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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 02.03.2007
Aktenzeichen: 7 V 21/07
Rechtsgebiete: EStG, FGO
Vorschriften:
EStG § 9 Abs. 2 | |
FGO § 69 Abs. 2 S. 2 | |
FGO § 69 Abs. 3 S. 1 |
Finanzgericht Niedersachsen
Gründe:
Im Hauptsacheverfahren, das unter dem Az. 7 K ...../06 beim erkennenden Senat anhängig ist, streiten die Beteiligten darüber, ob bei der Ermittlung der Fahrtkosten des Antragstellers (Ast.) zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die tatsächliche Entfernung von 61 km zugrundezulegen ist oder ob - so der Antragsgegner (Ag.) - die ab dem Veranlagungszeitraum 2007 geänderte Kürzung der so genannten "Pendlerpauschale" eingreift, so dass die ersten 20 km der Entfernung nicht zu berücksichtigen sind, also steuerlich nur 41 km anerkannt werden können.
Die Ast. sind Eheleute und beziehen Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit. Die Entfernung zwischen dem Wohnort und der Arbeitsstätte des Ast. beträgt 61 km. In ihrem Antrag auf Lohnsteuerermäßigung 2007 beantragten die Ast., die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unter Ansatz der tatsächlichen Entfernung als Werbungskosten im Wege des Freibetrages zu berücksichtigen. Der Ag. folgte dem nicht, sondern kürzte die zu berücksichtigende Entfernung um die ersten 20 km, wie dies nach der Neuregelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG ab 2007 vorgesehen ist.
Den gegen den - insoweit ablehnenden - Bescheid über die Lohnsteuerermäßigung 2007 eingelegten Einspruch wies der Ag. zurück. Dagegen haben die Ast. Klage erhoben. Sie halten die Neuregelung des steuerlichen Abzugs von Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für verfassungswidrig.
Den Antrag der Ast., den beantragten Freibetrag im Wege vorläufigen Rechtsschutzes (Aussetzung der Vollziehung) in voller Höhe einzutragen, lehnte der Ag. ab.
Die Ast. haben daraufhin beim FG einen Aussetzungsantrag gestellt.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
im Wege der Aussetzung der Vollziehung des Bescheids über die Lohnsteuerermäßigung 2007 auf der Lohnsteuerkarte des Ast. einen Freibetrag einzutragen, bei dessen Berechnung die gesamte Entfernung zugrunde gelegt wird.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er verweist auf die ab dem Veranlagungszeitraum geltende Neuregelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl. I S. 1652).
Der Antrag hat Erfolg.
I. Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466).
Solche Umstände sind im vorliegenden Fall gegeben.
1. Der Antrag, den begehrten Freibetrag vorläufig auf der Lohnsteuerkarte einzutragen, war - zumal mit der Aussetzung der Vollziehung das Ergebnis der Hauptsache nicht vorweggenommen wird (BFH-Beschluss vom 24. Februar 1987 IX B 106/86, BFHE 148, 533, BStBl II 1987, 344) - statthaft. Nicht nur bei teilweiser Ablehnung der Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte ist vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren (BFH-Beschluss in BFHE 148, 533, BStBl II 1987, 344; s. auch Beschluss vom 27. März 1991 I B 187/90, BFHE 164, 173, BStBl II 1991, 643); dieser Rechtsbehelf ist auch statthaft, wenn das FA die Eintragung eines Freibetrages in vollem Umfang abgelehnt hat (BFH-Beschluss vom 29. April 1991 VI B 152/91, BStBl II 1992, 752).
2. § 9 Abs. 2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl. I S. 1652) lautet wie folgt:
3. "(2) <1> Keine Werbungskosten sind die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten.
<2> Zur Abgeltung erhöhter Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte ist ab dem 21. Entfernungskilometer für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, für jeden vollen Kilometer der Entfernung eine Entfernungspauschale von 0,30 Euro wie Werbungskosten anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 Euro im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4.500 Euro ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt. ...
<10> Durch die Entfernungspauschalen sind sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und durch die Familienheimfahrten veranlasst sind."
