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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 06.10.2004
Aktenzeichen: 2 K 95/00
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 14
EStG § 16 Abs. 1
EStG § 16 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger ihren Betrieb gem. § 16 Abs. 3 i.V.m. § 34 EStG begünstigt aufgegeben haben und in welchen Veranlagungszeiträumen etwaige Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinne zu erfassen sind.

Die Kläger sind Brüder und betrieben seit 1974 einen landwirtschaftlichen Betrieb in W. in der Rechtsform einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts. Sie hielten und veräußerten insbesondere Rindvieh und veräußerten Milch nach Maßgabe der ihnen zustehenden Milchquote. Die betrieblich genutzte Ackerfläche betrug ca. 46 ha, das Grünland ca. 24,7 ha.

Im Oktober 1993 begannen die Kläger damit, einzelne Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens des landwirtschaftlichen Betriebes an verschiedene Erwerber zu veräußern. Gleichzeitig erwarben sie Anteile an einem anderen landwirtschaftlichen Betrieb in den neuen Bundesländern, der X-Landwirtschafts-GmbH. An diesen Betrieb haben sie Teile des bisher in W. geführten Betriebes veräußert (insbesondere Maschinen, Geräte, Milchkühe).

Im einzelnen wickelten die Kläger ihren Betrieb im Wesentlichen wie folgt ab:

Zunächst (im Oktober 1993) veräußerten sie ca. 6,1 ha Grünland. Diese Teilfläche nutzten die Kläger für die Rindviehhaltung nicht, da sie hierfür zu nass war.

- Am 6. November und 11. November 1993 schlossen die Kläger mit zwei Erwerbern Verträge über die Übertragung der gesamten Milchquoten. Als Vertragsbeginn wurde in den Vereinbarungen der Zeitpunkt der Neuberechnung der Referenzmenge des Erwerbers durch die Molkerei festgelegt, 14 Tage danach sollte der Kaufpreis fällig werden (weitere Einzelheiten: Verträge vom 06.11. und 11.11.1993). Bereits Mitte Dezember 1993 (20.12.1993) entrichtete einer der Erwerber den Kaufpreis von 500.000 DM (2 DM pro Kg), den restlichen Kaufpreis vereinnahmten die Kläger Anfang Januar 1994 (05.01.1994). Kurze Zeit vorher (nämlich 12 Tage vor der ersten Zahlung, am 08.12.1993) berechnete die Molkerei M. die Milchreferenzmenge zum 01.12.1993 neu.

- Im Januar 1994 veräußerten die Kläger die Milchkühe an die GmbH in G., zum 1. Juni 1994 eine Scheune mit Grundstück für 80.000 DM.

- Am 1. Dezember 1994 schlossen die Kläger mit den Eheleuten K. einen notariellen Vertrag über die Veräußerung der Hofstelle (31,24 ha landwirtschaftliche Nutzfläche); gleichzeitig erklärten die Vertragsparteien die Auflassung. Nach § 3 der Vereinbarung sollte der Besitz an dem Kaufobjekt am 1. April 1995 auf die Erwerber übergehen. Als Kaufpreis vereinbarten die Vertragsparteien einen Betrag von insgesamt 960.000 DM. Vom Kaufpreis sollten 100.000 DM bei Vertragsschluss, 200.000 DM bis zum 31. Januar 1995 sowie die restlichen 660.000 DM bis zum 15. März 1995 gezahlt werden (weitere Einzelheiten: Grundstückskaufvertrag vom 01.12.1994).

- Bereits im Dezember 1994 begannen die Erwerber mit Umbauarbeiten des auf der Hofstelle befindlichen Wohnhauses. Ebenfalls im Dezember 1994 teilten die Kläger der Gebäudeversicherung mit (03.12.1994), dass sie die Hofstelle an die Eheleute K. verkauft und übergeben hätten.

- Ende Dezember 1994 veräußerten die Kläger noch die verbliebenen Bullen sowie die restlichen Maschinen an den Betrieb in G. Bis zu diesem Zeitpunkt nutzten sie noch einen der drei vorhandenen Ställe zur Rindviehhaltung.

