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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 15.10.2008
Aktenzeichen: 3 K 345/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist, ob ein Betrag von DM xx.538,52 in 2001 als Betriebseinnahmen zu erfassen ist oder ob ein Darlehen vorliegt.

Die Praxisgemeinschaft zwischen den beiden Ärzten besteht seit dem 0x.0x.200x. Herr Dr. H hat seine Einzelpraxis eingebracht. Das Anlagevermögen und aufgenommene Darlehen werden als Sonderbetriebsvermögen behandelt. Die Gewinnermittlung erfolgt nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Der Beteiligte Dr. H hat von der Privatverrechnungsstelle (PVS) ein Darlehen über DM yy0.000 erhalten, das zu verzinsen ist. Im Jahr 200x erfolgten daneben Auszahlungen der PVS vom Konto des Dr. H, auf dem auch die Patientenzahlungen gutgeschrieben werden, an diesen i.H.v. DM xx.538,52, die von den Patientenzahlungen und Beständen auf dem Mitgliedskonto nicht gedeckt waren. Eine Verzinsung wurde nicht vorgenommen. Die streitigen Beträge wurden vom Beklagten als Betriebseinnahmen erfasst. Die PVS hat mit Schreiben vom 0x.0x.200x mitgeteilt, dass der Saldo dieses Kontos auf Guthaben, Patienteneinzahlungen, Vorschüssen, Verwaltungsgebühren, den Mitgliedsbeiträgen für 200x sowie Umbuchungen vom Darlehenskonto beruhe. Die Tilgung des o.g. Darlehens wurde durch Zahlung vom Verrechnungskonto vorgenommen. Nach der Regelung bei der PVS kann ein Vorschuss bis zur Höhe von 30% auf neu eingereichte Honorarforderungen und Außenstände gezahlt werden. Zinsen werden hierauf nicht berechnet. In Ausnahmefällen können Darlehen gewährt werden. Hierfür ist ein Darlehensvertrag, der Höhe, Tilgung, Zinsen und Sicherheiten beinhaltet, zu schließen. Ende des Jahres bestanden ausstehende Forderungen von DM zz.734,09.

In der abgegebenen Erklärung wurde der streitige Betrag als Betriebseinnahmen erfasst, dies jedoch durch Änderungsantrag vom 0x. Dezember 200y offen gelegt. Der Beklagte hat auch nach Abschluss der durchgeführten Betriebsprüfung den negativen Saldo als Honorarvorschuss behandelt und die Betriebseinnahmen im Änderungsbescheid gem. § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) vom xx. Juli 200x erhöht. Der Einspruch wurde mit Einspruchsbescheid vom xx. Oktober 200x als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Die Kläger machen geltend, dass die Überzahlungen als geduldete Überziehungen des Verrechnungskontos ein Darlehen darstellten. Die Einnahmen seien deshalb zu mindern. Honorare stellten lediglich die Zahlungen der Patienten auf das Treuhandkonto dar, nicht die Kontenbewegungen zwischen PVS und Arzt. Einnahmen könnten nur abgerufen werden, sofern sie eingegangen seien. Eine Kontenüberziehung setze zweiseitiges Einverständnis voraus. Ab 200y werde der negative Saldo durch geringere Entnahmen vom Mitgliedskonto wieder zurückgeführt.

Bei der PVS werde ein treuhänderisches Konto geführt. Geldeingänge auf diesem Konto seien zugeflossen. Guthaben zum Jahresende seien zu versteuern, damit eine Verschiebung durch bewusstes Nichtabrufen der Beträge vermieden werde. Die Weiterleitung des Honorars auf ein Konto bei der Hausbank des Arztes sei steuerlich unerheblich.

