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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 11.01.2007
Aktenzeichen: 6 K 697/03
Rechtsgebiete: EStG, KStG
Vorschriften:
EStG § 6a Abs. 3 S. 1 | |
EStG § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 2 | |
KStG § 8 Abs. 1 S. 1 |
Finanzgericht Niedersachsen
Tenor:
Die Bestimmung des Diensteintrittsalters eines Pensionsberechtigten im Rahmen der Bildung einer Pensionsrückstellung richtet sich auch dann nach dem tatsächlichen Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem das Dienstverhältnis begonnen hat, wenn insoweit wegen einer Unternehmensneugründung ein Rumpfwirtschaftsjahr besteht.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Teilwerts einer Pensionsrückstellung.
An der im November 1991 gegründeten Klägerin, der A-GmbH (vormals: B-GmbH), deren Stammkapital sich auf ... DM belief, waren zu je 50 v.H. X sowie Y beteiligt. Die Gesellschafter waren zugleich die Geschäftsführer der Klägerin, deren Geschäftsjahr das Kalenderjahr ist.
Mit privatschriftlichem "Pensionsvertrag" vom 20. März 1992 gewährte die Klägerin ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer X in Ergänzung des Anstellungsvertrages eine Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung, wegen deren weitergehenden Einzelheiten auf Bl. 62 ff. der Vertragsakte Bezug genommen wird. In ihrem Jahresabschluss auf den 31. Dezember 1998 bildete die Klägerin für die vorerwähnte Pensionszusage eine Rückstellung i.H.v. ... DM. Grundlage hierfür war ein versicherungsmathematisches Gutachten der Z-Versicherung, dass den Berechnungen ein versicherungsmathematisches Diensteintrittsalter des im Juli 1951 geborenen Gesellschafter-Geschäftsführers X von 39 Jahren zugrunde legte.
Im Rahmen einer bei der Klägerin u.a. für das Streitjahr 1998 durchgeführten Außenprüfung vertrat der Betriebsprüfer in Anlehnung an eine Stellungnahme des beim Finanzamt für Großbetriebsprüfung ansässigen amtlichen Versicherungs-Mathematikers die Auffassung, dass für die Teilwertberechnung der Pensionsrückstellung ein versicherungsmathematisches Dienstalter von 40 Jahren anzusetzen sei. Dementsprechend belaufe sich der Teilwert der Pensionsrückstellung auf den 31. Dezember 1998 lediglich auf ... DM und sei somit um ... DM zu kürzen.
Dem folgte das beklagte Finanzamt C in dem im Anschluss an die Außenprüfung ergangenen und gem. § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 1998.
Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück. Für die Berechnung des Teilwerts der streitigen Pensionsrückstellung sei gem. § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 EStG vom "Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem das Dienstverhältnis begonnen hat" auszugehen. Dies bedeute für den Streitfall, dass insoweit der Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages im November 1991 maßgebend sei. Zu diesem Zeitpunkt, zu dem auch das mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer geschlossene Dienstverhältnis begonnen habe, sei dieser 40 Jahre alt gewesen. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut sei insbesondere eine fiktive Vorverlegung des tatsächlichen Diensteintrittsalters nicht zulässig. Auch im Rahmen einer Billigkeitsregelung könne nicht unterstellt werden, dass der Zeitpunkt des Diensteintritts i.S. von § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Sätze 2 und 3 EStG zwölf Monate vor dem Ende des Wirtschaftsjahres gelegen habe, in dem der Diensteintritt erfolgte. Dem stehe bereits entgegen, dass im Streitfall die Pensionszusage an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer zu beurteilen sei. Auch könnten die Abweichungen bzgl. der gebildeten Rückstellung nicht mehr als geringfügig angesehen werden.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer unter dem 14. Oktober 2003 erhobenen Klage. Da weder das Gesetz noch die Einkommensteuer-Richtlinien ausdrückliche Regelungen hinsichtlich der Berechnung des Diensteintrittsalters im Rahmen einer zu bildenden Pensionsrückstellung enthielten, gebe es zwei verschiedene Verfahren zur Ermittlung des Teilwerts. Zum einen könne bei einer Verlegung des Bilanzstichtags der einmal ermittelte Jahresbetrag beibehalten werden. Es könne zum anderen aber auch eine neue Bestimmung des Jahresbetrages (der Teilwertprämie) vorgenommen werden, wenn man die Verlegung des Bilanzstichtages auf die Vergangenheit zurückgreifen lasse und sich deswegen das versicherungstechnische Eintrittsalter verschiebe. Dabei sei es durchaus sinnvoll, die neue Bestimmung des Eintrittsalters zuzulassen, da ansonsten das Eintrittsalter für die Vergangenheit ohne Kenntnis der früheren Stichtage nicht rekonstruierbar wäre. Vor diesem Hintergrund entspreche das von der Z-Versicherung angewandte Verfahren zur Ermittlung des Teilwerts den gesetzlichen Bestimmungen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Änderung des Körperschaftsteuerbescheides vom 10. April 2003 und Aufhebung des hierzu ergangenen Einspruchsbescheides vom 19. September 2003 die Körperschaftsteuer 1998 soweit herabzusetzen, wie sie sich mindert, wenn von einem körperschaftssteuerlichen Einkommen i.H.v. ... DM ausgegangen wird.
Das beklagte Finanzamt beantragt unter Hinweis auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Klage, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), ist unbegründet.
