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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: 5 K 161/02
Rechtsgebiete: UStG
Vorschriften:
UStG § 1b | |
UStG § 3d Satz 1 |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein innergemeinschaftlicher Erwerb eines neuen Fahrzeugs iSd § 1 b UStG stattgefunden hat.
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 27.10.1996 von der Fa. B in Finnland eine neue Segelyacht zum Kaufpreis von rd. 10 Mio. DM. Die Übergabe des fertig gestellten Schiffes erfolgte am 11.6.1999 durch einen vom Kläger beauftragten Skipper. Die Yacht wurde im Hafen von X /Finnland übergeben und zollrechtlich abgefertigt. Umsatzsteuer wurde weder ausgewiesen noch gezahlt.
In den Unterlagen über die Zollabfertigung vom 11.6.1999 ist als Bestimmungsland Deutschland ("Germany") ausgewiesen. Aus der Ausklarierung vom selben Tag ergibt sich, dass das Schiff in der Folge (auf eigenem Kiel) seinen Weg über Stockholm, Kiel, Southhampton, Gibraltar, Cannes, Sardinien, Spanien (Gran Canaria) in die Karibik nahm. Das Logbuch weist aus, dass sich die Segelyacht von Dezember 1999 bis März des Jahres 2000 in karibischen Häfen von Martinique, St. Lucia, Antigua und St. Maarten befunden hat.
Das Schiff wurde am 17.6.1999 ins deutsche Schiffsregister Y mit dortigem Heimathafen eingetragen. Aufgrund der Eintragung in das Schiffsregister ist das Schiff berechtigt, die deutsche Flagge zu führen (§ 1 FlaggenrechtsG).
Der Kläger nutzte das Schiff ausschließlich für nichtunternehmerische Zwecke. Eine Vercharterung fand nicht statt.
Das Schiff verließ im März 2000 die Karibik und fuhr über die Azoren und Gibraltar nach Cannes. Im Dezember des Jahres 2000 gelangte es wieder in deutsche Hoheitsgewässer. Am 30.1.2001 wurde die Yacht in T zum freien Verkehr abgefertigt. Der Kläger zahlte zu diesem Zeitpunkt Einfuhrumsatzsteuer iHv 870.600 DM für einen Zollwert der Segelyacht von 5,44 Mio. DM. Die Wertminderung gegenüber dem Kaufpreis beruhte auf zwischenzeitlich eingetretenen Beschädigungen.
Aufgrund einer Kontrollmitteilung der finnischen Steuerverwaltung an die OFD Hannover setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) Umsatzsteuer für einen innergemeinschaftlichen Erwerb eines Fahrzeugs iHv. 1.629.828 DM fest. Die vom Kläger entrichtete Einfuhrumsatzsteuer von 870.600 DM wurde nicht gegengerechnet.
Hiergegen hat der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben. Er vertritt die Auffassung, dass das FA zu Unrecht einen innergemeinschaftlichen Erwerb iSd § 1 b UStG besteuert habe. Der Gesetzgeber habe zwar 1993 durch das USt-Binnenmarktgesetz das sog. Bestimmungslandprinzip beibehalten, das eine Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im jeweiligen Bestimmungsland regele; im Streitfall könne aber Deutschland nicht als "Bestimmungsland" angenommen werden. Unerheblich sei, dass Deutschland in verschiedenen Dokumenten als Bestimmungsland genannt sei. Ebenso wenig sei auch die Angabe der Wohnsitzadresse des Klägers im Inland von Bedeutung. Der Wohnort des Klägers - Duderstadt - könne schon deshalb nicht maßgebend sein, weil es hier an den technischen Voraussetzungen für eine Schiffsanlandung fehle.
Abzustellen sei allein darauf, wo sich das Schiff am Ende der Beförderung bestimmungsgemäß befunden habe. Dies sei jedenfalls nicht in Deutschland gewesen. Im Jahre 1999 sei das Schiff - nach der Ausklarierung - nur 2 Tage in Deutschland (Kiel) gewesen. Dort habe es lediglich zwei Tage am Tiessenkai angelegt, um dort einen Lotsen an Bord zu nehmen. Der Tiessenkai gehöre zum Freihafen Kiel, mithin habe keine Inlandsberührung vorgelegen. Erst im Dezember 2000 habe sich die Yacht auf deutschem Hoheitsgebiet befunden. Angesichts dessen könne nicht davon ausgegangen werden, dass Deutschland Bestimmungsland gewesen sei. Die Zollunterlagen der finnischen Behörden könnten zu Beweiszwecken nicht herangezogen werden, da sie nicht auf Angaben des Klägers bzw. seines Beauftragten beruhten, vielmehr von den finnischen Behörden in eigener Zuständigkeit ausgefüllt worden seien.