Nach einschlägigen Verwaltungsanweisungen gelten Honorare der Privatpatienten bereits mit Eingang bei der PVS als zugeflossen, unabhängig davon, ob bestimmte Termine vereinbart worden seien. Die PVS vereinnahme als Bevollmächtigte des Arztes. Hierdurch solle eine Beeinflussung der Honorarversteuerung vermieden werden. Umgekehrt könne deshalb die vorschüssige Auszahlung von Honoraren keine Betriebseinnahme sein. Der vorgezogene Abruf von Honoraren müsse wie der verspätete Abruf unbeachtlich bleiben, da ansonsten Gestaltungen möglich würden. Es gebe keine schuldrechtlichen Vertragsbeziehungen zwischen der Verrechnungsstelle und den Patienten, sondern nur zwischen Patient und Arzt. Demnach könne die Überziehung des Verrechnungskontos kein schuldrechtlicher Vorgang sein. Die PVS übernehme quasi die Funktion eines ausgelagerten Bankkontos. Es bestehe keine Berechtigung der PVS Zinsen zu verlangen. Dem stehe die Satzung entgegen. Die Vorschussgewährung sei durch den einheitlichen Verwaltungskostenbeitrag abgegolten. Dies sei auch so dem Urteil des 5. Senats des Nds. Finanzgerichts vom 11.01.2001 zu den Aktenzeichen 5 K 214/00, 5 K 220/00 zu entnehmen. Der Beklagte argumentiere insoweit unschlüssig.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheids 200x vom xx. Juli 200x und Aufhebung des Einspruchsbescheids vom xx. Oktober 200x den Verlust 200x auf DM -aa.122,00 festzustellen und diesen auf Dr. H mit DM -bb.726,00 und Dr. Ö mit DM cc.524,00 zu verteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, dass Betriebseinnahmen bei Zufluss zu berücksichtigen seien. Dies gelte auch für Vorschüsse sowie für Teil- und Abschlagszahlungen. Kontoüberziehungen könnten nur dann als Darlehen berücksichtigt werden, wenn ein Darlehensvertrag zustande gekommen sei. Die PVS verlange hierfür jedoch Angaben über Tilgung, Zinsen und Sicherheiten. Ein entsprechender Darlehensvertrag liege nicht vor. Da die PVS der Überziehung nicht widersprochen und auch keine Zinsen verlangt habe, könne kein Darlehen verlangt werden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Regelungen der PVS hinsichtlich der Vorschüsse nicht eingehalten worden seien. Aufgrund der Gewinnermittlungsart gelte das Zuflussprinzip, so dass Vorschüsse sowie Teil- und Abschlagszahlungen in dem Jahr zu erfassen seien, in dem sie geleistet worden seien. Vorschüsse seien gegeben, da auf künftige Honorare gezahlt worden sei.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist im vollen Umfang unbegründet.

1) Der streitige Betrag von DM xx.538,52 stellt nach der Überzeugung des Senats Betriebseinnahmen dar.

a) Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn gem. § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Betriebseinnahmen sind damit gem. § 11 Abs. 1 EStG im Zeitpunkt des Zuflusses zu erfassen. Beim Einzug von Arzthonoraren durch privatärztliche Verrechnungsstellen erfolgt die Besteuerung grds. im Zeitpunkt des Eingangs bei dieser Stelle (Schmidt-Heinicke § 11 EStG, Rn 30; Kirchhof-Seiler KK § 11, Rn. 63). Vorschussweise geleistete Honorare gelten auch dann als zugeflossen, wenn im Zeitpunkt der Veranlagung feststeht, dass sie teilweise zurückzuzahlen sind (Urteile des BFH vom 29. April 1982 IV R 95/79, BStBl II 1982, 593; vom 13. Oktober 1989 III R 30-31/85, BStBl II 1990, 287). Es ist unerheblich, ob die Leistung, die dem Vorschuss zugrunde liegt, bereits (teilweise) erbracht wurde. Ein Darlehen setzt eine klare Vereinbarung voraus, der zu entnehmen ist, dass sich kein Zusammenhang mit den Ansprüchen aus der eigentlichen Tätigkeit ergibt. Eine Darlehensvereinbarung erfordert auch eine Regelung über die Verzinsung und die Rückzahlungsbedingungen (Urteil des BFH vom 29. April 1982 IV R 95/79 a.a.O).

b) Vorliegend handelt es sich bei der Überziehung des Verrechnungskontos nicht um ein Darlehen, sondern um Betriebseinnahmen.

