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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: 16 K 385/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 16 Abs. 1
Zu den Voraussetzungen für die Gestattung der Ist-Versteuerung nach § 20 UStG.
Finanzgericht Niedersachsen

16 K 385/06

Tatbestand:

Streitig ist die Frage, ob der Kläger seine Umsätze nach vereinbarten oder nach vereinnahmten Entgelten zu versteuern hat.

Der Kläger ist selbständiger Ingenieur. Mit Kaufvertrag vom 15. Januar 2003 hat der Kläger Kundenkontakte mit Wirkung zum 1. Januar 2003 zum Preis von 270.000,- EUR zuzüglich Umsatzsteuer an die I GmbH, an der er zu 50 v.H. beteiligt ist, veräußert. Der Kaufpreis ist nach Ziffer 6 des Vertrages in 9 Teilbeträgen zu entrichten, und zwar grundsätzlich, beginnend mit dem 1.1.2003, zum jeweils 1. Januar des Jahres. Die erste Kaufpreisrate wird verzinslich bis zum 30. November 2003 gestundet.

Einen ausdrücklichen Antrag auf Versteuerung seiner Umsätze nach vereinnahmten Entgelten hat der Kläger in der Vergangenheit nicht gestellt.

Der Kläger erfasste die zum 30. November 2003 sowie die zum 1. Januar 2004 gezahlten ersten beiden Raten von jeweils 30.000,- EUR in den Umsatzsteuervoranmeldungen für das 4. Quartal 2003 und das 1. Quartal 2004. Der Beklagte verarbeite die Voranmeldungen zunächst ohne Abweichung.

In der Zeit vom 19. März 2004 bis zum 18. Oktober 2004 führte der Beklagte beim Kläger eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Der Prüfer stellte sich auf den Standpunkt, dass das gesamte Entgelt aus dem Kaufvertrag vom 15. Januar 2004 im 4. Quartal 2003 zu versteuern sei, weil der Kläger seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten versteuere. Entsprechend änderte der Beklagte die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für das 4. Quartal 2003 und das 1. Quartal 2004 mit Datum vom 8. (4/2003) und 9. (1/2004) Dezember 2004.

Dagegen wandte sich der Kläger, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, zunächst mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs, mit dem er geltend machte, dass der Beklagte in der Vergangenheit konkludent die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten genehmigt habe. Während des Einspruchsverfahrens reichte der Kläger am 28. Februar 2005 seine Umsatzsteuererklärung für 2003 ein. Darin erklärte er wiederum nur die erste nach dem Vertrag vom 15. Januar 2003 gezahlte Rate als Umsatz. Der Beklagte ist dem nicht gefolgt, sondern setzte in dem Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 30. März 2005 einen Umsatz von 270.000,- EUR an. Den Bescheid gab der Beklagte dem Kläger persönlich bekannt. Im weiteren Verlauf hat der Kläger mit Schreiben vom 6. Juni 2005 hilfsweise den Antrag gestellt, die Ist-Versteuerung zu genehmigen. Mit Schreiben vom 16. Juni 2005 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er nicht verpflichtet sei, aufgrund dieses Antrags rückwirkend eine Genehmigung bereits für die Jahre 2003 und 2004 zu erteilen, weil die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten der Vereinfachung der Besteuerung dienen solle, nicht aber dazu führen dürfe, bei verbundenen Unternehmen den Vorsteuerabzug ohne korrespondierende Umsatzsteuerschuld zuzulassen. Hinsichtlich der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ab 2005 erhalte der Kläger noch gesonderte Nachricht. Mit Bescheid vom 14. Juni 2005 gestattete der Beklagte dem Kläger, die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen. Der Bescheid enthält den Zusatz, dass ausdrücklich darauf hingewiesen werde, dass die Genehmigung erst ab dem Jahr 2005 gelte. Die Schreiben vom 14. und 16. Juni 2005 sind nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.

Der Beklagte hat den Einspruch sodann mit Einspruchsbescheid vom 12. Juli 2005 als unbegründet zurückgewiesen. Dieser Einspruchsbescheid hat ausweislich seines Tenor den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid 4. Quartal 2003 sowie den Umsatzsteuervoraus-zahlungsbescheid 1. Quartal 2004 zum Gegenstand.