- Mit Datum vom 4. März 1995 ließen die Kläger mit den Erwerbern eine notarielle Vereinbarung beurkunden, nach deren Inhalt der Besitz, Nutzungen, ebenso die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung sowie die mit dem Kaufobjekt verbundenen öffentlichen Lasten und Abgaben bereits "mit Wirkung vom 1. Januar 1995" auf die Erwerber übergegangen war (weitere Einzelheiten: notarielle Vereinbarung vom 4. März 1995). Ferner vereinbarten sie, dass der Restkaufpreis von 660.000 DM statt am 15.03.1995 - wie ursprünglich vereinbart - am 15.04.1995 gezahlt werden sollte.

- Die nach Veräußerung der Hofstelle noch verbliebenen 8 ha landwirtschaftliche Fläche überführten die Kläger mit Einstellung ihrer Tätigkeit in W. im Dezember 1994 in ihr Privatvermögen.

Im Rahmen der Feststellungserklärungen für die Jahre 1993 und 1994 erklärten die Kläger den Vorgang als eine gemäß § 34 EStG tarifbegünstigte Betriebsaufgabe und errechneten einen Aufgabegewinn für 1993 in Höhe von ca. 900.000 DM (898.599 DM) und 1994 in Höhe von ca. 81.000 DM (81.907 DM), korrigierten den Aufgabegewinn für 1994 im Klageverfahren aber noch auf ca. 222.000 DM.

Das Finanzamt folgt den Erklärungen zunächst und erließ Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer im Jahre 1997 durchgeführten Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, die Voraussetzungen für eine tarifbegünstigte Betriebsaufgabe hätten nicht vorgelegen. Insbesondere der Gewinn aus der Veräußerung der Hofstelle sei erst im Jahre 1995 realisiert worden. Das Finanzamt stellte für die Jahre

1993: 553.668 DM,

- 1994: 554.146 DM

- und 1995: ./. 12.234 DM

jeweils als laufenden Gewinn aus land- und Forstwirtschaft fest.

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage. Die Kläger sind der Auffassung, die realisierten Gewinne seien dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 EStG zu unterwerfen. Es liege eine Betriebsaufgabe, nicht eine allmähliche Betriebsabwicklung, vor. Sie, die Kläger, hätten die wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem "zusammenhängenden Zeitraum" von 12 Monaten veräußert, nämlich von Januar bis Dezember 1994. Die Milchreferenzmenge sei am 01.12.1993 übertragen worden. Des Weiteren hätten sie die Hofstelle nicht erst im Jahre 1995, sondern bereits Ende 1994 veräußert. Zwar sei in § 3 des notariellen Kaufvertrages vom Dezember 1994 zunächst vereinbart gewesen, dass der Besitz erst mit Wirkung vom 1. April 1995 übergehen sollte. In einer späteren Vereinbarung, unmittelbar nach Abschluss des Vertrages in der ersten Dezemberwoche des Jahres 1994 sei diese ursprüngliche Abrede aber dahingehend abgeändert worden, dass die Käufer bereits im Dezember 1994 Nutzen und Lasten an dem Objekt erhalten sollten. Die vom Notar vorgenommene Formulierung "mit Wirkung vom 01.01.1995" sei daher missverständlich. Vielmehr sei dem steuerlich nicht beratenen Notar ein Formulierungsfehler unterlaufen. Gewollt sei eine Übertragung zum 31.12.1994.

Die Kläger seien auch bereits Anfang Dezember (02.12.1994) in ihr neues Anwesen gezogen und hätten von dort aus auch ihre betrieblichen Angelegenheiten geregelt, z.B. Pferdefutter dorthin liefern lassen und ihre Pferde dort behandeln lassen. Die Erwerber hätten zudem bereits im Dezember das erworbene Wohngebäude bezogen und dort umgebaut. Spätestens für die Zeit ab 01.12.1994 hätten die Erwerber sämtliche Lasten des Grundstücks getragen. Für die Zeit der gemeinsamen Nutzung Anfang Dezember und die alleinige Nutzung der Erwerber ab Ende Dezember habe man vereinbart, auf eine Einzelabrechnung der wechselseitigen Ansprüche zu verzichten, indem die Vertragsparteien Ansprüche auf Nebenkosten mit dem Anspruch auf ein Nutzungsentgelt verrechnet hätten.

