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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 20.09.2006
Aktenzeichen: 3 K 373/05
Rechtsgebiete: EStG, HGB


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1
EStG § 21 Abs. 1
HGB § 255 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

3 K 373/05

Ges. und einh. Feststellung 2003

Tatbestand:

Streitig ist, ob Aufwendungen für einen Umbau im Streitjahr Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwand bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind.

Die Kläger waren im Streitjahr als Gesellschafter der Grundstücksgemeinschaft G zu je 1/2 Miteigentümer der Grundstücke in H. Im Gebäude S wurden im Streitjahr erhebliche Umbauarbeiten mit einem Gesamtaufwand i.H.v. EUR xxx.xxx hauptsächlich im Bereich des Erdgeschosses vorgenommen. Im Erdgeschoss befanden sich im Wesentlichen zwei Geschäfte, wovon das rechte Geschäft vor und nach dem Umbau als Modegeschäft betrieben wurde. Hinsichtlich der linken Ladenfläche bestand vor langer Zeit ein Bekleidungsgeschäft. Dann wurden nacheinander zwei Gaststätten darin betrieben. Beide Pächter wurden jedoch insolvent, so dass sich die Kläger entschlossen haben, die durch die Gaststätte genutzte Fläche in ein Ladenlokal umzubauen. Das Lokal wurde dann im Laufe des Jahres 2003 von einem Buchhändler betrieben. Es wurden im Wesentlichen folgende Aufwendungen vorgenommen:

Erneuerung der Fensterfront im Erdgeschoss (Schaufensteranlage),

Abriss der Wände zur ehemaligen Küche,

Demontage der Tiefkühlzellen,

Umbau des Kühlraumes in eine Personalteeküche,

Erneuerung von Sanitäranlagen,

Erneuerung von Elektroinstallationen,

Austausch einer Heizung.

Es wurden auch kleinere Aufwendungen vorgenommen, wie z.B. die Reinigung des Daches und Arbeiten im Hauseingangsbereich. Es wurde ein kleiner Raum im Eingangsbereich abgetrennt, der zur Unterstellung der Mülleimer dient. Weiterhin wurde das über dem Erdgeschoss bereits vorhandene Vordach erneuert. Die Oberlichter wurden entfernt, da eine Sanierung nicht rentabel gewesen wäre. Die angefallenen Kosten verteilen sich im Wesentlichen wie folgt:

WC-Anlagen und Teeküche EUR x.900,00

Schaufensteranlage und Ladeneingang EUR xx.000,00

Verfliesen des Fußbodens EUR xx.700,00

Heizungsanlage EUR xx.000,00

Estrich im Eingangsbereich EUR xx.300,00

Diverse Elektroarbeiten EUR xx.250,00

Der Beklagte hat diese Aufwendungen als Herstellungskosten behandelt und dadurch die jährliche AfA um EUR y.yyy,00 erhöht. Ein gegen den Feststellungsbescheid vom 23. August 2004 eingelegter Einspruch wurde mit Einspruchsbescheid vom 5. August 2005 als unbegründet abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Die Kläger machen geltend, dass Erhaltungsaufwand vorliege, da der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt worden sei. Erst ab dem Jahr 1980 seien nach Beendigung des Modegeschäftes im betreffenden Lokal Gaststätten betrieben worden. Wegen Insolvenzen der Pächter sei der Betrieb einer Gaststätte nicht mehr möglich gewesen. Durch den Umbau habe keine höhere Miete erzielt werden können. Bislang habe diese EUR 3.xxx,40 betragen, der Buchladen bezahle jedoch nur noch EUR 2.xxx,00. Es sei weder eine Aufstockung des Gebäudes erfolgt noch sei die Nutzfläche vergrößert worden. Weiterhin fehle es an einer Vermehrung der Gebäudesubstanz. Es sei lediglich bestehender Verschleiß beseitigt worden. Zudem läge keine steuerlich relevante Nutzungsänderung vor, da sowohl vor wie auch nach dem Umbau eine Nutzung zu gewerblichen Zwecken stattgefunden habe.