Der Kläger wendete sich dagegen mit der Klage, die unter dem Aktenzeichen 16 K 363/05 beim Niedersächsischen Finanzgericht anhängig war. Während dieses Klageverfahrens reichte der Kläger seine Umsatzsteuerjahreserklärung für 2004 ein, in der er die Umsätze weiterhin entsprechend seiner Rechtsauffassung, dass er nach vereinnahmten Entgelten versteuere, ermittelte. Die Veranlagungsdienststelle des Beklagten stimmte dieser Erklärung - offenbar in Unkenntnis des bereits anhängigen Klageverfahrens - zu und stellte damit den Kläger klaglos. Außerdem hat das Gericht den Beklagten darauf hingewiesen, dass der während des Klageverfahrens ergangene Umsatzsteuerjahresbescheid 2003 den Vorauszahlungsbescheid für das 4. Quartal 2003 ersetzt und der Einspruchsbescheid deshalb einen gegenstandslos gewordenen Bescheid zum Inhalt habe. Der Beklagte hat daraufhin den Einspruchsbescheid vom 12. Juli 2005 aufgehoben; die Verfahrensbeteiligten haben den Rechtsstreit sodann in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Mit Datum vom 27. Juni 2006 erließ der Beklagte erneut einen Umsatzsteuerbescheid für 2003, der nunmehr auch dem Bevollmächtigten bekanntgegeben wurde. Außerdem erging am Mittwoch, den 23. August 2006 erneut ein Einspruchsbescheid, nunmehr wegen Umsatzsteuer 2003. Der Einspruchsbescheid wurde per Post übersandt.

Am Donnerstag, den 28. September 2006, um 15.58 Uhr, übersandte der Prozessbevollmächtigte dem Gericht per Fax vier leere Seiten. Die Poststelle des Gerichts wies den Prozessbevollmächtigten darauf per Fax am 29. September 2006 hin. Am 29. September 2006 übermittelte der Prozessbevollmächtigte wiederum per Fax an das Gericht eine nunmehr ordnungsgemäße Klageschrift. Das Gericht hat in seiner Eingangsverfügung vom 10. Oktober 2006, abgesandt am 11. Oktober, als Datum des Klageeingangs den 29. September 2006 angegeben. Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2006 stellte der Kläger formell einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er erläuterte, dass die Sekretärin am 28. September 2006 versehentlich das Fax verkehrt herum in das Faxgerät gelegt habe.

In der Sache vertritt der Kläger auch im aktuellen Klageverfahren die Auffassung, dass seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten zu versteuern seien.

Der Kläger habe in der Vergangenheit konkludent einen Antrag auf Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestellt; der Beklagte habe diesen stillschweigend genehmigt.

Der Kläger habe in der Vergangenheit seine Umsätze immer nach vereinnahmten Entgelten erklärt. Darin sei ein Antrag auf Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten zu erblicken. Dem Beklagten sei ebenfalls bekannt gewesen, dass der Kläger seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten erkläre. So habe im Jahre 2002 eine Betriebsprüfung stattgefunden, die auch eine Abstimmung der Einnahme-Überschuss-Rechnungen des Klägers mit seinen Umsatzsteuererklärungen zum Gegenstand gehabt hätte. In diesem Zusammenhang hätte der Prüfer erkennen können, dass der Kläger seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten versteuere. Darüber hinaus sei der Prüfer mit Schreiben vom 21. November 2002 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Kläger Einzelauf-zeichnungen zu den vereinnahmten Entgelten nach § 22 UStG führe. Hätte der Kläger die Umsätze nach vereinbarten Entgelten erklärt, hätte es Differenzen zwischen seinen Einnahme-Überschussrechnungen und den Umsatzsteuererklärungen geben müssen. Das sei aber nicht der Fall gewesen. Auch daran sei für den Beklagten deutlich geworden, dass der Kläger die Ist-Versteuerung gewählt habe. Wenn der Beklagte den Voranmeldungen bzw. Umsatzsteuerjahreserklärungen nichtsdestotrotz gefolgt sei, sei darin eine stillschweigende Genehmigung des konkludent gestellten Antrags des Klägers zu erblicken.

Darüber hinaus habe er hilfsweise nachträglich einen Antrag auf Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestellt. Zumindest diesem Antrag hätte der Beklagte zustimmen müssen.

Die Ratenzahlung sei wirtschaftlich begründet, weil die GmbH erst dann hätte mit den Kosten für die Kundenkontakte belastet werden sollen, wenn die Kundenkontakte auch zu einem wirtschaftlichen Ertrag geführt hätten. Es sei zwar richtig, dass der sofortige Vorsteuerabzug auf der Ebene der GmbH zu einem Liquiditätsvorteil - nicht Steuervorteil - führe. Dieser sei aber durch die steuerrechtlichen Regelungen bedingt und würde sich mittelfristig wieder ausgleichen. Es sei im übrigen nicht angängig, dass hier faktisch nur ein einzelner Geschäftsvorfall aus der Ist-Besteuerung ausgenommen werde.