Die Kläger beantragen,

wie erkannt zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist weiterhin der Auffassung, die Tarifermäßigung nach § 34 EStG sei nicht anwendbar. Es liege keine begünstigte Betriebsaufgabe, sondern eine allmähliche Liquidation vor. Insbesondere fehle es an einem engen zeitlichen Zusammenhang, innerhalb dessen dessen die einzelnen wesentlichen Betriebsgrundlagen hätten veräußert werden müssen. Die Kläger hätten an der Hofstelle erst im Jahre 1995 wirtschaftliches Eigentum auf die Erwerber übertragen, so dass die Betriebsabwicklung sich auf drei Veranlagungszeiträume erstreckt habe. Bei einer Erstreckung über mehr als zwei Veranlagungszeiträume liege aber keine begünstigte Betriebsaufgabe, sondern eine allmähliche Betriebsabwicklung vor.

Der Senat hat Beweis erhoben zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt Gefahr, Besitz, Nutzungen und Lasten auf die Erwerber der Hofstelle übergegangen sind, durch Vernehmung der Zeugen K. und des Notars T. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten (insbesondere Schriftsatz vom 15.02.2000 GA Bl. 16ff.; Schriftsatz vom 06.04.2000, GA Bl. 25ff.; Schriftsatz vom 22.08.2000, GA Bl. 48ff.; Schriftsatz vom 10.11.2000, GA Bl. 53ff., Schriftsatz vom 14.02.2001, GA Bl. 58ff., Schriftsatz vom 03.05.2001, GA Bl. 62ff.; Schriftsatz vom 26.07.2004, GA Bl. 79ff.; Schriftsatz vom 24.08.2004, GA Bl. 125ff., Schriftsatz vom 05.10.2004, das Sitzungsprotokoll sowie die Steuerakten verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet. Es liegt eine gem. den §§ 16, 34 EStG begünstigte Betriebsaufgabe vor. Das Finanzamt hat zu Unrecht in voller Höhe einen laufenden Gewinn angesetzt.

1. Die Kläger haben ihren landwirtschaftlichen Betrieb gem. § 16 Abs. 3 EStG i.V.m. § 14 EStG aufgegeben. Der infolge der Einstellung der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit entstandene Gewinn ist gem. § 16 Abs. 1, 3 EStG i.V.m. § 14 EStG begünstigter Gewinn und stellt keinen laufenden Gewinn dar. Es lag keine allmählichen Betriebsabwicklung vor, wie vom Finanzamt angenommen. Eine Betriebsaufgabe liegt vor, wenn aufgrund eines Entschlusses des Steuerpflichtigen, den Betrieb aufzugeben, die bisher in diesem Betrieb entfaltete betriebliche Tätigkeit endgültig eingestellt wird, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang, d.h. innerhalb kurzer Zeit entweder insgesamt klar und eindeutig, äußerlich erkennbar in das Privatvermögen überführt bzw. anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt oder insgesamt einzeln an verschiedene Erwerber veräußert oder teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen überführt werden und dadurch der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört (BFH-Urteil vom 21.08.1996, X R 78/93, BFH/NV 1997, 226).

Der Betrieb wurde innerhalb kurzer Zeit eingestellt, indem die Kläger die wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem Abwicklungszeitraum von (allenfalls) 15 Monaten, nämlich von Oktober/November 1993 bis Ende Dezember 1994, entnommen haben.

a) Der Aufgabezeitraum begann im Oktober 1993. Maßgeblich für den Beginn ist nämlich bereits die erste von dem Aufgabeentschluss getragene Handlung, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs gerichtet ist (BFH-Urteile vom 21. Oktober 1993, IV R 42/93, BFHE 173, 285, BStBl II 1994, 385; in BFH/NV 1998, 1211, m.w.N.). Dies war im Streitfall der Abschluss des Kaufvertrags über die Fläche von 6,1 ha. Grünland im Oktober 1993 (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1991, IV R 97/89, BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392, unter II. 3. der Gründe). Hierbei handelt es sich um die erste Maßnahme, die auf Einstellung der Tätigkeit gerichtet war. Daher beginnt - entgegen der Auffassung der Kläger, die auf die Übertragung des Eigentums der ersten wesentlichen Betriebsgrundlage abstellen - der Abwicklungszeitraum (Schriftsatz vom 24.08.2004, GA Bl. 125) nicht erst im Dezember 1993. Die Veräußerung der Teilfläche von 6,1 ha im Oktober 1993 stellte die erste Handlung dar, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs gerichtet war.