Gegen diese Regelung sind im Schrifttum erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geäußert worden.
a. Nach Wieland (Verfassungsfragen der geplanten Streichung der Pendlerpauschale im Einkommensteuerrecht, Rechtsgutachten Oktober 2006, Fundstelle www.dgb.de unter "Themen A-Z" "Steuerpolitik") bewirke die Neuregelung des § 9 EStG, die den einkommensteuerrechtlichen Werbungskostenabzug für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beseitigen wolle, entgegen den Intentionen der Bundesregierung keinen Übergang zum so genannten "Werkstorprinzip", sondern erschöpfe sich in einer sprachlichen Umgestaltung. Materiell basiere die Neuregelung weiterhin auf der Grundsatzentscheidung, die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Aufwendungen zur Erwerbung der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen. Nur so lasse sich die Abzugsfähigkeit der Kosten für Fahrten ab 21 Kilometer erklären. Die Neuregelung enthalte keine Grundsatzentscheidung gegen das tradierte objektive Nettoprinzip, sondern durchbreche dieses Prinzip aus fiskalischen Gründen. Das Ziel der Einnahmeerhöhung (des Staates) vermöge aber eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips nicht zu rechtfertigen. Die Neuregelung verletze Art. 3 Abs. 1 GG und sei verfassungswidrig.
b. Tipke (Festschrift für Arndt Raupach, 2006, S. 177 ff. [184-187]) entwickelt in seinem Beitrag, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte würden in den verschiedenen Rechtsgebieten unterschiedlich behandelt: im Arbeitsrecht beginne die Arbeit am Werkstor, so dass die Fahrten dorthin den Arbeitgeber nicht zu interessieren brauchten; im Unfallversicherungsrecht sei es anders, denn ein Unfall auf dem Weg zur Arbeitsstätte sei ein versicherter Wegeunfall. Wer etwas ausgebe, um seine Erwerbsstätte zu erreichen, tue dies, um erwerbsfähig zu sein und um Einnahmen zu erzielen; er unternehme keine private Vergnügungsfahrt. Es könne dem Arbeitnehmer auch nicht zugemutet werden, zwecks Vermeidung von Fahrtkosten jeweils in die Nähe seines Arbeitsplatzes zu ziehen. Die Abzugsmöglichkeit von Fahrtkosten erst bei Entfernungen ab 20 km verletze das Nettoprinzip, denn fiskalische Gründe rechtfertigten keine Eingriffe in dieses Prinzip. Eine sog. zumutbare Eigenbelastung sei bei unvermeidbaren Privatausgaben nicht zu rechtfertigen (a.a.O., S. 187). Die Koalition betrachte das Nettoprinzip wohl als freie finanzpolitische Verfügungsmasse (a.a.O., S. 187, Fn. 34).
c. Drenseck (Einkommensteuerreform und objektives Nettoprinzip, FR 2006, 1 ff.) setzt sich kritisch mit den Einschränkungen des objektiven Nettoprinzips auseinander. Er verweist auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2002 (2 BvR 400/98 und 1735/00, BStBl. II 2003, 534, BVerfGE 107, 27), nach der die Steuerlast sich am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und am Gebot der Folgerichtigkeit auszurichten habe, und auf die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 11. Mai 2005 VI R 70/03, BStBl. II 2005, 785), die den Grundsatz des objektiven Nettoprinzips konsequent anwende. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) lasse sich der Schluss ziehen, je zwangsläufiger sich Erwerbsaufwendungen darstellten, umso geringer werde für den Gesetzgeber der Spielraum zur Einschränkung des objektiven Nettoprinzips. Soweit die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte betroffen seien, so seien sie Bedingung dafür, dass die Arbeitsleistung erbracht werden könne und daraus steuerpflichtige Einnahmen erzielt werden könnten. Diese Fahrten seien unvermeidbar, da es schließlich nicht möglich sei, dass alle Arbeitnehmer am Ort ihrer Arbeitsstätte auch wohnten. Im Übrigen könne man vom Arbeitnehmer angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht Mobilität einfordern, die damit verbundenen zwangsläufigen Aufwendungen dann aber vom Werbungskostenabzug ausschließen.
