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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 19.02.2009
Aktenzeichen: 5 K 90/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 1
EStG § 2 Abs. 2
EStG § 11 Abs. 1
EStG § 19
EStG § 38a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Kläger sind zusammen veranlagte Ehegatten. Streitig ist, ob eine Abfindung im Streitjahr (2003) oder erst im Jahr 2004 steuerlich zu berücksichtigen ist.

Der Kläger war bis zum Jahr 2003 Angestellter der A-GmbH. Sein Arbeitsverhältnis wurde vom Arbeitgeber mit Schreiben vom 27.11.2002 mit Wirkung zum 31.12.2003 auf der Grundlage einer am 14.11.2002 zwischen der Geschäftsführung der A-GmbH und dem Betriebsrat des Werkes ... abgeschlossenen Betriebsvereinbarung gekündigt. Diese Betriebsvereinbarung sah die Zahlung einer Abfindung im Fall der Kündigung vor und enthielt hierzu - neben Bestimmungen zur Höhe der Abfindung - in § 8 Ziffer 1 Satz 3 und 4 der Betriebsvereinbarung u.a. folgende Regelung: "Die Abfindungssumme wird zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Bruttoabfindung nach Maßgabe der lohnsteuerrechtlichen Vorschriften steuerfrei gezahlt. Entstehende gesetzliche Abzüge trägt der Mitarbeiter."

In Trennungsgesprächen vereinbarte der Arbeitgeber mit dem Kläger, dass die Abfindung, deren Höhe entsprechend der Betriebsvereinbarung ermittelt wurde, nicht im Dezember 2003, sondern im Januar 2004 ausgezahlt werde.

Die Auszahlung der Abfindung erfolgte mit der Entgeltabrechnung für Januar 2004 zum Ende dieses Monats.

Dem Veranlagungsbezirk des Beklagten wurde die Auszahlung der Abfindung durch eine Prüfungsmitteilung der Lohnsteuer-Außenprüfung vom 28.01.2004 bekannt.

In der Einkommensteuererklärung für 2003 erklärte der Kläger einen Bruttoarbeitslohn von ... EUR. Die Abfindungszahlung wurde dabei nicht berücksichtigt. Die Abfindung wurde nicht auf der Lohnsteuerkarte für 2003 erfasst, sondern auf der Lohnsteuerkarte für das Jahr 2004. Hierzu gab der Kläger mit Schreiben vom 29.06.2004 folgende Erklärung ab:

"... Ich wurde am 27.11.2002 bei der Firma ... zum 31.12.2003 gekündigt. Dieser Kündigung habe ich nicht widersprochen, da mir eine Abfindung lt. Betriebsvereinbarung Nr. 07/02 zugesagt wurde.

Die Abfindung wurde mir am 29.01.2004 auf mein Konto überwiesen, so dass eine wirtschaftliche Nutzung erst in 2004 erfolgen konnte.

Aus der oben angeführten Betriebsvereinbarung geht nicht hervor, dass die Abfindung bis zum 31.12.2003 zu zahlen ist. Die Auszahlung im Januar 2004 wurde mir von der Firma empfohlen, da dann die Fünftelregelung erfolgen kann. Damit war ich einverstanden. ..."

Mit Einkommensteuerbescheid vom 09.09.2004 für das Streitjahr 2003 berücksichtigte der Beklagte außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) i.H.v. ... EUR. Als Erläuterung führt der Einkommensteuerbescheid aus: "Nach § 8 der Betriebsvereinbarung musste die Abfindung zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (hier: 31.12.2003) als Bruttoabfindung nach Maßgabe der lohnsteuerrechtlichen Vorschriften steuerfrei gezahlt werden. Der Zufluss von Arbeitslohn ist erfolgt, sobald der Arbeitnehmer über den Arbeitslohn (Abfindung) wirtschaftlich verfügen kann (R 104 a Abs. 1 LStR 2003; H 104 a (Zufluss von Arbeitslohn) LStH 2003). Die Abfindung ist im Dezember 2003 steuerlich zugeflossen. Eine Versteuerung hat für das Kalenderjahr 2003 zu erfolgen."

Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein, mit dem sie den Ansatz der Abfindung im Jahr 2004 beantragten. Außerdem machten sie geltend, der Freibetrag für die Abfindung betrage 12.271 EUR; berücksichtigt worden seien lediglich 9.500 EUR.

