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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 18.05.2009
Aktenzeichen: 13 K 466/08
Rechtsgebiete: FGO, UStG


Vorschriften:

FGO § 40 Abs. 2
UStG § 14 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2006.

Die Klägerin ist polnische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Sie meldete am 24.08.2006 ein Gewerbe bei der Gemeinde K an. Im Rahmen des Betriebes sollten haushaltsnahe Dienstleistungen, Arbeiten im Haushalt, Seniorenbetreuung, leichte pflegerische Arbeitung und Arbeiten rund um Haus und Hof erledigt werden.

In ihrer Einkommensteuererklärung 2006 erklärte die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 3.194 EUR. Der Beklagte setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 05.06.2007 auf 0 EUR erklärungsgemäß fest.

Aufgrund von Feststellungen des HZA X ging der Beklagte davon aus, dass die Klägerin keine selbständige gewerbliche Tätigkeit sondern eine nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt hat. Da bei Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit für die Klägerin keine Steuererklärungspflicht bestand, hob der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2006 mit Aufhebungsbescheid vom 04.12.2007 auf.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein mit der Begründung, die Einordnung der Einkünfte sei unzutreffend. Der Beklagte verwarf daraufhin den Einspruch mit Entscheidung vom 13.11.2008 als unzulässig.

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung des Aufhebungsbescheides. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, der Einspruch sei entgegen der Ansicht des Beklagten zulässig. Auch eine auf 0 EUR lautende Steuerfestsetzung bzw. ein Aufhebungsbescheid könne eine Beschwer enthalten. Diese Beschwer könne im unzutreffenden Ansatz einzelner Besteuerungsgrundlagen enthalten sein. Mit dem Aufhebungsbescheid habe der Beklagte nicht nur den Einkommensteuerbescheid aufgehoben, sondern auch die Steuernummer gelöscht. Die Feststellung des Beklagten habe zum einen zur Folge, dass die Klägerin ohne Arbeitserlaubnis gearbeitet habe und zum anderen sozial- und lohnsteuerpflichtige Konsequenzen.

Ferner hätte für die Klägerin eine Krankenversicherungspflicht bei nichtselbständiger Tätigkeit bestanden, die bis 2008 für Gewerbetreibende nicht bestand. Entscheidend sei auch, dass die Steuernummer gelöscht worden sei, da diese die Grundvoraussetzung für die Ausübung eines Gewerbes sei. Ohne Steuernummer sei eine Rechnungserstellung nicht möglich.

Die Klägerin beantragt,

den Aufhebungsbescheid vom 04.12.2008 und die Einspruchsentscheidung vom 13.11.2008 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei unbegründet, da die Klägerin durch den Aufhebungsbescheid nicht beschwert sei. Die steuerliche Beurteilung sei weder für die Frage der Erforderlichkeit einer Arbeitserlaubnis oder die Sozialversicherungspflicht bindend.

Zudem sei der Aufhebungsbescheid auch inhaltlich zutreffend. Wer Arbeitnehmer sei, sei unter Beachtung des § 1 LStDV nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Die arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung sei unmaßgeblich. Bei der Tätigkeit der Klägerin spreche die Mehrzahl der heranzuziehenden Kriterien für eine Arbeitnehmertätigkeit.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist unzulässig.

1. Die Klägerin ist weder durch den Einkommensteuerbescheid vom 05.06.2007, mit dem die Einkommensteuer auf 0 EUR festgesetzt wurde, noch durch den Aufhebungsbescheid vom 04.12.2007 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung beschwert. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Klage, die sich gegen die Festsetzung der Einkommensteuer in Höhe von null EUR mit der Begründung richtet, dass die Besteuerungsgrundlagen der unzutreffenden Einkunftsart zugeordnet worden seien, regelmäßig mangels Beschwer unzulässig (BFH-Urteile vom 15. November 1995 X R 87/92, BFH/NV 96, 545; vom 10. November 1987 VIII R 17-19/84, BFH/NV 1989, 278, jeweils m.w.N.; zu Ausnahmen vgl. Senatsurteil vom 27. September 1988 VIII R 432/83, BFHE 155, 83, BStBl II 1989, 225).

2. Gleiches gilt, wenn das Finanzamt einen auf 0 EUR lautenden Einkommensteuerbescheid aufhebt, einen Antrag auf Durchführung der Einkommensteuer-Veranlagung (konkludent) ablehnt und nach dem eigenen Vorbringen des Steuerpflichtigen eine Steuerschuld von null EUR festzusetzen wäre. Die Klagebefugnis für ein hierauf gerichtetes Begehren kann nur in Ausnahmefällen angenommen werden, nämlich dann, wenn der Kläger aufgrund der unterbliebenen Veranlagung jedenfalls mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit anderweitige --u.U. auch außersteuerliche-- Nachteile befürchten muss (BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1987 V B 152/87, BFHE 152, 40, BStBl II 1988, 286; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 40 Anm. 88, m.w.N.). Diese sind vorliegend nicht ersichtlich.

