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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 15.01.2009
Aktenzeichen: 16 K 425/06
Rechtsgebiete: UStG
Vorschriften:
UStG § 12 Abs. 2 |
Tatbestand:
Die Klägerin handelt mit biologischen Kur- und Heilmitteln, Kosmetika und Körperpflegeprodukten. Darüber hinaus stellte sie in den Streitjahren so genannte Nahrungsergänzungsmittel her und veräußerte diese. Letzt genannte Ausgangsumsätze unterwarf sie dem begünstigen Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. der Anlage zum UStG. Dementsprechend erklärte sie die Umsätze in ihren Steuererklärungen.
Nach einer Außenprüfung nahm der Beklagte an, dass der ermäßigte Steuersatz nur auf Umsätze angewendet werden könne, die dem in der Anlage genannten Zolltarifnummern zuzuordnen seien. Für die einzelnen Produkte könnten unverbindliche Zolltarifauskünfte eingeholt werden. Während der Außenprüfung holte die Klägerin für verschiedene Produkte verbindliche Zolltarifauskünfte ein. Danach ergab sich, dass für die Nahrungsergänzungsmittel in nicht flüssiger Form eine Einordnung in die Zollnomenklatur 2106 mit der Folge des begünstigten Steuersatzes angenommen werden könne, hingegen für die Nahrungsergänzungsmittel in flüssiger Form eine Einstufung als Getränk und damit unter den Zollnomenklatur 2202 zu erfolgen habe. Soweit die Klägerin Kombinationspackungen veräußere, die sowohl Ergänzungsmittel in fester als auch in flüssiger Form beinhalteten, teilte die Außenprüfung - insoweit einvernehmlich mit der Klägerin - die Umsätze zu je ein Halb zu den begünstigten bzw. nicht begünstigten Umsätzen auf. Dementsprechend setzte der Beklagte die Umsatzsteuer mit Änderungsbescheiden vom 24. Oktober 2005 fest.
Im sich anschließenden Einspruchsverfahren setzte der Beklagte die Umsatzsteuer insoweit herab, als er nunmehr annahm, dass die Lieferung von Lachsölkapseln steuerbegünstigt sei. Im Übrigen wurde der Einspruch abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin möchte den begünstigten Steuersatz für sämtliche Nahrungsergänzungsmittel erreichen. Sie trägt vor, dass sämtliche Produkte lebensmittelrechtlich zwingend als Nahrungsergänzungsmittel zu qualifizieren seien und damit den restriktiven Ordnungsvorschriften des Lebensmittelrechts unterlägen. Insbesondere seien die in Rede stehenden Produkte lebensmittelrechtlich nicht als Getränke einzuordnen. Soweit während der Außenprüfung verbindliche Zolltarifauskünfte auf Anregung des Außenprüfers eingeholt und erteilt worden seien, seien diese ersatzlos aufgehoben worden. Im Kern gehe es darum, ob es rechtens sei, dass sämtliche in flüssiger Form dargereichten Produkte als Getränke unter Position 2202 der kombinierten Nomenklatur zu fassen seien. Dies werde bestritten.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer 2001 auf 98.078,90 EUR, die Umsatzsteuer 2002 auf 55.836,73 EUR und die Umsatzsteuer 2003 auf 32.897,99 EUR herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung verweist er auf die Rechtsprechung des EUGH Urteil vom 26. März 1981, wonach der zolltarifliche Begriff Getränk nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen sei. Danach seien Getränke alle Flüssigkeiten, die zum menschlichen Genuss geeignet und bestimmt seien, ohne dass es auf die eingenommene Menge und die besonderen Zwecke ankomme, denen die verschiedenen Arten genießbarer Flüssigkeiten dienen könnten. Der Bundesfinanzhof habe im nachfolgenden Urteil vom 22.01.1985 entschieden, dass eine Flüssigkeit nur dann nicht trinkbar sei, wenn es jedem Durchschnittsverbraucher unmöglich sei das Erzeugnis unmittelbar, ohne Verdünnung oder sonstige Beigaben zu trinken. Soweit die Klägerin in Einzelprodukten oder Kombinationsprodukten Nahrungsergänzungsmittel in flüssiger Form vertreibe, erfüllten diese Produkte den Begriff des Getränks.
