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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 01.03.2006
Aktenzeichen: 2 K 53/03
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob für die von den Klägern zu 1) und 2) in den Streitjahren 1996 bis 1999 genutzten Fahrzeuge die 1%-Regelung (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) anwendbar ist.
Die Kläger zu 1) und 2) sind Rechtsanwälte und betrieben seit Januar 1993 gemeinschaftlich eine Anwaltssozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Kläger zu 1) ist verheiratet und hat vier (volljährige) Kinder. Der Kläger zu 2) heiratete im Jahre 1996. Die Kläger ermittelten die Einkünfte aus ihrer Anwaltstätigkeit durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Nach § 3 Abs. 4 des Sozietätsvertrages stellte die Gesellschaft den Beteiligten jeweils ein Kraftfahrzeug für den betrieblichen Gebrauch zur Verfügung. Die Auswahl des Fahrzeugs blieb nach dem Vertrag jedem Beteiligten selbst überlassen. Eine Differenz bei der Höhe der Aufwendungen sollte im Rahmen der Ergebnisverteilung berücksichtigt werden. Durch Zusatzvereinbarung vom 15. Januar 1995 verpflichteten sich die Kläger, die ihnen zur Verfügung stehenden Firmenfahrzeuge nur für dienstliche Zwecke zu nutzen.
Der Kläger zu 1.) nutzte bis Ende 1998 einen Mercedes-Benz (Listenpreis 100.800 DM) und ab dem Jahre 1999 Mercedes-Benz mit einem Listenpreis von 125.000 DM. Bis Ende März 1996 hatte die GbR den Mercedes 300 FW geleast und dann am 29. März 1996 käuflich erworben (Anschaffungspreis: ca. 23.600 DM netto). Die durchschnittliche Fahrleistung der Fahrzeuge betrug rd. 35.000 km pro Jahr. Für den Zeitraum von Januar bis März 1996 führte der Kläger zu 1) ein Fahrtenbuch.
Der Kläger zu 1) schaffte für eigene Zwecke im März 1996 einen Opel Omega (110 kw) für ca. 10.000 DM an, den er weniger als 10.000 km pro Jahr nutzte. Bei Erwerb soll der Opel ein Alter von ca. 3 Jahren gehabt haben. Seine Ehefrau fuhr einen Opel Corsa, nach eigenen Angaben ca. 10.000 - 15.000 km/Jahr.
Der Kläger zu 2.) nutzte bis zum Juli 1996 einen BMW 525 der GbR (Listenpreis 67.300 DM), im Anschluss daran einen Mercedes der GbR (Listenpreis 82.400 DM). Die durchschnittliche jährliche Fahrleistung betrug rd. 71.000 km (BMW 525 ) bzw. 59.000 km (Mercedes). Für eigene Zwecke verfügte er bis zum Jahre 1997 über einen VW-Golf, ab 1997 über einen BMW Z3.
Das Finanzamt setzte im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung in Anlehnung an die Feststellung der Außenprüfung für die Fahrzeuge 1% des Bruttolistenpreises als Betriebseinnahme an, und zwar:
Jahr | Kläger zu 1.) | Kläger zu 2.) |
1996 | 12.096 DM | 8.831 DM |
1997 | 12.096 DM | 9.888 DM |
1998 | 12.096 DM | 9.888 DM |
1999 | 15.000 DM | 9.888 DM |
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.
Die Kläger sind der Auffassung, die 1%-Regelung sei nicht anwendbar. Sie, die Kläger, hätten die Fahrzeuge nicht privat genutzt. Eine private Mitnutzung hätten sie vielmehr gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen. Jeder der beiden Gesellschafter habe über ein Privatfahrzeug verfügt, welches besser als die betrieblich genutzten Fahrzeuge ausgestattet gewesen sei. Die Kläger nutzten für Privatfahrten ausschließlich diese Fahrzeuge.
Der Kläger zu 1.) habe für den Zeitraum von Januar bis März 1996 überdies ein Fahrtenbuch geführt und hierdurch dargelegt, das Fahrzeug nicht privat genutzt zu haben. Der Beklagte habe den Privatanteil des Klägers zu 1.) aufgrund einer tatsächlichen Verständigung auch in den vergangenen Jahren mit nur 10% geschätzt. Hierauf habe sich der Kläger lediglich aus Vereinfachungsgründen eingelassen, obwohl der Privatanteil seiner Fahrten schon damals geringer gewesen sei. Als die 1%-Regelung im Jahre 1996 Gesetz geworden sei, habe sich der Kläger neben seinem betrieblich genutzten Pkw noch zusätzlich zu dem von seiner Ehefrau genutzten Privatfahrzeug ein weiteres Fahrzeug angeschafft, um betriebliche und private Fahrten vollständig trennen zu können. Dieser "Privatwagen" (Opel Omega) sei ein vormaliger "Direktionswagen" der X-Bank, der an Ausstattung, Komfort und Geschwindigkeit dem betrieblich genutzten und im Betriebsvermögen gehaltenen Pkw übertreffe. Überdies seien die Kinder des Klägers zu 1) in den Streitjahren schon "aus dem Haus" gewesen. Sie hätten die Privatfahrzeuge allenfalls in den Ferien genutzt.
