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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 14.12.2005
Aktenzeichen: 3 K 570/03
Rechtsgebiete: DBA-Südafrika


Vorschriften:

DBA-Südafrika Art. 15
DBA-Südafrika Art. 16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Zwischen den Parteien ist streitig, ob beim Kläger Versorgungsbezüge, die er für eine Tätigkeit bei den South African Airways (nachfolgend SAA) erhält, in der Bundesrepublik Deutschland der Besteuerung unterliegen, oder aber, ob diese nach dem Kassenstaatsprinzip auf Grund Art. 16 DBA Bundesrepublik Deutschland/Südafrika (nachfolgend DBA) in der Bundesrepublik Deutschland steuerbefreit sind.

Der Kläger war seit 1965 in den Diensten der SAA. Vor seiner Pensionierung im Juli 1997 war er als Geschäftsführer tätig. Er erhält seitdem auf Grund einer ihm erteilten Pensionszusage eine betriebliche Altersversorgung. Vor ihrer Privatisierung war die SAA als Teil des "Department of Transport" unstreitig eine öffentliche Kasse. Seit der Privatisierung ist die SAA eine Aktiengesellschaft (AG) nach südafrikanischem Recht und eine Tochtergesellschaft der Transnet Limited (Ltd). Dabei wurde mit dem South African Transport Services Act von 1989 die Voraussetzung dafür geschaffen, die Transnet Ltd., eine Kapitalgesellschaft Südafrikanischen Rechts, zu errichten. Die Übertragung wurde im Jahr 1990 vollzogen. In Ziffer 16 des South African Transport Services Act ist dabei sichergestellt, dass durch die Überführung der South African Transport Services in die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft ein Risiko für die Versorgungsansprüche der Mitarbeiter und damit der Mitarbeiter der SAA nicht besteht, sondern der Staat selbst die erteilten Versorgungszusagen garantiert.

Das Finanzamt behandelte die aus Südafrika bezogenen Versorgungsbezüge als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Es war der Rechtsansicht, das Kassenstaatsprinzip finde keine Anwendung.

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.

In dem Klageverfahren ist zwischenzeitlich unstreitig gestellt, dass dem Kläger für die im Jahre 1997 gezahlten Abfindungen der ermäßigte Steuersatz nach § 34 a. F. Einkommensteuergesetz (EStG) gewährt wurde.

Die Kläger sind allerdings der Rechtsansicht, dass die bezogenen Ruhegehälter nach Art. 16 DBA von der Besteuerung in Deutschland freigestellt sind. Ruhegehälter, die aus öffentlichen Kassen eines Vertragstaates gezahlt würden, seien nach Art. 16 Abs. 2 DBA in dem anderen Vertragstaat von der Steuer befreit. Dabei konkretisiere Art. 16 Abs. 3 DBA den Befreiungstatbestand dahingehend, dass die Steuerbefreiung auch für Ruhegehälter gelte, die von der Deutschen Bundesbank, der Deutschen Bahn, der Deutschen Bundespost und der entsprechenden Einrichtungen Südafrikas einschließlich des "Department of Transport"... für frühere unselbstständige Arbeit gezahlt würden. Sowohl die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Bundespost als auch das "Department of Transport" seien inzwischen in Gesellschaften des Privatrechts umgewandelt worden. Auch die Transnet Ltd. gehöre zum Department of Transport. Damit sei Art. 16 Abs. 3 DBA bereits dem Wortlaut nach anwendbar. Denn das Ruhegehalt werde nach wie vor durch das Department of Transport gezahlt, wenngleich das Department of Transport dies durch eine 100 %ige Tochtergesellschaft, die Transnet Ltd. tue. Das ändere aber nichts daran, dass die schuldrechtliche Verpflichtung bei der Transnet Ltd. und damit beim Department of Transport liege.

Die Begründetheit der Klage ergebe sich zumindest aber aus einer ergänzenden Vertragsauslegung.

