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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 23.04.2009
Aktenzeichen: 16 K 10069/07
Rechtsgebiete: UStG, 6. EG-Richtlinie


Vorschriften:

UStG § 4
UStG § 4
6. EG-Richtlinie Art. 13 A Abs. 1b
6. EG-Richtlinie Art. 13 Abs. 2b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist die Frage, ob die Umsätze aus der Gestellung von Personal zum Betrieb eines Labors nach § 4 Nr. 16 UStG steuerbefreit sind.

Die Klägerin, eine GmbH, ist aufgrund formwechselnder Umwandlung Rechtsnachfolgerin des Zweckverbandes Kreis- und Stadtkrankenhaus A (im Folgenden: Z). Dieser betrieb zunächst selbst ein Labor.

Z schloss zum 1. Oktober 1999 mit der Laborgesellschaft B GmbH (im Folgenden: B) einen Kooperationsvertrag. Geschäftsführer der B ist Prof. Dr. med.h. Nach § 1 des Vertrages übernimmt B als Laborbetriebsgemeinschaft mit Wirkung auf den 1. Oktober 1999 das bestehende Labor im Krankenhaus und garantiert die Erbringung aller Laborleistungen, die Z im Rahmen der Erfüllung ihres Versorgungsauftrages auch weiterhin benötigt. Gem. § 7 des Vertrages stellt die Kooperation zwischen B und Z einen Teilbetriebsübergang nach § 613 a BGB dar. B übernimmt das gesamte bisherige Laborpersonal des Z. Widersprechen einzelne Mitarbeiter der Übernahme, so wird das Personal bei Z weiterbeschäftigt und B entsprechend einem gesondert abzuschließenden Personalüberlassungsvertrag zur Verfügung gestellt.

Nach § 1 des am selben Tage abgeschlossenen Personalüberlassungsvertrages stellt Z die bis zu diesem Zeitpunkt im Bereich des Labors beschäftigten Mitarbeiter B zu den mit diesen arbeitsvertraglich vereinbarten Bedingungen zur Verfügung, sofern diese sich mit der Tätigkeit bei B einverstanden erklärt haben. Sie werden weiterhin in den Laboratorien des Krankenhauses beschäftigt. B erstattet Z gem. § 4 des Personalüberlassungsvertrages für die überlassenen Mitarbeiter die monatlichen Bruttopersonalkosten. Außerdem entrichtet B für den Z entstehenden Personalverwaltungsaufwand pauschal einen Betrag von 0,5 v.H. der monatlichen Bruttopersonalkosten. Endet die Überlassung eines Mitarbeiters, so ist Z nach § 5 nicht berechtigt, den Mitarbeiter durch einen anderen zu ersetzen.

Im Jahre 1999 berechnete Z der B für die Personalüberlassung ein Entgelt in Höhe von brutto 313.746,44 DM.

Z behandelte in ihrer Umsatzsteuererklärung für 1999 die Umsätze aus der Personalüberlassung als steuerfrei. Der Beklagte folgte zunächst der Umsatzsteuererklärung.