Mit Schreiben vom 09.12.2004 teilte die A-GmbH dem Beklagten hinsichtlich der Arbeitnehmer ... Folgendes mit: "Ohne gesonderte Vereinbarung wäre der Abfindungsbetrag zum 31.12.03 gezahlt worden. Übrige Abfindungsbeträge wurden zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt oder - falls rechtzeitig eine abweichende Vereinbarung getroffen war - entsprechend der abweichenden Vereinbarung gezahlt."

Mit Einspruchsentscheidung vom 9. März 2006 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Ausnahmsweise könne das Stehenlassen eines entstandenen und zum alsbaldigen Ausgleich anstehenden Geldanspruchs als Zufluss gewertet werden. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn die zeitliche Verzögerung des Forderungsausgleichs ausschließlich im Interesse des Gläubigers liege. Die Zahlung sei lediglich auf Wunsch des Arbeitnehmers in das Jahr 2004 verschoben worden. Steuerlich sei die Abfindungszahlung im Jahr 2003 zu erfassen. Dabei sei der Steuerfreibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung zutreffend mit 12.271 EUR berücksichtigt worden und die auf die Abfindungszahlung entfallende Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG zutreffend angewandt worden.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Klage führen die Kläger an, der Abfindungsbetrag sei erst im Januar 2004 zugeflossen. Maßgeblich sei nicht das Bestehen eines Anspruchs und dessen Fälligkeit, sondern der tatsächliche Zufluss. Sie verweisen auf Urteile des FG Düsseldorf vom 10.05.2000 (7 K 6048/97 E, EFG 2000, 793) und des FG Baden-Württemberg vom 29.04.2004 (14 K 135/99, EFG 2004, 1596; im Ergebnis bestätigt durch BFH-Beschluss vom 28.09.2005 XI B 82/04, BFH/NV 2006, 520).

Das vom Beklagten zitierte Urteil des 6. Senats des FG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.02.2004, 6 K 403/99, EFG 2004, 980) sei nicht überzeugend, da das FG zu Unrecht von einer Vergleichbarkeit mit beherrschenden Gesellschaftern ausgehe. § 77 Abs. 4 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) habe als Schutzvorschrift zugunsten der Arbeitnehmer keine steuerrechtliche Bedeutung.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass der Abfindungsbetrag nicht im Veranlagungszeitraum 2003 berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf ein Urteil des FG Baden-Württemberg vom 19.02.2004 (6 K 403/99, EFG 2004, 980), dessen rechtliche Wertung auf den Streitfall übertragbar sei. Arbeitnehmer könnten gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG nur mit Zustimmung des Betriebsrates auf die ihnen durch Betriebsvereinbarung eingeräumten Rechte verzichten. Der Kläger hätte es deshalb in der Hand gehabt, sich die Abfindung mit der letzten Gehaltszahlung im Dezember 2003 auszahlen zu lassen. Ohne gesonderte Vereinbarung habe der Arbeitgeber die jeweiligen Abfindungsbeträge zu dem durch die Betriebsvereinbarung vorgegebenen Zeitpunkt geleistet. Soweit Arbeitnehmer als Auszahlungstermin den Januar 2004 bestimmt hätten, hätten sie damit ihre wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Abfindung ausgeübt

Das Gericht hat Beweis erhoben über den Inhalt der Trennungsgespräche durch Vernehmung des Zeugen ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die streitbefangene Abfindung ist dem Kläger nicht im Streitjahr (2003), sondern erst im Jahr 2004 zugeflossen.

