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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 07.12.2005
Aktenzeichen: 2 K 637/98
Rechtsgebiete: GewStG


Vorschriften:

GewStG § 2 Abs. 2 Satz 3
GewStG § 10a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob der Gewerbeertrag der Organgesellschaft der Klägerin für den Erhebungszeitraum 1992 (Streitjahr) um einen vorgetragenen Gewerbeverlust aus den Vorjahren zu kürzen ist.

Die Klägerin hatte mit der M-GmbH (im Folgenden: M (alt)) einen Ergebnisabführungsvertrag geschlossen. Die M (alt) und die Z-KG (im Folgenden: Z) waren bis zum 31.12.1991 an der W- GmbH (im Folgenden: W) beteiligt. Der Anteil der M (alt) an der W betrug bis zum Jahre 1990 ca. 75 % und ab dem Jahre 1991 ca. 95 %. Die Z hielt jeweils die restlichen Anteile (24,8 und 4,8%). M (alt) und Z hatten sich (ausschließlich) zum Zweck der Sicherung eines einheitlichen Beherrschungswillens zu einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts (GbR) zusammengeschlossen. Zwischen der GbR und der W bestand ein steuerlich anerkannter Ergebnisabführungsvertrag.

Durch Vertrag vom 23. Januar 1992 verkaufte die Z ihre Beteiligung an der W mit Wirkung vom 01.01.1992 an die M (alt). Im August 1992 wurde die M (alt) - rückwirkend zum 01.01.1992 - auf die W als aufnehmende Gesellschaft verschmolzen. Das Handelsgeschäft der M (alt) wird seither unter der Firma M-GmbH (= M neu) fortgeführt. Die beurkundeten Verträge sind im Handelsregister der Organgesellschaften eingetragen worden.

Nach einem internen - auf den 18.01.1992 datierenden Aktenvermerk -, sollte die Anteilsübertragung eine juristische Sekunde später als die Verschmelzung wirksam werden und dies in der notariellen Urkunde dokumentiert werden. In dem notariell beurkundeten Verschmelzungsvertrag fand der Inhalt des Aktenvermerks vom 18.01.1992 allerdings keinen (ausdrücklichen) Niederschlag.

Durch gesonderte Feststellung stellte das Finanzamt einen vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1991 in Höhe von 1.732.840 DM zugunsten der zwischen der MMW (alt) und der Z bestehenden GbR fest. Dieser setzte sich wie folgt zusammen:

 Bis zum Jahre 1990 entstandene Verluste1.320.976 DM
Verlust 1991:411.864 DM
Zusammen1.732.840 DM

Zunächst setzte das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag für die Klägerin erklärungsgemäß - unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) - fest. Es legte dabei einen Gewerbeertrag aufgrund eigener Tätigkeit der Klägerin in Höhe von ca. 11 Mio. DM und aufgrund der Organschaft mit der M (neu) einen Gewerbeertrag von 0 DM zugrunde. Das Finanzamt änderte im Anschluss an eine Außenprüfung den Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr und rechnete dem Gewerbeertrag der Klägerin nunmehr einen Gewerbeertrag aus der Organschaft mit der M (neu) in Höhe von 725.158 DM als Gewerbeertrag zu. Es vertrat die Auffassung, der Gewerbeverlust der Organgesellschaft (M (neu)) sei nicht um die vorgetragenen Verluste der GbR zu kürzen. Die Übernahme von Verlusten scheitere nämlich sowohl am Vorliegen der Unternehmens- als auch der Unternehmeridentität.