In der Zeit vom 8. September bis zum 28. September 2004 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Der Prüfer stellte sich auf den Standpunkt, dass die Personalgestellung umsatzsteuerpflichtig sei. Sie sei nicht unerlässlich im Sinne von Art. 13 A Abs. 2 b der 6. EG-Richtlinie, sondern diene der kurzfristigen Kostensenkung und der mittelfristigen Personalreduktion. Indiz für die fehlende Unerlässlichkeit sei auch, dass ausscheidendes Personal auf Seiten des Krankenhauses nicht ersetzt werde. Schließlich trete das Krankenhaus in Wettbewerb zu den der Umsatzsteuerpflicht unterliegenden Personalvermittlungsunternehmen. Deshalb liege kein eng mit dem Betrieb eines Krankenhauses verbundener Umsatz vor.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Umsätze aus der Personalüberlassung gem. § 4 Nr. 16 UStG steuerfrei seien. Es handele sich um mit dem Betrieb der Krankenhäuser eng verbundene Umsätze. B sei eine Einrichtung ärztlicher Befunderhebung im Sinne des § 4 Nr. 16 c UStG, die Leistungen unter ärztlicher Aufsicht erbringe und deren Leistungen zu mindestens 40 v.H. dem in der Norm genannten Personenkreis zugute kämen. Dabei sei es unerheblich, dass B die Leistungen nicht gegenüber eigenen Patienten erbringe, sondern vorwiegend für Patienten des Z. Es gehe hier um die Gestellung von medizinischem Hilfspersonal zwischen zwei Einrichtungen, deren Umsätze grundsätzlich unter die Steuerbefreiungsvorschrift fielen. Der Sachverhalt entspreche nahezu exakt jenem, den der BFH mit Urteil vom 18. Januar 2005, BStBl. II 2005, 507 entschieden habe. In beiden Fällen gehe es um das Outsourcing einer für den Betrieb eines Krankenhauses medizinisch notwendigen Leistung. Ebenso wie hier hätte auch dort die Personalüberlassung nur Übergangscharakter. Schließlich bestehe auch keine Wettbewerbssituation zu Personalvermittlungsunternehmen. Schließlich habe der BFH auch in einem weiteren Fall für eine Personalüberlassung an eine Arztpraxis, die Laboruntersuchungen durchführt, die Steuerbefreiung angenommen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei nicht auf die Unerlässlichkeit der Umsätze abzustellen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides 1999 vom 30. November 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2007 die Umsatzsteuer 1999 auf 15.251,14 EUR herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 UStG nicht eingreife, weil die Personalgestellung nicht zwangsläufig im Sinne des Art. 13 A b 6. EG-Richtlinie sei, sondern der kurzfristigen Kostensenkung und der mittelfristigen Personalreduktion diene. Die Personalüberlassung diene nicht der Heilbehandlung durch das Krankenhaus, sondern habe den Zweck, das eigene Personal nicht zu entlassen und sinnvoll in anderer Form weiterzubeschäftigen. Vor diesem Hintergrund liege kein eng mit dem Betrieb des Krankenhauses verbundener Umsatz vor. Nach Abschnitt 100 UStR müssten eng verbundene Umsätze unerlässlich sein und dürften nicht im Wesentlichen dazu bestimmt sein, den Einrichtungen zusätzliche Einnahmen im Wettbewerb zu steuerpflichtigen Umsätzen anderer Unternehmer zu verschaffen. Die Personalüberlassung sei für die eigene Patientenversorgung nicht unerlässlich. Dafür sei auch Indiz, dass das Krankenhaus nicht berechtigt sei, Mitarbeiter durch andere zu ersetzen.

Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des BFH seien nicht einschlägig, da diese eine Personalgestellung an eine Arztpraxis zum Gegenstand habe. Die weitere von der Klägerin zitierte BFH-Entscheidung beträfe die Steuerbefreiung für die Laborleistungen selbst. Darum gehe es hier aber nicht.

Auch nach der EuGH-Rechtsprechung sei die Steuerbefreiung nicht einschlägig. Zum einen seien Ausnahmen grundsätzlich eng auszulegen. Zum anderen müssten die Leistungen in einem inneren Zusammenhang mit der Krankenhausbehandlung stehen. Leistungen fielen nur dann unter die Befreiung, wenn sie als Nebenleistung zu einer Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung erbracht würden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Umsätze aus der Personalgestellung an die B GmbH sind umsatzsteuerfrei.

Gem. § 4 Nr. 16 c) UStG sind steuerbefreit die mit dem Betrieb der Krankenhäuser, Diagnosekliniken und anderen Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung eng verbundenen Umsätze, wenn bei Diagnosekliniken und anderen Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung die Leistungen unter ärztlicher Aufsicht erbracht werden und im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 vom Hundert der Leistungen den in Nummer 15 b) genannten Personen zugute gekommen sind.

Die Vorschrift beruht auf Art. 13 A Abs. 1 b) 6. EG-Richtlinie. Danach befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden, von der Steuer.

Ausgeschlossen von der Steuerbefreiung sind nach Art. 13 Abs. 2 b) Dienstleistungen, wenn sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind und sie im wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.

Im Streitfall stellt die Personalgestellung einen mit dem Betrieb des Labors als Einrichtung ärztlicher Befunderhebung eng verbundenen Umsatz im Sinne des § 4 Nr. 16 c) UStG dar. Einrichtungen ärztlicher Befunderhebung sind Einrichtungen, in denen durch ärztliche Leistungen der Zustand menschlicher Organe, Gewebe, Körperflüssigkeiten usw. festgestellt werden soll (Abschnitt 98 Abs. 1 Umsatzsteuerrichtlinien 2008). Dies ist im Streitfall das Tätigkeitsfeld der B, die im Wege des Outsourcings das bisherige Krankenhauslabor übernommen hat und nunmehr an Stelle der Z bzw. der Klägerin die im Rahmen der medizinischen Betreuung der Patienten durchzuführenden Untersuchungen und Analysen (wie beispielsweise Blut- und Urinuntersuchungen) ausführte.

Die Leistungen der B wurden weiterhin, wie von § 4 Nr. 16 c) UStG vorausgesetzt, unter ärztlicher Aufsicht erbracht. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass mit Prof. Dr. med. H ein Mediziner als Geschäftsführer an der Spitze der B stand. Schließlich kamen die medizinischen Dienstleistungen, wie zwischen den Verfahrensbeteiligten auch nicht streitig ist, auch zu mehr als 40 v.H. gesetzlich krankenversicherten Personen zugute.