Soweit das FA für die Feststellung des Bestimmungslandes darauf abstelle, dass das Schiff unter deutscher Flagge fahre und im Hamburger Schiffsregister eingetragen sei, könne dem nicht gefolgt werden, denn hierfür gebe es keine Rechtsgrundlage. Freizeitgegenstände - wie die Segelyacht des Klägers - hätten ihren Bestimmungsort vielmehr dort, wo sie regelmäßig in Gebrauch seien. Dies sei jedenfalls nicht in Deutschland der Fall.
Das FA tritt der Auffassung des Klägers entgegen. Maßgeblich dafür, dass das Bestimmungsland die Bundesrepublik Deutschland sei, sei die Eintragung in ein deutsches Schiffsregister. Demgemäß sei nicht auf die körperliche Anwesenheit des Schiffes abzustellen, denn die Nutzung der Segelyacht als Freizeitgegenstand bringe es mit sich, dass sich die Yacht bei Gebrauch nicht am Bestimmungsort befinde, sondern über das Meer segele. Es würde zu einem willkürlichen Ergebnis führen, wenn der Kläger einen bestimmten Hafen oder Abschnitt seiner Reiseroute als umsatzsteuerlichen Bestimmungsort auswählen könnte. Entscheidend könne mithin nur sein, in welches Schiffsregister das Schiff eingetragen sei und unter welcher Flagge es fahre.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 26.1.2006 über die Frage des Bestimmungslandes der Segelyacht bei Abholung am 11.6.1999 in Finnland Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Z. Auf den Beweisbeschluss vom 26.1.2006 und das Protokoll über die Beweisaufnahme wird Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
Durch die Festsetzung der Umsatzsteuer iHv 1.629.828 DM im Bescheid vom 20.4.2001 über die Fahrzeugeinzelbesteuerung ist der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
I. Innergemeinschaftlicher Erwerb eines neuen Fahrzeug, § 1 b UStG
Im Streitfall handelt es sich um einen innergemeinschaftlichen Erwerb eines neuen Fahrzeugs iSd § 1 b Abs. 1 iVm Abs. 2 Nr. 2 UStG, denn der Kläger hat im Juni 1999 in Finnland eine Segelyacht mit einer Länge von ca. 30 m entgeltlich erworben. Unstreitig handelt es sich um ein neues Schiff von einer Länge über 7,5 m, so dass die Voraussetzungen des § 1 b Abs. 2 Nr. 2 UStG erfüllt sind.
Auch die (weiteren) Voraussetzungen für einen innergemeinschaftlichen Erwerb iSd § 1 a Abs. 1 Nr. 1 UStG liegen vor. Danach ist erforderlich, dass ein Gegenstand bei einer Lieferung an einen Abnehmer (Erwerber) aus einem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates gelangt.
1. Abholung als Lieferung
Im Streitfall hat der Kläger die Segelyacht durch einen von ihm beauftragten Skipper aus dem Mitgliedstaat Finnland nach Deutschland befördert. Auch eine derartige "Abholung" ist eine Lieferung iSd § 1 a Abs. 1 Nr. 1 UStG.
Nach § 3 Abs. 1 iVm Abs. 6 UStG sind Lieferungen nämlich Leistungen eines Unternehmers, durch die dieser oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, an dem Gegenstand die Verfügungsmacht zu verschaffen. Die Regelung gilt nach zutreffender Auffassung auch für Fälle, in denen ein vom Abnehmer beauftragter Dritter den Gegenstand beim Lieferer abholt (vgl. dazu Stöcker, in Peter/ Burhoff/ Stöcker, UStG, § 3 Rz. 598 m.w.N.; Hinweis auch auf Abschn. 30 Abs. 1 Satz 2 UStR).
2. Bestimmungsland iSd § 3 d Abs. 1 UStG
Bestimmungsland des innergemeinschaftlichen Erwerbs war gem. § 3 d Satz 1 UStG Deutschland.
