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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 11.01.2007
Aktenzeichen: 6 K 425/06
Rechtsgebiete: StBerG


Vorschriften:

StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4
StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4 Hs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

6 K 425/06

Widerruf der Bestellung als Steuerberater

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater.

Der 1941 geborene Kläger wurde 1971 zum Steuerbevollmächtigten und 1979 zum Steuerberater bestellt. Die steuerberatende Tätigkeit übte er seit dieser Zeit teilweise im Zusammenschluss mit Berufskollegen, teilweise im Rahmen einer Einzelpraxis aus. In den letzten Jahren führte der Kläger eine Einzelpraxis in X.

In den 90er Jahren investierte der Kläger in Wohnungen in Ostdeutschland. Diese Investitionen finanzierte er über Kredite. Nachdem es um die Jahrtausendwende zu einer starken Veränderung des Mietmarktes in den Anlageregionen gekommen war, erwirtschaftete der Kläger aus diesen Immobilien Verluste. Dies führte zu einem Verbrauch seiner liquiden Mittel und letztlich zu einer Überschuldung. Dementsprechend eröffnete das Amtsgericht X -Insolvenzgericht- über das Vermögen des Klägers mit Beschluss vom 21. Februar 2006 das Insolvenzverfahren.

Auch kam der Kläger seinen Verpflichtungen zur Abgabe von Steuererklärungen nicht mehr bzw. nicht mehr fristgerecht nach. So wurden die Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer ab 1998 geschätzt. Eine Erklärung gab der Kläger nur für das Jahr 2001 ab. Die Umsatzsteuer wurde ab 2001 geschätzt. Auch Umsatzsteuervoranmeldungen gab der Kläger seit Juli 2004 nicht mehr ab, so dass die Besteuerungsgrundlagen hier ebenfalls geschätzt wurden. Die auf den Schätzungen beruhenden Steuern zahlte der Kläger, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, ab 2003 nicht mehr. Dementsprechend beliefen sich die vollstreckbaren Steuerrückstände im März 2005 auf rund 260.000 EUR, im November 2005 auf rund 315.000 EUR; hiervon entfallen ca. 21.000 EUR auf Umsatzsteuer 2001 bis Umsatzsteuer Juli 2005.

Im Rahmen des Insolvenzverfahrens gab der Insolvenzverwalter am 24. Februar 2006 dem Kläger den Geschäftsbetrieb (Steuerberaterpraxis) aus der Insolvenzmasse frei. Die in der Folgezeit fälligen Umsatzsteuerzahllasten aus den Umsatzsteuervoranmeldungen beglich der Kläger nicht immer fristgerecht, so dass auch insoweit Säumniszuschläge in geringem Umfang anfielen. Insbesondere die am 2. August 2006 fälligen Beträge für Februar bis Juni 2006 und die am 18. September 2006 fälligen Beträge für Juli und August 2006 in Höhe von insgesamt rund 2.200 EUR beglich der Kläger erst am 18. September 2006 durch Umbuchung bzw. am 29. September 2006 durch Zahlung.

Nachdem die Beklagte Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhalten hatte, hörte sie den Kläger nach mehreren erfolglosen Zustellungsversuchen mit Schreiben vom 27. April 2006 zum beabsichtigten Widerruf der Bestellung als Steuerberater gem. § 46 Abs. 2 Nr. 4 Steuerberatungsgesetz (StBerG) an und gab ihm nach mehrmaliger Fristverlängerungen Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15. August 2006.

Im Rahmen der Anhörung wies der Kläger darauf hin, dass das eröffnete Insolvenzverfahren nicht mangels Masse eingestellt worden sei, weil ausreichend eigenes Vermögen zur Teilbefriedigung der Gläubiger vorhanden sei. Weiterhin wies er darauf hin, dass er unverschuldet in Vermögensverfall geraten sei. Im Übrigen seien Auftraggeberinteressen durch seine Insolvenz nicht gefährdet. Im Rahmen eines weiteren Schriftwechsels äußerte der Kläger die Absicht, seine Praxis zu veräußern. Schließlich widerrief die Beklagte die Bestellung des Klägers als Steuerberater mit Bescheid vom 14. September 2006 wegen Vermögensverfalls.

