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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 12.09.2007
Aktenzeichen: 2 K 644/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

2 K 644/04 2 K 656/04

Einkommensteuer 2000 - 2002

Tatbestand:

Die Parteien streiten, ob die Kläger Zinsen für Darlehen, die zur Anschaffung von Wertpapieren aufgenommen wurden, bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als Werbungskosten in den Streitjahren 2000 bis 2002 abziehen können.

Der Kläger hatte schon vor den Streitjahren Aktien an der (späteren) Metabox AG, damals noch PIOS Computer AG, erworben. In den Streitjahren erwarb er in der Zeit von ... mehrfach Aktien hinzu, bei ... Gelegenheiten veräußerte er auch Aktien dieser Gesellschaft. Im Einzelnen fanden die folgenden Kauf- und Verkaufsfälle statt: ...

Die Metabox AG wollte sogenannte "Set-Top-Boxen" herstellen, mit denen am heimischen Fernsehapparat auch das Internet erreicht werden sollte. Die Aktien der Metabox AG wurden am sogenannten "Neuen Markt" gehandelt. Das Unternehmen meldete im Jahre 2000 mehrfach den Erhalt großer Aufträge für Produktion und Verkauf der "Set-Top-Boxen". Daraufhin stieg der Kurs bis zur Mitte des Jahres 2000 steil an. Der Kurs fiel jedoch in der zweiten Jahreshälfte ebenso ab, als Zweifel am Wahrheitsgehalt der Mitteilungen laut wurden. Am Jahresende 2000 lag der Kurs bei nur noch 5,50 EUR. Im Folgejahr wurde mehrfach Insolvenz über das Vermögen der Metabox AG beantragt. Endgültig wurde das Insolvenzverfahren im Jahre 2002 eröffnet. Die Aktien haben seitdem nahezu keinen Wert mehr.

Der Kläger erwarb die Aktien der Metabox AG - wie zwischen den Parteien insoweit unstreitig ist - teilweise mit Bankkrediten. Die Zinsen hierfür i.H.v... und ... machten die Kläger bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als Werbungskosten geltend.

... Den begehrten Abzug von Schuldzinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen lehnte das Finanzamt ... ab. Der Kläger habe die Aktien der Metabox AG erworben, um an den Wertsteigerungen der Aktie teilzuhaben, nicht aber um Dividenden zu erzielen. Tatsächlich habe die Gesellschaft nie Gewinne ausgeschüttet. Daran habe der Kläger auch kein Interesse gehabt, denn er habe bei ... Gelegenheiten die Aktien schon kurze Zeit nach dem Erwerb wieder veräußert. Wegen der Auffassung des Finanzamtes im Einzelnen wird auf die Einspruchsbescheide verwiesen.... Hiergegen richten sich nach insoweit erfolglosen Einsprüchen die Klagen.

Die Kläger meinen, die Zinsen seien als Werbungskosten abzugsfähig. Der Kläger habe die Aktien erworben, um damit auch nach Abzug der Schuldzinsen einen Überschuss zu erzielen. So hätten Anlageexperten schon für das Jahr 2000 und für das Jahr 2001 erhebliche "Dividenden" prognostiziert. Wären diese Prognosen eingetreten, hätten sich für den Kläger Überschüsse errechnet. Dass der Kläger am ... Aktien sowohl ge- als auch verkauft habe, stehe dem nicht entgegen. Er, der Kläger, habe nach der Veräußerung am ... seine Finanzplanung noch einmal überdacht und den Verkauf als Fehler erkannt. Dass die Aktien am "Neuen Markt" gehandelt wurden, stehe dem ebenfalls nicht entgegen. Wegen der Begründung der Klage im Einzelnen wird auf die Schriftsätze .... verwiesen.

Die Kläger beantragen,

Schuldzinsen i.H.v ... als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zum Abzug zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

Klagabweisung

und verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid. Die Zinsen seien nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er die Aktien in Überschusserzielungsabsicht erworben habe. Das Fehlen dieser Absicht werde Indiziert, weil die Aktien "hoch spekulativ" gewesen seien und am Neuen Markt gehandelt würden. Nach dem Kurseinbruch im September 2000 sei mit einem Einnahmeüberschuss nicht mehr zu rechnen gewesen. Gleichwohl habe der Kläger danach noch mehrfach weitere Aktien erworben. Wegen der Auffassung des Finanzamtes im Einzelnen wird auf die Klageerwiderung vom 13.06.2005 (GA 2 K 656/04 Bl. 50 und GA 2 K 644/04, Bl. 71).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet. Die Schuldzinsen sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig.