d. Lenk (BB 2006, 1305 ff.) vertritt die Auffassung, dass die im Jahr 2001 eingeführte Entfernungspauschale systemwidrig sei. Durch ihren Ansatz würden Personen steuerlich dadurch begünstigt, dass sie Werbungskosten in Abzug bringen könnten, obwohl ihnen keine Aufwendungen entständen (zum Beispiel als Mitfahrer in einer Fahrgemeinschaft). Die Aussage, jemand, der weiter von seiner Arbeitsstätte entfernt wohne, habe dafür regelmäßig private Gründe, sei zwar gängige Behauptung, die häufig aufgestellt werde, sie halte aber einer Überprüfung nicht stand. Vielfach handele es sich bei den Pendlern um Personen, die im ländlichen Bereich geboren oder aufgewachsen seien, dort aber keinen oder keinen ihrer Ausbildung entsprechenden Arbeitsplatz fänden und deshalb den Weg in urbane Gebiete auf sich nehmen müssten, um - steuerpflichtiges - Einkommen erzielen zu können. Hier sei für die Beibehaltung der Wohnung kein besonderer privater Anlass zu sehen. Im Übrigen sei dies keine Erscheinung der Neuzeit. Außerdem sei es regelmäßig nicht nur schwer möglich, dass jeder in die unmittelbare Nähe seines Arbeitsplatzes ziehe; es sei faktisch unmöglich, dass alle Arbeitnehmer dort ihre Wohnung nehmen könnten. Ein privater Veranlassungsgrund dafür, eine weiter entfernt liegende Wohnung zu nehmen, müsse deshalb regelmäßig verneint werden. Aber selbst dann, wenn eine Wohnungsnahme unmittelbar am Beschäftigungsort gelingen sollte, stellte sich spätestens dann, wenn ein Arbeitnehmer gekündigt werde oder selbst das Dienstverhältnis beende, weil er seinen Arbeitsplatz oder sein berufliches Fortkommen nicht gesichert sehe und an einem anderen Ort eine Beschäftigung aufnehme, erneut die Frage, ob die dann anfallenden Fahrtkosten Werbungskosten seien. Verneinen könnte man dies nur dann, wenn man Art. 11 Abs. 1 GG (Freizügigkeit) so interpretiere, dass die Berufung auf das Grundrecht regelmäßig dazu führe, erwerbsbedingte Aufwendungen (für Fahrten zur Arbeitsstätte) aus versteuertem Einkommen zu erbringen und dies der Preis für die Inanspruchnahme des Grundrechts sei. Es sei kaum vorstellbar, dass das BVerfG dies akzeptiere.
e. Nach Auffassung von Offerhaus (BB 2006, 129) spreche dagegen viel dafür, dass die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte privat zumindest mitveranlasst seien. Die Steuersystematik erfordere den Werbungskostenabzug also nicht. Diese Erkenntnis werde noch verstärkt seit der Einführung der Entfernungspauschale im Jahre 2001, da diese nicht nur gewährt werde, wenn für den Arbeitsweg Aufwendungen entstünden, sondern vielmehr auch dann, wenn der Weg zu Fuß, als Mitfahrer (kostenlos) oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werde. Diese steuerliche Privilegierung sei systematisch nicht zu rechtfertigen. Die Verfassung gebiete den Werbungskostenabzug für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht. Der Gesetzgeber sei insoweit frei.