Der Klägerin kann nicht darin gefolgt werden, dass es sich bei den streitigen Zahlungen um Darlehen durch die PVS handelt. Nach Ziff.III der einschlägigen Regelung der PVS werden Darlehen aufgrund eines Darlehensvertrages gewährt, aus dem sich Höhe, Tilgung, Zinsen und Sicherheiten ergeben. Ein solches Vertragswerk liegt bezüglich des streitigen Betrages nicht vor. Es wurde jedoch ein gesonderter Darlehensvertrag über den Betrag von DM mmm.000 abgeschlossen. Dieses Darlehen wurde von der PVS gesondert auf einem Konto behandelt, was bei dem streitigen Betrag nicht der Fall ist. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass ein Darlehensvertrag geschlossen wurde. Sie geht vielmehr davon aus, dass das Einverständnis des entsprechenden Sachbearbeiters stillschweigend erteilt wurde. Dies ist nach der Auffassung des Senats und unter Berücksichtigung der o.g. Rechtsprechung jedoch nicht ausreichend, da die weiteren zu regelnden Punkte wie Tilgung, Zinsen und Sicherheiten nicht geregelt wurden. Auch zivilrechtlich sind dies Erfordernisse, auf die nicht insgesamt verzichtet werden kann, um den Charakter eines Darlehens zu gewährleisten. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Herrn Dr. H bereits ein Darlehen gewährt wurde. Aus den überlassenen Unterlagen der PVS ergibt sich nicht, dass es sich bei den streitigen Beträgen um eine Erhöhung der Darlehenssumme handelt. Eine solche wurde im einschlägigen Kontenausdruck nicht ausgewiesen. Auch Unterlagen über ein zusätzliches Darlehen wurden nicht überlassen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass sich der Schuldsaldo in nicht unerheblicher Höhe durch Tilgungsraten für das Darlehen des Dr. H ergibt. Weshalb die PVS zur Tilgung eines hingegebenen Darlehens ein weiteres - unverzinsliches - Darlehen geben sollte, ist nicht ersichtlich. Somit spricht alles gegen die Annahme eines Darlehens.

Die Zahlungen sind deshalb als Vorschüsse auf künftige Honorare anzusehen. Die Zahlungen sind im Zeitpunkt des Abrufes durch den Arzt als zugeflossen anzusehen, da sie im Vorgriff auf künftige Einnahmen gezahlt wurden. Dies wäre auch bei einer kassenärztlichen Verrechnungsstelle der Fall. Da bei einer PVS der Zahlungszeitpunkt vorverlegt wird, ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass spätestens bei Zufluss beim Arzt eine Besteuerung zu erfolgen hat. Dies führt jedoch nicht dazu, dass gutgeschriebene und nicht abgerufene Honorareingänge nicht mehr als Betriebseinnahmen zu versteuern sind. Bei dem vorliegenden Sachverhalt handelt es sich um eine Ausnahme von diesem Grundsatz, der aufgrund der besonderen Konstellation zu einem früheren Zufluss führt.

Das Vorliegen eines weiteren Rechtsinstituts ist ebenfalls nicht erkennbar. Die PVS kann lediglich in Einzelfällen Darlehen gewähren oder ihre Ärzte durch Vorauszahlungen auf künftige Honorarforderungen finanziell unterstützen. Weitere Reaktionsmöglichkeiten sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Wie oben dargelegt, sind die Voraussetzungen für eine Darlehensgewährung nicht erfüllt. Aus diesem Grund kann es sich nur um Vorschüsse handeln. Da es sich hierbei um einen vorgezogenen Zufluss von Betriebseinnahmen handelt, hat der Beklagte die Beträge zu Recht bei Zufluss berücksichtigt. Hierbei ist unerheblich, dass noch keine Patientenhonorare in entsprechender Höhe auf dem Konto eingegangen waren.

Dem steht auch das Urteil des 5. Senats des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 11. Januar 2001 (5 K 214/00, 5 K 220/00) nicht entgegen. Dass es keine Rechtsbeziehungen zwischen den Patienten und der PVS gibt, steht der Gewährung von Vorschüssen ebenso wenig entgegen wie die Tatsache, dass es sich bei der PVS um einen Verein handelt, in dem die Ärzte Mitglieder sind. Durch die Satzung wurden Vorgaben gemacht, die die Vergabe von Darlehen genau regeln. Diese wurden jedoch - wie oben ausgeführt - nicht eingehalten.

2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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