Soweit sich der Beklagte auf eine Entscheidung des FG München berufe, sei darauf hinzuweisen, dass die Fälle inhaltlich nicht zu vergleichen seien. Denn hier beträfen die Umsätze nicht verbundene Unternehmen; zudem sei kein Steuervorteil beabsichtigt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides 2003 die Umsatzsteuer 2003 auf 4.709,87 EUR herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, dass der Kläger im Streitjahr 2003 nach vereinbarten Entgelten zu versteuern habe.

Der Beklagte habe in der Vergangenheit die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten nicht genehmigt. Eine Genehmigung werde durch formlosen Verwaltungsakt erteilt, sie setze aber einen Bekanntgabewillen des für den Erlass zuständigen Bediensteten voraus. Ein solcher Bekanntgabewillen habe hier nicht vorgelegen. Im Rahmen der Vor-Betriebsprüfung habe der Prüfer auf einem Vordruck die Alternative "Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten" weggestrichen. Daraus sei zu folgern, dass ihm die Erklärung der Umsätze nach vereinnahmten Entgelten gar nicht aufgefallen sei. Das Thema Ist- oder Sollbesteuerung habe in dem Besprechungen mit dem Kläger und dem Berater keine Rolle gespielt. Schließlich sei im Festsetzungsspeicher eindeutig festgehalten, dass der Kläger nach vereinbarten Entgelten versteuere. Bloßes Schweigen auf einen Antrag auf Ist-Versteuerung stelle keine Genehmigung dar.

Dem Kläger könne aber auch nicht nachträglich eine Genehmigung erteilt werden. Eine solche Genehmigung komme dann nicht in Betracht, wenn die Entgelte über einen unverhältnismäßig langen Zeitraum nicht vereinnahmt würden und die an dem Umsatzgeschäft Beteiligten als nahestehende Personen anzusehen seien. Da der Kläger zu 50 v.H. an der I GmbH beteiligt sei, könnten bei dieser keine Entscheidungen gegen seinen Willen getroffen werden. Damit sei er als nahestehende Person anzusehen. Ein Tilgungszeitraum von neun Jahren wie im Streitfall sei aber in jedem Fall ein unverhältnismäßiger Zeitraum. Für den Fiskus würde sich bei einem Kalkulationszinsfuß von 7 v.H. ein Steuernachteil von fast 10.000,- EUR bei einer Steuerschuld von 43.200,- EUR ergeben.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 17. Oktober 2007 (Kläger) und 10. November 2006 (Beklagter) auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

I. Die Klage ist unzulässig.

Der Kläger hat erst nach Ablauf der Klagefrist damit verspätet Klage erhoben. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.

Die Frist zur Klageerhebung beträgt gem. § 47 Abs. 1 FGO einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Fällt die Dreitagesfrist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, dann verlängert sie sich bis zum nächstfolgenden Werktag (BFH Urteil vom 14. Oktober 2003 IX R 68/98, BStBl. II 2003, 898).

Damit gilt die am Mittwoch, den 23. August 2006, zur Post gegebene Einspruchsentscheidung am Montag, den 28. August 2006, als bekannt gegeben. Die Klagefrist endete somit am Donnerstag, den 28. September 2006.

Mit den am Donnerstag, den 28. September 2006, an das Gericht gefaxten vier leeren Blättern hat der Kläger nicht wirksam Klage erhoben. Gem. § 65 Abs. 1 FGO muss die Klage den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, bei Anfechtungsklagen auch den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf enthalten. Da diese Anforderungen an eine Klage allesamt nicht erfüllt sind, liegt zu diesem Zeitpunkt keine wirksame Klageerhebung vor.

Eine ordnungsgemäße Klageschrift hat der Kläger zwar am Freitag, den 29. September 2006, bei Gericht eingereicht. Diese Klageschrift ist aber um einen Tag verspätet.

Dem Kläger ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm gem. § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist nach § 56 Abs. 2 FGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gestellt werden. Nach der Rechtsprechung des BFH müssen die den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Tatsachen innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden (BFH Urteile vom 27. März 1985 II R 118/83, BStBl. II 1985, 586;vom 20. Februar 1990 VII R 125/89, BStBl. II 1990, 546).

