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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 29.09.2005
Aktenzeichen: 16 K 193/02
Rechtsgebiete: EigZulG


Vorschriften:

EigZulG § 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist die Frage, in welcher Höhe Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage für die Eigenheimzulage vorliegen.

Der Vater des Klägers, DW, war Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes in S-dorf. Der Betrieb verfügte über zwei Hofstellen: ein älteres Wohnhaus befindet sich auf dem Grundstück L. Im Jahre 1994 errichtete der Vater ein weiteres Wohnhaus auf dem Grundstück, das inzwischen die Anschrift S-dorf, Z 4 hat. Zur Finanzierung der Herstellungskosten des Neubaus nahm er ein Darlehen über eine Darlehenssumme von 143.000 DM bei der Volksbank B eG auf. Das Grundstück "Z 4" hielt der Vater im Privatvermögen. Bei dem Hof handelt es sich um einen Hof im Sinne der Höfeordnung.

Mit notariellem Vertrag vom 30. Dezember 1997 übertrug der Vater im Wege der vorweggenommenen Erbfolge seinen Hof sowie das Grundstück "Z 4" auf den Kläger. Ausgenommen von der Übertragung war das Wohnhaus L einschließlich des dazu gehörigen Garten- und Hofanteils, in das die Eltern des Klägers zogen. Gem. § 5 des Vertrages erhielten die Eltern des Klägers ein lebenslängliches Altenteilsrecht sowie das Recht, gegebenenfalls wieder Wohnung in dem Neubau "Z 4" zu nehmen.

§ 4 bestimmt, dass der Kläger die auf dem Besitztum ruhenden Grundschulden übernimmt. Weiter heißt es: "Zu den Bedingungen der entsprechenden Schuldurkunden übernimmt der Übernehmer auch die Bedienung der den Grundpfandrechten zugrunde liegenden Darlehen mit Wirkung vom Übergabestichtag an und stellt seine Eltern im Innenverhältnis frei; soweit hiermit auch die privaten Verbindlichkeiten des Übergebers für die Finanzierung des Wohnhauses übernommen werden, geschieht das als Gegenleistung für die Übertragung des Wohnhauses". Im Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabevertrages valutierte das Darlehen für das neue Wohnhaus noch mit 113.312 DM. Außerdem bestand noch ein betriebliches Darlehen, das sich auf 136.854 DM belief.

Als Zeitpunkt des Übergangs der Rechte, Nutzungen, Gefahr und Lasten wird in § 2 des Vertrags der 1. November 1997 festgelegt. Gem. § 9 werden die Vertragsparteien darauf hingewiesen, dass der Vertrag zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung des Landwirtschaftsgerichts bedarf.

Das Landwirtschaftsgericht hat den Vertrag am 3. April 1998 genehmigt.

Im Jahre 1999 beantragte der Kläger Eigenheimzulage für das Gebäude "Z 4" zuzüglich zwei Kinderzulagen. Der Beklagte forderte den Kläger auf, die Verbindlichkeiten im Verhältnis des Verkehrswertes des übertragenen Betriebsvermögens zum Verkehrswert des Hauses aufzuteilen. Da sein Schreiben unbeantwortet blieb, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 2. Juli 2001 die Gewährung von Eigenheimzulage ab. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

Im Klageverfahren hat der Kläger den Verkehrswert des übernommenen Vermögens mit 3.598.445 DM beziffert, wovon 360.000,- auf das Wohnhaus "Z 4" entfallen.

Der Kläger meint, dass das übernommene Volksbankdarlehen in voller Höhe als Bemessungsgrundlage für die Eigenheimzulage angesetzt werden könne. Es sei im Übergabevertrag ausdrücklich geregelt worden, dass die Übernahme des Darlehens das Entgelt für den Erwerb des Wohnhauses darstelle. Insofern liege hier eine eindeutige Zuordnungsentscheidung vor, die auch nicht zu einer unangemessenen wertmäßigen Berücksichtigung einzelner Wirtschaftsgüter führe.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger Eigenheimzulage ab 1997 für acht Jahre in Höhe von jährlich 5.500 DM zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, dass bei Vermögensübertragungen von Privat- und Betriebsvermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen Übernahme von Verbindlichkeiten die Anschaffungskosten im Verhältnis der Verkehrswerte von Betriebs- und Privatvermögen aufzuteilen seien. Er beruft sich insoweit auf Tz. 47 des BMF Schreibens vom 13. Januar 1993,BStBl. I 1993, S. 80.

