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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 23.04.2009
Aktenzeichen: 16 K 271/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 15 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist die Frage, ob nach Inkrafttreten des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG im Jahre 2004 die Vorsteuern für ein Gebäude weiterhin nach einem Umsatzschlüssel aufgeteilt werden können.

Die Klägerin errichte in Hannover in den Jahren 2003 und 2004 den 3. Bauabschnitt eines Wohn- und Geschäftshaus, das sie nach Fertigstellung Ende 2004 teils steuerfrei zu privaten Wohnzwecken, teils steuerpflichtig als Geschäftsräume vermietete. Der Flächenanteil der Wohnungen beläuft sich auf 65,6 v.H., jener der Geschäftsräume auf 34,4 v.H.

Zusammen mit der Bauplanaufstellung kalkulierte sie im Jahre 2003 Umsätze aus der Vermietung von Wohnungen zu privaten Wohnzwecken in Höhe von 152.000 EUR (45,93 v.H.) und der Vermietung von Geschäftsräumen in Höhe von 179.000 EUR (54,07 v.H.). Nach der schrittweisen Vermietung der Räume, die in 2005 abgeschlossen wurde, stellte sich das Verhältnis wie folgt dar: Umsätze Vermietung von Wohnungen zu privaten Wohnzwecken 221.150 EUR (54,76 v.H.), Geschäftsräume 182.730 EUR (45,24 v.H.).

Für das Jahr 2004 fielen Vorsteuern in Höhe von 37.439,26 EUR an, die den einzelnen Gebäudeteilen direkt zugeordnet werden konnten. Weitere Vorsteuern in Höhe von 446.610,27 EUR waren nicht direkt zuordnungsfähig.

Die Klägerin teilte die Vorsteuern zunächst in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen, sodann in ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung für 2004 nach dem Verhältnis der im Jahre 2003 kalkulierten Ausgangsumsätze auf und machte - neben den direkt zurechenbaren Vorsteuern, die auf die Geschäftsräume entfielen, - 54,07 v.H. der restlichen Vorsteuern (241.475,70 EUR) geltend. Auch die Vorsteuern des Jahres 2003 hatte die Klägerin bereits in diesem Verhältnis aufgeteilt.

Am 23. November 2004 fand bei der Klägerin eine Umsatzsteuersonderprüfung statt. Der Prüfer vertrat unter Hinweis auf die zum 1. Januar 2004 in Kraft getretene Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG die Auffassung, dass die Vorsteuern des Jahres 2004 nach einem Flächenmaßstab aufzuteilen seien und der von der Klägerin in ihren Steuererklärungen vorgenommenen Aufteilung nicht gefolgt werden könne. Für das Jahr 2003 sei zwar noch eine Aufteilung der Vorsteuern nach dem Umsatzschlüssel möglich gewesen. Die gesetzliche Neuregelung stelle jedoch eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse im Sinne des § 15 a Abs. 1 UStG dar, so dass die für 2003 anerkannten Vorsteuern in 2004 insoweit zu berichtigen seien, als sich nach dem Flächenschlüssel ein geringerer Betrag an abzugsfähigen Vorsteuern ergebe als nach dem Umsatzschlüssel.

Dementsprechend berücksichtigte der Beklagte im erstmaligen Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 9. Juni 2006 neben den direkt zuzuordnenden Vorsteuern anteilig Vorsteuern in Höhe von 153.715,79 EUR sowie einen Berichtigungsbetrag gem. § 15 a UStG in Höhe von 1.454 EUR. Der zuletzt genannte Zahlenwert wurde betragsmäßig mit der Klägerin abgestimmt und ist der Höhe nach nicht streitig.

Der gegen den Umsatzsteuerbescheid 2004 gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

Im Klageverfahren vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, dass sie auch unter Geltung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ab 2004 befugt sei, eine Vorsteueraufteilung anhand eines Umsatzschlüssels vorzunehmen. Die nationale Regelung stehe nicht in Einklang mit Art. 17 Abs. 5 6. EG-Richtlinie. Diese lege den Umsatzschlüssel für die Mitgliedstaaten verbindlich als Regelaufteilungsmaßstab fest. Das ergebe sich aus der Verweisung von Art. 17 Abs. 5 auf Art. 19 Abs. 1 6. EG-Richtlinie. Die Ermächtigung in Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 3 6. EG-Richtlinie beziehe sich allein darauf, für einzelne Tätigkeitsbereiche des Steuerpflichtigen die gesonderte Ermittlung des pro-rata Satzes zu ermöglichen anstelle eines einheitlichen Satzes für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze. Der deutsche Gesetzgeber habe mit der von ihm getroffenen Regelung die Grenzen seiner Regelungskompetenz überschritten.

