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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 13.10.2009
Aktenzeichen: 2 K 1443/07
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1
UStG § 12 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13.10.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Lieferungen von Nahrungsmitteln als Realverpflegung für Asylbewerber als einheitliche Lieferungen insgesamt dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999 unterliegen.

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren einen Party-Service, das Catering und die Belieferung mit Nahrungszusammenstellungen. Im September 1998 schloss sie mit der Bezirksregierung einen Vertrag zur Belieferung von Asylunterkünften mit Realverpflegung. Die Verpflegungseinheiten je Kalendertag und Person (Frühstück, Mittagessen, Abendbrot) bestanden aus Normalkost oder im Bedarfsfall aus Kinderkost, Schonkost, Lunchpaket bzw. Zusatzkost. Der Gesamtpreis für Normalkost für Erwachsene betrug 7,54 DM inklusive der gesetzlichen Mehrwertsteuer pro Person und Tag und umfasste die Herstellung der Verpflegungseinheiten und die Lieferung frei Haus. Wegen der vertraglichen Vereinbarungen im Einzelnen wird auf den Liefervertrag vom 18.09.1998 bzw. 22.09.1998 verwiesen.

Die Verpflegungseinheiten hatten entsprechend den mit der Bezirksregierung vereinbarten Lieferbedingungen jeweils unterschiedliche Inhalte, die sich nach den je eigenen Bedürfnissen der ethnischen Volksgruppen oder nach den Bestimmungen von Religionsgemeinschaften oder nach den Anforderungen für Kinder- oder Schonkost richteten. Zwar wurde auf die Auswahl der einzelnen Lebensmittel kein Einfluss genommen, es sollte jedoch nach den Vorgaben des Sozialministeriums eine ausreichende und ausgewogene Ernährung der Asylanten sichergestellt werden.

Die Nahrungsmittel wurden zweimal wöchentlich jeweils in einer Paketeinheit von der Klägerin angeliefert, so dass die Asylanten in der Lage waren, sich für eine Woche das Essen zuzubereiten. Tiefkühlkost wie z.B. Geflügel oder Fisch war nicht in den Paketen enthalten, sondern wurde von der Klägerin davon getrennt in Tiefkühlbehältern an die Asylunterkünfte geliefert und von den zuständigen Hausmeistern an die Asylanten weiterverteilt.

In den Paketen waren feste Nahrungsmittel, die dem ermäßigten Steuersatz unterfielen, als auch Getränke wie Mineralwasser und Fruchtsäfte enthalten, auf die der Normalsteuersatz anzuwenden war. Die in den Verpflegungspaketen enthaltenen Getränke, die dem Regelsteuersatz von 16% unterlagen, hatten

 in den Streitjahren 1999 2000 2001 2002
einen Wert-Anteil von 9,3% 9,4% 8,7% 8,7%.

In ihrer Umsatzsteuererklärung vom 27.02.2001 für das Jahr 1999 erfasste die Klägerin sämtliche Entgelte für die Verpflegungseinheiten unter den Umsätzen zum ermäßigten Steuersatz von 7% und errechnete insgesamt eine Umsatzsteuer von 534.217 DM. Im Rahmen einer Umsatzsteuerprüfung für den Voranmeldungszeitraum Februar 1999 und einer Betriebsprüfung u.a. den Prüfungszeitraum 1999 betreffend, stellten die Prüfer fest, dass sich in den Verpflegungspaketen für die Asylanten Waren befanden, die teils dem vollen Steuersatz und teils dem ermäßigten Steuersatz unterlagen. Der Anteil der Nahrungsmittel, die dem ermäßigten Steuersatz unterlagen, betrug im Jahre 1999 insgesamt 90,67%. Sie vertraten die Auffassung, eine einheitliche Besteuerung der Warenzusammenstellungen mit dem ermäßigten Steuersatz sei nicht zulässig, vielmehr seien die Nahrungsmittel nach ihren Eigenschaften aufzuteilen und insbesondere die Getränkeeinheiten (Mineralwasser, Fruchtsaft) dem vollen Steuersatz zu unterwerfen. Im Einzelnen wird auf den Bericht über die Umsatzsteuerprüfung vom 13.12.1999 und auf den Bp-Bericht vom 22.12.2005, dort Tz. 4 und Anlage 10 verwiesen.