b) Der Abwicklungszeitraum endete mit Veräußerung oder Entnahme der letzten wesentlichen Betriebsgrundlage. Dies war vorliegend der 31.12.1994. Beendet war die Betriebsaufgabe nämlich bereits mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an der Hofstelle. Ungeachtet des Abschlusses des schuldrechtlichen Kaufvertrags bereits im Dezember 1994 war der Gewinn aus der Grundstücksveräußerung realisiert, als die Kläger mit Ablauf des Jahres 1994 das (wirtschaftliche) Eigentum an den Grundstücken übertragen haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 2. Mai 1984, VIII R 276/81, BFHE 141, 498, BStBl II 1984, 820, 821).

aa) Hinsichtlich des Grundstückes haben die Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wirtschaftliches Eigentum bereits mit Ablauf des 31.12.1994, nicht erst zum 01.01.1995 übertragen. Weder der Abschluss des schuldrechtlichen Kaufvertrags noch die Auflassung (§§ 873, 925 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) führen als solche zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. Maßgebend ist allein, wann der Erwerber nach dem Willen beider Vertragspartner wirtschaftlich über das Wirtschaftsgut verfügen kann. Das ist bei Übertragung eines Grundstücks in der Regel der Fall, wenn Eigenbesitz, Gefahr, Lasten und Nutzen auf den Erwerber übergehen (z.B. Urteile in BFHE 166, 329, BStBl II 1992, 398, und in BFH/NV 2000, 1331, jeweils m.w.N.). Denn solange der Erwerber das Grundstück aufgrund seines Rechts als Mieter oder auch nur in Erwartung der Eigentumsverschaffung, aber vor Übergang von Nutzen und Lasten besitzt, ist der Verkäufer (mittelbarer) Eigenbesitzer (§ 868, § 872 BGB). Letzterer besitzt das Grundstück als ihm gehörend, der Käufer dagegen nur aufgrund des Eigentumsrechts des Verkäufers.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme standen Substanz einschließlich der Gefahrtragung und Nutzungen aufgrund einer mündlichen Vereinbarung vom Dezember 1994 mit Ablauf des 31.12.1994 den Erwerbern zu. Denn die Kläger haben mit den Eheleuten K. mündlich - jedenfalls schlüssig - vereinbart, dass Letztere bereits mit Ablauf des 31.12.1994 die Nutzungen ziehen, aber auch die Lasten und die Gefahr des zufälligen Untergangs tragen sollten. Die Vertragsparteien haben ihre wechselseitigen Ansprüche (Anspruch auf Nutzungsvergütung einerseits und Anspruch auf Übernahme der laufenden Kosten andererseits) verrechnet, wie die Zeugin K. sowohl schriftlich (Schreiben vom 18.09. und 25.09.2004, GA Bl. 155 und 162) wie auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat (vgl. Sitzungsprotokoll). Auch der seinerzeit den Vertrag beurkundende Notar bestätigte im Verhandlungstermin, dass er einen Anruf von Dr. W. - dem früheren Berater der Kläger - erhalten habe, in dem dieser darum gebeten habe, das Datum des Übergangs von Nutzen und Lasten vorzuverlegen. Zwar sagte er aus, dass die Übergabe "zum 1. Januar" 1995 vorgenommen werden sollte. Damit sei aber nicht der steuerliche Zeitpunkt festgelegt worden, vielmehr wollten die Vertragsparteien einen (Abrechnungs-)Stichtag für eine möglicherweise vorzunehmende Abrechnung festlegen. Es sei ihm zudem bekannt gewesen, dass die Kläger das Grundstück schon vor dem 31.12.1994 übergeben hatten, da die Vertragsparteien ansonsten keine so hohe Anzahlung vereinbart hätten. Aufgrund dieser - glaubhaften - Aussagen geht der Senat von einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums mit Ablauf des 31.12.1994 aus. Maßgebend für eine Zurechnung aufgrund wirtschaftlichen Eigentums ist nämlich, wann Substanz und Ertrag des Grundstücks wirtschaftlich - wie im Streitfall bereits zum 31.12.1994 - dem Nutzungsberechtigten zustehen. Nur solange, wie Nutzen, Lasten und die Gefahr des zufälligen Untergangs noch nicht auf den Erwerber übergegangen sind, sind diese Voraussetzungen noch nicht erfüllt. Bei der maßgeblichen Würdigung aller Umstände des Einzelfalles ist die Vereinbarung zwischen den Klägern und den Eheleuten K. so auszulegen, dass ein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bereits mit Ablauf des 31.12.1994 erfolgen sollte. Neben der steuerlichen Unerfahrenheit der Vertragsbeteiligten spricht dafür auch die Aussage der Zeugin K. sowie des Notars G. Die Beteiligten verstanden unter einem Übergang "zum 01.01.1995" einen Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten zum 31.12.1994 und waren sich darüber gar nicht bewusst, dass es aus steuerlicher Sicht unter Umständen problematisch sein könnte, als Zeitpunkt den 01.01.1995 anzugeben.