Die Klägerin ist der Auffassung, der aus der Organschaft mit der M (neu) resultierende Gewerbeertrag sei mit lediglich 0 DM anzusetzen. Der auf die M (alt) entfallende anteilige Gewerbeverlust in Höhe von ca. 1,3 Mio. (1.385.469 DM) sei dem Grunde nach ausgleichs- und vortragsfähig mit positiven Gewerbeerträgen der M (neu) ab dem Erhebungszeitraum 1992. Der auf die Klägerin entfallende Verlustvortrag berechne sich wie folgt:

 Festgestellter Verlust zum 31.12.1991:1.732.840 DM
(Feststellungsbescheid vom 22.03.1993)
Abzüglich untergehender Gewerbeverlust durch Ausscheiden der Z:
- bis 1990: 24,8% von 1.320.976 DM =327.602 DM
- für 1991: 4,8% von 411.864 DM=19.769 DM
Auf M (neu) übergegangener Verlustvortrag:1.385.469 DM

Der auf die M (alt) entfallende Gewerbeverlust in Höhe von 1.385.469 DM sei auf die M (neu) übergegangen. Da ein Gewerbeverlust nur bis zur Höhe des (restlichen) positiven Gewerbeertrages des Streitjahres, also hier 725.158 DM, verrechnet werden könne, seien im Streitjahr 725.158 DM ausgleichsfähig, der Rest (660.311 DM) sei - in einem gesonderten Verfahren - als vortragsfähiger Gewerbeverlust auf den 31.12.1992 festzustellen.

Auch die für einen Verlustausgleich erforderliche Voraussetzungen der Unternehmens- wie auch der Unternehmeridentität seien erfüllt. Ein Verlust sei zwar nicht vortragsfähig, wenn ein Gewerbebetrieb nach § 2 Abs. 5 GewStG im Ganzen auf einen anderen Unternehmer übergehe. Diese Voraussetzung liege hier aber nicht vor. Im Falle einer Mehrmütterorganschaft sei die Willensbildungs-GbR selbst als gewerbliches Unternehmen anzusehen. Die GbR sei aber nicht im Ganzen auf ein anderes Unternehmen übergegangen. Vielmehr sei zunächst die M (alt) auf die W verschmolzen worden, so dass die M (neu) und die Z zunächst für eine logische Sekunde Mitunternehmer der GbR gewesen seien. Erst im Anschluss hieran sei die Z aus der GbR ausgeschieden, so dass die M (neu) als einzige Gesellschafterin der GbR verblieben sei und das gewerbliche Unternehmen der M (neu) angewachsen sei. Im Falle der Anwachsung nach § 738 BGB liege indes kein Fall des § 2 Abs. 5 GewStG vor, so dass der Gewerbeverlust anteilig, soweit er auf die M (alt) entfalle, auf die M (neu) übergegangen und damit vortragsfähig sei. Denn bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters einer Personengesellschaft bleibe die Unternehmeridentität teilweise bestehen, soweit der Gesellschafter noch vorhanden sei. Dem stehe nicht entgegen, dass im Kaufvertrag über die Anteile der W noch die M (alt) genannt werde. Denn zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses (23.01.1992) habe die M (neu) zivilrechtlich noch nicht existiert und infolgedessen im Kaufvertrag noch nicht erwähnt werden können. Die M (neu) sei erst durch die - mit steuerlicher Rückwirkung - vorgenommene Verschmelzung der M (alt) auf die W entstanden.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

und ist weiterhin der Auffassung, ein Verlustabzug sei nicht möglich. Sowohl die Voraussetzungen der Unternehmens- wie auch der Unternehmeridentität seien nicht erfüllt. Die Entscheidung des BFH zur Möglichkeit der Verlustzurechnung bei den einzelnen Gesellschaftern einer Mehrmütterorganschaft durch Urteil vom 09.06.1999, I R 43/97 (BStBl. 2000 II, 695) sei aufgrund der Gesetzesänderung durch Art. 2 des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes - UntStFG - vom 20.12.2001 zu § 14 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - und Art. 4 UntStFG zu § 2 Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - nicht anwendbar. Nach dieser Gesetzesänderung sei gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG n.F. im Fall des § 14 Abs. 2 KStG n.F. die Personengesellschaft selbst Organträgerin. Schlössen sich mehrere gewerbliche Unternehmen im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG n.F., die gemeinsam im Verhältnis zur Organgesellschaft die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KStG n.F. erfüllen, in der Rechtsform einer Personengesellschaft lediglich zum Zweck der einheitlichen Willensbildung gegenüber der Organgesellschaft zusammen, sei nach § 14 Abs. 2 KStG n.F. die Personengesellschaft als gewerbliches Unternehmen anzusehen, wenn jeder Gesellschafter der Personengesellschaft ein gewerbliches Unternehmen unterhalte. Dies sei hier indes der Fall, so dass die Verluste der Mehrmütter-GbR nicht mehr geltend gemacht werden könnten.