Gegen den Widerruf wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage. Er wiederholt im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Anhörungsverfahren. Insbesondere hebt er hervor, dass eine Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht vorliege, da er seinen Beruf beanstandungsfrei seit über 30 Jahren ausübe. Insoweit dürfe kein Automatismus dahingehend erfolgen, dass bei einem Vermögensverfall ohne weiteres die Bestellung als Steuerberater widerrufen werde. Weiterhin wolle er zukünftig als angestellter Steuerberater tätig werden, was eine Mandantengefährdung ebenfalls ausschließe. Insoweit verweist der Kläger auf ein Urteil des Finanzgerichts Berlin vom 25. August 2005 (4 K 2348/04). Auch seien seine Vermögensverhältnisse durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geordnet. Zu seinen Einnahmen und Ausgaben gibt der Kläger an, seit Juni 2006 eine Rente i.H.v. 880 EUR monatlich zu beziehen. Weitere Angaben zu seiner finanziellen Situation macht der Kläger trotz Aufforderung durch das Gericht nicht.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergänzte der Kläger sein Vorbringen dahingehend, dass er jeweils die Umsatzsteuerjahreserklärungen bis 2005 inzwischen abgegeben habe. Die Umsatzsteuervoranmeldungen habe er allerdings teilweise nicht rechtzeitig abgegeben. Hinsichtlich der Einkommensteuererklärungen habe eine unterschiedliche rechtliche Einschätzung hinsichtlich einer Frage aus dem Fördergebietsgesetz zwischen ihm und dem zuständigen Finanzamt bestanden, die auch zu einem Verfahren von dem Niedersächsischen Finanzgericht geführt habe. Er habe dann mit dem Finanzamt die Vereinbarung getroffen, dass er die Steuererklärungen nachträglich habe abgeben können. Aufgrund dessen habe er die Einkommensteuererklärungen ab 1998 zunächst nicht abgegeben. Die Einkommensteuererklärungen 2004 und 2005 lägen jetzt beim Finanzamt vor; sie seien aber noch nicht bearbeitet worden. Aufgrund der eingereichten Steuererklärungen würden sich erhebliche Steuererstattungen ergeben, so dass die Steuerrückstände sich deutlich vermindern würden. Alle Umsatzsteuervoranmeldungen aus der Steuerberaterkanzlei seien zur Zeit abgegeben worden, auch die entsprechenden Zahlungen seien geleistet worden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14. September 2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer im Widerrufsbescheid vertretenen Rechtsauffassung fest. Insbesondere habe der Kläger die gesetzliche Vermutung, dass durch seinen Vermögensverfall die Interessen der Auftraggeber beeinträchtigt seien, nicht widerlegt. Vielmehr sei aufgrund des bisherigen Verhaltens des Klägers von einer tatsächlichen Gefährdung von Mandanteninteressen auszugehen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte hat die Bestellung des Klägers als Steuerberater zu Recht widerrufen.

1. Der Widerrufsbescheid vom 14. September 2006 ist rechtmäßig. Aufgrund des ihr seinerzeit bekannt gewesenen Sachverhalts konnte die Beklagte davon ausgehen, zum Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater verpflichtet zu sein.

Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen, wenn dieser in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind.

a) Der Kläger befand sich zu diesem Zeitpunkt in Vermögensverfall. Dieser wird nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz StBerG vermutet, da mit Beschluss vom 21. Februar 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet wurde. Diese Vermutung ist zwar widerlegbar (BFH-Urteil vom 22. August 1995 VII R 63/94, BStBl II 1995, 909; BFH-Urteil vom 4. Juli 2000 VII R 103/99, BFH/NV 2001, 69); eine Widerlegung ist dem Kläger jedoch nicht gelungen. Entsprechende Umstände hat der Kläger gegenüber der Beklagten nicht vorgetragen. Vielmehr sprachen die zum Zeitpunkt des Widerrufs bestehenden erheblichen Schulden des Klägers für dessen mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Auf die Umstände, die zum Vermögensverfall geführt haben, kommt es für die Feststellung des Vermögensverfalls insoweit nicht an.

b) Der Kläger hat auch den ihm obliegenden Entlastungsbeweis, dass die Interessen der Auftraggeber trotz Vermögensverfalls nicht gefährdet seien, nicht führen können. Allein die vom Kläger angeführte Möglichkeit, in Zukunft als angestellter Steuerberater tätig zu sein, genügt insoweit nicht. Es bestanden vielmehr die von der Beklagten im Widerrufsbescheid angeführten Anhaltspunkte dafür, dass die Interessen der Auftraggeber des Klägers konkret gefährdet sind. So hat die Beklagte insbesondere zu Recht zu Lasten des Klägers berücksichtigt, dass er eigene Steuererklärungen nicht oder nur verspätet abgegeben hat (vgl. BFH-Beschluss vom 16. August 2002 VII B 211/01, BFH/NV 2003, 86) und dass er in erheblichem Umfang Umsatzsteuern nicht abgeführt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Juli 2002 VII B 257/01, BFH/NV 2002, 1498).