Dem Übergang wirtschaftlichen Eigentums bereits mit Ablauf des 31.12.1994 steht auch nicht der notarielle Abänderungsvertrag vom März 1995 entgegen. Zwar regelte dieser ausdrücklich, dass Nutzungen und Lasten erst "zum 01.01.1995" übergegangen sein sollten. Da die Beteiligten aber steuerlich nicht beraten waren und auch der Notar nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme über die steuerlichen Konsequenzen nicht umfassend aufgeklärt hat, waren die Willenserklärungen gem. §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auszulegen. Die Kaufvertragsparteien wollten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles tatsächlich aber einen wirtschaftlichen Eigentumswechsel bereits mit Ablauf des 31.12.1994 erreichen. Aufgrund der Art der Abrechnung - wechselseitiger Verzicht auf weitere Ansprüche - kam es aus Sicht der Vertragsbeteiligten auch nicht auf darauf an, ob ein Übergang von Nutzen und Lasten schon zum 31.12.1994 oder aber erst zum 01.01.1995 vereinbart war.

bb) Die Aussage der Zeugin K. ist auch nicht deshalb unglaubhaft, weil sie während der Betriebsprüfung noch bestätigt hatte, bereits am 28.11.1994 den Kaufvertrag abgeschlossen zu haben. Es steht nämlich fest, dass der Vertrag erst am 01.12.1994 notariell beurkundet worden ist. Die Zeugin könnte mit dem Datum 28.11.1994 z.B. auch den Zeitpunkt gemeint haben, zu dem man sich erstmals einig geworden ist.

Auch widerspricht einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums mit Ablauf des 31.12.1994 - entgegen des Vortrages des Beklagten in der mündlichen Verhandlung - nicht, dass die Erwerber möglicherweise erst im Laufe des Jahres 1995 Teilflächen verpachtet haben und hierfür Pachtzinsen vereinnahmt haben (vgl. Sitzungsprotokoll). Denn wie die Kläger glaubhaft in der mündlichen Verhandlung versicherten, haben die Eheleute K. keine Pachtverträge übernommen, weil die Kläger die gesamte Fläche selbst bewirtschaftet hatten und sogar noch Flächen hinzugepachtet hatten. Die Kläger haben daher mangels Verpachtung von (Teil-)Flächen nicht bis ins Jahr 1995 hinein - dies hätte gegen einen Übergang von Nutzen und Lasten schon zum 31.12.1994 gesprochen - Pachtzinsen erhalten.

