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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 22.01.2009
Aktenzeichen: 5 K 4/05
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1
UStG § 3a Abs. 1
UStG § 3a Abs. 3
UStG § 3a Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob von der Europäischen Union (EU) im Streitjahr 2001 gezahlte Zuschüsse der Umsatzsteuer unterliegen. Die Klägerin ist eine GmbH in Liquidation (i. L.) mit Sitz in X. Sie hatte in den Jahren 1998 und folgende die Planung, Forschung und Entwicklung sowie die Realisierung der Infrastruktur zur Steuerung des Gesamtverkehrs in der Region X, die Erfassung und Aufbereitung der erforderlichen Daten und den Betrieb von Informations-, Steuerungs- und Servicesystemen im Sinne eines Gesamtverkehrsmanagements einschließlich der Bereitstellung von Grundlagen zum Betrieb derartiger Systeme durch Dritte zum Unternehmensgegenstand. Im Streitjahr erhielt die Klägerin Zuschüsse von der EU in einer Gesamthöhe von xxx.xxx EUR. Nach Auffassung des Beklagten (das Finanzamt - FA -) handelt es sich bei dieser Zahlung seitens der EU um ein steuerbares und steuerpflichtiges Entgelt. Unter dem 26.06.2003 erteilte das FA daraufhin für das Streitjahr 2001 einen Änderungsbescheid, der eine Nachzahlung i.H.v. xx.xxx EUR vorsah. Das FA vertrat die Auffassung, bei den Zahlungen handele es sich nicht um echte (nichtsteuerbare) Zuschüsse, sondern um Entgelte im Rahmen eines Leistungsaustausches, weil die EU sich kostenfreie Nutzungsrechte an den sich aus dem Projekt ergebenden Kenntnissen und Rechten vorbehalten habe. Für die beschriebenen Leistungen der Klägerin zugunsten der EU komme allenfalls eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 7 Buchst. d Umsatzsteuergesetz (UStG) in Betracht. Die dafür erforderlichen Bescheinigungen habe die Klägerin jedoch nicht vorgelegt. Dementsprechend hat das FA einen gegen den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid eingelegten Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Klage. Mit der Klage vertritt die Klägerin ihre Rechtsauffassung weiter, dass es sich bei den von der EU bezogenen Zuschüssen um nichtsteuerbare Leistungen handele. Die Zuschüsse hätten nicht dazu gedient, unternehmerische Leistungen abzugelten, sondern eine bestimmte Gesellschaft (die Klägerin) durch besondere Projektförderung in die Lage zu versetzen, bestimmte allgemein gesellschaftlich gewollte Situationen herzustellen. Die nach § 4 Nr. 7 Buchst. d UStG erforderliche Bescheinigung könne nicht beigebracht werden, weil die EU die Auffassung vertreten habe, dass es sich bei den Zuwendungen an die Klägerin nicht um Entgelte für eine empfangene Dienstleistung (sonstige Leistung i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG) handele. Damit werde auch nach Auffassung der EU keine Umsatzsteuerschuld ausgelöst. Auf die Ausführungen der EU in den Schreiben vom 18. Mai 2006 und 26. Juni 2006 (Bl. 16 und Bl. 27 der Gerichtsakte) wird insoweit Bezug genommen.

