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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 10.03.2008
Aktenzeichen: 16 K 482/06
Rechtsgebiete: UStG
Vorschriften:
UStG § 17 Abs. 1 |
Finanzgericht Niedersachsen
Tatbestand:
Streitig ist die Frage, ob im Streitjahr die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG vorliegen.
Die Klägerin, eine GmbH, ist Gesellschafterin diverser anderer Unternehmen. Zu den Produkten der Unternehmensgruppe gehören Programme im Bereich des computergestützten Lernens.
Die Klägerin schloss mit der K-GmbH unter dem Datum des 13. April 2000 einen Vertrag. Danach verpflichtet sich die K-GmbH, für die Klägerin ein Vertriebssystem aufzubauen und die Produkte der Klägerin durch Vertreter auf Provisionsbasis zu vertreiben. Die Vertreter der K-GmbH sind zu Beginn zu schulen. In § 4 des Vertrages ist vorgesehen, dass die Klägerin an die K-GmbH für den Aufbau des Vertriebs eine Vergütung von insgesamt 750.000 DM, zahlbar in 6 monatlichen Raten jeweils am 15. der Kalendermonate April - September des Jahres 2000, leistet. Die K-GmbH wiederum verpflichtet sich, abhängig von der Höhe der von ihren Verkäufern mit den Produkten der Klägerin bis zum 31. Mai 2001 erzielten Umsätze, die Vergütung bis zum 30. Juni 2001 teilweise oder ganz zurückzuzahlen, wenn bestimmte im Vertrag genannte Umsatzgrenzen nicht erreicht werden. Im einzelnen werden in § 4 Abs. 2 des Vertrages folgende Rückzahlungen festgelegt:
Bis zum 31.5.2001 erreichte Umsätze: | Rückzahlungsquote: | Rückzahlungsbetrag: |
<4 Mio. DM | 25% | 187.500,- DM |
<3 Mio. DM | 50% | 375.000,- DM |
<2 Mio. DM | 75% | 562.500,- DM |
<1 Mio. DM | 100% | 750.000,- DM |
§ 4 Abs. 4 bestimmt, dass die K-GmbH über die Pauschale hinaus für die Vermittlung von Lizenzen und Dienstleistungen eine Vermittlungsprovision in Höhe von 15% des Verkaufserlöses laut Listenpreis erhält. Für den Rückzahlungsbetrag haben sich die Geschäftsführer der K-GmbH gegenüber der Klägerin persönlich verbürgt.
Die K-GmbH erteilte der Klägerin über die nach § 4 der Kooperationsvereinbarung zu zahlenden 6 Raten jeweils Rechnungen mit Ausweis von Umsatzsteuer, die die Klägerin bezahlte. Die Umsatzsteuer zog die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung 2000 als Vorsteuer ab.
Die K-GmbH baute zwar in der Folgezeit eine Vertriebsorganisation auf. Es wurden aber keine höheren Umsätze als 1 Mio. DM erreicht. Den daraufhin von der Klägerin entsprechend der Absprache geltend gemachten Rückzahlungsanspruch erfüllte die K-GmbH nicht. Vielmehr fiel die K-GmbH in Insolvenz; auch der Versuch der Inanspruchnahme der Geschäftsführer der K-GmbH aus den Bürgschaften blieb ohne Ergebnis. Im Jahre 2002 reichte die Klägerin bei der Staatsanwaltschaft Köln eine Strafanzeige gegen die Geschäftsführer der K-GmbH ein, in der sie geltend machte, die K-GmbH habe die Rückzahlungsvereinbarung nicht eingehalten. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren im Jahre 2004 ein, weil sie keine Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten der Geschäftsführer der K-GmbH gefunden habe. Insbesondere seien deren Verantwortliche mit dem Aufbau des Vertriebes tätig geworden. Bis heute ist es zu keinen Rückzahlungen an die Klägerin gekommen.
Da die Klägerin ihre Umsatzsteuererklärung 2001 nicht abgab, schätzte das seinerzeit zuständige Finanzamt Hamm die Besteuerungsgrundlagen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach Einreichung der Umsatzsteuererklärung 2001 stimmte das Finanzamt Hamm dieser zu.
In der Zeit vom 7. April 2004 bis zum 12. Dezember 2005 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Der Prüfer stellte sich auf den Standpunkt, dass die aus dem Vertrag mit der K-GmbH gezogene Vorsteuer im Jahre 2001 gem. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu berichtigten sei.
