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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 08.10.2009
Aktenzeichen: 16 K 10092/07
Rechtsgebiete: AO, UStG


Vorschriften:

AO § 164 Abs. 2
UStG § 3a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist der Leistungsort der wissenschaftlichen Vortragstätigkeit des Klägers.

Der Kläger ist als Chefarzt für Kardiologie und Angiologie Angestellter einer Medizinischen Hochschule. Gleichzeitig betreibt er in den Räumen der Klinik eine Privatpraxis. Daneben erzielt der Kläger Honorare aus der Veröffentlichung wissenschaftlicher Literatur sowie aus der Teilnahme wissenschaftlicher Tagungen und Kongresse im Inland wie im Ausland.

In seiner Umsatzsteuererklärung für 2001 unterwarf der Kläger allein die Entgelte aus seiner inländischen Vortragstätigkeit dem Regelsteuersatz der Umsatzsteuer. Die Honorare aus seiner Teilnahme an ausländischen Tagungen behandelte er als im Inland nicht steuerbar. Die Vorsteuern betragen ausweislich der Umsatzsteuererklärung 623,07 DM. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung 2001 zunächst zu.

In der Zeit vom 11. Juli 2005 bis zum 3. Januar 2006 fand beim Kläger eine Außenprüfung statt. Die Prüferin vertrat neben anderen, inzwischen nicht mehr streitigen Punkten die Auffassung, dass der Leistungsort auch für die ausländische Vortragstätigkeit des Klägers im Inland liege, weil der Schwerpunkt der erbrachten Leistung in der Aneignung des Wissens und in der Vorbereitung des Vortrags liege.

Die steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze seien infolgedessen um den Nettobetrag von 57.442,68 DM aus den Bruttoeinnahmen von 66.633,51 DM aus der ausländischen Vortragstätigkeit zu erhöhen. Im Gegenzuge könne der Kläger weitere Vorsteuern in Höhe von 298,06 DM abziehen.

Mit nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid vom 2. März 2006 wertete der Beklagte die Feststellungen der Außenprüfung aus. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte nur aus einem für dieses Verfahren nicht erheblichem Grund teilweise Erfolg.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die streitigen Entgelte im Inland nicht steuerbar seien. Die Tätigkeit des Klägers habe darin bestanden, einen Vortrag, eine Diskussion bzw. ein Symposium höchstpersönlich vor einem großen Fachpublikum zu halten. Der Kläger erstelle kein Manuskript, welches er vortrage, sondern werde als international anerkannter Experte zu den entsprechenden Veranstaltungen eingeladen, um dort sein Fachwissen frei dem Publikum vorzutragen. Es fänden Diskussionsrunden und Symposien statt, bei denen aktuelle Fragen diskutiert würden und bei denen der Kläger sich im Laufe der Veranstaltung ergebende Detailfragen beantworte. Er müsse deshalb des Öfteren spontane Fragen beantworten, ohne sich zuvor im Inland auf solche Fragen vorbereiten zu können. Die entscheidenden Bedingungen zum Erfolg würden deshalb am Vortragsort gesetzt.

Bei einem Vortrag sei nur das Halten des Vortrags selbst, nicht etwa die Vorbereitungshandlungen für den Erfolg des Vortrags maßgebend. Für die Bestimmung des Leistungsorts komme es aber darauf an, welche Tätigkeit für den Erfolg der Leistung bestimmend sei.

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid des Jahres 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2007 zu ändern und die mit Bescheid vom 26. Februar 2007 festgesetzte Umsatzsteuer 2001 auf 7.635,72 DM herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass sämtliche Honorare des Klägers aus seiner Vortragstätigkeit im Inland steuerbar und steuerpflichtig seien. Wissenschaftliche Leistungen würden gem. § 3 a Abs. 2 Nr. 3 a UStG dort ausgeführt, wo der Unternehmer jeweils ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird. Der Ort, wo das Vertragsziel erreicht werde, sei ohne Bedeutung. Maßgebend sei vielmehr, wo die entscheidenden Bedingungen zum Erfolg gesetzt würden. Der Kläger habe die entscheidenden Bedingungen für seinen Erfolg im Inland gesetzt. Das Wissen und die Erfahrungen, auf denen seine Vorträge aufbauten, habe er sich im Inland angeeignet, ebenso sei die Vorbereitung der Vorträge im Inland erfolgt. Der Vortrag an sich sei keine wissenschaftliche Tätigkeit dar. Es handele sich allein um die Darstellung und die Präsentation von wissenschaftlichen Ergebnissen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Honorare, die der Kläger für seine Teilnahme an ausländischen Kongressen und Fachveranstaltungen vereinnahmt hat, sind nicht im Inland steuerbar.