1. Die Abfindungszahlung unterliegt als Teil der Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, §§ 19, 11 Abs. 1 und § 38a Abs. 1 EStG in dem Kalenderjahr der Einkommensteuer, in dem die Einnahmen zugeflossen sind.

a) Für Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gelten nach § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. (inzwischen Satz 4) die Sätze 2 und 3 des § 38a Abs. 1 EStG. Während laufender Arbeitslohn in dem Kalenderjahr als bezogen gilt, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet, wird Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt. Abfindungen sind sonstige Bezüge in diesem Sinne. Sie werden in dem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Arbeitnehmer zufließen.

b) Einnahmen sind zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann. Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Das bloße Innehaben eines Anspruchs führt nicht bereits zu einem Zufluss. Selbst im Fall der Gutschrift auf einem internen Konto des Schuldners kann ein Zufluss erst dann angenommen werden, wenn über den buchmäßigen Ausweis hinaus nach dem Gesamtbild der Verhältnisse hierdurch zum Ausdruck kommt, dass der Betrag den Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteile vom 14.02.1984 VIII R 221/80, BStBl II 1984, 480; vom 18.12.2001 IX R 74/98, BFH/NV 2002, 643; BFH-Beschluss vom 28.09.2005 XI B 82/04, BFH/NV 2006, 520; BFH-Urteil vom 28.10.2008 VIII R 36/04, BFH/NV 2008, 2117 m.w.N.).

Besonderheiten gelten für den Alleingesellschafter oder den beherrschenden Gesellschafter einer GmbH. Diesem fließen Beträge, die ihm die GmbH schuldet, grundsätzlich bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit zu, da er es - bei Zahlungsfähigkeit der GmbH - in der Hand hat, sich fällige Beträge jederzeit auszahlen zu lassen (BFH-Urteil vom 14.02.1984, a.a.O.).

Wenn der Gläubiger nicht beherrschender GmbH-Gesellschafter ist und auch nicht vom Schuldner - insbesondere durch Gutschrift - so gestellt wird, dass er den geschuldeten Betrag ohne Weiteres für sich verwenden kann, ist ein Zufluss eines Forderungsbetrags ohne Zahlung denkbar, wenn eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt, dass der Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll. In einer Schuldumschaffung (Novation) kann eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die einkommensteuerrechtlich so anzusehen ist, als ob der Schuldner die Altschuld begleicht und zugleich eine Neuverpflichtung für die Rückzahlung desselben Betrags durch den Gläubiger eingeht (BFH-Urteile vom 14.02.1984 und 28.10.2008, a.a.O.). Im Fall einer Novation kann dann von einem Zufluss des aufgrund der Altforderung geschuldeten Betrags ausgegangen werden, wenn sich die Novation als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Gläubigers über den Gegenstand der Altforderung darstellt, also auf einem freien Entschluss des Gläubigers beruht (BFH-Urteil vom 28.10.2008, a.a.O.). Demgegenüber bewirkt eine bloße Stundungsvereinbarung grundsätzlich keinen Zufluss (BFH-Urteil vom 14.02.1984, a.a.O.; BFH-Beschluss vom 28.09.2005 XI B 82/04, a.a.O.).

2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist dem Kläger die Abfindung erst im Jahr 2004 zugeflossen.

a) Im Jahr 2003 hatte der Kläger lediglich einen Anspruch auf Zahlung der Abfindung, der noch nicht erfüllt wurde. Es erfolgte weder eine Gutschrift auf einem gesonderten Konto, über das der Kläger hätte verfügen können, noch wurde der Abfindungsbetrag im Wege einer Novation aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet. Vielmehr kamen Kläger und Arbeitgeber überein, den Betrag der Abfindung erst im Jahr 2004 auszuzahlen, da dies für den Kläger steuerlich günstiger war.

Zwar führte die Verschiebung der Zahlung auch zu einem Liquiditätsvorteil für den Arbeitgeber. Wesentlicher Anlass für die Verschiebung des Zeitpunkts der Abfindungszahlung war jedoch nach Überzeugung des Senats die Überlegung, eine Zahlung im Jahr 2004 sei für die Arbeitnehmer steuerlich günstiger. Die Aussicht auf eine geringere Besteuerung der Arbeitnehmer erleichterte aus Sicht des Arbeitgebers den Gesamttrennungsprozess und war insofern auch für den Arbeitgeber günstig. Maßgebliches Motiv für die spätere Zahlung war dabei die Aussicht auf eine günstigere Besteuerung der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber befand sich zum Jahresende 2003 nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Den Arbeitnehmern, die dies wünschten, hat er die Abfindung bereits mit der Gehaltsabrechnung im Dezember 2003 gezahlt.