Dieser Auffassung folgend änderte das Finanzamt die Umsatzsteuerfestsetzung für 1999 mit dem Bescheid vom 05.05.2006 und setzte die Umsatzsteuer in Höhe von 598.017 DM fest.

In ihren Steuererklärungen für die Streitjahre 2000, 2001 und 2002 folgte die Klägerin der Rechtsauffassung des Finanzamts über die getrennte Umsatzversteuerung der Realverpflegung. Die aufgrund der Betriebsprüfung für die Jahre 2000 bis 2002 ergangenen Änderungen betrafen andere, hier nicht streitige Feststellungen. In den Umsatzsteuerbescheiden vom 05.05.2006 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für 2000 in Höhe von 602.413 DM, für 2001 in Höhe von 631.661 DM und für 2002 in Höhe von 290.677 EUR fest.

Mit ihren fristgerecht eingelegten Einsprüchen verfolgte die Klägerin die einheitliche Besteuerung der für die Asylanten gelieferten Realverpflegung mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7%. Das Finanzamt wies die Einsprüche in der Entscheidung vom 07.08.2007 als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat fristgerecht Klage erhoben und beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide für 1999 bis 2002 jeweils vom 05.05.2006 in Gestalt der gemeinsamen Einspruchsentscheidung vom 07.08.2007 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 1999 um 63.566,85 DM, die Umsatzsteuer für 2000 um 50.386,13 DM, die Umsatzsteuer für 2001 um 36.971,33 DM und die Umsatzsteuer für 2002 um 18.552,52 EUR niedriger festgesetzt wird.

Zur Begründung trägt sie Folgendes vor:

Die Entgelte für die Lieferungen der Verpflegungspakete an die Asylanten (sogenannte Systemverpflegung) sei einheitlich dem Umsatzsteuersatz von 7% zu unterwerfen. Eine anteilige Umsatzversteuerung zu 16% komme nicht in Betracht.

Es handele sich bei den Verpflegungspaketen um sogenannte Warenzusammenstellungen im Sinne der Allgemeinen Vorschriften des gemeinsamen Zolltarifs (AV Teil I Titel 1 Abschnitt A Nr. 3 Buchst. b 2. Alt.), die einheitlich nach dem ihren Charakter bestimmenden Bestandteil tarifiert werden müssen. Die Zusammenstellung der Waren erfolge zur Befriedigung des Nahrungsmittelbedarfs der Asylanten und sei für den Einzelverkauf durch fest verschlossene Pakete aufgemacht. Der Inhalt bestehe regelmäßig aus Fleisch, Wurst, Fisch, Brot, Käse, Gemüse sowie Getränken. Der charakterbestimmende Teil der Lieferpakete sei in der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG aufgeführt und erlaube somit insgesamt wegen ihres Anteils von über 90% am Gesamtwert der Lieferung den Ansatz des ermäßigten Steuersatzes von 7% für das einheitliche Entgelt der Pakete. Die Beigabe von Getränken, die dem Regelsteuersatz unterlägen, habe keine charakterbestimmende Wirkung.

Selbst wenn die Verpflegungspakete entsprechend dem BMF-Schreiben IV B 7-S 7220-46/04 vom 05.08.2004 als Warensortimente anzusehen seien, wäre gleichwohl aus Vereinfachungsgründen der ermäßigte Steuersatz anzuwenden, weil der Wertanteil der ermäßigt besteuerten Gegenstände mindestens 90% und das Entgelt je Verkaufseinheit nicht mehr als 20 EUR betrage (vgl. BMF-Schreiben IV A 5-S 7220-23/05 vom 09.05.2005 und IV A 5-S 7220-27/06 vom 21.03.2006). Auch der Wert der einzelnen Pakete, die wöchentlich zweimal angeliefert worden seien, habe nicht mehr als 20 EUR betragen. Sie habe die Wertanteile der einzelnen Nahrungsmittel nach ihrem Wareneinkauf ermittelt und komme zu einem Anteil der Waren zu 16% Umsatzsteuer für 1999 in Höhe von 9,3%, für 2000 in Höhe von 9,4%, in 2001 in Höhe von 8,7% und in 2002 ebenfalls in Höhe von 8,7%. Diese Werte seien im Rahmen der Betriebsprüfung als zutreffend anerkannt worden.