In diesem Falle enthalte die Bestimmung des DBA eine ergänzungsbedürftige Lücke, weil es keine Bestimmung über die Überführung von den in Art. 16 Abs. 3 DBA genannten Institutionen in privatrechtliche Rechtsformen treffe. Eine ergänzende Auslegung von Verträgen sei daran auszurichten, was die Vertragsstaaten bei der Vereinbarung des Abkommens im Jahr 1973 bestimmt hätten, wenn sie bei der Vertragsformulierung berücksichtigt hätten, dass sie die in Art. 16 Abs. 3 DBA genannten Institutionen in Zukunft in privatrechtlicher Rechtsform führen würden. Es könne keinem Zweifel unterliegen, dass bei einer Einbeziehung der deutschen Nachfolgeunternehmen ehemaliger öffentlicher-rechtlicher Einrichtungen auch die südafrikanische Verwaltungstätigkeit in privatrechtlichen Rechtsformen gleichermaßen berücksichtigt worden wäre. Zumindest im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung sei daher unzweifelhaft, dass die Transnet Ltd. zum Anwendungsbereich des Art. 16 Abs. 3 DBA gehöre.

Es bestehe zudem kein Zweifel daran, dass der Kläger seine Ruhegehaltsbezüge wegen der früheren unselbstständigen Tätigkeit für die SAA erhalte.

Im Streitfall verbleibe es zudem bei der Anwendung des Kassenstaatsprinzips. Die SAA habe sich nicht im Wege der Privatisierung mit dem Department of Transport aus der South African Transport Services zurückgezogen, sondern bearbeite diesen öffentlichen Verwaltungsbereich weiterhin, nur in privatrechtlichen Rechtsformen. Aus dem South African Transport Services Act aus dem Jahr 1989 ergebe sich ohne jeden Zweifel, dass der Staat einziger Gesellschafter der Transnet Ltd. sein solle. Dies habe sich bis heute nicht geändert. Der Sinn und Zweck des Kassenstaatsprinzips stehe der Anwendung von Art. 16 Abs. 3 DBA in diesem Fall keineswegs entgegen. Das Kassenstaatsprinzip finde seine Grundlage in den Regeln der internationalen Courtoisie und des gegenseitigen Respekts souveräner Hoheitsträger und sei in so vielen Abkommen zwischen Mitgliedstaaten der OECD enthalten, dass es bereits als international anerkannt angesehen werden könne. Die Souveränität des Hoheitsträgers sei aber gleichermaßen berührt, wenn der Hoheitsträger sein hoheitliches Handeln in öffentlich-rechtlichen Rechtsformen vornehme, wie wenn er es - zulässigermaßen - in privatrechtlichen Rechtsformen tue. Das Finanzamt lasse völlig unberücksichtigt, dass sich der Staat Südafrika durch die Überführung der South African Transport Services in eine privatrechtliche Rechtsform keineswegs seiner staatlichen Verantwortung entledigt habe. Er habe vielmehr ausdrücklich die Zahlung der Pensionen an die früheren Mitarbeiter gesetzlich garantiert. Art. 16 Abs. 3 DBA sei deshalb sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift anzuwenden.

Die Kläger beantragen,

die Ruhestandsbezüge des Klägers aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit für die SAA gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen Südafrika steuerfrei zu belassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.

Art. 16 Abs. 3 DBA enthalte eine abschließende Aufzählung von Institutionen, bei denen über Art. 16 Abs. 2 DBA hinaus eine öffentliche Kasse angenommen werde. Dazu gehöre vor der Privatisierung auch die SAA. Seit der Privatisierung handele es sich bei der SAA jedoch nur noch um ein öffentliches Unternehmen, das privatrechtlich organisiert sei und nicht als öffentliche Kasse eingestuft werden könne. Diese Beurteilung, die vom Bundesministerium für Finanzen geteilt werde (Schreiben des BMF vom 11. Januar 2001, Blatt 20, 21, der Rechtsbehelfsakte), entspreche auch Sinn und Zweck des Kassenstaatsprinzips. Danach solle als Ausfluss gegenseitiger Respektierung der Souveränität kein Staat aus öffentlichen Kassen des anderen Staates stammende Ruhegehaltszahlungen besteuern. Habe sich ein Staat im Wege der Privatisierung allerdings aus einem öffentlichen Verwaltungsbereich zurückgezogen, verbleibe für die Anwendung des Kassenstaatsprinzips kein Raum. Die Versorgungsbezüge für die Streitjahre seien daher in der Bundesrepublik Deutschland zu versteuern.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Das Kassenstaatsprinzip findet im Streitfall keine Anwendung, da der Kläger sein Ruhegehalt für zuletzt für die privatisierte Fluggesellschaft SAA erbrachte Leistungen aus unselbstständiger Arbeit erhält.