3. Entgegen der Auffassung der Klägerin führt die Einordnung der erzielten Einkünfte als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht zu einer Beschwer i.S.d. § 40 Abs. 2 FGO. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind. Nach der Rechtspr. des BFH ist das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. Dies bedeutet, dass die für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BFH-Urteile vom 30. Mai 1996 V R 2/95, BFHE 180, 213, BStBl II 1996, 493, und vom 29. Juni 2000 V R 28/99, BFHE 191, 468, BStBl II 2000, 597). Dies gilt gleichermaßen für die Umsatzsteuer und die Ertragsteuern (vgl. BFH in BFHE 180, 213, BStBl II 1996, 493; vom 20. April 1988 X R 40/81, BFHE 153, 437, BStBl II 1988, 804, und vom 2. Dezember 1998 X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534). Nicht ausschlaggebend ist die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung der Tätigkeit als selbständig oder unselbständig (BFH-Urteile in BFHE 153, 437, BStBl II 1988, 804, und in BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534, m.w.N.). Es besteht keine Bindung zwischen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht einerseits und Steuerrecht andererseits. Daher vermag die Rechtsprechung zur sog. Scheinselbständigkeit nach § 7 Abs. 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch a.F. die steuerrechtliche Beurteilung nicht vorzuprägen und umgekehrt (BFH in BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534). Dies gilt dementsprechend auch für die Festsetzung einer Ordnungswidrigkeit wegen der Ausübung einer Beschäftigung ohne Arbeitsgenehmigung gemäß § 284 Abs. 1 S. 1 SGB III i.V.m. § 404 Abs. 2 Nr. 4 SGB III. Die eigenständige Beurteilung des Arbeitnehmerbegriffs im Sozialrecht wird durch die steuerrechtliche Beurteilung weder entscheidend vorgeprägt noch ist sie für diese rechtlich bindend. Demgemäß kann von der (ggf. fehlerhaften) steuerrechtlichen Zuordnung einer Tätigkeit zu einer bestimmten Einkunftsart keine Rechtsbeeinträchtigung für die Klägerin ausgehen. Das bloße Vorliegen eines negativen Rechtsreflexes in der Weise, dass andere Behörden sich aufgrund der steuerrechtlichen Beurteilung zu einer ähnlichen Entscheidung veranlasst sehen, beeinträchtigt die Rechtsposition der Klägerin nicht in einer klagefähigen Intensität.

4. Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass die rückwirkende Löschung der Steuernummer eine Beschwer begründet. Nach § 14 Abs. 4 UStG muss eine Rechnung zwar neben weiteren Angaben auch die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer enthalten. Für den Veranlagungszeitraum hatte die Klägerin indes eine entsprechende Steuernummer, die sie für eine evtl. Rechnungserteilung verwenden konnte. Daran ändert die nachträgliche rückwirkende Löschung der Steuernummer nichts, da durch eine formale Rückbeziehung nicht die tatsächliche, rechtmäßige Verwendungsmöglichkeit beseitigt wurde.

Soweit die Klägerin geltend macht, dass durch die Löschung eine künftige Rechnungserteilung nicht möglich ist, legt sie ggf. lediglich eine Beschwer für spätere Veranlagungszeiträume dar. Eine solche Beschwer kann nicht durch eine Klage gegen einen Steuerbescheid bzw. Aufhebungsbescheid eines früheren Veranlagungszeitraums geltend gemacht werden, da für jeden Veranlagungszeitraum gesondert zu entscheiden wäre, wie die Tätigkeit der Klägerin zu beurteilen ist. Bereits aus diesem Grund begründet die Löschung der Steuernummer keine Beschwer im vorliegenden Verfahren.

Für die im Streitfall erhobene Klage gegen den Aufhebungsbescheid des Beklagten mangelt es zudem an einer Beschwer, da die Verwendung einer Steuernummer ertragsteuerlich weder gesetzlich vorgeschrieben noch materielle Tatbestandsvoraussetzung ist. Die umsatzsteuerrechtliche Notwendigkeit einer Steuernummer zur Erteilung einer ordnungsgemäßen Rechnung führt nicht zu einer ertragsteuerrechtlichen Beschwer, sondern ist vielmehr durch Antrag auf Erteilung einer Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu verfolgen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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