4. Der Senat vertritt die Auffassung, dass ernstliche Zweifel bestehen, ob die Neuregelung verfassungsgemäß ist. Bei den Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handelt es sich um Aufwendungen, denen ein Arbeitnehmer sich dem Grunde nach nicht entziehen kann. Sie sind notwendig, um die Arbeitseinkünfte zu erzielen. In den seltensten Fällen liegen Wohnung und Arbeitsstätte so dicht beieinander, dass Fahrtaufwendungen entfallen. Bei Ehegatten, die beide berufstätig sind, ist es - abgesehen von dem seltenen Fall, dass beide zufällig den selben Arbeitgeber haben oder an räumlich nahe beieinander gelegenen Arbeitsstätten tätig sind - gar nicht möglich, dass beide Arbeitnehmer einen Wohnort nahe der Arbeitsstätte wählen. Vor dem Hintergrund, dass das deutsche Einkommensteuerrecht vom Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit beherrscht wird, erscheint die Kürzung der bis zum Veranlagungszeitraum 2006 geltenden "Pendlerpauschale" um die ersten 20 km willkürlich. Das damit bezweckte Ergebnis, die Staatseinnahmen zu erhöhen, liegt nicht nur auf der Hand; es kommt in der Begründung zum Gesetzentwurf zum Ausdruck: "Die notwendige Haushaltskonsolidierung erfordert eine derartige Einordnung" (BT-Drs. 16/1545, S. 13). Es widerspricht jedoch in dieser Form dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Die Gesetzesänderung mit der Beschränkung der Abzugsmöglichkeit der Fahrtkosten ab dem 21. Kilometer belastet im Übrigen nicht so sehr die Arbeitnehmer, die weiter entfernt wohnen, weil diese wenigstens einen Teil ihrer Fahrtkosten abziehen können. Belastet werden vielmehr die Arbeitnehmer, die bis zu 20 km vom Ort ihres Arbeitsplatzes entfernt wohnen, denn sie können gar nichts mehr abziehen. Dieses Ergebnis belegt, dass es bei der Gesetzgebung nicht um sachliche Gründe ging, nämlich z.B., dass derjenige, der weiter als 20 km entfernt vom Arbeitsplatz wohnt, dies aus - wegen (angeblich oder tatsächlich) günstigerer Grundstücks- oder Mietpreise - privaten Gründen tut, sondern nur um fiskalische Gesichtspunkte. Schließlich sind von der Kürzung des Fahrtkostenabzugs alle Arbeitnehmer betroffen. Damit werden die Steuereinnahmen erheblich mehr erhöht als wenn der Gesetzgeber die Abzugsmöglichkeit von Fahrtkosten "am oberen Ende" gekappt hätte, etwa durch eine Begrenzung auf höchstens 50 km.
5. Vor dem Hintergrund der zitierten Literaturmeinungen und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Entscheidungen vom 4. Dezember 2002, 2 BvR 400/98 und 1735/00, BStBl. II 2003, 534, BVerfGE 107, 27; vom 2. Oktober 1969, 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58) bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 9 Abs.2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007, denn die genannte Vorschrift ist insoweit mit Art.3 GG unvereinbar, als sie den steuerlichen Abzug der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für die ersten 20 km ausschließt.
6. Der Gesetzgeber hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichheit rechtfertigen könnten. Dabei darf der Gesetzgeber zur Regelung von Massenverfahren zwar typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden. Voraussetzung ist aber, dass die durch die Typisierung eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Dabei können verwaltungstechnische Gründe nur dann eine unterschiedliche Behandlung von betroffenen Steuerpflichtigen rechtfertigen, wenn einfachere, die Betroffenen weniger belastende Regelungen nicht möglich sind (ausführlich und mit sämtlichen Nachweisen auf seine bisherige Rechtsprechung Beschluss des BVerfG vom 8. Oktober 1991 1 BvL 50/86, HFR 1992, 75, DB 1991, 2522).
7. Die Antragsteller haben ein berechtigtes Interesse an der Eintragung des Freibetrages im Wege der Aussetzung der Vollziehung. Nach gefestigter Rechtsprechung des BVerfG und des BFH kann Rechtsschutz im Wege der Aussetzung der Vollziehung auch bei ernstlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Rechtsnorm gewährt werden, es sei denn, es stehen schwerwiegende öffentliche Interessen entgegen (Beschluss des BVerfG vom 21. Februar 1961 1 BvR 314/60, BVerfGE 12, 180, 186, BStBl I 1961, 63; BFH-Beschlüsse vom 20. Juli 1990 III B 144/89, BFHE 162, 542, BStBl II 1991, 104; vom 25. Juli 1991 III B 555/90 , BFHE 164, 570, BStBl II 1991, 876, und vom 6. November 1987 III B 101/86, BFHE 151, 428, BStBl II 1988, 134, jeweils m.w.N.).