Entsprechend der im Klageverfahren mitgeteilten Verkehrswertermittlung könnten lediglich 10 % des Darlehensstandes, d.h. 11.638 DM als Bemessungsgrundlage der Eigenheimzulage berücksichtigt werden.

Gründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger kann für das Gebäude S-dorf, Z 4 Eigenheimzulage ab 1998 in Form der Grundförderung für Altbauten (§ 9 Abs. 2 Satz 2 EigZulG) sowie von zwei Kinderzulagen (§ 9 Abs. 5 EigZulG) beanspruchen. Die Gesamthöhe der zu gewährenden Eigenheimzulage ist jedoch auf 25.016 DM begrenzt.

1. Der Förderzeitraum für die Eigenheimzulage beginnt im Jahre 1998 und nicht bereits 1997. Der Übergabevertrag vom 30. Dezember 1997 ist steuerlich erst ab 1998 anzuerkennen. Gem. § 9 des Vertrages steht dessen Wirksamkeit unter der aufschiebenden Bedingung der Genehmigung durch das Landwirtschaftsgericht. Diese Genehmigung ist erst am 3. April 1998 erteilt worden. Zwar wirkt die Genehmigung zivilrechtlich nach § 184 BGB auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück. Steuerlich wird eine solche Rückwirkung bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen - und um einen solchen handelt es sich bei dem in Rede stehenden Übergabevertrag - nicht anerkannt; der Vertrag entfaltet steuerlich Rechtswirkungen lediglich in die Zukunft (BFH Urteil vom 23. April 1992 IV R 46/91, BStBl. II 1992, 1024).

2. Dem Kläger sind Anschaffungskosten für das Wohngebäude Z 4 in S-dorf in Höhe von 25.016,- DM entstanden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Übernahme von Verbindlichkeiten bei der Übertragung eines Wirtschaftsguts zu Anschaffungskosten bei dem Übernehmer führt (BFH Urteil vom 16. Dezember 1998 X R 139/95, BFH/NV 1999, 780).

Allerdings können die übernommenen Verbindlichkeiten nicht in voller Höhe als Anschaffungskosten des übertragenen Wohnobjekts angesetzt werden, wenn wie im Streitfall in einem einheitlichen Vertrag sowohl betrieblich als auch privat genutzte Wirtschaftsgüter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den Hofübernehmer übertragen werden. Denn die übernommenen Verbindlichkeiten stellen auch Anschaffungskosten des betrieblich genutzten Grundstücksteils dar, der nicht der Wohnungseigentumsförderung durch Eigenheimzulage unterliegt. Erforderlich ist daher eine Aufteilung der Anschaffungskosten auf Wohnhaus und Betriebsgrundstück.

Der Senat folgt insoweit der Auffassung des Bundesministers der Finanzen in dem Schreiben vom 13. Januar 1993 IV B3 - S 2190 - 37/92, BStBl. I 1993, 80 Tz. 47, dass bei Übertragung von Betriebs- und Privatvermögen das dafür geleistete Entgelt nach dem Verhältnis der Verkehrswerte des Betriebsvermögens und der privaten Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist.