Die vom Beklagten angeführte Rechtsprechung, wonach ein Nutzungswechsel zwischen gewerblichen und Wohnzwecken zu Herstellungskosten führe, sei hier nicht vergleichbar. Die Räumlichkeiten seien auch nach dem Umbau wegen der bestehenden gewerblichen Nutzung allgemein zugänglich und nicht wie z.B. Wohnräume der allgemeinen Zugänglichkeit entzogen. Die Auffassung des Beklagten führe dazu, dass bei einem Wechsel der Branche in kaum einem Fall mehr Erhaltungsaufwand denkbar wäre. Auch das Schreiben des BMF vom 18. Juli 2003 sei nicht anwendbar, da dieses nur Sachverhalte mit Wohngebäuden beträfe. Das Finanzgericht Baden-Württemberg halte in seinem Urteil vom 10. September 2003, Az. 5 K 341/00, das BMF-Schreiben für gewerbliche Objekte nicht für anwendbar.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 5. August 2005 den einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheid 2003 vom 23. August 2004 in der Weise zu ändern, dass der Verlust aus Vermietung und Verpachtung um weitere Werbungskosten i.H.v. EUR xxx.810,00 erhöht und hälftig auf die Gesellschafter verteilt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, dass nach dem Urteil des BFH vom 23. November 2004 Baukosten und Herstellungskosten vorlägen, wenn ein Wirtschaftsgut durch Baumaßnahmen in seiner Funktion bzw. seinem Wesen verändert werde. Auch dann läge die Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes vor. Dies sei gegeben, wenn sich die Zweckbestimmung ändere. Der Einbau einer neuen Schaufensteranlage sowie die umfangreichen Demontagearbeiten, z.B. bei den Tiefkühlzellen und im ehemaligen Küchenbereich, gingen weit über das Maß hinaus, das bei einer Renovierung bzw. Modernisierung üblicherweise anfalle. Durch den Umbau würde aus den Räumlichkeiten für die Gaststätte erstmals ein Ladenlokal geschaffen. Dies führe zur größeren Nutzungsmöglichkeit als der Betrieb einer Gaststätte. Deshalb sei hierin eine Änderung der Zweckbestimmung zu sehen. Die Rechtsprechung setze nicht nur die Änderung der Nutzungsart von Wohnzwecken zu gewerblichen Zwecken voraus, um eine Herstellung anzunehmen. Herstellungskosten könnten auch bei einem Umbau, z.B. eines Einfamilienhauses zu einem Drei- oder Mehrfamilienhaus vorliegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

1. Der Beklagte hat zu Unrecht die geltend gemachten Aufwendungen nicht als Erhaltungsaufwand im Rahmen des Werbungskostenabzuges bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.

a) Aufwendungen die durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S.d. § 21 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zu erzielen, sind dann nicht als Werbungskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 EStG sofort abziehbar, wenn es sich um Herstellungskosten handelt. Welche Aufwendungen zu den Herstellungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB). Demnach sind Herstellungskosten die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes (Wirtschaftguts), seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.

Die Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes ist auch dann anzunehmen, wenn ein vorhandenes Wirtschaftsgut aufgrund von Baumaßnahmen in seiner Funktion bzw. seinem Wesen verändert wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich durch die baulichen Maßnahmen die Funktion bzw. Nutzung des Gebäudes und damit seine Zweckbestimmung ändert. Ausreichend ist die Änderung der Nutzungsfunktion eines Gebäudeteils. In der bisherigen Rechtsprechung wurden Herstellungskosten für den Umbau eines gewerblich genutzten Objektes in Wohnungen und umgekehrt bzw. bei Umbauten aus denen aus einem Wirtschaftsgut mehrere Wirtschaftsgüter, z.B. Einfamilienhaus zu Zweifamilienhaus und umgekehrt geschaffen wurden, angenommen (Urteil des BFH vom 23. November 2004 IX R 59/03, BFH/NV 2005, 543).

Herstellungskosten liegen jedoch dann nicht vor, wenn die Funktion des eingebauten Gegenstandes im Wesentlichen derjenigen des ausgetauschten oder erweiterten Gegenstandes entspricht. Die Funktionsänderung eines Gebäudes kann dann allenfalls Indiz für das Vorliegen einer Herstellungsmaßnahme und von Erweiterungsmaßnahmen sein. Hinzu kommen muss, dass gegenüber dem früheren Bauzustand eine auf die angestrebte Funktionsänderung ausgerichtete Substanzmehrung vorliegt, die über das bloße Versetzen von Wänden oder das Zumauern z.B. von Türen hinausgeht (Urteil des BFH vom 27. September 2001 X R 45/98, BFH/NV 2002, 627 m.w.N.).

Beim Einbau in vorhandene Einrichtungen kommt Herstellungsaufwand nur bei einer wesentlichen Verbesserung in Betracht. Mit dem Einbau verbundene geringfügige Erweiterungen treten insoweit hinter dem Merkmal Verbesserung zurück. Deswegen wird Erhaltungsaufwand angenommen, wenn vorhandenes in zeitgemäßer Form erweitert wird. Aufwendungen für eine reine Umgestaltung von vermieteten Räumen durch Verlegen bzw. Entfernen von Zwischenwänden sind danach nicht als nachträgliche Herstellungskosten zu qualifizieren, solange die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude nicht das bautechnische Gepräge geben, z.B. weil verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind. Die Tatsache, dass die Baumaßnahmen für die Vermietbarkeit förderlich sind, genügt deshalb nicht für die Annahme von Herstellungskosten (Beschluss des Senats vom 21. Oktober 2005 IX S 16/05, BFH/NV 2006, 291 m.w.N.).

b) Nach der Überzeugung des Senates liegen hinsichtlich der Umbaumaßnahmen keine Herstellungskosten vor.