Mit Änderungsbescheid 2001 vom 20. Juli 2006 änderte der Beklagte den Umsatzsteuerbescheid 2001 entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung gem. § 164 Abs. 2 AO.
Der dagegen gerichtete Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht vorliegen würden. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten sei die Vorschrift nicht anzuwenden, wenn lediglich ein nicht durchsetzbarer Rückzahlungsanspruch bestehe, das Entgelt aber nicht zurückgewährt wird. Könnte ein zahlungsunfähiger Vorauszahlungsempfänger die Steuer zurückverlangen und wäre die Vorsteuer beim Zahlenden zu berichtigen, so würde der nicht Leistende belohnt und der Zahlende zusätzlich bestraft.
Darüber hinaus seien die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht gegeben. Weder der Kläger, noch die Staatsanwaltschaft hätten jemals die Auffassung vertreten, dass die K-GmbH überhaupt nicht tätig geworden sei. Sie sei lediglich ihrer Rückzahlungsverpflichtung nicht nachgekommen. Bei dem mit der K-GmbH geschlossenen Vertrag handele es sich um keinen Werkvertrag, sondern einen Vertrag sui generis, der wesentliche Züge einer Dienstleistungsvereinbarung trage. Geschuldet werde nicht ein Erfolg, sondern eine Leistung, und diese Leistung sei auch erbracht worden.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides 2001 vom 20. Juli 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. November 2006 die Umsatzsteuer 2001 um 120.000 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Vorsteuer aus dem Vertrag mit der K-GmbH zu Recht gem. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG berichtigt worden sei. Nach dieser Vorschrift sei der Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn für eine vereinbarte Leistung ein Entgelt entrichtet, die Leistung jedoch nicht ausgeführt werde. Die K-GmbH habe, wie sich aus der Strafanzeige ergebe, weder eine Vertriebsanzeige aufgebaut, noch den vertraglichen Mindestumsatz erbracht. Mithin habe die Klägerin für die von ihr geleisteten Zahlungen keine entsprechenden Leistungen erhalten mit der Folge, dass der Vorsteuerabzug zu berichtigen sei.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
1. Die von der Klägerin im Jahre 2000 geltend gemachten Vorsteuern aus der Kooperationsvereinbarung mit der K-GmbH in Höhe von 120.000 DM sind nicht in 2001 gem. § 17 UStG zu berichtigen.
Dabei kann dahin stehen, ob die nach dem Kooperationsvertrages vom 13. April 2000 von der K-GmbH zu erbringende Leistung allein im Aufbau eines Vertriebssystems zu sehen ist, wie die Klägerin meint, oder ob zusätzlicher Leistungsgegenstand die Vermittlung von Umsätzen von mehr als 4 Mio. DM war. Denn in beiden Fällen greift § 17 UStG nicht ein.
a) Folgt man dem Kläger darin, dass die K-GmbH nach dem Kooperationsvertrag allein den Aufbau des Vertriebssystems schuldete, so hat sie die nach dem Vertrag zu erbringende sonstige Leistung ausgeführt. Die Klägerin trägt vor, dass die künftigen Vertreter für die Produkte der Klägerin seinerzeit geschult worden wären; dieser Vortrag wird durch die Einstellungsnachricht der Staatsanwaltschaft Köln bestätigt, die darauf abstellt, dass die K-GmbH hinsichtlich des Aufbaus eines Vertrieb tätig geworden sei. Anhaltspunkte dafür, dass die K-GmbH auch kein Vertriebssystem aufgebaut hat, finden sich in den Akten nicht.
Ist die nach dem Vertrag geschuldete Leistung in 2000 erbracht worden, so bewirkt allerdings die Rückzahlungsklausel nach § 4 Abs. 2 des Kooperationsabkommens eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 UStG. Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert, so haben der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG zu berichtigen. Durch die Vereinbarung der Rückzahlungsklausel haben im Streitfall die Vertragsparteien vorab die Bedingungen festgelegt, in welcher Höhe der K-GmbH die vereinnahmte Vergütung letztendlich zustehen sollte; mit Ablauf des 31. Mai 2001 stand fest, dass die K-GmbH weniger als 1 Mio. DM vermittelt hatte und ihr die Klägerin damit kein Entgelt für den Aufbau des Vertriebes schuldete. Auf diese Weise minderte sich die Bemessungsgrundlage für den von der K-GmbH ausgeführten Umsatz auf 0 DM, so dass an sich auch der entsprechende Vorsteuerabzug auf Seiten der Klägerin zu berichtigen wäre.