Die Beteiligten gehen im Rechtsstreit übereinstimmend davon aus, dass der Verkehrswert des Wohnhauses Z 4 10 v.H. der Verkehrswerte sämtlicher durch den Hofübergabevertrag vom 30. Dezember 1997 übertragener Wirtschaftsgüter ausmacht. Insofern belaufen sich die Anschaffungskosten des Wohnhauses, die nach § 8 EigZulG die Bemessungsgrundlage für die Eigenheimzulage bilden, auf 25.016 DM (= 10 v.H. der übernommenen Verbindlichkeiten, die zum 30. Dezember 1997 mit 250.166 DM valutierten). Entgegen dem Schriftsatz des Beklagten vom 9. Oktober 2003 muss in die Bemessungsgrundlage auch das zweite vom Kläger übernommene, ursprünglich betriebliche Darlehen, das zum Zeitpunkt der Übertragung noch mit 136.854 DM valutierte, anteilig einbezogen werden. Ist die Zuordnung der Darlehen zur Privat- oder Betriebssphäre beim Rechtsvorgänger unbeachtlich, so gilt dies für sämtliche übernommenen Verbindlichkeiten und nicht nur für die ursprünglich privat veranlassten Darlehen. Andererseits kann das im Zusammenhang mit dem Bau des Wohnhauses aufgenommene Darlehen nur mit jenem Betrag berücksichtigt werden, mit dem es bei Vertragsabschluss, d.h. am 30. Dezember 1997, noch valutierte. Dies war ein Betrag von 113.312 DM und nicht 116.377 DM, wie die Beteiligten unterstellen.

Bei der Festsetzung der Eigenheimzulage ist weiterhin die Deckelung nach § 9 Abs. 6 EigZulG zu beachten. Danach darf die Summe der Fördergrundbeträge und der Kinderzulagen die Bemessungsgrundlage gem. § 8 EigZulG nicht überschreiten. Im Streitfall darf die festzusetzende Eigenheimzulage damit die Gesamtsumme von 25.016 DM nicht überschreiten.

Der Senat kann sich nicht der Rechtsauffassung des Klägers anschließen, wonach durch den Übergabevertrag eine Zuordnungsentscheidung dahin gehend getroffen worden sei, dass das vom Vater im Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes Z 4 aufgenommene Darlehen allein dem übertragenen Wohnhaus zuzurechnen ist. Durch den Übergabevertrag hat der Vater des Klägers diesem sowohl Aktivvermögen (Privat- und Betriebsvermögen) als auch Passivvermögen (zwei Darlehen) übertragen, wobei das Aktivvermögen das Passivvermögen wertmäßig weit überstieg. Der Kläger hat damit diverse Vermögensgegenstände teilentgeltlich erworben. Der wirtschaftliche Zusammenhang, der zwischen der Darlehensaufnahme durch den Vater und der Errichtung des Wohnhauses einerseits und der Darlehensaufnahme und dem Erwerb betrieblicher Wirtschaftsgüter andererseits bestand, ist durch die Übertragung auf den Sohn unterbrochen worden. Aus der Sicht des Sohnes ist es nicht erheblich, warum der Vater seinerzeit die beiden Darlehen aufgenommen hat. Ebenso wenig sind Wohnhaus und Betrieb getrennt voneinander übereignet worden unter der Maßgabe, dass der Kläger den Betrieb gegen Übernahme des einen Darlehens und das Wohnhaus gegen Übernahme des anderen Darlehens erwirbt. Denn der Übergabevertrag bildet ersichtlich eine Einheit. Die Altenteilsleistungen, zu denen sich der Kläger verpflichtet hat, sind Gegenleistung für die Übertragung sowohl des Betriebes als auch des Wohnhauses; die Altenteilsleistungen verklammern beide Übertragungen. Dass nicht nur der Betrieb durch Altenteilsleistungen belastet ist, wird durch den Umstand belegt, dass die Eltern nach dem Vertrag das Recht haben, jederzeit wieder in dem Gebäude Wohnung zu nehmen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Die Kostenquote ergibt sich aus dem Verhältnis von beantragter Eigenheimzulage von insgesamt 44.000,- DM zu festzusetzender Eigenheimzulage von 25.016,- DM.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

5. Der Senat lässt die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu im Hinblick auf die Frage, ob die neuere Rechtsprechung des IX. Senats des BFH zur Aufteilung von Schuldzinsen bei gemischt genutzten Gebäuden (z.B. BFH Urteil vom 1. März 2005 IX R 58/03, BStBl. II 2005, 597) auf Fälle wie den vorliegenden zu übertragen ist.

Ende der Entscheidung

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