Die Klägerin hat dem Gericht in der mündlichen Verhandlung eine Packung der Kur "4-Jahreszeiten" übergeben und den Inhalt erläutert. Gleiches gilt für die Produkte Aloe-Vera-Drink. Außerdem ist dem Gericht die Umverpackung zu dem Produkt Q 10 Vital überreicht worden. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf das Protokoll vom heutigen Tage Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Umsatzsteuer auf 7 v.H. für die Lieferungen der in der Anlage zu dieser Norm bezeichneten Gegenstände. In der laufenden Nummer 33 dieser Anlage sind verschiedene Lebensmittelzubereitungen genannt, die unter dem Zolltarif in Kapitel 21 einzuordnen sind.
Damit verweist die Anlage zu § 12 Abs. 2 UStG in Abgrenzungsfragen auf den gemeinsamen Zolltarif der Europäischen Gemeinschaft, dem die kombinierte Nomenklatur des Harmonisierten Systems zur Bezeichnung und Kodierung der Waren zu Grunde liegt. Die kombinierte Nomenklatur beruht auf der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87. Sie ist damit jüngeren Datums als die Rechtssprechung, die der Beklagte für seine Auffassung zu Grunde legt. Nach den gültigen Erläuterungen zum Harmonisierten System (HS) gehören zu den Lebensmittelzubereitungen aus Position 2106 im Kapitel 21 des Zolltarifs soweit anderweit weder genannt noch inbegriffen Zubereitungen die entweder unmittelbar oder nach weiterer Behandlung zur menschlichen Ernährung verwendet werden. Nach Position 03.1 aus 2106 gehören in diese Position Zubereitungen, die ganz oder teilweise aus Lebensmitteln zusammengesetzt sind und beim Herstellen von Getränken oder Lebensmitteln verwendet werden. Nach Position 29.0 aus 2106 gehören Zubereitungen, häufig als "Nahrungsergänzungsmittel" bezeichnet, auf der Grundlage von Pflanzenauszügen, Fruchtkonzentraten, Honig, Fructose usw., denen Vitamine und manchmal sehr geringe Mengen Eisenverbindungen zugesetzt sind in diese Position. Dort sind jedoch ausgenommen ähnliche Zubereitungen, die zum Verhüten oder Behandeln von Krankheiten oder Leiden bestimmt sind.
Für den Streitfall ist beachtlich, dass die klägerseits im Termin vorgelegten Erzeugnisse der Klägerin, die mit den streitbefangenen Produkten der Streitjahre identisch oder baugleich sind, ausdrücklich als Nahrungsergänzungsmittel gekennzeichnet sind. Die zum Kombinationsprodukt "4-Jahreszeiten-Kur" gehörenden Trinkfläschchen mit jeweils 15 ml Inhalt setzen sich aus Wasser, fermentierten Blütenpollen, Weizenkeimextrakt und Säuerungsmittel, Ascorbinsäure, Selen-Hefe und Niacin zusammen. Sie sind nach der Anweisung auf der Verpackung nur verdünnt in 200 ml Wasser zu trinken. Damit erfüllen diese Trinkfläschchen und auch die Ampullen in den baugleichen Produkten Bio-Fermenta Plus und Energetikum für 90 Tage die Einordnung unter Position 2106.
In gleicher Weise beurteilt der erkennende Senat die Einordnung der Trinkfläschchen in dem Kombinationsprodukt "Fit + Vital".
Auch die jeweils 20 ml Flüssigkeit enthaltenden Fläschchen "Q 10 Vital" ordnet der Senat der Position 2106 des Kapitels 21 zu. Auch insoweit ist mit entscheidend, dass die Fläschchen nach ihrer Umverpackung ausdrücklich als Nahrungsergänzungsmittel gekennzeichnet sind.