Nach der für die Streitjahre maßgeblichen Vereinbarung mit der Bezirksregierung habe sie, die Klägerin, die Inhalte der Pakete im Wesentlichen alleine bestimmen können. Es treffe daher die Annahme des Finanzamts nicht zu, dass die Lieferpakete nach den Wünschen der Leistungsempfänger zusammengestellt worden wären. Es handele sich auch nicht um sogenannte Präsentkörbe. Die Warenzusammenstellungen seien fest definiert gewesen und ohne vorheriges Umpacken zur direkten Abgabe an die Asylanten als Endverbraucher geeignet gewesen. Unzutreffend sei auch die Auffassung des Finanzamts, dass die Päckchen in ihrer Zusammensetzung kein Ganzes gebildet hätten und ihre Bestandteile vielmehr getrennt zum Kauf angeboten worden seien. Das Finanzamt verkenne auch den Umstand, dass sehr wohl eine charakterbestimmende Ware enthalten gewesen sei. Diese Qualifizierung könne nach der umsatzsteuerlichen Behandlung ermittelt werden, so dass sich eindeutig aufgrund der Werthaltigkeit ein charakterbestimmender Bestandteil der Lebensmittel zu 7% ergebe.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 07.08.2007 und trägt ergänzend Folgendes vor:

Entsprechend des abgeschlossenen Liefervertrages sei Leistungsempfänger der Freistaat Bayern bzw. die Bezirksregierung bzw. die zentrale Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber gewesen und nicht die einzelnen Asylanten. Aufgrund der maßgeblichen Angebots- und Ausschreibungsunterlagen habe die Bezirksregierung als Auftraggeber, wenn zwar nicht die konkreten Inhalte der einzelnen Pakete, so doch jedenfalls den Umfang des Warensortiments bestimmen können. Da es sich bei den Lieferungen um Sortimente gehandelt habe, die nach den Wünschen des Leistungsempfängers zusammengestellt oder vorbereitet worden seien, komme die Vereinfachungsregelung für Kombinationsartikel nicht in Betracht.

Auch hätten die Verpflegungseinheiten keine Waren enthalten, die den Charakter der jeweiligen Pakete bestimmten. Es habe sich vielmehr um Lebensmittel gehandelt, die gleichwertig nebeneinander die Bestandteile einer ausreichenden Verpflegung bildeten. Daher habe es sich nicht um Warenzusammenstellungen gehandelt, die einheitlich nach einem charakterbestimmenden Bestandteil zu tarifieren seien.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg, weil die in den einzelnen Verpflegungspaketen zusammengefasste Realkost nicht insgesamt dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden kann. Zutreffend hat das Finanzamt diejenigen Nahrungsmittel dem Regelsteuersatz unterworfen, für die ein ermäßigter Steuersatz nicht in Betracht kommt, also insbesondere für die Getränke.

1. Grundsätzlich unterliegen alle steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG dem Regelsteuersatz (Normalsatz), sofern kein anderer Steuersatz vorgesehen ist. Dies entspricht § 12 Abs. 1 UStG 1999 und der maßgeblichen Richtlinienregelung in Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-RL. Gemäß § 12 Abs. 1 UStG beträgt die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz 16% der Bemessungsgrundlage; dieser Steuersatz war für die Streitjahre maßgeblich.

Die EU-Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, überhaupt einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden und müssen auch nicht alle in der maßgeblichen Liste in Anhang H der 6. EG-RL aufgeführten Gegenstände wie etwa Nahrungsmittel einschließlich Getränke einem ermäßigten Steuersatz unterwerfen. Jedoch regelt die Liste abschließend alle möglichen ermäßigt zu besteuernden Leistungen (vgl. Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG-Kommentar, § 12 Rz 83, 84), überlässt es aber den Mitgliedstaaten, den genauen Geltungsbereich der Kategorien abzugrenzen.

a) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7% für Lieferungen der in der Anlage zum UStG bezeichneten Gegenstände. Nicht in dieser Anlage aufgeführte Gegenstände sind nicht begünstigt und unterliegen dem Regelsteuersatz.