Der Verlustvortrag sei durch die Verschmelzung gem. § 2 Abs. 5 GewStG untergegangen. Die GbR sei durch Veräußerung der restlichen Anteile an der Z untergegangen, so dass die - zeitlich nachfolgende - Verschmelzung der M (alt) auf die W bzw. M (neu) zu einem Übergang des Betriebes im Ganzen und damit einem Untergang des Verlustvortrages geführt habe. Nach Art. 4 UntStFG zu § 36 Abs. 2 GewStG n.F. sei § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG n.F. auch für Erhebungszeiträume vor dem Erhebungszeitraum 2002 anzuwenden. Da die Anteile an der Z zeitlich vor der Verschmelzung an die M (alt) veräußert worden seien, sei die Mehrmütterorganschaft zunächst aufgelöst worden. Erst im Anschluss hieran sei die M (alt) auf die W bzw. M (neu) verschmolzen worden.

Die Klägerin entgegnete auf das Beklagtenvorbringen, der BFH habe durch Urteil vom 09.06.1999 (I R 43/97, BStBl. 2000 II, 695) klargestellt, dass bei einer Mehrmütterorganschaft der Verlust unmittelbar den jeweiligen Muttergesellschaften zuzurechnen sei. Die rückwirkend geltende Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG, wonach im Falle der Mehrmütterorganschaft die Personengesellschaft selbst und nicht ihre Gesellschafter Organträger sei, verstoße gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot und sei nicht anwendbar.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Steuerakten und das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet. Das Finanzamt hat eine Verrechnung der feststellten und anteilig auf die M (alt) entfallenden Verluste zu Unrecht abgelehnt. Der zum 31.12.1991 vorgetragene und auf die Klägerin entfallende Gewerbeverlust ist jedenfalls in Höhe von 725.158 DM, wie beantragt, ist mit dem positiven Gewerbeertrag der Klägerin zu verrechnen. Der Klägerin ist nämlich ein vortragsfähiger Verlust zuzurechnen (dazu 1.), außerdem sind die in § 10a GewStG genannten Voraussetzungen der Unternehmer- (dazu 2.) und der Unternehmensidentität (dazu 3.) erfüllt.

Die Voraussetzungen für eine Verrechnung des vorgetragenen Verlusts mit dem Gewerbeertrag der Klägerin liegen vor. Gemäß § 10a Satz 1 GewStG wird der Gewerbeertrag um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt wurden. Ergibt sich im Rahmen der Gewerbeertragsermittlung der Organgesellschaft der Klägerin ein Fehlbetrag, ist dieser gemäß § 10a GewStG mit späteren positiven Gewerbeerträgen des Organträgers zu verrechnen. Voraussetzung der Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 10a GewStG ist dabei nach ständiger Rechtsprechung (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Dezember 1989, IV R 117/88, BFHE 159, 528, 529, BStBl II 1990, 436f.; vom 27. Januar 1994, IV R 137/91, BFHE 173, 547, 548, BStBl II 1994, 477, 478) eine Unternehmer- und eine Unternehmensidentität.

1. Der Klägerin ist - entsprechend ihrem Klageantrag - ein anteiliger Gewerbeverlust in Höhe von 725.158 DM aus der Organschaft mit der M (alt) zuzurechnen. Von dem zum 31.12.1991 festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von insgesamt 1.732.840 DM entfällt ein Betrag von 1.385.469 DM auf die Klägerin. Davon sind - entsprechend dem Klageantrag - 725.158 DM zu verrechnen, wobei dahinstehen kann, ob über diesen Betrag hinaus sogar 1.385.469 DM verrechenbar gewesen wären, denn das Gericht kann über das Klagebegehren nicht hinausgehen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).