Durch die Kläger wurde im Wesentlichen die alte und nicht mehr zeitgemäße Ausstattung der Ladenlokale dem Zeitgeschmack angepasst. Dies ist insbesondere bei der Schaufensterfront und dem damit zusammenhängenden Vordach über dem Eingangsbereich ersichtlich. Bereits vor dem Umbau waren ein Vordach und eine Glasfront vorhanden. Diese wurde lediglich modernisiert und geringfügig, z.B. durch Rückbau eines vor dem Umbau eingerückten Eingangsbereiches verändert. Im Inneren der Ladenfläche wurden im Wesentlichen nur die Oberlichter abgebrochen sowie die Wände zur Küche. Die Modernisierung der Sanitäranlagen sowie den Ausbau der Gastronomieküche stellen ebenfalls keine wesentlichen Änderungen des Lokales dar, da sie lediglich den Innenausbau betreffen. Ein Großteil der weiteren vorgenommenen Aufwendungen, z.B. der Elektroarbeiten, ergibt sich auch aufgrund des Alters des Gebäudes, da nach 30 - 40 Jahren eine gewisse Sanierung zu erfolgen hat. Es wurde auch nicht erstmals eine Heizungsanlage eingebaut, sondern die vorhandene Heizungsanlage zeitgemäß ersetzt. Die erstmalige Errichtung eines Raumes für die Mülleimer stellt eine so geringfügige Änderung dar, dass sie unbeachtlich ist. Durch den Umbau wurden keine wesentlichen Verbesserungen des vorhandenen Bestandes erreicht, sondern lediglich eine Anpassung an den Zeitgeschmack im Rahmen einer umfassenden Modernisierung vorgenommen.

Es liegt nach der Überzeugung des Senates auch keine Funktions- bzw. Nutzungsänderung im Sinne der o. g. Rechtsprechung des BFH vor. Auch die Nutzung eines Wirtschaftsgutes als Gaststätte sowie nachfolgend als Ladenlokal stellt eine gewerbliche Nutzung dar. Wie sich aus der oben zitierten Rechtsprechung ergibt, kann hinsichtlich einer Nutzungsänderung nicht darauf abgestellt werden, ob sich im Bereich einer gewerblichen Nutzung eine Nutzungsmöglichkeit durch eine oder mehrere andere Branchen ergibt, sondern darauf, ob statt einer Wohnnutzung eine gewerbliche Nutzung erreicht wird und umgekehrt. Es liegt auch kein Fall vor, in dem aus einem Wirtschaftsgut mehrere Wirtschaftsgüter oder umgekehrt errichtet worden sind. Es ist nicht ersichtlich, dass Bestandteile, die bautechnisch dem Objekt das Gepräge geben, erneuert worden sind. Es wurde hauptsächlich durch die Umbauten im Eingangsbereich eine zeitgemäße Optik erreicht. Da die Zwischenwände zu der ehemaligen Küche entfernt wurden, kann davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei nicht um tragende Wände gehandelt hat. Auch die Entfernung von Oberlichtern führt nicht zu einer wesentlichen Änderung im Sinne der o.g. Geprägerechtsprechung.

Da im Großen und Ganzen lediglich nicht mehr erforderliche Inneneinrichtungen, wie z.B. die Kühlzellen und die Küche entfernt wurden und ansonsten optische Maßnahmen durchgeführt wurden, liegen nach der Überzeugung des Senates nicht Herstellungskosten, sondern sofort als Werbungskosten abziehbare Erhaltungsaufwendungen vor. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Frage des Vorliegens von Herstellungsaufwand beim Umbau von Wohngebäuden sowie die dazu ergangenen Verwaltungsanweisungen enthalten keine Regelungen zum vorliegenden Sachverhalt.

Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass sich die Miete nicht erhöht hat. Dass das Ladenlokal einem größeren Adressatenkreis angeboten werden kann, stellt noch keine Nutzungsänderung dar, da dies nach der Überzeugung des Senats auch der Fall sein dürfte, wenn ein vor 30 - 40 Jahren eingerichtetes Ladenlokal zeitgemäß renoviert wird.

c) Der noch zu berücksichtigende Erhaltungsaufwandes i.H.v. EUR xxx.765,83 war jedoch um die dann wegfallende AfA von EUR y.yyy,00 zu ermäßigen, so dass sich noch ein Abzug von weiteren Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. EUR xxx.810,00 ergibt. Dadurch erhöht sich der bislang geltend gemachte Verlust aus Vermietung und Verpachtung von bislang ./. EUR zzz.zzz,72 auf ./. EUR aaa.aaa,72.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Ende der Entscheidung

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