Für den hier streitigen Sachverhalt gilt der ermäßigte Steuersatz nur für die in dieser Anlage bezeichneten Lebensmittel (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, UStG-Kommentar, § 12 Rz 14, 16, 26). Die Anlage verweist auf den Zolltarif. Für die Einreihung der Waren zu den Kapiteln, Positionen und Unterpositionen des Zolltarifs gelten die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (Allgemeine Vorschriften - AV -) in Teil I Titel 1 Abschnitt A GZ - Gemeinsamer Zolltarif, VO (EWG) Nr. 2658/87 (abgedruckt bei Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 12 Rz 31). Der Warenkatalog der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG enthält eine erschöpfende und abschließende Aufzählung der begünstigten Gegenstände. Er lässt keinen Spielraum für eine Auslegung außerhalb der in der Anlage festgelegten Begriffe und Verweisungen (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 12 Rz 27, 30, 35). Nicht begünstig sind danach insbesondere Fruchtsaftgetränke (Anlage Nr. 32; vgl. Husmann in Rau/Dürrwächter, UStG-Kommentar, § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Anm. 552) und Mineralwasser (Anlage Nr. 34; vgl. Husmann in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Anm. 572).

b) Diese Regelungen auf den Streitfall angewandt hat das Finanzamt zutreffend die Lebensmittellieferungen an die Asylanten nicht wie es die Klägerin beansprucht, dem ermäßigten Steuersatz einheitlich unterworfen, sondern den jeweils maßgeblichen Steuersatz auf die verschiedenen und unterscheidbaren Waren angesetzt .

Die von der Klägerin an die Asylunterkünfte gelieferten Verpflegungspakete sind als Sachmehrheit anzusehen, deren Bestandteile leicht und nachprüfbar in begünstigte und nicht begünstigte Warenlieferungen aufteilbar waren. Die Entgelte waren daher, wie es das Finanzamt für 1999 und auch die Klägerin für die Jahre 2000 bis 2002 zutreffend vorgenommen haben, entsprechend aufzuteilen (vgl. Husmann in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Anm. 66, 67).

2. Die dem Normalsteuersatz unterliegenden Nahrungsmittel wie Mineralwasser und Fruchtsäfte können nicht nach den Grundsätzen der Besteuerung einheitlicher Leistungen oder unter dem Gesichtspunkt einer bloßen Nebenleistung dem Schicksal der begünstigten Nahrungsmittel folgen.

a) Besteht ein Umsatz aus mehreren Teilleistungen, so ist zu prüfen, ob es sich dabei um eine einheitliche Leistung handelt oder ob mehrere von einander unabhängige Leistungen vorliegen. Zwar ist grundsätzlich jede Leistung als eigene, selbständige Leistung zu betrachten, jedoch dürfen einheitliche wirtschaftliche Vorgänge nach umsatzsteuerrechtlichen Gesichtspunkten nicht künstlich aufgespaltet werden (vgl. BFH-Urteil vom 24.01.2008 V R 12/05, BStBl II 2009, 60 m.w.N.). Bei der Beurteilung ist aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu entscheiden, ob die Leistungen wirtschaftlich zusammengehören und ein einheitliches Ganzes bilden. Eine einheitliche Leistung liegt vor, wenn die Teilleistungen so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufteilung wirklichkeitsfremd wäre. Die Vereinbarung eines Gesamtpreises kann insoweit als Beweisanzeichen herangezogen werden. Eine einheitliche Leistung liegt jedoch nicht allein deshalb vor, weil sie aufgrund eines einzigen Vertrages erbracht worden ist (vgl. Martin in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 3 Rz 28 ff, m.w.N. der Rechtsprechung).