Zwar hat das Finanzamt den Verlust von (insgesamt) 1.732.840 DM zugunsten der Mehrmütter-GbR - und nicht zugunsten der M (neu) oder der Klägerin - festgestellt. Aufgrund der rückwirkenden Verschmelzung (§ 2 UmwStG) ist der Verlust indes zunächst in der Mehrmütter-GbR verblieben und durch die Veräußerung der restlichen 4,8% der Anteile an der W aufgrund der fortbestehenden Organschaft zwischen der M (neu) mit der Klägerin in Höhe von 1.385.469 DM auf die Klägerin übergegangen:

 Festgestellter Verlust zum 31.12.1991:1.732.840 DM
Untergehender Gewerbeverlust durch Ausscheiden der Z:
Gewerbeverlust bis zum Jahre 1990: 24,8% von 1.320.976 DM =327.602 DM
Gewerbeverlust 1991: 4,8% von 411.864 DM =19.769 DM
Auf die Klägerin übergegangener Gewerbeverlust:1.385.469 DM

Von diesem Betrag sind entsprechend dem Antrag der Klägerin 725.158 DM mit positiven Gewerbeerträgen zu verrechnen.

a) Der für die GbR festgestellte Gewerbeverlust ist nicht nach § 2 Abs. 5 GewStG durch die Verschmelzung der M (alt) auf die W untergegangen. Nach § 2 Abs. 5 GewStG geht ein Gewerbeverlust bei einem Übergang des Betriebes im Ganzen unter. Indes ist im Streitfall kein Betrieb - in dem gewerbesteuerliche Verlustvorträge entstanden sind - im Ganzen übergegangen. Ein Übergang des Betriebes im Ganzen hätte allenfalls dann vorliegen können, wenn zunächst die Veräußerung und anschließend die Verschmelzung wirksam geworden wäre. Die M (alt) wurde indes nach § 2 UmwStG mit steuerlich anzuerkennender Rückwirkung auf den 01.01.1992 auf die W verschmolzen, so dass zunächst die M (neu) für eine juristische Sekunde Gesellschafterin der bisherigen Mehrmütter-GbR wurde, für welche der vortragsfähige Verlust festgestellt worden war. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes vollzog sich die Veräußerung nicht vor, sondern, nach dem Willen der Beteiligten, allenfalls eine logische Sekunde nach der Verschmelzung, so dass zunächst die Wirkung der Verschmelzung eintrat und erst anschließend aufgrund der Veräußerung des verbliebenen Anteils an der W der Anteil an der Mehrmütter-GbR nach § 738 Abs. 1 BGB auf die M (neu) anwuchs.

b) Die Verluste sind in der genannten Höhe (ca. 1,3 Mio. DM) zunächst in der Mehrmütter (=Willensbildungs-)GbR entstanden und erst mit Beendigung der GbR zum 01.01.1992 über die zur Klägerin fortbestehende Organschaft auf die Klägerin übergegangen. Selbst bei rückwirkender Anwendung von Art. 2 UntStFG vom 20.12.2001 (Bundessteuerblatt - BStBl I 2002, 35ff.) zu § 14 Abs. 2 KStG und Art. 4 UntStFG zu § 2 Abs. 2 GewStG sind die Verluste bei der Klägerin vortragsfähig, so dass offen bleiben kann, ob die in den genannten Vorschriften vorgesehene Rückwirkung zulässig ist (dafür FG Münster, Urteil vom 5. April 2005, 8 K 3815/01 G.F, EFG 2005, 1243; dagegen FG München, Urteil vom 19. November 2003, 7 K 3723/03, EFG 2004, 412).