Schließlich ordnet der Senat auch das in den Streitjahren von der Klägerin vertriebene Produkt Fl, dass als Aloe-Vera-Drink bzw. Aloe-Vera-Saft zusätzlich bezeichnet wird, der Position 2106 aus Kapitel 21 zu. Nach in Augenscheinnahme des Produktes in der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass auch insoweit das Produkt als Nahrungsergänzungsmittel kenntlich gemacht ist und sich aus Wasser, Fructose, Fruchtpulver und einem Aloe-Vera-Konzentrat zusammensetzt. Die Verzehrempfehlung von täglich 25 ml lässt erkennen, dass das Produkt nicht als Getränk im Sinne des Zollrechts bestimmt ist.
Der Senat lässt sich für die Einordnung noch von den nachfolgenden Erwägungen leiten:
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat in der Verordnung 2001/1777 EG vom 07.09.2001 zum Ausdruck gebracht, dass zur einheitlichen Anwendung der kombinierten Nomenklatur unter anderem Zubereitungen für besondere diätetische Zwecke, einschließlich Zubereitungen für besondere Ernährungszwecke und Nahrungsergänzungsmittel, die die Gesundheit und das Wohlbefinden erhalten und üblicherweise in Kapitel 21 als Lebensmittelzubereitungen der Position 2106 eingereiht werden, von pflanzlichen Arzneizubereitungen zu unterscheiden sei. Er hat dabei weiter ausgeführt, dass Nahrungsergänzungsmittel Zubereitungen seien, die im Allgemeinen auf der Grundlage von Vitaminen, essenziellen Aminosäuren oder Fettsäuren und Mineralstoffen zubereitet würden. Für den erkennenden Senat wird daraus deutlich, dass Nahrungsergänzungsmittel grundsätzlich in Position 2106 einzureihen sind.
Zusätzliche Erwägung für den Senat ist, dass in den Erläuterungen zum Harmonisierten System zu Kapitel 22, in denen die Getränke umschrieben sind, bereits im allgemeinen Teil ausgeführt wird, dass die zu diesem Kapitel (Kapitel 22) gehörigen Waren eine Gruppe bilden, die sich von den Lebensmittelzubereitungen der vorhergehenden Kapitel der Nomenklatur deutlich unterscheidet. Danach können im Kapitel 22 vier Hauptgruppen unterteilt werden, nämlich A) Wasser, andere nicht alkoholhaltige Getränke und Eis, B) gegoren alkoholhaltige Getränke (Bier, Wein, Apfelwein usw.), C) durch destillieren hergestellte alkoholhaltige Flüssigkeiten und Getränke (Brandwein, Likör usw.), D) Speiseessig.
Betrachtet man die hier in Streit stehenden Ampullen oder den Aloe-Vera-Drink unter den genannten Gesichtspunkten, so kann festgestellt werden, dass keines dieser Produkte in die Hauptgruppen des Kapitels 22 einzuordnen ist. Es ist zu berücksichtigen, dass der Aggregatzustand eines Lebensmittels nicht entscheidend für die Einordnung zwischen den Kapiteln 21 und 22 ist. Entscheidend ist letztlich, dass es sich um Nahrungsergänzungsmittel handelt, die deshalb unter Zolltarif 21 einzuordnen sind, weil es sich dabei nicht um Arzneimittel handelt. Die zur Einreihung in Kapitel 22 erforderliche deutliche Unterscheidung von Lebensmittelzubereitungen ist gerade für die hier in Rede stehenden Produkte nicht ersichtlich.
Nach allen war der Klage im Umfang der gestellten Anträge stattzugeben. Wegen der Steuerberechnung macht sich das Gericht die Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 15. Januar 2009 zu Eigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151,155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird gemäß § 139 FGO für notwendig erklärt.
Ende der Entscheidung
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