Allerdings ist es tatsächlich niemals zu einer Rückzahlung der 750.000 DM gekommen. In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob § 17 Abs. 1 UStG auf die tatsächliche Entgeltsminderung durch Rückzahlung ankommt oder allein die Vereinbarung einer Minderung der Bemessungsgrundlage maßgebend ist. So vertritt Bunjes/Geist, Kommentar zum UStG, § 17 Rz. 17 die Auffassung, dass es zumindest bei Versteuerung nach vereinbarten Entgelten auf die tatsächliche Rückgewähr des gezahlten Entgelts nicht ankomme. Demgegenüber gehen Rau/Dürrwächter, Kommentar zum UStG, § 17 Rz. 111; das FG Hamburg, Urteil vom 30. November 1983 II 132/80, EFG 1984, 468 sowie das FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. November 2000 14 K 185/99, EFG 2001, 597 davon aus, dass nur insoweit eine Berichtigung vorzunehmen ist, als es zu einer Rückzahlung des geleisteten Entgelts kommt. Auch der EuGH stellt im Falle der Verminderung der Besteuerungsgrundlage durch Gutschrift auf deren tatsächlichen Zufluss ab (EuGH Urteil vom 29. Mai 2001 Rs C-86/99 - Freemans - UR 2001, 349). Das Gericht schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. § 17 Abs. 1 UStG stellt auf die Änderung der Bemessungsgrundlage des Umsatzes ab. Bemessungsgrundlage des Umsatzes ist nach § 10 Abs. 1 UStG das Entgelt, d.h. alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Vereinbaren die Vertragspartner zwar nachträglich eine Minderung des Entgelts, kommt es aber tatsächlich nicht zu einer Rückzahlung, so ändert sich nichts daran, was der Leistungsempfänger für die empfangene Leistung aufgewandt hat. Nur wenn der Leistende das Entgelt tatsächlich zurückgewährt, mindert sich der Aufwand des Leistungsempfängers, nur dann findet eine Berichtigung der Umsätze und des Vorsteuerabzugs statt. Im Streitfall kommt danach keine Berichtigung nach § 17 Abs. 1 UStG in Betracht.
b) Geht man hingegen mit dem Beklagten davon aus, dass bei Auslegung der Vertragsklauseln in § 3 und § 4 des Kooperationsvertrages nach dem von den Vertragsparteien gewollten Zweck der Vereinbarung neben der Schulung von Vertretern als bloßem Zwischenziel auch die Vermittlung von Umsätzen mit einem Volumen von mindestens 4 Mio. DM geschuldet war, dann wäre die nach der Vereinbarung geschuldete Leistung nicht ausgeführt worden, so dass in der Tat ein Fall des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG vorliegen könnte. Nach dieser Vorschrift wird der Vorsteuerabzug berichtigt, wenn für eine vereinbarte sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG steht in Zusammenhang mit der sog. Mindest-Ist-Besteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 a) UStG. Danach entsteht die Steuer bei Lieferungen und sonstigen Leistungen, wenn das Entgelt vereinnahmt wird, bevor die Leistung ausgeführt worden ist, mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist. Im Streitfall wären die in 2000 vor Leistungserbringung durch die K-GmbH geleisteten Zahlungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 a) UStG zu versteuern gewesen.
Auch bezüglich § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist streitig, ob die Berichtigung die Rückgewähr des vor Ausführung der Leistung gezahlten Entgelts voraussetzt (so Rau/Dürrwächter, Kommentar zum UStG, § 17 Rz. 255) oder ob die Nichterbringung der Leistung ausreicht (so FG Münster, Urteil vom 21. Dezember 1994 5 K 553/94 U, UR 1995, 310; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 269 Rz. 101). Das Gericht schließt sich im Ergebnis der Auffassung von Rau/Dürrwächter an. Dafür spricht der enge Zusammenhang von § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG mit der Mindest-Ist-Besteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 a) UStG. Kommt es für die Versteuerung auf die Ist-Zahlungen an, so muss auch bei der Berichtigung dieser Ist-Umsätze auf die tatsächliche Entgeltsrückgewähr abgestellt werden.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
4. Das Gericht lässt die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu im Hinblick auf die Frage, ob für eine Berichtigung nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 UStG die Vereinbarung einer Entgeltsminderung bzw. eine Nichterbringung der Leistung ausreicht oder ob eine tatsächliche Entgeltsrückgewähr erfolgen muss.
Ende der Entscheidung
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