cc) Die Vereinbarung konnte auch - trotz des bürgerlich-rechtlich vorgeschriebenen Formzwanges bei Grundstücksgeschäften (notarielle Beurkundung, vgl. § 313 BGB a.F., § 311 b BGB n.F.) mündlich getroffen werden. Denn die Vertragsparteien hatten die Auflassung im Zeitpunkt der mündlichen Abrede bereits erklärt. Eine Einigung über einen - gegenüber der ursprünglichen Abrede - veränderten Übergang der Nutzungen und Lasten ist nämlich nicht (mehr) formbedürftig, sobald die Auflassung erklärt worden ist und soweit die aus dem notariellen Vertrag hervorgehenden Leistungspflichten im Kern unberührt bleiben (vgl. BGH NJW-RR 1988, 186). Die Kaufvertragsparteien haben die Auflassung aber schon am 01.12.1994, mit Abschluss des notariellen Kaufvertrages, erklärt. Die mündlich getroffene Vereinbarung über den vorgezogenen Übergang von Nutzen und Lasten bedurfte daher keiner Form. Entgegen der Auffassung des Beklagten beinhaltetet das Vorziehen des Übergangs von Nutzungen, Lasten und Gefahrtragung um 3 Monate auch keine wesentliche Änderung des Vertragseinhalts, da die Beteiligten lediglich der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums anders als ursprünglich vereinbart geregelt haben. Überdies wäre die Nichteinhaltung der zivilrechtlich erforderlichen Form bei tatsächlichem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums zum 31.12.1994 gem. § 41 AO unbeachtlich, wenn die vertragschließenden Parteien die von ihnen vereinbarten Wirkungen ihres Vertrages haben eintreten lassen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Oktober 1972, I R 213/69, BFHE 107, 418, BStBl II 1973, 209), vom 17. Februar 2004, VIII R 26/01, StE 2004, 356).

dd) Einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bereits zum 31.12.1994 steht schließlich auch nicht das BFH-Urteil vom 23.01.1992 (IV R 68/90, BStBl. II 1992, 525) entgegen. Der BFH hat in dem Urteil vom 23.01.1992 (a.a.O.) entschieden, dass bei einer Praxisveräußerung "mit Wirkung vom 1. Januar des Jahres 02" der Veräußerungsgewinn regelmäßig nicht bereits im Jahre 01 entsteht, wenn ein Unternehmen erst im Jahr 02 übergeben wird. Im Streitfall haben die Kläger den Betrieb indes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bereits im Jahre 1994 übergeben. Die Erwerber haben bereits Reparaturarbeiten vorgenommen, während die Kläger ihre Geschäfte spätestens ab Mitte Dezember von ihrem neuen Wohnsitz aus geregelt haben. Maßgeblich ist aber bei einer Veräußerung zum Jahreswechsel, d.h. im Schnittpunkt der Kalenderjahre, vielmehr die Würdigung aller Umstände des Einzelfalles (vgl. BFH-Urteil vom 2. Mai 1984, IV R 47/73, BFHE 113, 195, BStBl II 1974, 707). Bei Würdigung aller Umstände ist - entsprechend den obigen Ausführungen - der Gewinn aus der Veräußerung der Hofstelle aber dem Jahr 1994 zuzurechnen.

c) Die Abwicklung über einen Zeitraum von knapp 15 Monate stellt im Streitfall auch einen "kurzen Betriebsaufgabezeitraum" dar. Dagegen spricht nicht, dass die Kläger den Betrieb über 2 Veranlagungszeiträume abgewickelt haben. Nach Auffassung des BFH kann sich der Aufgabezeitraum nämlich auch auf mehr als einen Veranlagungszeitraum erstrecken. Andererseits kann ein Abwicklungszeitraum von 36 Monaten unter keinen Umständen mehr als "kurzer" Betriebsaufgabezeitraum anerkannt werden (BFH-Urteil vom 26. Mai 1993, X R 101/90, BFHE 171, 468, BStBl II 1993, 710, BFH-Urteil vom 26. April 2001, IV R 14/00). Der Umfang eines noch zulässigen Abwicklungszeitraums ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessen; ein Halbjahreszeitraum bietet insoweit lediglich einen Anhalt (BFH-Urteil vom 16. September 1966, VI 118/65 und VI 119/65, BFHE 87, 134, 137f., BStBl III 1967, 70). Die Kläger konnten aber die Hofstelle vor Dezember 1995 noch nicht zu wirtschaftlich akzeptablen Bedingungen veräußern, obwohl sie bereits im Jahre 1993 einen Makler beauftragt hatten (vgl. zu weiteren Einzelheiten: Schreiben des Maklers vom 06.03.1997). Daher war es für sie wirtschaftlich zweckmäßig, die Milchquoten bereits im November 1993 und die Hofstelle erst später bei sich bietender Gelegenheit zu veräußern. Nach Veräußerung der Milchquoten dauerte es lediglich noch ca. 12 Monate, bis die Hofstelle durch notariellen Vertrag vom Dezember 1994 verkauft werden konnte. Aufgrund dieser nachgewiesenen Verkaufsbemühungen der Kläger und der zeitnahen Einstellung ihrer Tätigkeit mit Ablauf des Dezember 1994 liegen ausreichende wirtschaftliche Gründe vor, aufgrund derer der hier vorhandene 15-monatigen Abwicklungszeitraum als "kurzer Zeitraum" zu bewerten ist.