Eine enge, innere Verbindung zwischen den Laborumsätzen und der Personalgestellung lässt sich aus dem Umstand herleiten, dass das Labor nicht ohne hinreichend geschultes Personal betrieben werden konnte. Da die Mitarbeiter des Krankenhauses im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang nicht in hinreichender Zahl zur B übergewechselt waren, war letztere gezwungen, sich das von ihr benötigte Personal auf anderem Wege zu beschaffen.

Der Steuerbefreiung steht nicht entgegen, dass die eng verbundene Leistung - im Streitfall die Personalgestellung - nicht vom Leistenden der Hauptleistung - hier den Laborleistungen - selbst erbracht worden ist. Entsprechendes wird von § 4 Nr. 16 UStG nicht vorausgesetzt; erforderlich ist allein, dass sowohl die Einrichtung, die die Hauptleistung erbringt, als auch die Einrichtung, die die eng verbundenen Umsätze ausführt, zu den begünstigten Einrichtungen im Sinne des Art. 13 A Abs. 1 b) 6. EG-Richtlinie bzw. § 4 Nr. 16 UStG gehört ( EuGH, Urteil vom 14. Juni 2007 Rs. C-434/05 "Horizon College", Umsatzsteuerrundschau 2007, 587). Begünstigt sind im Streitfall aber sowohl die Krankenhausumsätze als auch die Laborumsätze.

Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 4 Nr. 16 UStG ist allerdings im Hinblick auf Art. 13 Abs. 2 b) 6. EG-Richtlinie darüber hinausgehend zu fordern, dass der zu beurteilende Umsatz für die begünstigten Umsätze unerlässlich ist und nicht dazu bestimmt ist, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen in Konkurrenz zu unmittelbaren, der Umsatzbesteuerung unterliegenden Wettbewerbern zu verschaffen. Auch dies steht indes der Steuerfreiheit der Personalgestellung nicht entgegen.

Der Senat folgt dem Beklagten nicht in seiner Annahme, dass die Umsätze aus der Personalgestellung deshalb nicht unerlässlich für die begünstigten Umsätze waren, weil sich die B das für ihre Aufgabenerfüllung notwendige Personal hypothetisch auch mit einer anderen arbeitsvertraglichen Konstruktion habe verschaffen können. Darauf kommt es indes nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, dass die B das bisher vom Krankenhaus selbst betriebene Labor ohne Personal nicht hätte betreiben können, d.h. einen im Rahmen der begünstigten Leistung nicht hin wegzudenkenden Beitrag geleistet hat.

Nach der Regelung in § 4 des Personalüberlassungsvertrages waren die getroffenen Vereinbarungen auch nicht geeignet, der Z zusätzliche Einnahmen zu verschaffen. Denn die B hatte der Z nur die angefallenen Personalkosten zu erstatten zuzüglich eines geringfügigen Verwaltungskostenaufschlags. Wirtschaftlich betrachtet stellten die Einnahmen bei Z nur einen durchlaufenden Posten dar. Zusätzliche Einnahmen, die der Z ermöglicht hätten, diese Geldmittel für andere Zwecke zu verwenden, konnten bei den getroffnen Regelungen nicht vereinnahmt werden.

Der Senat kann im Übrigen nicht erkennen, warum der Streitfall nicht mit jenen Sachverhalten zu vergleichen sein soll, die den Urteilen des BFH vom 10. Februar 2005 V R 76/03, BStBl. II 2005, 509 und vom 25. Januar 2006 V R 46/04, BStBl. II 2006, 481 zugrunde lagen und in denen die Personalgestellung vom BFH als mit den begünstigten Umsätzen eng verbundener Umsatz beurteilt wurde. Hier wie dort sind für den Krankenhausbetrieb notwendige Abteilungen ausgegliedert worden, wurde das Personal, soweit es zum Wechsel nicht bereit war, der neuen Einrichtung überlassen und hat diese Einrichtung die Personalkosten übernommen. Dass es sich dort bei den übernehmenden Einrichtungen um Arztpraxen, hier jedoch um eine eigenständige GmbH handelt, ist für die maßgebenden Rechtsfragen ohne Bedeutung. Im Gegenteil war das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerbefreiung in den Urteilsfällen des BFH durchaus zweifelhafter, weil die Arztpraxen neben den Krankenhauspatienten auch andere Patienten versorgten, während im Streitfall die B allein Umsätze zugunsten der Z bzw. der Klägerin erbringt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Ende der Entscheidung

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