Nach § 3 d Satz 1 UStG wird der innergemeinschaftliche Erwerb in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Zwar ergibt sich im Streitfall aus der Ausklarierung der finnischen Zollbehörden vom 11.6.1999, dass das Schiff über Stockholm, Kiel etc. schließlich in die Karibik segeln sollte und nach dem Logbuch auch tatsächlich gesegelt ist, denn die "..." hat sich von Dezember 1999 bis März des Jahres 2000 in den karibischen Häfen von Martinique, St. Lucia, Antigua und St. Maarten befunden. Der Senat geht gleichwohl nicht davon aus, dass die Karibik das "Bestimmungsland" des Schiffes sein sollte. Der Zeuge Z hat zwar bekundet, er sei aufgrund der Ausrüstung des Schiffes davon ausgegangen, dass erstes Bestimmungsland des Schiffes "die Karibik" sein sollte. Unabhängig davon, dass "die Karibik" schon aus tatsächlichen Gründen überhaupt nicht als Bestimmungs"land" betrachtet werden kann, ist auch der in der Ausklarierung vom 11.6.1999 genannte Endpunkt der Fahrt nicht der Ort des Endes der Beförderung iSd § 3 d Satz 1 UStG. Unerheblich ist dabei, dass sich das Schiff nicht an einem festen Bestimmungsort befand bzw. befindet, denn es liegt gerade in der Eigenart derartiger "Freizeitgegenstände" wie Segelyachten, dass sie sich nicht regelmäßig an einem festen Platz befinden. Bei diesen Gegenständen ist vielmehr aus den Gesamtumständen bzw. aus Indizien auf das jeweilige Bestimmungsland zu schließen.
Im Streitfall ist der Senat davon überzeugt, dass das Bestimmungsland der Segelyacht des Klägers - auch nach seinem Willen - Deutschland sein sollte.
Dafür spricht zum einen, dass bereits auf dem Zollabfertigungsformular vom 11.6.1999 Deutschland ("Germany") als Bestimmungsland aufgeführt war. Zwar hat der Zeuge Z sinngemäß bekundet, diese Angaben würden in eigener Verantwortung von einer Sekretärin in der Werft ausgefüllt. Der Senat hält es indes für ausgeschlossen, dass derartige Angaben von der Werft eingetragen werden, ohne dass der Schiffseigner zuvor näher hierzu befragt worden ist. Dies schon deshalb, weil sich die Beteiligten eines solchen Anschaffungsvorgangs in aller Regel über die zoll- und umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen einer derartigen Angabe im Klaren sein werden.
Ein weiteres - für den Senat entscheidendes - Indiz liegt aber darin, dass der Kläger die Segelyacht in ein Schiffsregister in Deutschland mit der Angabe "Heimathafen: Y" eintragen ließ. Diese Eintragung ist für die Annahme des Bestimmungslandes maßgebend. Zutreffend verweist der Beklagte in diesem Zusammenhang auf den Vergleich mit der Anmeldung eines Kfz bei der Kfz-Zulassungsstelle.
Hinzu kommt, dass die Yacht rund 18 Monate nach ihrem Start in Finnland deutsche Hoheitsgewässer erreicht hat und zumindest bis Ende Januar 2001 auch in Deutschland vor Anker gegangen ist.
Im Übrigen erscheint es auch im Hinblick auf den im Streitjahr gegenüber anderen EU-Mitgliedstaaten vergleichsweise niedrigen USt-Satz in Deutschland wahrscheinlich, dass der Kläger Deutschland als Bestimmungsland wählen wollte: Der (Normal-) Steuersatz betrug seinerzeit z.B. in Schweden 25 v.H., in Frankreich 20,6 v.H. und im Vereinigten Königreich 17,5 v.H..
II. Keine Anrechnung der Einfuhrumsatzsteuer
Ein Abzug der im Januar 2001 gezahlten Einfuhrumsatzsteuer iHv 870.600 DM von der nach § 1 b UStG festgesetzten Umsatzsteuer kommt nicht in Betracht. Hierfür fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. Ein derartiger Vorsteuerabzug käme nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG nur dann in Betracht, wenn die Segelyacht vom Kläger unternehmerisch genutzt würde. Dies ist jedoch unstreitig nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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