2. Die Kläger haben den Gewinn aus der Veräußerung der Milchquoten bereits im Veranlagungszeitraum 1994 (Dezember) realisiert. Entsprechend den obigen Ausführungen (oben unter 1.) ist auch der Gewinn aus der Veräußerung der Milchquoten in dem Veranlagungszeitraum zu erfassen, in dem er realisiert wurde. Veräußerungsgewinne i.S. von § 14 EStG sind aus dem Gewinn des vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres auszuscheiden, zu dem sie an sich gehören, und stattdessen in dem Kalenderjahr zu erfassen, in dem sie entstanden sind (§ 4a Abs. 2 Nr. 1 EStG). Grund für diese Regelung ist, dass für die normale Verteilung auf zwei Veranlagungszeiträume hier grundsätzlich kein Bedürfnis mehr besteht, weil Veräußerungsgewinne willentlich entstehen und in der Regel ohnehin tarifbegünstigt besteuert werden (BFH-Urteil vom 24.08.2000, IV R 42/99, BStBl. II 2003, 67). Die Kläger haben die Milchreferenzmengen gemäß den Veräußerungsverträgen mit Wirkung zum Dezember 1993 veräußert (Verträge vom 06.11. und 11.11.1993). Dies ist zwischen den Beteiligten auch - mittlerweile - unstreitig. Unbeachtlich ist insoweit, dass die Kläger noch nach dem 01.12.1993 abgabenfrei Milch geliefert haben, da die Übertragung der Lieferrechte bereits mit Neuberechnung der Referenzmenge durch die Molkerei wirksam werden sollte; lediglich der Kaufpreis war erst 14 Tage später fällig. Eine nach dem Zeitpunkt der Übertragung der Milchquote vorgenommene Lieferung wurde vielmehr auf das bis zum Zeitpunkt der Übertragung zustehende Milchkontingent angerechnet, resultierte aber nicht daraus, dass eine Übertragung des Milchlieferrechts erst im Jahre 1994 stattgefunden hätte.

3. Der für die im Dezember 1994 entnommene Restfläche vom Finanzamt angesetzte - und von den Klägern (ausschließlich) im Einspruchsverfahren angegriffene - Wert von 2,30 DM/qm ist nicht zu beanstanden. Gem. § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG in der Fassung des Streitjahres ist nämlich der gemeine Wert anzusetzen, soweit ein Wirtschaftsgut nicht veräußert, sondern entnommen wird. Gemeiner Wert ist aber der erzielbare Marktpreis, der sich aus der im Grundstücksmarktbericht des Katasteramtes enthaltene Bodenrichtwertkarte ergibt. Der vom Finanzamt lediglich für Zwecke der Kaufpreisaufteilung herangezogene anteilige Teilwert ist insoweit unbeachtlich.

4. Für die Berechnung der Gewinnhöhe und der vorzunehmenden Buchwertabspaltung wird auf die - auch vom Finanzamt unbeanstandete - Berechnung des Klägervertreters vom 05.10.2004 verwiesen (Anlage zum Schriftsatz vom 05.10.2004), der sich der Senat anschließt.

5. Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt (§ 135 FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1, 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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