aa) Die zwischen der M (alt) und der Z bestehende GbR war aufgrund ihrer Betätigung bis zum 01.01.1992 nach § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG n.F. i.V.m. § 14 Abs. 2 KStG n.F. als gewerblich tätige Organträgerin fingiert. Schließen sich mehrere gewerbliche Unternehmen im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG n.F., die - wie im Streitfall - gemeinsam im Verhältnis zur Organgesellschaft die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 erfüllen, in der Rechtsform einer Personengesellschaft lediglich zum Zweck der einheitlichen Wil-lensbildung gegenüber der Organgesellschaft zusammen, ist nach § 14 Abs. 2 KStG n.F. die Personengesellschaft selbst als gewerbliches Unternehmen anzusehen, wenn jeder Gesellschafter der Personengesellschaft - wie im Streitfall - ein gewerbliches Unternehmen unterhält. Nach Art. 4 UntStFG zu § 36 Abs. 2 GewStG n.F. war § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG n.F. auch für Erhebungszeiträume vor dem Erhebungszeitraum 2002, also rückwirkend und somit auch für die Erhebungszeiträume bis 1992 anzuwenden. Auch die übrigen in § 14 Abs. 2 Satz 2 KStG i.d.F. des UntStFG genannten Voraussetzungen lagen vor, da - unstreitig -

- jeder Gesellschafter der Willensbildungs-GbR bis zum 01.01.1992 ununterbrochen beteiligt war und der GbR die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft (W) zustand (§ 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 2 KStG n.F.),

- ein Gewinnabführungsvertrag mit der Willensbildungs-GbR bestand und im Verhältnis zur GbR die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 KStG erfüllt waren (§ 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 KStG n.F.) und schließlich

- durch die Willensbildungs-GbR gewährleistet war, dass der koordinierte Wille der Gesellschafter in der Geschäftsführung der Organgesellschaft tatsächlich durchgesetzt wurde (§ 14 Abs. 2 Satz Nr. 4 KStG n.F.).

bb) Da sich der Organkreis im Streitfall durch Wegfall der Mehrmütter-Personengesellschaft ändert, ist nach den durch die Rechtsprechung geprägten allgemeinen Regeln bei Beendigung einer Mitunternehmerschaft der Verlust anteilig auf die Klägerin übergegangen. Auch für die Beendigung einer Mehrmütterorganschaft ist nämlich - wie allgemein bei Beendigung einer Mitunternehmerschaft - ein Gewerbeverlust insoweit vortragsfähig, wie das Unternehmen durch einen der bisherigen Mitunternehmer fortgeführt wird (FG München, a.a.O.). Da bei Personengesellschaften auch aus gewerbesteuerlicher Sicht die Gesellschafter, und nicht die Gesellschaft als solche, die Träger des Unternehmens und des Gesellschaftsvermögens sind (BFH-Beschluss in BFHE 171, 246, BStBl 1993 II S. 616, unter C III. 6. der Entscheidungsgründe), hatte im Streitfall der Wechsel im Gesellschafterbestand der Willensbildungs-GbR zur Folge, dass es zu einem (partiellen) Unternehmerwechsel kam. Allerdings ging der Verlustabzug beim Ausscheiden von Gesellschaftern aus einer Personengesellschaft (hier: der Z) nicht insgesamt unter, sondern nur entsprechend der Quote, mit der der ausgeschiedene Gesellschafter im Jahr der Verlustentstehung an dem Verlust beteiligt war. Und zwar auch dann, wenn - wie im Streitfall - aus einer Personengesellschaft der vorletzte Gesellschafter ausscheidet und der verbleibende Gesellschafter das Unternehmen fortführt (BFH vom 29. August 2000, VIII R 1/00, BStBl. II 2001, 290; BFH-Beschluss in BFHE 171, 246, BStBl 1993 II S. 616, unter C III. 8., 9.c der Entscheidungsgründe). Daher kann die Klägerin auch nach Ausscheiden der Z aus der Mehrmütter-Personengesellschaft den Verlustabzug entsprechend ihren Verlustanteil im Streitjahr geltend machen (vgl. auch BFH vom 29. August 2000, a.a.O.). Dem steht auch die Verschmelzung der M (alt) auf die MVW (neu) nicht entgegen. Denn ab dem Zeitpunkt des Wegfalls der GbR sind die verbliebenen - und im Streitfall zum 31. Dezember 1991 gesondert festgestellten - Verluste so zu behandeln, als wären sie von Anfang bei den Gesellschaftern der GbR angefallen. Dann wären sie - über die Organschaft mit der M (alt) - unmittelbar der Klägerin zugerechnet worden und wären verrechenbar gewesen. Die in § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG n.F. i.V.m. § 14 Abs. 2 KStG n.F. enthaltene Fiktion führt nach Sinn und Zweck von § 10a GewStG nicht dazu, dass dem Grunde nach vortragsfähige Verluste ersatzlos entfallen, obwohl - wie im Streitfall - derselbe Unternehmer, nämlich die Klägerin, dieselbe Tätigkeit nahezu unverändert fortführt. Die Neuregelung sollte lediglich sicherstellen, dass während des Bestehens der Mehrmütterorganschaft der Organkreis bei der Mehrmütter-Personengesellschaft endet und Ergebnisse der Organgesellschaft gewerbesteuerlich der Personengesellschaft, nicht aber den hinter dieser stehenden Gesellschaftern zugerechnet werden (so auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 14/6882, 41).