8. Im Streitfall fällt die Interessenabwägung zugunsten der Antragsteller aus. Es sind keine öffentlichen Belange ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, dass sich der Staat Liquiditäts- und Zinsvorteile auf Kosten einer bestimmten Gruppe von Einkunftserzielern verschafft. Insbesondere erfordert das öffentliche Interesse an einer geordneten öffentlichen Haushaltsführung nicht, dass der Staat ausschließlich von Lohnbeziehern Einkommensteuervorauszahlungen auf eine mit großer Sicherheit nicht entstehende Einkommensteuerschuld erhebt und dadurch diesen Steuerpflichtigen ein Sonderopfer in Form von Liquiditäts- und Zinsnachteilen aufbürdet.
9. Nach einem Teil der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung soll trotz ernsthafter verfassungsrechtlicher Bedenken die Aussetzung der Vollziehung zu versagen sein, wenn schwerwiegende öffentliche Interessen (etwa an einer geordneten öffentlichen Haushaltsführung) das Aussetzungsinteresse des Antragsstellers überwiegen (Nachweise bei Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Auflage 2005, S. 992 Fn. 188). Der Senat folgt dieser Rechtsprechung nicht, denn sie beachtet den in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten individuellen Rechtsschutz nicht hinreichend. Es kann nicht richtig sein, dass das Unrecht nur groß genug sein muss, damit es nicht mehr gutzumachen ist (vgl. Balke, in: Harzburger Steuerprotokoll 1993, Köln 1994, S. 85, 97; Seer, NJW 1996, S. 285, 288 f.; umfassend Habscheidt, Der Anspruch des Bürgers auf Erstattung verfassungswidriger Steuern, Köln 2003, S. 85 ff.). Vielmehr folgt der Senat der Senatsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes allein ausnahmsweise anzunehmen ist, wenn die Gemeinwohlbelange des Staates (etwa drohende staatliche Haushaltsnotlage) berührt sind (vgl. BVerfGE 35, 382, 402; 51, 268, 284 f.; 67, 43, 58). Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit der Beschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes aus Gründen des Gemeinwohls, ist - trotz gegensätzlicher Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - nicht aufgegeben worden (vgl. Habscheidt, a.a.O., 75 ff., 96 ff.). Der erkennende Senat stellt auf der Grundlage dieser Rechtsprechung fest, dass im Streitfall Anhaltspunkte für eine gemeinwohlbegründete Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes weder vorgetragen noch erkennbar sind. Vor dem Hintergrund der "pro-futuro-Rechtsprechung" des Bundesverfassungsgerichts hält das Gericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes für notwendig. Gemeint sind die Entscheidungen, die - nach Erschöpfung des Rechtswegs zwangsläufig mit erheblicher zeitlicher Verzögerung - feststellen, eine gesetzliche Regelung sei verfassungswidrig und dem Gesetzgeber weiträumige Übergangsfristen einräumen, um die verfassungswidrigen Regelungen zu beseitigen. Darauf konnte sich der Fiskus in der Vergangenheit mehr und mehr verlassen. Mit der vorliegenden Entscheidung soll frühzeitig verhindert werden, dass der Fiskus womöglich verfassungswidrige Steuern vereinnahmt, verplant und später nicht mehr erstatten muss, so dass der verfassungsrechtliche Steuerrechtsschutz für die Bürger im Ergebnis weitgehend leer läuft (in diesem Sinne auch Habscheidt, a.a.O., S. 75 ff, 85 ff..; Seer in Tipke/Lang, a.a.O., S. 992).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
III. Der Senat hat die Beschwerde zugelassen, weil die Frage der Beschränkung des Abzugs von Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte grundsätzliche Bedeutung hat.
Nach § 131 Abs. 1 FGO hat die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung, wenn dies nicht besonders ausgesprochen ist.
Ende der Entscheidung
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