Ein Leistungsaustauschverhältnis im Sinne des nationalen Umsatzsteuerrechts liege nicht vor. Von einem solchen Leistungsaustausch i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sei nur dann auszugehen, wenn eine Leistung - etwa die Gewährung eines Zuschusses - um einer Gegenleistung willen erbracht werde. Richtig sei im vorliegenden Fall zwar, dass der EU ein Zugriffsrecht auf die im Rahmen der Projektdurchführung entstandenen Informationen und Rechte eingeräumt worden sei. Hierdurch werde aber keine Gegenleistung begründet. Schließlich sei dies nicht der Hauptzweck der Gewährung der Zuschüsse, sondern diene vielmehr - wie in öffentlich geförderten Projekten üblich - der Kontrolle der Einhaltung der Förderungsbedingungen. Die EU als Zuschussgeberin habe nämlich ein Interesse daran nachzuvollziehen, zu welchen Ergebnissen die von ihr geförderten Projekte führten. Nur so könne sichergestellt werden, dass nicht Projekte mit identischem Inhalt ebenfalls gefördert würden, obwohl insofern bereits Mittel aufgewendet worden seien. Auch dem Verständnis der EU-Kommission nach liege kein Leistungsaustausch vor. So habe die EU-Kommission in ihren Schreiben vom 18.05. und 26.06.2006 die für eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 7 Buchst. d UStG erforderliche Bescheinigung gerade nicht erteilt; dies sei vor dem Hintergrund geschehen, dass auch die EU-Kommission davon ausgehe, dass ein Leistungsaustauschverhältnis im Sinne des deutschen Umsatzsteuerrechts nicht vorliege.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 01.12.2004 und Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2001 vom 26.06.2003 die Umsatzsteuer um xx.xxx EUR niedriger festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA verweist zunächst auf seinen Einspruchsbescheid vom 01.12.2004. Ergänzend führt das Finanzamt aus, dass es nicht auf die umsatzsteuerrechtliche Wertung durch die EU-Kommission ankomme. Insofern sei die von der EU-Kommission in den Schreiben vom 18.05. und 26.06.2006 geäußerten Rechtsauffassungen unerheblich. Entscheidend sei vielmehr, welche Auffassung von der deutschen Finanzgerichtsbarkeit bzw. Finanzverwaltung vertreten werde. Entscheidend sei dafür das sich aus den einzelnen Vereinbarungen ergebende Gesamtbild der Verhältnisse. Die Steuerbarkeit ergebe sich insbesondere aus den Regelungen im Annex II des Vertrages. Nach dem dortigen Artikel 13 hätten sich die Vertragspartner (EU-Kommission und Klägerin) verpflichtet, ihre im Rahmen des Projekts entwickelten (Er-)Kenntnisse jeweils untereinander kostenfrei zugänglich zu machen. Die entsprechenden Rechte seien sonstigen Vertragsnehmern, die an EU-Projekten arbeiteten, die sich technisch mit dem Projekt der Klägerin gegenseitig ergänzten, zu günstigen Bedingungen einzuräumen. Nach Artikel 13.4 Abs. 1 des Annex II erhalte das gemeinsame Forschungszentrum der EU kostenfrei das Recht, die im Rahmen des von der Klägerin durchgeführten Projekts entwickelten/erhaltenen Erkenntnisse und sonstigen Rechte für eigene Forschungs- und Technologie-Entwicklungsvorhaben gemäß den EU-Rahmenprogrammen zu nutzen.

Den von der EU gezahlten Geldern stünden danach sonstige Leistungen in Form der Einräumung von Nutzungsrechten der gewonnenen Erkenntnisse gegenüber. Es handele sich somit nicht um echte Zuschüsse seitens der EU-Kommission, sondern um Leistungen im Rahmen eines Leistungsaustausches.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen im Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Bezug genommen wird vor allem auch auf die vorgelegten Vereinbarungen zwischen der EU-Kommission und der Klägerin (Bl. 56 - 70 und sog. Annex II - "General Conditions", Bl. 73 - 83 der Gerichtsakte). Die Klägerin hat außerdem mit Schriftsatz vom 16.01.2009 eine Übersetzung der Artikel 3, 4, 5, 6 und 13 der zwischen der EU-Kommission und der Klägerin vorgenommenen Vereinbarungen vorgelegt. Auf die entsprechende Übersetzung des Herrn H vom 14.01.2009 wird ebenfalls Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2001 ist rechtswidrig und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt der Umsatzsteuer. Im Streitfall hat die Klägerin keine derartige Leistung gegen Entgelt ausgeführt. Ein Leistungsaustausch i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt demgemäß nicht vor.

Die Annahme einer Leistung gegen Entgelt setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Der Leistungsempfänger muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt (vgl. EuGH-Urteil vom 16.10.1997 - C-258/95, UVR 1997, 430; BFH-Urteil vom 22.07.1999 - V R 74/98, BFH/NV 2000, 240).

