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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 26.05.2004
Aktenzeichen: 15 K 347/01
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10e Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

15 K 347/01

Tenor:

Zu den Voraussetzungen des Vorkostenabzugs nach § 10 e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes

Tatbestand:

Streitig ist, ob Schuldzinsen und andere Aufwendungen als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgezogen werden können.

Der alleinstehende Kläger ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks. Aufgrund eines von ihm am 2. Oktober 1978 gestellten Antrags erteilte der Landkreis am 7. März 1979 die Baugenehmigung für ein Einfamilienhaus, das bis auf den heutigen Tag nicht fertiggestellt worden ist.

Spätestens seit 1990 macht der Kläger im Zusammenhang mit dem Grundstück Schuldzinsen und andere Aufwendungen als Vorkosten im Sinne des § 10 e Abs. 6 EStG geltend. Bis 1997 erkannte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) diese Aufwendungen an. Die Einkommensteuerbescheide ergingen insoweit nach § 165 der Abgabenordnung (AO) vorläufig. Die Nebenbestimmung wurde von dem FA damit begründet, dass sich die Ernsthaftigkeit des Bauabsicht des Klägers noch nicht endgültig beurteilen lasse.

Für das Streitjahr 1998 lehnte das FA die Berücksichtigung der geltend gemachten Vorkosten von 10.728 DM (10.440 DM Schuldzinsen und 288 DM Erhaltungsaufwendungen und andere Aufwendungen) erstmals ab. Zur Begründung wies es in dem Einkommensteuerbescheid vom 9. März 2000 darauf hin, dass weder eine Vermietungsabsicht noch eine Absicht der Selbstnutzung nachgewiesen worden sei. Der Bauzustand entspreche nach ca. zehn Jahren Bauzeit immer noch dem eines Rohbaus.

Den am 16. März 2000 eingelegten Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid wies das FA im Streitpunkt durch Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2001 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die am 21. Juni 2001 erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, dass er das in Bau befindliche Haus nach Fertigstellung zu eigenen Wohnzwecken nutzen wolle. Zur Zeit wohne er bei seiner Mutter. Wegen einer dünnen Kapitaldecke sei er darauf angewiesen, das Haus in Eigenleistung zu erstellen. Dadurch verzögere sich die Fertigstellung. Da das Haus von ihm noch nicht als Wohnung genutzt werde, könnten bis zur erstmaligen Nutzung entstehende Aufwendungen ohne zeitliche Einschränkung als Vorkosten abgezogen werden.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1998 vom 9. März 2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2001 die Einkommensteuer auf den Betrag herabzusetzen, der sich unter Berücksichtigung von Aufwendungen in Höhe von 10.551,00 DM als Vorkosten im Sinne des § 10 e Abs. 6 EStG ergibt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung die Ansicht, dass sich angesichts der immer noch ausstehenden Fertigstellung des Gebäudes die Ernsthaftigkeit der Selbstnutzungsabsicht des Klägers nicht feststellen lasse.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägers vom 17. Mai 2004 - Bl. 17 der FG-Akte - und des FA vom 20. Juli 2001 - Bl. 12 der FG-Akte -).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abzug von Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG.

Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung im Sinne des § 10 e Abs. 1 EStG entstehen, unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen wie Sonderausgaben abzuziehen, wenn sie unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens zusammenhängen.

Das Erfordernis des unmittelbaren Zusammenhangs kann bei verständiger Auslegung nur bedeuten, dass lediglich die mit der tatsächlich hergestellten oder angeschafften Wohnung zusammenhängenden Aufwendungen begünstigt sind. Dies folgt insbesondere aus der Verwendung des bestimmten Artikels ("... des Gebäudes oder der Eigentumswohnung ..."). Ferner läßt § 10 e Abs.6 EStG nur Aufwendungen zum Abzug zu, "die bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstehen". Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt aber voraus, dass zuvor eine Wohnung angeschafft oder hergestellt worden ist. Scheitert der beabsichtigte Erwerb oder die beabsichtigte Herstellung der Wohnung, können daher die mit der Anschaffung oder Herstellung der Wohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens zusammenhängenden Aufwendungen nicht nach § 10 e Abs. 6 EStG steuermindernd berücksichtigt werden (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteile vom 17. Juli 1991 X R 6/91, BStBl. II 1991, 916; vom 17. Juli 1991 X R 118/90, BFH/NV 1992, 29; vom 27. Februar 1992 X R 56/91, BFH/NV 1992, 592; Tz. 87 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 31. Dezember 1994 - IV B 3 - S 2225a - 294/94 -, BStBl. I 1994, 887).

Die tatsächliche Fertigstellung und anschließende Selbstnutzung ist damit materielle Tatbestandsvoraussetzung nicht nur für die Inanspruchnahme von Abzugsbeträgen nach § 10 e Abs. 1 EStG, sondern auch für den Abzug von Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG. Die bloße darauf gerichtete Absicht des Steuerpflichtigen reicht nicht aus. Sie erlaubt - entgegen der Verwaltungspraxis (Tz. 102 des BMF-Schreibens a.a.O.) - auch nicht die vorläufige Berücksichtigung entsprechender Aufwendungen. Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO kann eine Steuer vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiß ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind. Macht der Steuerpflichtige Aufwendungen vor Bezug geltend, bevor die Fertigstellung der Wohnung erfolgt ist und deren Selbstnutzung begonnen hat, liegt eine Ungewißheit in diesem Sinne nicht vor. Es steht vielmehr fest, dass die Voraussetzungen des Vorkostenabzugs - noch - nicht erfüllt sind. Ungewiß ist allein, ob sie in der Zukunft eintreten werden. Dies rechtfertigt aber keine vorläufige Steuerfestsetzung, da der nachträgliche Eintritt der Abzugsvoraussetzungen durch die Änderung bereits ergangener Steuerbescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO berücksichtigt werden kann.

Da der Kläger die Wohnung im Streitfall bis auf den heutigen Tag nicht fertiggestellt und bezogen hat, scheidet ein Abzug der geltend gemachten Aufwendungen als Vorkosten aus, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob er eine entsprechende Absicht ernstlich verfolgt.

Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

Ende der Entscheidung

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