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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 14.10.2005
Aktenzeichen: 16 K 510/04
Rechtsgebiete: UStG
Vorschriften:
UStG § 4 Nr. 12a | |
UStG § 9 Abs. 1 |
Finanzgericht Niedersachsen
Tatbestand:
Die Klägerin betrieb auf einem von ihr in 1999 mit einer Produktionshalle bebauten Grundstück in V ein Vermietungsunternehmen. Das Mietobjekt war der einzige Unternehmensgegenstand der Klägerin. Ihre Umsätze versteuerte sie nach vereinbarten Entgelten.
Nach Fertigstellung vermietete die Klägerin das Grundstück an die G GmbH. Gemäß § 9 Abs. 1 UStG i.V.m. § 4 Nr. 12 a UStG hatte sie auf die Umsatzsteuerfreiheit der Mieteinnahmen verzichtet und zur Umsatzsteuer optiert. Die G GmbH zahlte keine Mieten. Am 30. Juni 2000 wurde gegen sie das Insolvenzverfahren eingeleitet. Am 12. Juli 2000 ordnete das Amtsgericht V die Zwangsverwaltung über das Grundstück der Klägerin und dessen Zwangsversteigerung an. Mit notariellem Vertrag des Notars W vom 20. September 2000 wurde das Grundstück an die L GmbH verkauft. Der Kaufpreis betrug "580.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer". Wegen der Einzelheiten wird auf den Kaufvertrag verwiesen. Eine Abrechnung, in der Umsatzsteuer auf den Kaufpreis gesondert ausgewiesen ist, liegt nicht vor. Der Mietvertrag über das Grundstück wurde vom Insolvenzverwalter des Mieters zum 31. Oktober 2000 gekündigt. Die L GmbH integrierte das Grundstück in ihr Unternehmen und nutzte es für ihre unternehmerische Tätigkeit selbst.
Die Klägerin erklärte keine Umsatzsteuer aus dem Verkauf des Grundstücks, da sie davon ausging, dass es sich um eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen handelte. Abweichend von der Steuererklärung, der der Beklagte zunächst zustimmte, setzte der Beklagte die Umsatzsteuer aus dem Grundstücksverkauf in Höhe von 92.800 DM durch Änderungsbescheid fest. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin ist der Auffassung, es liege eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1 a UStG vor. Da im Kaufvertrag auch keine Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen ist, sei die Festsetzung einer Umsatzsteuer aus dem Grundstücksverkauf rechtswidrig.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer 2000 auf - 5.559,50 DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, eine Geschäftsveräußerung im Ganzen liege nicht vor, weil der Mietvertrag zum 31. Oktober 2000 von dem Insolvenzverwalter der Mieterin gekündigt worden sei. Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen hätte den Übergang und die Fortführung des Mietverhältnisses auf die Erwerberin erfordert. Die festgesetzte Umsatzsteuer sei daher rechtmäßig. Zumindest sei eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15 a UStG vorzunehmen. Eine steuerpflichtige Vermietung habe längstens bis zum 20. September 2000 vorgelegen. Die steuerfreie Behandlung des Grundstücksverkaufes durch die Grunderwerbsteuerstelle des Finanzamtes stelle eine Änderung der Verhältnisse gegenüber dem Erstjahr mit der Folge dar, dass eine Vorsteuerkorrektur für 8,5 Jahre ab dem Veranlagungszeitraum 2000 vorzunehmen sei. Durch die Änderung ergebe sich zu Lasten der Klägerin ein Rückzahlungsbetrag in Höhe von 80.963,94 DM (95.251,70 DM x 8,5/10 Jahre).
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Die Übertragung des Grundstückes der Klägerin mit Produktionshalle ist gemäß § 1 Abs. 1 a UStG eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen, die weder eine Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG noch eine Vorsteuerkorrektur gemäß § 15 a UStG begründet.