I. Das beklagte Finanzamt hat die Berechnung des Teilwerts der Pensionsrückstellung für den im Juli 1951 geborenen Gesellschafter-Geschäftsführer X der Klägerin zum 31. Dezember 1998 zutreffend ausgehend von einem versicherungsmathematischen Dienstalter von 40 Jahren vorgenommen.
1. Die Bildung einer Pensionsrückstellung darf nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 6a Abs. 3 Satz 1 EStG höchstens mit dem Teilwert der Pensionsverpflichtung erfolgen. Dieser bestimmt sich gem. § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 EStG - soweit im Streitfall von Bedeutung - nach dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen am Schluss des Wirtschaftsjahres abzüglich des sich auf denselben Zeitpunkt ergebenden Barwerts betragsmäßig gleich bleibender Jahresbeträge. Die Jahresbeträge sind wiederum so zu bemessen, dass am Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem das Dienstverhältnis begonnen hat, ihr Barwert gleich dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen ist; die künftigen Pensionsleistungen sind dabei mit dem Betrag anzusetzen, der sich nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag ergibt (§ 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 EStG). Bei dieser Berechnung sind nach § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG ein Rechnungszinsfuß i.H.v. 6 v.H. und die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik anzuwenden.
Hieraus folgt nach dem insoweit unmissverständlichen Wortlaut der Vorschrift, dass als eines der für die Bildung der Pensionsrückstellung entscheidenden Kriterien auf den "Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem das Dienstverhältnis begonnen hat, ..." abzustellen ist. Dies bedeutet aber zugleich, dass bei der Festlegung des Diensteintrittsalters des Pensionsberechtigten in den Fällen eines wegen der Neugründung des Unternehmens bestehenden Rumpfwirtschaftsjahres kein volles Wirtschaftsjahr zu fingieren (so aber ausdrücklich: R. Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Band II Steuerrecht, Rdz. 191 f und 220 f "unmittelbare Versorgungszusage"; Hermann/Heuer/Raupach-Dommermuth, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Rdz. 107 zu § 6a EStG; Kirchhoff-Gosch, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 6. Auflage, Rdz. 25 zu § 6a; Littmann/Bitz/Pust-Höfer, Das Einkommensteuerrecht, Rdz. 126 zu § 6a), sondern nur der Zeitpunkt der Unternehmensgründung für die Festlegung des Diensteintrittsalters heranzuziehen ist.
Zu diesem Zeitpunkt - der Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages über die Errichtung der Klägerin erfolgte im November 1991 - hatte der Gesellschafter-Geschäftsführer X als Pensionsberechtigter aber bereits das 40. Lebensjahr erreicht (Geburtsdatum: ... Juli 1951).
Der Senat gibt im Streitfall einer am Wortlaut orientierten Auslegung der Bestimmung des Diensteintrittsalters des Pensionsberechtigten in Fällen eines wegen Unternehmensgründung bestehenden Rumpfwirtschaftsjahres den Vorzug vor einer letztlich auf Billigkeitserwägungen gestützten Rückbeziehung auf ein - ausgehend vom Bilanzstichtag - volles Wirtschaftsjahr, weil dies zu einer gemessen an den tatsächlichen betrieblichen Verhältnissen zutreffenderen Bildung der Pensionsrückstellung führt. Dass eine solchermaßen vorgenommene Auslegung dazu führen kann, dass in dem Rumpfwirtschaftsjahr eine Zuführung zur Pensionsrückstellung zu unterbleiben hat, weil sich das versicherungstechnische Alter des Pensionsberechtigten in diesem Zeitraum nicht verändert hat, ist hinzunehmen. Das auf diese Weise gefundene Ergebnis berücksichtigt auch hinreichend, dass Entscheidungen über Billigkeitsmaßnahmen (vgl. §§ 163, 227 AO) grundsätzlich zunächst der Kompetenz der Finanzbehörden unterfallen und darüber hinaus Billigkeitserwägungen (hier: Fiktion eines vollen Wirtschaftsjahres in Fällen einer unterjährigen Unternehmensneugründung im Rahmen der Bestimmung des versicherungsmathematischen Diensteintrittsalters) in dem vom Billigkeitsverfahren unabhängigen Steuerfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen sind (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 18. September 2006 IX B 154/05, BFH/NV 2007, 31).
Soweit sich die Klägerin demgegenüber zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung auf die Ermittlung des Teilwerts von Pensionsrückstellungen in Fällen der Verlegung des Bilanzstichtages beruft, bedarf dies keiner abschließenden Beurteilung: Zwar entsteht auch in diesen Fällen ein Rumpfwirtschaftsjahr. Im Unterschied zum Streitfall ist insoweit indes nicht über das Diensteintrittsalter im Zeitpunkt der Unternehmensgründung zu befinden, sondern darüber, welche Folgerungen aus nunmehr von einander abweichenden Bilanzstichtagen für das Diensteintrittsalter im Rahmen der Bildung einer Pensionsrückstellung zu ziehen sind. Hierbei handelt es sich aber wegen der zuvor aufgezeigten unterschiedlichen Ausgangslagen schon nicht um Fallgestaltungen, die einer gleichgerichteten Entscheidung bedürfen.
Wegen der weitergehenden Begründung nimmt das Gericht schließlich auf die Ausführungen des beklagten Finanzamtes C in dem unter dem 19. September 2003 ergangenen Einspruchsbescheid Bezug und macht sich diese zu eigen (vgl. § 105 Abs. 5 FGO).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da - soweit ersichtlich - zur Frage der Festlegung des Diensteintrittsalters in Rumpfwirtschaftsjahren keine höchstrichterliche finanzgerichtliche Rechtsprechung existiert.
Ende der Entscheidung
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