Allein die einvernehmliche Verschiebung einer Zahlung in ein Folgejahr aus steuerlichen Gründen führt noch nicht zu einem Zufluss i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG (gleicher Ansicht FG Düsseldorf vom 10.05.2000, 7 K 6048/97 E, EFG 2000, 793; FG Baden-Württemberg vom 29.04.2004, 14 K 135/99, EFG 2004, 1596, mit anderer Begründung im Ergebnis bestätigt durch BFH-Beschluss vom 28.09.2005 XI B 82/04, BFH/NV 2006, 520; FG Baden-Württemberg vom 20.11.2008, 3 K 101/05, [...], Rev. IX R 1/09 anhängig; Schmidt-Heinicke, 27. Aufl. 2008, § 11 EStG Rn. 12; Offerhaus, StuW 2006, 317, 321 f.; ders., Gastkommentar, DB Heft 27/2008 S. I).

b) Dabei ist es nicht entscheidungserheblich, dass der ursprüngliche Abfindungszeitpunkt durch Betriebsvereinbarung festgelegt war (anderer Ansicht FG Baden-Württemberg vom 19.02.2004, 6 K 403/99, EFG 2004, 980; wie hier dagegen FG Baden-Württemberg vom 20.11.2008, 3 K 101/05, [...], Rev. IX R 1/09 anhängig).

Gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gelten Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig (§ 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG). Allerdings ist ein Verzicht eines Arbeitnehmers auf einen Anspruch aus einer Betriebsvereinbarung auch ohne Zustimmung des Betriebsrats wirksam, wenn die getroffene Individualvereinbarung nach einem objektiven Beurteilungsmaßstab zugunsten des Arbeitnehmers wirkt (Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 27.01.2004, 1 AZR 148/03, BAGE 109, 244).

Im Streitfall hat der Kläger nicht auf Ansprüche aus dem durch Betriebsvereinbarung begründeten Sozialplan verzichtet, sondern lediglich die Zahlung der Abfindung vom Monat Dezember in den Januar des Folgejahres verschoben, um hierdurch eine günstigere Besteuerung zu erreichen. Nach Ansicht des erkennenden Senats kommt in Betracht, dass eine derartige zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch Individualvertrag geschlossene Vereinbarung arbeitsrechtlich zulässig ist, da sie - unter Berücksichtigung ihrer steuerlichen Auswirkung - für den Arbeitnehmer objektiv günstiger ist als die in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Abfindungszahlung. Dies ist letztlich jedoch nicht entscheidungserheblich. Auch wenn arbeitsrechtlich eine derartige Vereinbarung nicht zulässig gewesen sein sollte, hätte sie steuerlich nicht zur Folge, dass der Zufluss des Arbeitslohns bereits im Jahr 2003 fingiert wird. Der Senat schließt sich insoweit nicht der oben zitierten Rechtsprechung des 6. Senats des FG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.02.2004, 6 K 403/99, EFG 2004, 980) an. Vielmehr hätte eine etwaige Unwirksamkeit der individualvertraglichen Fälligkeitsvereinbarung lediglich zur Folge, dass die Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses am 31.12.2003 einen sofort fälligen Anspruch auf Zahlung der Abfindung gehabt hätten. Ein Zufluss der Abfindung wurde hierdurch jedoch nicht bewirkt.

Im Übrigen hätte die Rechtsprechung des 6. Senats des FG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.02.2004, 6 K 403/99, EFG 2004, 980) wohl zur Folge, dass diejenigen Arbeitnehmer, denen es gelingt individuell eine höhere Abfindung auszuhandeln als sie im Sozialplan vereinbart ist, mit dem Individualvertrag über diese Abfindung zugleich mit steuerlich anzuerkennender Wirkung auch einen späteren Fälligkeitstermin vereinbaren könnten, da eine derartige Abweichung von der Betriebsvereinbarung insgesamt objektiv für den Arbeitnehmer günstiger und damit arbeitsrechtlich wohl zulässig wäre. Die Arbeitnehmer, die nicht über eine derartige Verhandlungsmacht verfügen und lediglich eine Verschiebung der sich aus der Betriebsvereinbarung ergebenden Zahlung vereinbaren, würden dagegen steuerlich schlechter behandelt. Eine derartige Differenzierung ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht aus § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. (inzwischen Satz 4) i.V.m. § 38a Abs. 1 EStG herzuleiten.