Gemäß § 1 Abs. 1 a UStG unterliegen Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers. Da § 1 Abs. 1 a UStG zur Umsetzung des Artikel 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie eingeführt wurde, sind die Anforderungen, ob ein Unternehmen oder ein gesondert geführter Betrieb im Ganzen nicht steuerbar übereignet wird, nicht nach denen des nationalen Steuerrechts, sondern nur unter Berücksichtigung der Regelung der 6. EG-Richtlinie zu bestimmen (vgl. BFH, Urteil vom 18. Januar 2005, Az.: V R 53/02, BFHE n.n.). Der BFH folgt insofern der Entscheidung des EuGH vom 27. November 2003 (C-497/01 - Zita Modes Sarl - BFH/NV Beilage 2004, 128), in dem dieser ausgeführt hat, dass der Grundsatz der Nichtlieferung nach Artikel 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie ein autonomer gemeinschaftsrechtlicher Begriff ist, der eine einheitliche Rechtsanwendung sicherstellen soll. Die 6. EG-Richtlinie selbst enthält keine Definition des Begriffs Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens. Nach der EuGH-Entscheidung vom 27. November 2003 ist der Begriff Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens nach dem Zweck der Bestimmung dahin auszulegen, dass er die Übertragung eines Geschäftsbetriebes oder eines selbständigen Unternehmensteils erfasst, die jeweils materielle und ggf. immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammengenommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann; er schließt jedoch nicht die bloße Übertragung von Gegenständen wie den Verkauf eines Warenbestandes ein. Was die Verwendung durch den Begünstigten betrifft, ergibt sich aus dem Zweck der Bestimmung, dass sie "diejenigen Übertragungen erfasst, bei denen der Begünstigte beabsichtigt, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln sowie ggf. den Warenbestand zu verkaufen" (Rd.-Nr. 44).
Diese Voraussetzungen für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen sind vorliegend gegeben. Die L GmbH als Erwerberin hatte mit Kaufvertrag vom 20. September 2000 das Grundstück mit Halle einschließlich des darüber abgeschlossenen Mietvertrages von der Klägerin erworben. Die Erwerberin war damit in der Lage, den von der Klägerin geführten Geschäftsbetrieb der Vermietung des Unternehmens fortzuführen. Sie hätte den Mietvertrag auch kündigen und das Grundstück anderweitig vermieten können. Das Hallengrundstück erfüllte damit die Anforderungen an ein "fortführbares" Unternehmen. Darauf, dass der Mietvertrag seitens des Insolvenzverwalters des Mieters zum 31. Oktober 2000 gekündigt wurde, hatte die Erwerberin keinen Einfluss. Das Risiko der Kündigung eines bestehenden Mietvertrages ist jedem Mietvertrag immanent. Die Kündigung des Mietvertrages ca. 1 1/2 Monate nach Abschluss des Kaufvertrages spricht daher nicht gegen die Übernahme eines fortführbaren Unternehmens. Unerheblich ist, dass die L GmbH das Grundstück letztlich in ihr Unternehmen integrierte.
Unabhängig davon liegt zur Überzeugung des Senats eine Geschäftsveräußerung im Ganzen auch für den Fall vor, dass ein bestehendes Vermietungsunternehmen beim Erwerber in dessen Unternehmen mit gleicher Zielsetzung - Nutzung als Produktionshalle - selbst genutzt wird. Denn damit wird die ursprünglich betriebene wirtschaftliche Tätigkeit tatsächlich fortgeführt. Maßgeblich kann insofern allein die wirtschaftliche Betätigung sein, da es keinen Unterschied machen kann, ob ein Unternehmer, der selbst eine Produktionshalle benötigt, nach dem Ankauf eines Grundstücks mit einer zu Vermietungszwecken geeigneten Halle diese an einen Dritten vermietet und für eigene Zwecke von einem Dritten eine Halle anmietet oder unter gleichzeitigem Verzicht auf eine Vermietung sich eine Anmietung von Dritten erspart. Insofern versteht der Senat die vom EuGH geforderte Fortführung des Geschäftsbetriebes in Abgrenzung zu dem von ihm geforderten Kriterium, dass nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abgewickelt und ggf. der Warenbestand verkauft wird, dahingehend, dass diese der umsatzsteuerlichen Verwendung entzogen werden. Dies ist im vorliegen Fall gerade nicht der Fall. Eventuell sich ergebende Vorsteuerkorrekturen sind auf der Ebene des Erwerbers vorzunehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.
Ende der Entscheidung
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