Bildung der Rückstellungen in früheren Jahren Einkommensteuerersparnisse verbunden waren. In der Insolvenzmasse sind daher Vermögenswerte enthalten, die ohne die Rückstellungsbildung nicht vorhanden wären. Mit dieser Erwägung hat der BFH in anderen Fallkonstellationen eine Versteuerung von Buchgewinnen zugelassen, selbst wenn der Steuerpflichtige diese Gewinne nicht mehr vereinnahmen konnte, weil die daraus herrührenden zivilrechtlichen Ansprüche wertlos waren (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1966 IV 232/64, BStBl III 1967, 309; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. November 1980 GrS 1/79, BStBl II 1981, 164 jeweils zum Wegfall des negativen Kapitalkontos des Kommanditisten). Würde man im vorliegenden Fall keine Masseverbindlichkeit annehmen, würde die Besteuerung von Buchgewinnen während des Insolvenzverfahrens ganz allgemein entfallen. Betroffen wären auch Aufgabegewinne des Mitunternehmers (vgl. Meyer/Verfürth, Betriebs-Berater 2007, 862) oder Sanierungsgewinne nach Forderungsverzichten der wesentlichen Gläubiger (vgl. Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung Band 1, § 55 Rz. 76 m.w.N.).

II. Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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