Entsprechend finde auch keine Vorsteuerberichtigung nach § 15 a UStG statt.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer 2004 auf ./. 165.970,61 EUR herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf die Vorschrift des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG. Danach sei eine Vorsteueraufteilung nach Umsätzen nur noch zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich sei. Im Streitfall sei jedoch eine Zurechnung nach dem Nutzflächenverhältnis möglich.

Die Vorschrift widerspreche auch nicht gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Zwar sehe Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 2 6. EG-Richtlinie einen Umsatzschlüssel vor. Dieser sei für die Mitgliedstaaten aber nicht zwingend vorgeschrieben, weil diese nach Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 3 6. EG-Richtlinie davon abweichende Aufteilungsmaßstäbe anwenden könnten. So räume Unterabsatz 3 Alternative c) den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, einen Aufteilungsmaßstab je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teiles der Gegenstände vorzunehmen. Der Begriff "Zuordnung" sei im Sinne von "Gebrauch" oder "Verwendung" zu verstehen. Von dieser Befugnis habe der Gesetzgeber mit § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG Gebrauch gemacht.

Die Klägerin gehe zu Unrecht davon aus, dass auch der Unterabsatz 3 zwingend eine Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel verlange. Das einleitende Wort "dieser" im 2. Unterabsatz verweise auf den 1. Unterabsatz. Der 1. Unterabsatz lege lediglich fest, dass bei nur anteiliger Vorsteuerabzugsberechtigung der Vorsteuerabzug für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig sei, der auf den Betrag der vorsteuerabzugsberechtigenden Umsätze "entfalle". Nach welcher Methode aufzuteilen sei, ergebe sich hingegen nicht aus dem ersten Absatz, sondern aus dem zweiten Absatz.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die Klägerin kann ihre Vorsteuern auch im Streitjahr 2004 weiterhin nach einem Umsatzschlüssel aufteilen.

I. Gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen vom Vorsteuerabzug ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG die Steuer für die Lieferung von Gegenständen sowie für sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG). Aus dem Gesetzeswortlaut des § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG folgt, dass es "dem Unternehmer" zukommt, eine sachgerechte Schätzungsmethode zu wählen und es der Finanzbehörde allein obliegt nachzuprüfen, ob die gewählte Methode "sachgerecht" ist (BFH Urteil vom 5. Februar 1998 V R 101/96, BStBl. II 1998, 492).

Im Streitfall ist eine Aufteilung der im Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes T angefallenen Vorsteuern vorzunehmen, weil die Klägerin einerseits, soweit die Mieter die angemieteten Räumlichkeiten zur Erzielung von steuerpflichtigen Umsätzen verwenden, durch Verzicht (§ 9 Abs. 1 UStG) auf die Steuerfreiheit der Vermietungsumsätze gem. § 4 Nr. 12 a) UStG steuerpflichtige Umsätze tätigt, andererseits aber auch nach § 4 Nr. 12 a) steuerfreie Umsätze erzielt, soweit sie die Wohnungen zu privaten Wohnzwecken vermietet hat.

Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit gegen den Widerstand der Finanzverwaltung in ständiger Rechtsprechung klargestellt, dass der Umsatzschlüssel bei der Vermietung von Gebäuden einen sachgerechten Maßstab zur Aufteilung der Vorsteuern auf die steuerpflichtigen und die steuerfreien Umsätze darstellt (BFH Urteil vom 5. Februar 1998 V R 101/96, BStBl. II 1998, 492; vom 17. August 2001 V R 1/01, BStBl. II 2002, 833).

Mit dem Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003, BGBl. I 2003, 2645 hat der Gesetzgeber in Reaktion auf diese Rechtsprechung die Vorschrift des § 15 Abs. 4 UStG ergänzt. Nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG, der gem. Art. 25 Abs. 4 Steueränderungsgesetz 2003 ab 1. Januar 2004 zur Anwendung kommt, ist eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Im Ergebnis ist nach dieser Rechtsnorm der Umsatzschlüssel subsidiär gegenüber jedem anderen sachgerechten Aufteilungsmaßstab für die Vorsteuern.

Da eine Aufteilung der Vorsteuern nach einem Flächenschlüssel bei einem vermieteten Gebäude einen wirtschaftlich vertretbaren Aufteilungsmaßstab darstellt (BFH Beschluss vom 21. Mai 1987 V S 11/85, BFH/NV 1987, 536), ist dem Beklagten im Ausgangspunkt darin beizupflichten, dass die Klägerin nach der nationalen Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG nicht mehr befugt war, ab 2004 ihre Vorsteuern im Verhältnis der steuerfreien zu den steuerpflichtigen Umsätzen aufzuteilen.

Die Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG steht allerdings nicht in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht.

Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, bestimmt Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 1 6. EG-Richtlinie, dass der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig ist, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt. Dieser Pro-rata Satz wird nach Art. 19 6. EG-Richtlinie für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt (Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 2 6. EG-Richtlinie).

Art. 19 Abs. 1 6. EG-Richtlinie legt fest, dass der Pro-rata Satz des Vorsteuerabzugs nach Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 1 6. EG-Richtlinie sich aus einem Bruch ergibt, der im Zähler den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 2 und 3 6. EG-Richtlinie berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer und im Nenner den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer enthält.

Art. 17 Abs. 5 Unterabsätze 1 und 2 6. EG-Richtlinie sehen den Umsatzschlüssel folglich als Regelaufteilungsmaßstab vor. Damit nicht vereinbar ist eine nationale Regelung wie jene in § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG, die den Umsatzschlüssel nur als subsidiären Aufteilungsmaßstab zulässt.

Allerdings ermächtigt Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 3 6. EG-Richtlinie die Mitgliedstaaten, von der Regelung des Unterabsätze 1 und 2 abweichende Bestimmungen über die Aufteilung der Vorsteuern zu treffen. Im Einzelnen können die Mitgliedstaaten:

a) dem Steuerpflichtigen gestatten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden, wenn für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen geführt werden;

b) den Steuerpflichtigen verpflichten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden und für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen zu führen:

c) dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Abzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen;

d) dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihm vorschreiben, den Vorsteuerabzug nach der in Unterabsatz 1 vorgesehenen Regel bei allen Gegenständen und Dienstleistungen vorzunehmen, die für die dort genannten Umsätze verwendet wurden;

e) vorsehen, dass der Betrag der Mehrwertsteuer, der vom Steuerpflichtigen nicht abgezogen werden kann, nicht berücksichtigt wird, wenn er geringfügig ist.

Auf Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 3 Ziffern a), b), d), e) 6. EG-Richtlinie kann § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ersichtlich nicht gestützt werden, weil auch diese Ausnahmen weiterhin von einer Vorsteueraufteilung nach einem Umsatzschlüssel ausgehen und lediglich ein abweichendes Verfahren der Ermittlung des abzugsfähigen und nichtabzugsfähigen Anteils der Vorsteuern vorsehen.

Ob hingegen Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 3 c) 6. EG-Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, vorrangig einen anderen Aufteilungsmaßstab als den Umsatzschlüssel festzulegen, wird in der Literatur kontrovers beurteilt. Kraeusel, UVR 2004, 2; Birkenfeld, USt-Handbuch, § 184 Rn. 361 und Stadie in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum UStG § 15 Rn. 53, 882 sehen in der genannten Ausnahmeregelung eine hinreichende gemeinschaftsrechtliche Vorgabe für die Einschränkung des Vorsteuerabzugs nach einem Umsatzschlüssel. Skeptisch ohne eindeutiges Urteil äußern sich Wagner in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 15 Rn. 670 und Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, Kommentar zum UStG, § 15 Rn. 362. Als nicht gemeinschaftsrechtskonform wird § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG von Schuck/Frenzel, UR 2004, 180; von Lausterer, UStB 2005, 302 sowie von Streit, UR 2006, 254 beurteilt.

Der zuletzt genannten Rechtsansicht schließt sich der erkennende Senat an. Mit der Formulierung in Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 3 c) 6. EG-Richtlinie "den Abzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen" ist die vorrangige Direktzuordnung der Eingangsleistungen zu steuerpflichtigen oder steuerfreien Ausgangsleistungen gemeint. Die insgesamt angefallenen Vorsteuern sind nach dieser Richtlinienbestimmung zunächst danach aufzuteilen, ob sie gegenständlich unmittelbar einem Gebäudeteil zuzuordnen sind, mit dem steuerpflichtige oder steuerfreie Umsätze erzielt werden. Für den verbleibenden Rest, der einer direkten Zuordnung nicht zugänglich ist, bleibt es hingegen nach der Grundregel der Unterabsätze 1 und 2 des Art. 17 Abs. 5 6. EG-Richtlinie bei der Aufteilung anhand des Umsatzschlüssels.

Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten lässt der Wortlaut des Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 3 Ziffer c) 6. EG-Richtlinie nicht erkennen, dass der Richtliniengeber mit dieser Vorschrift dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet hätte, dem Steuerpflichtigen einen anderen Zurechnungsschlüssel zur Aufteilung der Vorsteuern als den Umsatzschlüssel vorzuschreiben. Dies ergibt sich jedenfalls nicht aus der Formulierung "den Abzug nach der Zurechnung der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen", auch wenn man mit dem Beklagten den Begriff der "Zurechnung" im Sinne von "Gebrauch" oder "Verwendung" versteht. Es ist das Wesen eines jeglichen Aufteilungsmaßstabs - und damit auch des Umsatzschlüssels -, eine Verknüpfung zwischen der Eingangs- und der Ausgangsleistung herzustellen. Damit findet aber auch bei einem Umsatzschlüssel eine "Zurechnung" der bezogenen Gegenstände zu den Ausgangsleistungen statt; Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 3 c) 6. EG-Richtlinie grenzt den Umsatzschlüssel nicht aus.