1. Nach der Grundregelung des Art. 16 Abs. 1 DBA sind Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbstständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat zu besteuern, vorausgesetzt, dass diese Einkünfte in diesem Staat der Besteuerung unterliegen. Damit enthält Art. 16 Abs. 1 DBA eine ausdrückliche Zuweisung des Besteuerungsrechtes an den Wohnsitzstaat, somit im Streitfall an die Bundesrepublik Deutschland.

Ausnahmen von diesem grundlegenden Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates werden getroffen in Art. 16 Abs. 2 und 3 DBA durch das dort formulierte Kassenstaatsprinzip. Danach soll als Ausfluss gegenseitiger Respektierung der Souveränität kein Staat aus öffentlichen Kassen des anderen Staats stammende Gehalts- und Ruhegehaltszahlungen besteuern. Nach Art. 16 Abs. 2 DBA sind Ruhegehälter nur dann in dem anderen Vertragsstaat (BRD) von der Steuer befreit, wenn sie von dem Vertragsstaat (Südafrika) gezahlt werden oder aus einem von diesem errichteten Sondervermögen. Art. 16 Abs. 3 DBA weitet die Anwendung des Art. 16 Abs. 2 DBA auch auf die von den dort genannten Einrichtungen gezahlte Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen aus.

In Art. 16 Abs. 3 DBA ist dabei eine ausdrückliche Regelung für diejenigen Einrichtungen getroffen, auf die das in Art. 16 Abs. 2 DBA formulierte Kassenstaatsprinzip daneben Anwendung finden soll. Die SAA sind in die Regelung des Art. 16 Abs. 3 DBA nicht aufgenommen, ebenso wie z. B. auf deutscher Seite Telekom oder Lufthansa.

Wesentliche Voraussetzung für die Anwendung des Kassenstaatsprinzipes ist, dass Ruhegehälter aus öffentlichen Kassen gezahlt werden. Eine vergleichbare Regelung für aktive Tätigkeiten im Öffentlichen Dienst findet sich in Art. 15 DBA. Danach ist Voraussetzung, dass Leistungen im öffentlichen Dienst erbracht werden. In Art. 15 Abs. 3 DBA findet sich die ausdrückliche Festlegung, dass das Kassenstaatsprinzip keine Anwendung findet auf Vergütungen für Dienste, die in Zusammenhang mit einer auf Gewinnerzielung gerichteten gewerblichen Tätigkeit eines der beiden Vertragsstaaten, eines seiner Länder oder einer ihrer Gebietskörperschaften erbracht werden.

Damit kommt in den Regelungen der Art. 15, 16 DBA der deutliche Wille der Vertragsschließenden zum Ausdruck, dass Vergütungen und Ruhegehälter lediglich dann in dem Wohnsitzstaat von der Steuer befreit sind, wenn sie für - ehemalige - Leistungen im öffentlichen Dienst erbracht werden.

Der Bundesfinanzhof hat dabei ausdrücklich die Anwendung des Kassenstaatsprinzips (beim DBA Frankreich) abgelehnt (BFH-Urteil vom 17.12.1997, I R 60 - 61/97, BStBl II 1999, 13), wenn auf Grund eines Dienstüberlassungsvertrages ein Beamter seine Dienste tatsächlich in einem privatwirtschaftlich strukturierten Unternehmen erbringt. Maßgebend sei allein die Rechtsform der Gesellschaft (BFH-Beschluss vom 07.04.2004, I B 196/03, BFHNV 2004, 1377), von der Gehalt (Ruhegehalt) bezogen werde. Die Herkunft der für die Vergütungen aufgebrachten Mittel sei für die Qualifizierung als juristische Person des öffentlichen Rechtes unbeachtlich (BFH-Beschluss vom 7. April 2004, I B 196/03 AAO mit weiteren Nachweisen). Eine Leistung in der Verwaltung liegt danach immer dann vor, wenn die Tätigkeit des Beschäftigten im Zusammenhang mit den der juristischen Person des öffentlichen Rechts übertragenen öffentlichrechtlichen Aufgaben erfolgt.