2. Die Aufhebung des Widerrufsbescheids kommt auch nicht aufgrund der bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 11. Januar 2007 eingetretenen Änderung der Sach- oder Rechtslage in Betracht. Zwar kann der Widerruf der Bestellung als Steuerberater nicht aufrechterhalten werden, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine Rechtspflicht für eine sofortige Wiederbestellung besteht (BFH-Urteil vom 22. August 1995 VII R 63/94, BStBl II 1995, 909). Ein solcher Anspruch des Klägers besteht jedoch nicht.

a) Hinsichtlich des Vermögensverfalls hat sich die Sachlage nicht geändert. Das Insolvenzverfahren ist noch nicht abgeschlossen, so dass die Vermutungswirkung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz StBerG fortbesteht. Um darzulegen, dass sich der Kläger nunmehr in geordneten finanziellen Verhältnissen befinde, hätte er im Einzelnen nachweisen müssen, über welche Einkünfte er verfügt, welche Ausgaben für ihn zwingend sind und wie er mit den Überschüssen seine Schulden zu tilgen gedenkt. All dies hat der Kläger nicht vorgetragen. Allein der Umstand, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Insolvenzverwalter über die Kontrolle über das Vermögen des Klägers ausübt und er nach sechs Jahren zu einer Restschuldbefreiung kommen kann, führt nicht zur Wiederherstellung von geordneten finanziellen Verhältnissen (vgl. BFH-Beschluss vom 28. August 2003 VII B 79/02, BFH/NV 2004, 90). Letztlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass auch die Verwertung seines Vermögens nicht zu einer Befriedigung aller Gläubiger führen werde und er sich somit in Vermögensverfall befinde.

b) Ebenso ist keine Änderung der Sachlage hinsichtlich der Gefährdung von Auftraggeberinteressen eingetreten.

Soweit der Kläger auf das Urteil des FG Berlin vom 25. August 2005, 4 K 2348/04 (bestätigt durch BFH-Beschluss vom 10. April 2006 VII B 232/05, BFH/NV 2006, 1520) verweist, vermag dies zu keiner anderen Beurteilung zu führen.

In diesem Fall hatte das FG Berlin den Nachweis der Nichtgefährdung der Auftraggeberinteressen als geführt angesehen. Es hatte insbesondere berücksichtigt, dass die Tätigkeit des dortigen Klägers als angestellter Steuerberater und die arbeitsvertraglichen Beschränkungen, denen er sich bei dieser Tätigkeit unterworfen hatte, hinreichende Gewissheit böten, dass eine konkrete Gefährdungssituation für die Mandanten seines Arbeitgebers durch den Vermögensverfall des dortigen Klägers nicht bestünde.

Eine derartige Konstellation liegt hier nicht vor, da der Kläger nicht im Angestelltenverhältnis arbeitet, sondern lediglich angekündigt hat, dies in Zukunft tun zu wollen. Im Übrigen reicht nach der ständigen Rechtsprechung des BFH allein der Umstand, dass sich der in Vermögensverfall geratene Steuerberater nur noch als Angestellter tätig sein will, für den Entlastungsbeweis nicht aus (BFH-Beschluss vom 8. Februar 2000 VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992).

Vorliegend fällt jedoch ins Gewicht, dass eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen schon deshalb nicht verneint werden kann, weil der Kläger in sonstigen geschäftlichen oder auch eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist und sich nicht an gesetzliche Vorgaben hält, denn in diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Steuerberater unter dem Druck seiner Vermögenslosigkeit auch Mandanteninteressen unter Missachtung vertraglicher Vereinbarungen verletzt, so groß, dass von einer konkreten Gefährdung von Auftraggeberinteressen auszugehen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 10. April 2006 VII B 232/05, BFH/NV 2006, 1520 m.w.N.). So ist bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung zu Ungunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass er in der Vergangenheit seine Steuererklärungen nicht oder nicht fristgerecht abgegeben hat, erhebliche Steuerschulden aufgelaufen sind und dass insbesondere der Kläger seinen Mandanten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht abgeführt hat. Dies gilt selbst dann, wenn man den Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung zugrunde legt, nach dem die verspäteten Abgaben von Einkommensteuererklärungen mit dem zuständigen Finanzamt abgesprochen waren, da der Kläger selbst eingeräumt hat, dass er die Umsatzsteuer-Voranmeldungen verspätet abgegeben hat. Im Übrigen hat der Kläger auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die neu entstehenden Umsatzsteuerverbindlichkeiten nicht pünktlich beglichen, so dass - wenn auch nur geringe - Säumniszuschläge angefallen sind.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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