Dieses Ergebnis wird auch durch eine systematische Auslegung von Art. 17 Abs. 5 6. EG-Richtlinie bestätigt. Unterabsatz 2 legt fest, dass der nach Art. 19 Abs. 1 6. EG-Richtlinie ermittelte Pro-rata Satz für die Gesamtheit der Umsätze des Steuerpflichtigen gilt. Mit der Formulierung der Einleitung des Unterabsatzes 3 "Jedoch können die Mitgliedstaaten" nimmt diese Bestimmung offensichtlich Bezug auf den vorangehenden Unterabsatz 2, d.h. es wird eine Rechtsgrundlage dafür geschaffen, von einem einheitlichen Aufteilungsmaßstab für das gesamte Unternehmen des Steuerpflichtigen abzusehen und für Teilbereiche des Unternehmens gesonderte Aufteilungsverhältnisse zu ermitteln. Nur von der zwingenden Anwendung des einheitlichen Aufteilungsmaßstabs wird eine Ausnahme geschaffen, nicht aber von der Vorgabe, die Vorsteuern anhand eines Umsatzschlüssels aufzuteilen.

Enthält die 6. EG-Richtlinie eine für den Steuerpflichtigen günstigere Regelung als das nationale Umsatzsteuergesetz, so kann sich der Steuerpflichtige gegenüber nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Rechtsvorschriften unmittelbar auf die Bestimmung der Richtlinie berufen, sofern diese inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheint (EuGH Urteil vom 27. Juni 1989 Rs C-50/89, UR 1989, 373; vom 10. September 2002 Rs. C-141/80 - Kügler - UR 2002, 513). Das ist hier der Fall, weil Art. 17 Abs. 5 Unterabsätze 1 und 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 1 6. EG-Richtlinie zwingend ohne Ausnahme die Aufteilung der Vorsteuern nach einem Umsatzschlüssel vorsehen und diese Regelung der Klägerin einen höheren Vorsteuerabzug ermöglicht. Im Wege des direkten Durchgriffs auf die Regelungen des Gemeinschaftsrechts kann die Klägerin die abzugsfähigen Vorsteuern des Jahres 2004 wie im Vorjahr anhand eines Umsatzschlüssels ermitteln.

Kann die Klägerin auch nach Inkrafttreten des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG unter Berufung auf die Regelungen der 6. EG-Richtlinie weiterhin die Vorsteuern nach einem Umsatzschlüssel aufteilen, so entfällt damit auch der Ansatz eines Berichtigungsbetrages nach § 15 a Abs. 1 UStG im Hinblick auf den Übergang von einem Umsatzschlüssel zu einem Flächenschlüssel bezüglich der Vorsteuern des Jahres 2003.

II. Auch wenn die Klägerin berechtigt ist, ihre Vorsteuern über das Jahr 2003 hinaus nach einem Umsatzschlüssel aufzuteilen, hat allerdings insoweit eine Anpassung des Aufteilungsmaßstabs zu erfolgen, als sich nach Vermietung des Gebäudes ein Anteil der mit den steuerpflichtig vermieteten Geschäftsräumen erzielten Umsätzen von nur 45,24 v.H. gegenüber einem zuvor kalkulierten Anteil von 54,07 v.H. ergeben hat. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt.

Allerdings ist der Aufteilungsschlüssel nicht schon im Streitjahr 2004, sondern erst in 2005 zu ändern; die in 2003 und 2004 abgezogenen Vorsteuern sind in 2005 nach § 15 a Abs. 1 UStG zu berichtigen. Gem. § 15 a Abs. 1 UStG in der für das Streitjahr 2004 geltenden Fassung ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen, wenn sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb des Berichtigungszeitraums ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse ändern. Erstmalige Verwendung in diesem Sinne ist bei einem zur Vermietung bestimmten Gebäude nicht die Fertigstellung der Gebäudeeinheiten oder der Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages, sondern der vertragliche Mietbeginn. Vertraglicher Mietbeginn war im Streitfall bei diversen Mieteinheiten ein Zeitpunkt im Jahre 2005, so dass sich das Aufteilungsverhältnis erst in diesem Jahr geändert hat. Für das Streitjahr 2004 unterbleibt infolgedessen eine Vorsteuerberichtigung.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

V. Der Senat lässt die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu, weil die Frage der Vereinbarkeit des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG mit Gemeinschaftsrecht für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung und bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

Ende der Entscheidung

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