Auch der Kläger zu 2.) habe über ein angemessenes Privatfahrzeug verfügt (BMW Z 3) und dies auch genutzt.
Die Kläger beantragen,
die Einkünfte aus selbständiger Arbeit für das Jahr 1996 um 21.624 DM, für 1997 um 22.634 DM, für 1998 um 22.864 DM und für 1999 um 25.748 DM zu kürzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und ist weiterhin der Auffassung, die privaten Nutzungsanteile für die Kfz-Nutzung seien nach Maßgabe der 1%-Regelung zu berechnen. Da die Kläger kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt hätten, sei die 1%-Regelung anzuwenden.
Eine sog. Kostendeckelung im Sinne der Rdziff. 14 des BMF-Schreibens vom 21. Januar 2002 (BStBl 2002 I S. 148) sei für alle Streitjahre nicht vorzunehmen. Denn die Kläger hätten die exakten tatsächlichen Gesamtaufwendungen der jeweiligen Fahrzeuge nicht nachgewiesen. Der Beklagte habe die Gesamtfahrzeugkosten im Rahmen der Außenprüfung (für 1996) bzw. des Einspruchsverfahrens (1997 bis 1999) im Wege sachgerechter Schätzung auf die betroffenen Fahrzeuge verteilt.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat die 1%-Regelung zu Recht angewendet.
1. Die Klage war dergestalt auszulegen, dass auch die Klägerin zu 3) Klage erhoben hat. Die Kläger zu 1) und 2) haben in der Klageschrift eindeutig zum Ausdruck gebracht, die Klage (gleichzeitig) im Namen der GbR erheben zu wollen.
2. Der gesondert und einheitlich festzustellende Gewinn war, wie vom Finanzamt vorgenommen, um 1% des Bruttolistenpreises der von den Klägern jeweils genutzten Fahrzeuge zu erhöhen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Fahrzeugs für jeden Kalendermonat mit 1% des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung und Umsatzsteuer anzusetzen. Die Voraussetzungen für die Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG liegen hier vor. Die Kläger haben keinen Sachverhalt dargelegt, nach dem eine private Mitnutzung der Fahrzeuge (nahezu) ausgeschlossen erscheint. Die Kläger nutzten jeweils (unstreitig) ein von der GbR angeschafftes und zur Verfügung gestelltes Fahrzeug. Bei einem Gesellschafter, der ein von der Gesellschaft angeschafftes Fahrzeug betrieblich nutzt, gilt indes der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das zur Verfügung stehende Fahrzeug auch privat genutzt wird (vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 14.05.1999, VI B 2158/98, BFH/NV 1999, 1330; vom 27. Oktober 2005, VI B 43/05, BFH/NV 2005, 292; FG Niedersachsen vom 02.02.2005, 2 K 193/03; Rev. Az. VI R 19/05 für die Nutzung von Fahrzeugen durch leitende Angestellte). Es kann im Streitfall dahinstehen, ob der Anscheinsbeweis nicht gilt, wenn gleichwertige Privatfahrzeuge zur Verfügung stehen (so Sächsisches FG, Urteil vom 28. August 2002, 3 K 2099/01, Juris). Denn den Klägern zu 1) und 2) stand kein (evident) gleichwertiger privater PKW zur Verfügung. Der Kläger zu 1) nutzte einen zu Beginn des Gebrauchs ca. 3 Jahre alten Opel Omega, er fuhr bei dienstlichen Anlässen aber einen Mercedes Benz. Damit stand ihm - auch unter Berücksichtigung einer ggf. vorhandenen guten Ausstattung des Opel Omega - kein (evident) gleich- bzw. höherwertiges Fahrzeug für private Zwecke zur Verfügung. Das Opel-Fahrzeug ist dem Mercedes-Fahrzeug im Status und Gebrauchswert nicht vergleichbar, wie sich schon aus dem weitaus niedrigeren Wiederverkaufswert eines Opel-Fahrzeugs ergibt. Auch der Kläger zu 2) nutzte kein - seinen dienstlich genutzten Fahrzeugen (BMW 525 bzw. Mercedes 230 E) - gleichwertiges Fahrzeug für private Zwecke, zumal seine Ehefrau in der Anlage N angegeben hat, selbst mit den von ihm angegebenen Privatfahrzeugen die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurückgelegt zu haben.