2. Bezogen auf den Streitfall hat der Kläger nach der Privatisierung der SAA seine Leistungen allerdings in einem privatwirtschaftlich strukturierten Unternehmen erbracht. Es ist unstreitig, dass die SAA als Tochterfirma der Transnet Ltd. in der Rechtsform einer AG Ltd. tätig ist. Die Transnet Ltd. ist einer deutschen GmbH vergleichbar, mithin privatrechtlich strukturiert und organisiert. Dabei ist unerheblich, dass alleiniger Gesellschafter der Transnet Ltd. der Staat Südafrika ist. Auch ein Staat kann sich entscheiden, welche Aufgaben er im Wege der öffentlich-rechtlichen Verwaltung erledigen will oder welche er ggf. in Form einer privatrechtlichen organisierten Gesellschaft ausführen will.

Dadurch, dass die SAA aus dem Department of Transport ausgegliedert und in die Rechtsform einer Limited gekleidet worden ist, ist damit die Tätigkeit der SAA aus der ehemals öffentlichen Aufgabe des Department of Transport ausgegliedert worden. Alleinentscheidend ist die tatsächliche privatwirtschaftliche Struktur der SAA. Bei der Frage der Anwendung des Art. 16 Abs. 3 DBA spielt es nach der oben aufgezeigten Rechtsprechung des BFH keine Rolle, von wem die Ruhegehälter tatsächlich gezahlt worden sind. Die Herkunft der für die gezahlten Vergütungen aufgebrachten Mittel ist für die Qualifizierung als juristische Person des öffentlichen Rechts unbeachtlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass oftmals lediglich durch bestimmte Garantiezusagen des Staates Aufgaben aus dem Bereich der öffentlichen Verwaltung ausgegliedert Es besteht dann zwar ein Rechtsanspruch auf bestimmte Ruhegehaltsvergütungen auf Grund dieser Garantiezusage. Die Ruhegehälter allerdings werden erbracht auf Grund der Tätigkeit für ein privatwirtschaftlich strukturiertes Unternehmen. Alleine dieses ist maßgebend für die Frage der Anwendung des Art. 16 Abs. 2, 3 DBA.

3. Etwas anderes ist auch nicht durch ergänzende Vertragsauslegung des Art. 16 Abs. 3 DBA abzuleiten. Der Senat hält die Aufzählung in Art. 16 Abs. 3 DBA für abschließend. Obwohl bereits im Jahr 1990 das Department of Transport neu geordnet worden ist und Aufgaben ausgegliedert worden sind, haben es die Vertragsstaaten nicht für notwendig erachtet, in der Folgezeit bis zum Jahr 2005 hier eine entsprechende Anpassung des Art. 16 Abs. 3 DBA vorzunehmen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Vertragsparteien insoweit einen Regelungsbedarf nicht gesehen haben. Da es sich bei der Regelung des Art. 16 Abs. 3 DBA um eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Besteuerungsprinzip des Art. 16 Abs. 1 DBA handelt, hätte hier allerdings eine eindeutige Regelung in Art. 16 Abs. 3 DBA erfolgen müssen. Da die SAA auch in der Folgezeit nicht ergänzend in der Vorschrift in Art. 16 Abs. 3 DBA aufgeführt worden ist, findet auch für die von der SAA gezahlten Ruhegehälter das Kassenstaatsprinzip keine Anwendung.

Die Ruhegehälter des Klägers sind deshalb zutreffend in dem Wohnsitzstaat, mithin in der Bundesrepublik Deutschland, der Besteuerung unterworfen worden.

Die Klage war mit der Kostenfolge des § 135 FGO abzuweisen.

Der Senat hat allerdings gem. § 115 Abs. 2 S. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es liegt bisher keine Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Auslegung des Art. 16 Abs. 2, 3 DBA vor. Im entschiedenen Streitfall hat der Senat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu anderen Doppelbesteuerungsabkommen zur Auslegung des Art. 16 Abs. 2, 3 DBA herangezogen.

Ende der Entscheidung

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