Für den anteiligen Übergang des vorgetragenen Gewerbeverlusts auf die Klägerin mit Beendigung der Mehrmütterorganschaft spricht auch die Entstehungsgeschichte der Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG i.d.F. des UntStFG. Der Gesetzgeber wollte die vor den BFH-Urteilen geltende "gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtslage" wieder herstellen. Damit wollte er unter anderem eine mehrfache Berücksichtigung von Verlusten bei der Mehrmütterorganschaft verhindern. Im Streitfall wird indes keine mehrfache, sondern lediglich eine einmalige Verlustberücksichtigung geltend gemacht. Die Klägerin will gerade keine endgültigen Steuerausfälle herbeiführen, sondern vielmehr vermeiden, Steuern für nicht erzielte Erträge entrichten zu müssen.

2. Die nach § 10a GewStG erforderliche Voraussetzung der Unternehmeridentität liegt ebenfalls vor. Denn bei der Klägerin handelt es sich nach wie vor um dieselbe Unternehmerin. Bei Personengesellschaften richtet sich die gewerbesteuerliche Beurteilung der Unternehmeridentität nicht nach der bürgerlichrechtlichen Identität der Gesellschaften als solcher, sondern nach der Identität der an ihnen als Mitunternehmer beteiligten Gesellschafter (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Mai 1993, GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616).

