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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 14.10.2009
Aktenzeichen: 3 K 278/07
Rechtsgebiete: EStG, FGO, EGV


Vorschriften:

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
EStG § 12
EStG § 21
EStG § 49 Abs. 1 Nr. 6
FGO § 74
EGV Art. 12
EGV Art. 56
EGV Art. 234 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das Verfahren wird gemäß § 74 FGO bis zur Entscheidung des EuGH über die vorgelegte Frage ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 234 Abs. 3 EG-Vertrag folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Widerspricht es Artikel 56 EG-Vertrag bzw. Artikel 12 EG-Vertrag, wenn ein im Inland beschränkt steuerpflichtiger Angehöriger anders als ein unbeschränkt Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stehende Renten nicht als Sonderausgaben geltend machen kann?

Tatbestand:

I. Sachverhalt und Streitstand

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Belgien. Im Streitjahr 2002 erzielte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Deutschland belegener Grundstücke gemäß § 21 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 3.534,00 EUR. Er war in Belgien als Arbeitnehmer tätig, sein Bruttoarbeitslohn betrug im Streitjahr 67.679,03 EUR. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27. April 1992 erwarb der Kläger von seinen Eltern das Grundstück in H, W 7, das mit einem Nießbrauchsvorbehalt zu Gunsten der Eltern belastet war. Mit weiterem Vertrag vom 2. Dezember 2002 erfolgten weitere Grundstücksübertragungen durch die Mutter an den Kläger und seinen Bruder im Rahmen vorweggenommener Erbfolge. Das Flurstück in H, P. 28 wurde an den Bruder des Klägers übertragen. Es wurde eine Rentenverpflichtung in Höhe von 1.000,00 EUR monatlich vereinbart. Übergang von Nutzen und Lasten war der 1. November 2002. Der Bruder des Klägers war Miteigentümer der Grundstücke in P, D und im Hö 1, 1 A. Hiervon erwarb der Kläger die ideelle Hälfte von seinem Bruder, ebenfalls zum 1. November 2002. Die bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Nießbrauchsrechte der Mutter an diversen Grundstücken wurden in eine Rente umgewandelt, wonach der Kläger - wie sein Bruder - ab 1. Dezember 2002 eine monatliche Rente in Höhe von 1.000,00 EUR an die Mutter zu zahlen hat. Im Streitjahr erzielte der Kläger in Deutschland Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Grundstückes W 7 in Höhe von 2.785,00 EUR sowie aus der Grundstücksgemeinschaft mit dem Bruder in Höhe von 749,50 EUR. Diese Beträge legte das Finanzamt dem Einkommensteuerbescheid zu Grunde. Nicht berücksichtigt wurde die Rente für den Dezember 2002 in Höhe von 1.000,00 EUR. Diese wäre nach deutschem Recht als Sonderausgabe im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abziehbar. Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG 2002 steht in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen Personen ein Sonderausgabenabzug jedoch nicht zu.

Hiergegen richtet sich die Klage des Klägers, der den Sonderausgabenabzug in Höhe von 1.000,00 EUR begehrt.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

II. Rechtlage nach deutschem Recht

Die Entscheidung über die Klage ist von der Beantwortung der unter IV genannten Vorlage abhängig. Sofern diese Frage zur bejahen ist, muss der Bescheid geändert und der Klage entsprochen werden. Ist die Frage zu verneinen, ist die Klage als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger hat seinen ausschließlichen Wohnsitz in Belgien. Er ist daher in Deutschland nur mit seinen inländischen Einkünften beschränkt einkommensteuerpflichtig. Zu diesen Einkünften gehören gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowohl der Grundstücksgemeinschaft wie auch des dem Kläger allein gehörenden Grundstückes W 7. Im Gegensatz zu einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person ist das Einkommen des Klägers gemäß § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG 2002 nicht um die Rente als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG 2002 zu vermindern. Die Klage wäre hiernach abzuweisen.

III. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht

Der vorliegende Senat erachtet die danach bestehende unterschiedliche Behandlung von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen (Gebietsansässigen und Gebietsfremden) aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht als zweifelhaft. Sie könnte gegen die durch den Artikel 56 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft -EGV- garantierte Grundfreiheit verstoßen, deren Auslegung dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) vorbehalten ist und dessen ständiger Rechtsprechung widersprechen, wie diese z.B. in dem Urteil vom 14. Februar 1995 C - 279/93 "Schumacker" (EuGHE 1995, I - 225); Urteil des EuGH vom 18. Juli 2007 C - 182/06 "Lakebrink" (EuGHE 2007 I - 6705); Urteil des EuGH vom 6. Juli 2006 C - 346/04 "Conijn" (Amtsblatt der Europäischen Union 2006, Nummer C 224, 5); Urteil vom 17. Januar 2008 C - 152/05 (EUGHE 2008, I - 39) zum Ausdruck gekommen ist.

Zwar hat der EuGH in den zitierten und weiteren Entscheidungen wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige sich im Grundsatz nicht in einer vergleichbaren steuerlichen Situation befänden und daher vor allem personenbezogene Abzüge im Quellenstaat nicht gewährt werden müssten. Lediglich dann, wenn der beschränkt Steuerpflichtige nahezu seine gesamten Einkünfte im Quellenstaat erziele, verlange der Grundsatz der Gleichbehandlung eine Erstreckung personenbezogener Steuervorteile auf dem Ausland ansässigen Personen. Diese Einschränkung bezieht sich jedoch unmittelbar nur auf den engen Bereich personen- und familienbezogener Steuermerkmale, nicht aber auf sämtliche Aufwendungen der privaten Lebensführung im Sinne des § 12 EStG außerhalb der eigentlichen Erwerbsaufwendungen, deren Abzug das nationale Steuerrecht z.B. als Sonderausgaben im Sinne des § 10 EStG zulässt.

Zwar erzielt der Kläger nicht den überwiegenden Anteil seiner Einkünfte im Quellenstaat, jedoch beruht der Sonderausgabenabzug auf langjähriger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der im Rahmen von der Übertragung im Privatvermögen gehaltener Grundstücke im Rahmen vorweggenommener Erbfolge bei vereinbarten Gegenleistungen wie z.B. Renten, keine (teil)entgeltlichen Vorgänge sieht, sondern diese Gegenleistungen im vollem Umfang aus dem Bereich der Einkünfteerzielung herausnimmt. Insbesondere im Vergleich mit dem Bruder des Klägers, der die Rentenzahlungen nach der in Deutschland einschlägigen Rechtssprechung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG unproblematisch als Sonderausgaben bei der inländischen Einkommensteuer berücksichtigen kann, ergibt sich für Inländer ein Steuervorteil.

Es ist nicht ersichtlich, weshalb dieser Vorteil nicht im Quellenstaat ansässigen Personen vorenthalten bleiben soll. Der deutsche Gesetzgeber hat zwar entschieden, dass diese Kosten der persönlichen Lebensführung zuzuordnen sind, er hat diese Kosten jedoch grundsätzlich zum Abzug zugelassen, so dass er sich dann widerspruchsfrei daran festhalten lassen müsste. Es handelt sich bei diesen Rentenverpflichtungen um eine Belastung, die den Gebietsfremden unter dem im Streitfall gegebenen Umständen ebenso trifft wie seinen gebietsansässigen Bruder und andere Inländer. Beide sind gleichermaßen zur Versteuerung ihrer Einkünfte aus den übertragenen inländischen Grundstücken verpflichtet.

IV. Vorlage an den EuGH

Das Verfahren wird gemäß § 74 FGO bis zur Entscheidung des EuGH über die vorgelegte Frage ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 234 Abs. 3 EG-Vertrag folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Widerspricht es Artikel 56 EG-Vertrag bzw. Artikel 12 EG-Vertrag, wenn ein im Inland beschränkt steuerpflichtiger Angehöriger anders als ein unbeschränkt Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stehende Renten nicht als Sonderausgaben geltend machen kann?

Ende der Entscheidung

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