Es kann im Streitfall dahin stehen, ob die Klagefrist deshalb ohne Verschulden nicht eingehalten wurde, weil die Aushilfssekretärin des Bevollmächtigten die Klageschrift verkehrt herum in das Faxgerät gelegt hat; insoweit ist fraglich, ob bei Ausfall der normalerweise mit der Versendung von Klageschriften und der Bedienung des Faxgerätes betrauten Kanzleimitarbeiter die dann eingesetzte Aushilfskraft nicht hinreichend in die ordnungsmäßige Bedienung des Faxgerätes hätte eingewiesen werden müssen, so dass es nicht zu dem Versehen gekommen wäre, dass die Versäumung der Klagefrist auslöste.

Der Wiedereinsetzungsantrag scheitert jedenfalls daran, dass die Gründe, die zur Versäumung der Klagefrist geführt haben und die Wiedereinsetzung begründen sollen, dem Gericht nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen mitgeteilt worden sind. Das Gericht hat dem Bevollmächtigen bereits am 29. September 2006 den Hinweis gegeben, dass lediglich vier leere Seiten eingegangen seien. Damit war für den Bevollmächtigten zu diesem Zeitpunkt erkennbar, dass er nicht wirksam Klage erhoben hatte; die zwei Wochen Frist für den Wiedereinsetzungsantrag begann daher am 29. September 2006 zu laufen und endete am 13. Oktober. In der - nunmehr ordnungsgemäß übersandten - Klageschrift werden jedoch an keiner Stelle die Umstände dargelegt, die zur nach Auffassung des Klägers schuldlosen Versäumung der Klagefrist geführt haben. Erst in dem Schriftsatz vom 19. Oktober 2006 wird dargelegt, wie es zu dem Versehen gekommen ist. Dies war aber nach Ablauf der Frist für die Wiedereinsetzung.

II. Die Klage kann auch in der Sache keinen Erfolg haben.

Zu Recht hat der Beklagte im Streitjahr 2003 Umsätze in Höhe von 270.000,- EUR erfasst. Denn der Kläger hat seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten zu versteuern.

Nach § 16 Abs. 1 UStG ist die Steuer, soweit nicht § 20 UStG gilt, nach vereinbarten Entgelten zu berechnen. Gem. § 20 Abs. 1 UStG kann das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer, dessen Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 125.000,- EUR betragen hat, oder der von der Verpflichtung, Bücher zu führen oder auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 der Abgabenordnung befreit ist, oder soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ausführt, die Steuer nicht nach den vereinbarten Entgelten, sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet.

1. Der Beklagte hat nicht in der Vergangenheit die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestattet. Unstreitig hat vor der Umsatzsteuersonderprüfung im Jahre 2004 weder der Kläger ausdrücklich einen Antrag auf Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestellt, noch hat der Beklagte ausdrücklich durch Bescheid die Ist-Versteuerung gestattet. Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass sowohl der Antrag auf Gestattung der Ist-Versteuerung, als auch die Genehmigung durch die Finanzbehörde durch schlüssiges Handeln erfolgen können (ebenso BFH Beschluss vom 28. August 2002 V B 65/02, BFH NV 2003, 210; Offerhaus/Söhn/Lange, Kommentar zum UStG, § 20 Rz. 107). Erforderlich ist jedoch, dass das Finanzamt eine nach außen hin erkennbare Entscheidung trifft; der bloße Umstand, dass es einen Antrag auf Gestattung der Ist-Versteuerung nicht abgelehnt hat, stellt für sich noch keine Genehmigung dar (BFH Beschluss vom 28. August 2002 V B 65/02, a.a.O.; Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 20 Rz. 35). Im Streitfall hat der Beklagte nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit einen Antrag auf Ist-Versteuerung abgelehnt. Der Umstand, dass der Betriebsprüfer bei der Vor-Betriebsprüfung aus verschiedenen Umständen hätte erkennen können, dass der Kläger seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten erklärt habe und insoweit keine Prüfungsfeststellungen getroffen hat, stellt noch keine hinreichend eindeutige Gestattung der Ist-Versteuerung dar, zumal der Betriebsprüfer organisatorisch gar nicht zur Entscheidung über entsprechende Anträge berufen ist. Auch die erklärungsgemäße Festsetzung der Steuer durch den Innendienst lässt nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass der Beamte einen konkludent gestellten Antrag auf Ist-Versteuerung gestatten wollte. Hinzu kommt, dass das Erfordernis der Entscheidung über einen Antrag auf Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten durch Verwaltungsakt der Rechtsklarheit dient. Es soll für die Beteiligten kein Zweifel darüber bestehen, nach welchem Verfahren sich die Besteuerung richtet. Daraus folgt, dass desto höhere Anforderungen an den Erklärungswert einer angeblichen Gestattung der Ist-Versteuerung zu stellen sind, je weniger eindeutig der Steuerpflichtige zuvor einen Antrag auf Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestellt hat. Im Streitfall konnte der Beklagte noch nicht aus den Umsatzsteuererklärungen für sich, die keinen Hinweis darauf enthielten, dass in ihnen die vereinnahmten Entgelte erklärt wurden, sondern nur unter Hinzunahme weiterer Unterlagen ableiten, dass der Kläger konkludent die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten begehrte. In diesem Falle könnte nur dann von einer schlüssigen Genehmigung ausgegangen werden, wenn unzweifelhaft erkennbar wäre, dass sich der Beklagte bewusst war, dass der Kläger einen Antrag auf Ist-Versteuerung gestellt hat. Solche Umstände sind jedoch nicht ersichtlich.