3. Die einvernehmliche "Verschiebung" der Abfindungszahlung in das Jahr 2004 führt nicht zu einem Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 Abgabenordnung (AO).

Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann das Steuergesetz nicht durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts umgangen werden. Die Steuerpflichtigen haben es jedoch in der Hand, in den Steuergesetzen eingeräumte rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zu ihren Gunsten zu nutzen, solange hiermit kein Rechtsmissbrauch verbunden ist.

Im Falle der Steuerung des Zuflusses oder des Abflusses durch Vereinbarungen - wie hier - kommt ein Gestaltungsmissbrauch nur in Ausnahmefällen in Betracht. Der Gesetzgeber hat durch die Normierung des Zu- und Abflussprinzips in Kauf genommen, dass es durch die Zusammenballung von Einnahmen bzw. Ausgaben in einem Veranlagungszeitraum zu steuerlichen Zufallsergebnissen kommen kann, die gegebenenfalls zu einer erheblichen steuerlichen Belastung oder Entlastung führen. Diese Abweichung gegenüber der Behandlung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben bei bilanzierenden Gewerbetreibenden ist durch die Systematik des Einkommensteuergesetzes begründet. Einerseits können grundsätzlich ungünstige Zusammenballungen von Einnahmen bzw. Ausgaben auch nicht im Billigkeitswege korrigiert werden. Andererseits erhält der Steuerpflichtige Gestaltungsmöglichkeiten durch das bewusste Herbeiführen eines Zuflusses bzw. eines Abflusses unabhängig von der wirtschaftlichen Verursachung. Derartige Gestaltungen sind grundsätzlich selbst dann nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sie das Ziel der Steuerminimierung verfolgen (FG Düsseldorf vom 23.04.1999, 18 K 4262/95 E, EFG 1999, 964; FG Baden-Württemberg v. 29.04.2004, 14 K 135/99, EFG 2004, 1596; mit anderer Begründung im Ergebnis bestätigt durch BFH-Beschluss vom 28.09.2005 XI B 82/04, BFH/NV 2006, 520; Meyer, EFG 2004, 1597; Offerhaus, StuW 2006, 317, 321; ders., Gastkommentar, DB Heft 27/2008 S. I).

Vielmehr ist eine Gestaltung des Zu- bzw. Abflusses von Einnahmen bzw. Ausgaben nur dann unangemessen i.S.d. § 42 Abs. 1 AO, wenn ein Zahlungszeitpunkt willkürlich ist und keinen Bezug zum wirtschaftlichen Hintergrund hat (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, § 42 AO Rn. 62), z.B. wenn Werbungskosten oder Sonderausgaben ohne wirtschaftlich vernünftigen Grund vorausgezahlt werden (vgl. etwa BFH-Urteile vom 23.09.1986 IX R 113/82, BStBl. II 1987, 219; vom 07.11.2001 XI R 24/01, BStBl. II 2002, 351 m.w.N.).

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Es handelt sich nicht um einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten, wenn von vornherein vereinbart ist, dass eine Abfindungszahlung nicht im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern einen Monat später gezahlt werden soll, selbst wenn eine derartige Absprache im Wesentlichen aus steuerlichen Gründen erfolgt. Nichts anders gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - zwar zunächst eine Fälligkeit der Abfindung im Dezember vereinbart ist, anschließend aber aus steuerlichen Gründen die Fälligkeit in den Januar des Folgejahres verschoben wird.

Die Zahlung einer Abfindung muss nicht zwingend zu dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen. Vielmehr kann sie schon vor oder erst nach diesem Zeitpunkt geleistet werden, wobei Vereinbarungen über die Fälligkeit ggf. auch einvernehmlich geändert werden können (Offerhaus, StuW 2006, 317, 321). Derartige Vereinbarungen führen jedenfalls dann nicht zur Anwendung des § 42 AO, wenn - wie im Streitfall - ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt der Zahlung besteht.

4. Dem Beklagten wird die Berechnung der Einkommensteuer 2003 gemäß § 100 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) übertragen.

5. Die Revision wurde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO), die nach der zum 01.09.2004 erfolgten Änderung der ZPO entsprechend anzuwenden sind (vgl. Stapperfend in Gräber, FGO, 6. Aufl. 2006, § 151 Rn. 3).

Ende der Entscheidung

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