a) Für die Beurteilung der Unternehmeridentität ist im Streitfall auf die Klägerin abzustellen. Ein Gewerbeverlust kann nach § 10a GewStG nur vom Gewerbeertrag abgezogen werden, wenn der Gewerbebetrieb im Abzugsjahr von demselben Unternehmer betrieben wird, der den Verlust im Entstehungsjahr erlitten hat. Dies ist hier der Fall. Die Klägerin hat nämlich die Verluste wirtschaftlich erlitten und kann die Verluste nunmehr verrechnen. Bis zur Auflösung der Willensbildungs-GbR konnten Verluste lediglich aufgrund der in § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG n.F. i.d.F. des UntStFG enthaltenen Fiktion einer gewerblichen Tätigkeit nicht mit dem positiven Gewerbeertrag der Klägerin verrechnet werden. Sie wären aber auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung (BFH v. 9. Juni 1999, a.a.O.) - ohne diese Fiktion - mit Gewerbeerträgen der Klägerin als Organträgerin zu verrechnen gewesen. Die Verrechenbarkeit ab dem Zeitpunkt der Auflösung der Willensbildungs-GbR und eine damit verbundene Zurechnung der Verluste zum Betrieb der Klägerin wird aber auch durch die in § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG n.F. enthaltene Fiktion nicht verhindert, da die Fiktion nur für die Zeit des Bestehens der Willensbildungs-GbR eingreift. Überdies kommt es bei einer - auch im Streitfall unstreitig vorliegenden (vgl. Sitzungsprotokoll) - Organschaft für die Anwendung von § 10a GewStG auf das Unternehmen des Organträgers, also der Klägerin, an. Denn Verluste, die während des Bestehen einer Organschaft entstanden sind (sog. innerorganschaftliche Verluste), sind erst auf einer zweiten Stufe - nach isolierter Ermittlung des Gewerbeertrages der Organgesellschaft und des Organträgers - unter Berücksichtigung von § 10a GewStG auf der Ebene des Organträgers als Gewerbesteuersubjekt zusammenzufassen (anders bei außer- und vororganschaftlichen Verlusten, BFH v. 29. August 2000, VIII R 1/00, BB 2001, S. 290). Wenn - wie im Streitfall - ein Organträger bzw. eine Gesellschafterin einer Willensbildungs-GbR als Organträgerin, hier: M (alt), als Gesellschafterin der Willensbildungs-GbR - gleichzeitig Organgesellschaft ist, ist nach Sinn und Zweck von § 10a GewStG - jedenfalls bei einer bloßen Willensbildungs-GbR als zwischengeschaltete Organträgerin - für die Voraussetzung der Unternehmeridentität auf das Unternehmen abzustellen, welchem die Gewinne zugerechnet werden - also die Klägerin -, zumal die Organgesellschaft der Klägerin (M (alt)) selbst nicht Gewerbetreibende i. S. des § 10a GewStG war (vgl. BFH v. 27.06.1990, I R 158/87, BFH/NV 1991, 116).

b) Auch steht die Verschmelzung der M (alt) auf die M (neu) der Voraussetzung der Unternehmeridentität nicht entgegen. Auch nach der Verschmelzung lagen - für die M (neu) - die Voraussetzungen der finanziellen, organisatorischen und wirtschaftlichen Eingliederung in den Betrieb der Klägerin vor. Dann muss es für die Klägerin auch nach der Ver-schmelzung zulässig sein, einen vorgetragenen Verlust der Organgesellschaft der Klägerin weiterhin mit Erträgen der nach Verschmelzung fortbestehenden Organgesellschaft zu verrechnen, zumal die Voraussetzung der Unternehmeridentität lediglich am gewerbesteuerlichen Unternehmen des Organträgers, nicht aber nach den Verhältnissen der Organgesellschaft zu überprüfen ist (s.o. unter a). Der Voraussetzung der Unternehmeridentität stehen auch nicht die Ausführungen in dem vom Beklagten zitierten BFH-Urteil vom 17. Juli 1991 (I R 74-75/90, BStBl. II 1991, 899) entgegen. Der BFH entschied im genannten Urteil, im Falle einer Verschmelzung könne der Gewerbeertrag - aufgrund der Rückwirkungsfiktion des § 2 UmwStG - nicht um Verluste der übernehmenden Gesellschaft vermindert werden. Im Streitfall soll der Verlust indes bei der Klägerin, die selbst nicht verschmolzen wurde, verrechnet werden.