Gemäß § 9 Abs. 1 EStG sind als Werbungskosten alle Aufwendungen abzugsfähig, die der Erzielung von Einkünften dienen. Zu diesen Aufwendungen zählen auch in vollem Umfange Schuldzinsen auf Darlehen, die dem Erwerb von Wertpapieren gedient haben, sofern sie angeschafft wurden, um mit ihnen Einkünften aus Kapitalvermögen, hier Dividenden zu erzielen (grundlegend BFH-Urteil vom 21.07.1981, VIII R 154/76, BStBl II 1982, 37). Dagegen ist der Abzug ausgeschlossen, wenn mit den Wertpapieren lediglich - nicht steuerbare - Wertsteigerungen erzielt werden sollen oder aber eine solche Absicht im Vordergrund steht (BFH a.a.O.). Dagegen ist eine Hoffnung auf Wertsteigerung für die Abzugsfähigkeit der Zinsen unschädlich, wenn sie lediglich "mitursächlich" für die Anschaffung ist (BFH a.a.O., fernerUrteil vom 08.07.2003, VIII R 43/01, BStBl II 2003, 937).

Danach hat der Kläger nicht nachgewiesen, die Aktien in Erwartung von Kapitalausschüttungen auf seine Aktien erworben zu haben. Wie sich aus bei den Akten befindlichen Auszügen aus dem Managermagazin (Einspruchsakte Bl. 53ff) ergibt, erwartete man allerdings aufgrund der gemeldeten großen Aufträge in der ersten Hälfte des Jahres 2000 erhebliche Gewinne. Die Analysten der Bank Merck und Finck rechneten im April 2000 mit einem "Ergebnis" von 2,70 EUR je Aktie, allerdings entgegen dem Vortrag der Kläger nicht mit einer Ausschüttung (Dividende) in dieser Höhe. Da das Unternehmen sich vielmehr erst am Markt etablieren musste, wären dieser Gewinn und auch die Gewinne der Folgejahre nicht ausgeschüttet, sondern gerade auch wegen der zu erwartenden angeblichen hohen Aufträge investiert worden. Dies entspricht der üblichen Vorgehensweise von Unternehmen, deren Aktien am Neuen Markt gehandelt wurden. Diese Unternehmen befanden sich, wie auch die Metabox AG, noch in der Aufbauphase. Eventuelle Gewinne sollten in der Regel für den Ausbau genutzt und nicht für Ausschüttungen verwandt werden (vgl. auch FG Hamburg, Urteil vom 04.09.2003, VI 176/02, EFG 2004, 182). Demzufolge beteiligten sich Kapitalanleger am Neuen Markt regelmäßig nicht, um Dividenden zu erzielen, sondern um an den - nicht steuerbaren - Kursgewinnen teilzuhaben.

Auch im Falle der Metabox stand die Erwartung auf Kursgewinne eindeutig im Vordergrund. Nach eigenem Vortrag der Kläger prognostizierte die Bank Finck und Merck schon im August 1999 eine "überdurchschnittliche Kursentwicklung" (...). Analysten der Berenberg Bank empfahlen im Juni 2000 den Kauf mit "Kursziel 113 bis 123 Euro" (Managermagazin , ...). Die Metabox AG selbst erklärte überdies ausdrücklich, sie beabsichtige nicht, "in Zukunft" die von ihr prognostizierten Gewinne auszuschütten. Wie sie vielmehr weiter in dem - vom Gericht aus dem Internet beigezogenen -Verkaufsprospekt der AG vom 01.07.1999, dort S. 31, erklärte, sollten die erwirtschafteten Gewinne einbehalten werden, "der Stärkung der inneren Finanzkraft dienen und damit die Finanzierung des angestrebten Wachstums unterstützen".

Bei dieser Sachlage konnte ein Käufer von Metaboxaktien jedenfalls in den Streitjahren nicht damit rechnen, dass die Metabox AG in absehbarer Zukunft Dividenden zahlen würde. Dies war am Kapitalmarkt allgemein bekannt. Es hätte daher am Kläger gelegen, den Beweis dafür zu führen, dass er gleichwohl mit einem Überschuss rechnete, denn er trägt die Feststellungslast für die Abzugsfähigkeit der Zinsen.

Das tatsächliche Verhalten des Klägers spricht demgegenüber ebenfalls gegen eine Überschusserzielungsabsicht. Der Kläger hat nämlich bei zwei Gelegenheiten auch Aktien verkauft, obwohl er noch keine Dividenden erlangt hatte. Zwar hat der Kläger den Verkauf am ... durch einen gleichen Kauf am selben Tag im Ergebnis "ungeschehen" gemacht. Doch zeugt der Verkauf selbst von der Absicht des Klägers, eben auch ohne Gewinnausschüttungen bei passender Gelegenheit wieder auszusteigen und die Aktien eben nicht als "Altersversorgung", wie jedoch in der mündlichen Verhandlung behauptet, zu nutzen. Für den anderen Verkauf schon zuvor am ... gilt dies erst recht, denn der Kläger hat diesen Verkauf nicht sogleich wieder rückgängig gemacht.

Da die Klage folglich abzuweisen ist, haben die Kläger die Kosten des Verfahrens gemäß § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zu tragen.

Hinweis

Verbundenes Verfahren

FG Niedersachsen - 12.09.2007 - AZ: 2 K 656/04



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