Gem. § 3 a Abs. 2 Nr. 3 a) UStG werden die kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen, unterrichtenden sportlichen unterhaltenden oder ähnlichen Leistungen einschließlich der Leistungen der jeweiligen Veranstalter sowie die damit zusammenhängenden Tätigkeiten, die für die Ausübung der Leistung unerlässlich sind, dort ausgeführt, wo der Unternehmer jeweils ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird.

Aus dem Wort "jeweils" in § 3 a Abs. 2 Nr. 3 a) UStG ergibt sich, dass nicht auf die Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen abzustellen ist, sondern auf die einzelne von ihm erbrachte Leistung.

Rau/Dürrwächter-Stadie, Kommentar zum UStG, § 3 a Rz. 114 vertritt die Auffassung, dass der Leistungsort einer wissenschaftlichen Vortragstätigkeit dort sei, wo der Vortrag gehalten wird, nicht jedoch dort, wo die Vorbereitungshandlungen stattfinden. Sölch/Ringleb-Martin, Kommentar zum UStG, § 3 a Rz. 87 stellt demgegenüber darauf ab, wo die entscheidenden Bedingungen für den Erfolg der Tätigkeit gesetzt werden.

Das Gericht kann sich zwar nicht der Rechtsansicht von Rau/Dürrwächter-Stadie anschließen, dass bei wissenschaftlichen Vorträgen stets auf den Ort abzustellen sei, wo der Vortrag gehalten wird. Denn nach dem Wortlaut des § 3 a Abs. 2 Nr. 3 a) UStG kommt es auf die wissenschaftlichen Leistungen "einschließlich der damit zusammenhängenden Tätigkeiten, die für die Ausübung der Leistung unerlässlich sind" an. Eine gründliche Vorbereitung ist für einen fundierten wissenschaftlichen Fachvortrag in aller Regel aber zwingend erforderlich. Insofern muss die im Inland erfolgende Ausarbeitung eines wissenschaftlichen Fachvortrags in die Betrachtung einbezogen werden. Da sich der Leistungsort nach § 3 a Abs. 2 Nr. 3 a) UStG danach bestimmt, wo die Leistung "ausschließlich oder zum wesentlichen Teil" erbracht wird, wird bei einer wertenden Betrachtung der Leistungsort vieler wissenschaftlicher Fachvorträge im Inland anzunehmen sein, weil der Vortrag eine aufwendige Vorbereitung voraussetzt, die von ihrem zeitlichen Umfang her regelmäßig weit über die eigentliche Vortragszeit hinausgeht.

Im Streitfall hat die Klage aber dennoch Erfolg. Denn die Bestimmung des Leistungsorts kann nicht abstrakt erfolgen, sondern nur bezogen auf die konkrete Leistung nach den Verhältnissen des Einzelfalls. Hier hat der Kläger jedoch unwidersprochen erläutert, dass er keine Fachvorträge nach ausgearbeitetem Manuskript gehalten, sondern lediglich an Diskussionsrunden und Symposien teilgenommen und sich dort spontan zu aktuellen Fragestellungen geäußert hat. Anhaltspunkte dafür, dass diese Einlassung nicht zutreffend ist, sind den Akten nicht zu entnehmen. Fehlt es aber an einer konkreten Vorbereitung auf die Veranstaltung im Ausland, dann wird die Leistung nicht zu wesentlichen Teilen im Inland erbracht. Auf das allgemeine Grundlagenwissen - welches der Kläger im Übrigen im Wesentlichen im Rahmen seiner nichtselbständigen Tätigkeit als Chefarzt und Professor, also einer für die Beurteilung der Umsatzsteuer unerheblichen Berufstätigkeit erworben haben dürfte - kann indes entgegen der Rechtsmeinung des Beklagten nicht abgestellt werden, weil § 3 a Abs. 2 Nr. 3 a) UStG nur auf die unmittelbar mit der jeweiligen Leistung zusammenhängenden Tätigkeiten abstellt.

Sind die ausländischen Vortragshonorare des Klägers im Inland nicht steuerbar, so müssen im Gegenzuge die Vorsteuern gekürzt werden, soweit sie auf die Vortragstätigkeit des Klägers entfallen. Bei Saldierung der Änderungen ergibt sich eine Steuerfestsetzung entsprechend dem Klageantrag des Klägers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

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