Die Kläger haben den Beweis des ersten Anscheins im Streitfall nicht entkräftet. Das gesellschaftsvertraglich vereinbarte Nutzungsverbot steht der Annahme einer privaten Mitnutzung der beruflich von den Klägern zu 1) und 2) genutzten Fahrzeuge im Streitfall nicht entgegen. Denn die Kläger haben nicht substantiiert dargelegt, wie sie das Nutzungsverbot überwacht haben wollen. Sie haben damit keinen Sachverhalt dargelegt, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs nahe legt. Die Kläger hätten geeignete organisatorische Maßnahmen treffen müssen, um sicherzustellen, dass der jeweilige Gesellschafter tatsächlich keine Privatfahrten mit dem Unternehmensfahrzeug durchführt (ebenso: Finanzgericht Münster bei Kfz-Nutzung durch Arbeitnehmer, Urteil vom 14.11.2001 - 5 K 5433/00 L, EFG 2002, 315). Diese Anforderungen an die Widerlegung des Anscheinsbeweises ergeben sich aus dem Zweck der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG soll gerade Streitigkeiten darüber vermeiden, ob und in welchem Umfang Steuerpflichtige Fahrzeuge privat nutzen. Lediglich in den Fällen, in denen eine private Mitnutzung (nahezu) von vornherein ausgeschlossen ist, ist die 1%-Regelung nicht anzuwenden (BFH-Beschluss vom 13. April 2005, VI B 59/04, DStRE 2005, 625). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Die Kläger haben nicht substantiiert dargelegt, dass eine private Mitnutzung der Fahrzeuge (nahezu) von vornherein ausgeschlossen war. Sie berufen sich lediglich darauf, über gut ausgestattete "Privatfahrzeuge" zu verfügen. Dieser Vortrag reicht indes nicht aus, um den Anscheinsbeweis für eine private Mitnutzung der betrieblich genutzten Fahrzeuge zu entkräften (vgl. BFH v. 13. April 2005, VI B 59/04, DStRE 2005, 625 für die Fahrzeugnutzung durch einen Arbeitnehmer).
Die Kläger hätten vielmehr - mangels organisatorischer Vorsorgemaßnahmen - entsprechend der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch führen müssen, um den Folgen der 1%-Regelung zu entgehen. Dies habe sie indes nicht getan. Auch das vom Kläger zu 1.) für drei Monate geführte Fahrtenbuch entspricht nicht den Anforderungen in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG. In dem Fahrtenbuch ist nämlich der Kilometerstand zum jeweiligen Beginn und Ende der einzelnen betrieblich veranlassten Fahrt nicht angegeben. Ferner fehlen oftmals die erforderlichen Angaben zum Reisezweck.
Entgegen der Auffassung der Kläger führt die Anwendung der 1%-Regelung auch nicht dazu, dass die Fahrzeuge der Kläger ins Privatvermögen zu überführen sind. Bei einem betrieblichen Nutzungsanteil von mehr als 50% gehören die Fahrzeuge vielmehr zum notwendigen Betriebsvermögen, unabhängig davon, in welchem Umfang sich die Kosten ausgewirkt haben.
2. Das Finanzamt hat die Höhe zuzurechnenden Betriebseinnahmen zutreffend mit 1% vom Bruttolistenpreis ermittelt. Eine so genannte "Kostendeckelung" im Sinne der Rdziff. 14 des BMF-Schreibens vom 21. Januar 2002 (IV A 6 - S 2177 - 1/02, BStBl 2002 I S. 148) und in teleologischer Einschränkung der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG war für die Streitjahre nicht vorzunehmen. Denn die Kläger haben die tatsächlichen Aufwendungen der jeweiligen Fahrzeuge nicht nachgewiesen. Die vom Beklagten im Schätzungswege vorgenommene Aufteilung war nicht zu beanstanden. Danach ergab sich kein Erfordernis, die jeweils zugerechneten Betriebseinnahmen auf die Aufwendungen des jeweiligen Fahrzeugs zu begrenzen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf den Schriftsatz des Beklagten vom 14. Mai 2003 verwiesen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen, da noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob ein gesellschaftsvertraglich vereinbartes Nutzungsverbot einem Anscheinsbeweis zugunsten einer privaten Mitnutzung von Fahrzeugen, die durch eine Sozietät an ihre Gesellschafter überlassen werden, entgegensteht.
Ende der Entscheidung
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