3. Schließlich ist die Voraussetzung der Unternehmensidentität erfüllt. Die Voraussetzung der Unternehmensidentität erfordert, dass der im Verlustanrechnungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch sein muss mit dem Gewerbebetrieb, der im Jahr der Entstehung des Verlustes bestanden hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 138, 90, 91, BStBl II 1983, 425). Dies ist hier der Fall. Die streitigen Verluste sind zwar aufgrund der Fiktion nach § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG i.d.F. des UntStFG zunächst in dem Unternehmen der Mehrmütter-Personengesellschaft als fingierter Gewerbebetrieb entstanden. Bezogen auf das Unternehmen der M (alt) ist das Unternehmen der M (neu) indes identisch. Die Unternehmensidentität wird bei einer Mehrmütter-Organschaft durch die Gesellschafter der Mehrmütter-Personengesellschaft, nicht aber durch die Organgesellschaften geprägt. Der Gesetzgeber hat mit der Einfügung des § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG i.d.F. des UntStFG dem Grunde nach anerkannt, dass in Fällen einer Mehrmütterorganschaft regelmäßig die Organträger-GbR lediglich der Koordinierung und Sicherung eines einheitlichen Beherrschungswillens dient und ihrer "Tätigkeit" kein eigener gewerblicher Zweck zukommt. Andernfalls hätte der Gesetzgeber die gesetzliche Fiktion in § 14 Abs. 2 KStG i.d.F. des UntStFG nicht einführen müssen. Es widerspräche Sinn und Zweck von § 10a GewStG, für die Voraussetzung der Unternehmensidentität auf den nur fiktiven Unternehmensgegenstand der Willensbildungs-GbR abzustellen. Als Beurteilungsmaßstab ist vielmehr der sachliche, wirtschaftliche, organisatorische und finanzielle Zusammenhang zwischen der tatsächlich ausgeführten Tätigkeit im Verlustentstehungs- und im Abzugsjahr unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der Verhältnisse im Einzelfall und der Verkehrsanschauung heranzuziehen (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 1994, IV R 137/91, BFHE 173, 547, BStBl 1994 II S. 477). Im Streitfall wird die fiktiv angenommene gewerbliche Betätigung durch die gewerbliche Tätigkeit ihrer Gesellschafter, also insbesondere die M (alt) geprägt. Da die M (alt) wiederum wirtschaftlich, organisatorisch und finanziell in den Betrieb der Klägerin eingegliedert war, wurde die Tätigkeit der Mehrmütter-GbR durch die Tätigkeit der M (alt) sowie der Klägerin geprägt (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Mai 1988, I B 8/88, BFH/NV 1989, 454, m.w.N.). Sowohl die Klägerin wie auch die MVW (neu) haben indes auch nach dem 1.1.1992 ihren bisherigen Betrieb bzw. den Betrieb der M (alt) im Wesentlichen unverändert fortgesetzt. Die "anteilige" Zweckabhängigkeit der Gesellschafter der bis zum 1. Januar 1992 bestehenden Mehrmütterorganschaft führt zu einem (weiterhin) bestehenden wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhang zu der Tätigkeit der Mehrmütter-Gesellschafter im Verlustentstehungs- und zu der M (neu) sowie der Klägerin im Abzugsjahr. Es fehlen zudem Anhaltspunkte dafür, dass sich für die Beurteilung der Unternehmensidentität maßgebliche Kriterien geändert haben (z.B. Kundenkreis, Arbeitnehmerschaft, Betriebsstätte).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO; die Entscheidung über die vor-läufige Vollsteckbarkeit auf § 151 Abs. 1, 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revi-sion war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen, da noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt ist, ob bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus einer Mehrmütterorganschaft gewerbesteuerliche Verlustvorträge verfallen und ob ein Verlust-vortrag nach § 10a GewStG übernommen werden kann, wenn der Gesellschafter einer Mehrmütterorganschaft seinerseits Organgesellschaft ist und auf die Organgesellschaft der Willensbildungs-GbR verschmolzen wird; außerdem divergieren die Entscheidungen der Finanzgerichte hinsichtlich der Zulässigkeit einer rückwirkenden Änderung durch § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG durch das UntStFG (vgl. FG Münster, Urteil vom 5. April 2005, 8 K 3815/01 G.F, EFG 2005, 1243 einerseits und FG München, Urteil vom 19. November 2003, 7 K 3723/03, EFG 2004, 412 andererseits), so dass die Zulassung der Revision auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten war.

Anmerkung

Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und wegen Divergenz zugelassen. Vergleichbare Fälle sollten daher ggf. bis zu einer endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits durch den BFH offen gehalten werden.

Ende der Entscheidung

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