2. Auch der mit Schriftsatz vom 6. Juni 2005 ausdrücklich gestellte Antrag führt nicht zur Anwendung der Ist-Versteuerung. Denn der Beklagte hat diesen Antrag mit bestandskräftigem Bescheid vom 16. Juni 2005 abgelehnt. Die Finanzbehörde entscheidet über einen Antrag auf Gestattung der Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten durch formlosen Verwaltungsakt (§ 118 AO). Im Falle der Ablehnung ist dieser Bescheid selbständig mit Rechtsbehelfen anfechtbar. Das Schreiben des Beklagten vom 16. Juni 2005 stellt einen ablehnenden Verwaltungsakt dar. In diesem gibt der Beklagte eindeutig kund, dass er dem Antrag vom 6. Juni 2005 nicht zu folgen bereit ist. Das stellt die Ablehnung des vom Kläger gestellten Antrags dar.

Zwar ist das Schreiben vom 16. Juni 2005 nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Dieser Fehler führt jedoch nach § 356 Abs. 1 und 2 AO lediglich dazu, dass die Einlegung des Einspruchs bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig bleibt. Da der Kläger jedoch auch nicht binnen Jahresfirst gegen den Bescheid vom 16. Juni 2005 Einspruch eingelegt hat, ist die Ablehnung der Gestattung der Ist-Versteuerung bestandskräftig geworden, so dass es bei der Versteuerung nach vereinbarten Entgelten bleibt.

3. Schließlich hielt sich die Ablehnung des Antrags auf Ist-Versteuerung im Rahmen des der Behörde eingeräumten Ermessens. Gem. § 20 Abs. 1 UStG "kann" das Finanzamt auf Antrag die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestatten. Es handelt sich insoweit um eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht nach § 102 FGO nur daraufhin überprüft werden kann, ob die Finanzbehörde bei der Ablehnung des Verwaltungsakts die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Allerdings entspricht es weitverbreiteter Auffassung, dass die Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen der Nr. 1-3 des § 20 Abs. 1 UStG die Erlaubnis zu erteilen hat, wenn nicht besondere Umstände des Falles eine andere Entscheidung gebieten (Offerhaus/Söhn/Lange, § 20 Rz. 109); insoweit wird von einer Ermessensredzuierung auf Null im Hinblick auf die Erteilung der Gestattung auszugehen sein. Im Streitfall liegt jedoch ein atypischer Fall vor, weil die Entgeltszahlung über den außerordentlich langen Zeitraum von neun Jahren gestreckt wird. Wenn der Beklagte in einer derartigen Fallgestaltung unter Hinweis auf die Gefährdung des Steueraufkommens durch eine mögliche Insolvenz des Leistungsempfängers sowie den erheblichen Zinsnachteil für den Fiskus durch die Versteuerung der Umsätze über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg bei gleichzeitig sofortigem Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger, so erscheint dies als eine vertretbare Entscheidung, die vom Ermessensspielraum des Beklagten gedeckt ist.

4. Da der Kläger mit Kaufvertrag vom 15. Januar 2003 ein Entgelt für die Übertragung von Kundenkontakten in Höhe von 270.000,- EUR vereinbart hat, war ein entsprechender Umsatz im Jahre 2003 zu versteuern.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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