Nach zutreffender Rechtsprechung des BFH können Zahlungen der öffentlichen Hand - also auch seitens der Europäischen Union - Entgelt für eine steuerbare Leistung sein, wenn der Zahlungsempfänger im Auftrag des Geldgebers eine Aufgabe aus dessen Kompetenzbereich übernimmt und die Zahlung damit zusammenhängt. Andererseits liegt ein Entgelt aber dann nicht vor, wenn ein sog. Zuschuss lediglich der Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse dienen soll und nicht Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zahlungsempfängers an den Geldgeber sein soll (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26.10.2000 - V R 10/00, BFH/NV 2001, 400; BFH-Urteil vom 13.11.1997 - V R 11/97, BStBl II 1998, 169; BFH-Urteil vom 28.07.1994 - V R 19/92, BStBl II 1995, 86). Ein Leistungsaustausch setzt also voraus, dass der Leistende seine Leistung erkennbar um einer Gegenleistung Willen erbringt. Die Leistung muss gerade auf die Erlangung der Gegenleistung gerichtet sein (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13.11.1997 - V R 11/97, BStBl II 1998, 169). Zahlungen, durch die lediglich eine aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemein politischen Gründen erwünschte Tätigkeit des Zahlungsempfängers gefördert werden soll, sind deshalb kein Entgelt für eine steuerbare Leistung.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall zur Überzeugung des erkennenden Senats erfüllt. Die streitigen Zahlungen der EU i.H.v. xxx.xxx EUR im Streitjahr sind nicht als Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung der Klägerin anzusehen. Wie sich aus den zugrunde liegenden Vereinbarungen ergibt, diente die finanzielle Unterstützung seitens der EU diverser von der Klägerin durchgeführter Projekte zur Entwicklung und Implementierung von Verkehrsleitungs- und Verkehrslenkungssystemen insbesondere im Bereich des privaten und auch öffentlichen Kraftfahrzeugverkehrs. Es handelte sich insgesamt um Forschungsprojekte, die nach Auffassung des Senats übergeordnete gesellschaftliche Zielvorstellungen im Bereich der Verkehrslenkung unterstützen sollten. Zuschüsse sollten jedenfalls aber nicht dazu dienen, unternehmerische Leistungen, zu entgelten; vielmehr sollte die Klägerin durch eine Projektförderung in die Lage versetzt werden, bestimmte, allgemein gesellschaftlich gewollte Situationen im Bereich der Verkehrslenkung durch Erarbeitung eines besonderen Verkehrsleitsystems herzustellen.

Richtig ist zwar, dass mit der Zahlung dieses Entgelts auch die Einräumung von bestimmten Zugriffs- und Nutzungsrechten verbunden war. Die EU hatte sich in den Vereinbarungen (insbesondere Artikel 13 des Annex II) entsprechende Rechte vorbehalten. Nach Artikel 13.4 Abs. 1 des Annex II erhielt das gemeinsame Forschungszentrum der EU kostenfrei das Recht, die im Rahmen des Projekts entwickelten Kenntnisse und sonstigen Rechte für eigene Forschungs- und Technologie- und Entwicklungsvorhaben gemäß dem EU-Rahmenprogramm zu nutzen.

Daraus folgt aber nicht, dass der Zahlung eine Gegenleistung gegenüberstand. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass die EU sich lediglich eine Überprüfung vorbehalten wollte, wie ihre Mittel verwendet werden. Darüber hinaus sollten die von der Klägerin gewonnenen Erkenntnisse auch in anderen Bereichen der EU verwendet werden. Keinesfalls aber war es Hauptziel der Zahlung des Zuschusses, die Gewährung des Zuschusses von einer entsprechenden Gegenleistung abhängig zu machen. Vielmehr ist es in öffentlich geförderten Projekten üblich, durch entsprechende Kontrolle die Einhaltung der Förderungsbedingungen zu überprüfen.

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass nach der Rechtsprechung des BFH die Zahlung eines Dritten an den Leistungsempfänger dann als echter Zuschuss und nicht als Entgelt zu betrachten ist, wenn die Zahlung letztlich der Förderung des Leistenden und nicht überwiegend im Interesse des Leistungsempfängers bewirkt wird (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 08.03.1990 - V R 67/89, BStBl II 1990, 708). Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt, denn die Zahlung seitens der EU erfolgte auch vor dem Hintergrund, dass die Förderung des Projektes in der Region X für weitere Projekte in Europa verwendet werden sollte.

Vor diesem Hintergrund kann auch die Frage dahinstehen, ob sich der Leistungsort am Sitz der Klägerin befand, wie dies der Grundsatz in § 3 a Abs. 1 Satz 1 UStG vorsieht. Fraglich ist dies allerdings deshalb, weil § 3 a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 UStG bei der Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung der dort genannten Rechte vorsieht, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt (§ 3 a Abs. 3 Satz 1 UStG). Würde man demgemäß dem Vorbringen des FA folgen und die Gegenleistung in der Übertragung eines Rechtes (Nutzungs- und Zugriffsrecht) sehen, so läge möglicherweise der Leistungsort nicht im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG im Inland, sondern am Sitz der Europäischen Union. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, weil der erkennende Senat bereits - wie oben ausgeführt - davon ausgeht, dass im Streitfall kein Leistungsaustausch i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegt.

Nach alldem war der Einspruchsbescheid aufzuheben und der Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 26.06.2003 zu ändern. (...)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

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