b) Nach diesen Grundsätzen kann die Lieferung der Nahrungsmittel für die Asylbewerber nicht als eine einheitliche Leistung gesehen werden, die einer eigenständigen rechtlichen Beurteilung unterliegt. Zwar spricht der Liefervertrag, den die Klägerin mit der Bezirksregierung geschlossen hatte, von der Verpflichtung zur Lieferung von Realverpflegung bzw. Realkost. Diese Begriffe sind zur Überzeugung des Gerichts jedoch nicht als ein bestimmter einheitlicher Liefergegenstand zu verstehen, sondern entsprechend der Bestimmungen in § 2 Nr. 1 des Liefervertrages als übergeordnete Begriffe für die dort angeführten verschiedenen Nahrungsmittelzusammenstellungen und als Grundlage für eine entsprechende Preisberechnung, wie sie in § 3 des Liefervertrages zum Ausdruck kommt. Der dort genannte Gesamtpreis von 7,54 DM pro Person und Tag bezieht sich erkennbar auf den Wert der erforderlichen Verpflegung eines erwachsenen Asylbewerbers und nicht auf den Wert eines konkreten von der Klägerin zusammengestellten Verpflegungspaketes. Diese Pakete enthielten vielmehr die verschiedenen festen Nahrungsmittel und Getränke, um die erforderliche Verpflegung für mehrere Tage zu ermöglichen, wobei verderbliche Ware gesondert geliefert wurde. Mit den so zur Verfügung gestellten Grundnahrungsmitteln in Form eines Warenkorbes sollte sich der Asylbewerber mehrere Mahlzeiten nach seinem Geschmack und seinen Bedürfnissen zubereiten können. Aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers sind die von der Klägerin gelieferten Verpflegungspakete daher nicht als einheitliche Liefergegenstände zu verstehen, sondern nur als die Zusammenstellungen verschiedener Waren.

c) Die in den Verpflegungspaketen mit gelieferten Getränke können auch nicht als unselbständige Nebenleistungen zu den begünstigt besteuerten Lebensmitteln gesehen werden.

Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck darstellt, sondern nur ein Mittel ist, um die Hauptleistung unter besten Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 04.07.2002 V R 41/01, UR 2003, 23 m.w.N.d. Rspr.). Dies ist bei Lebensmittellieferungen etwa hinsichtlich deren Verpackungen in Betracht zu ziehen (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 12 Rz 42 ff). Keinesfalls stellen aber die den Verpflegungspaketen von der Klägerin beigegebenen Getränke eine Nebenleistung zu den steuerbegünstigten festen Nahrungsmitteln dar. Vielmehr wird durch die Bereitstellung von Getränken ein den Verzehr von Lebensmitteln übersteigendes Bedürfnis der Empfänger erfüllt, das auch über die Notwendigkeit einer Grundversorgung des Körpers mit Wasser hinausgeht.

3. Eine ermäßigte Besteuerung der Verpflegungslieferungen für Asylanten kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Einreihung von Warenzusammenstellungen in Betracht.

a) Grundsätzlich gilt für die Zuordnung von Warenlieferungen zur Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG die jeweilige Position laut Zolltarif. Maßgebend ist der Wortlaut der Positionen (vgl. "Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur" - AV - , dort Nr. 1, abgedruckt bei Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 12 Rz 31). Ist danach eine eindeutige Zuordnung des fraglichen Liefergegenstandes nicht möglich, weil zwei oder mehr Positionen in Betracht kommen, so gilt für Warenzusammenstellungen, die für den Einzelverkauf aufgemacht sind gemäß Nr. 3 Buchst. b - AV - Folgendes: Sie werden nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 12 Rz 48; Husmann in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Anm. 63 ff).

b) Im Streitfall kommt diese Einreihungsregelung bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Lieferungen der Verpflegungspakete nicht für den Einzelverkauf bestimmt waren. Dies wäre etwa der Fall, wenn die Pakete jeweils einzeln einer Mehrzahl von Konsumenten zum Kauf hätten angeboten werden können. Demgegenüber hat die Klägerin die streitigen Leistungen aufgrund einer längerfristigen Lieferverpflichtung erbracht, die gegenüber der Bezirksregierung bestand. Ausschließlich im Rahmen dieser konkreten vertraglichen Bindung wurden die Lebensmittel ausgewählt und zusammengestellt.

c) Zudem können die einzelnen in den Verpflegungspaketen befindlichen Lebensmittel nicht als wesentliche oder unwesentliche Bestandteile erfasst werden, sondern es kommt ihnen jeweils eine eigenständige Bedeutung zu. Die von der Klägerin gelieferten Lebensmittelpakete waren zur Befriedigung des Ernährungsbedarfs der Asylbewerber bestimmt, wobei die Tiefkühlware gesondert zugeteilt wurde. Der Inhalt der Pakete diente der Zubereitung mehrerer Mahlzeiten an mehreren Tagen. Ebenso trugen die beigefügten Getränke zwar grundsätzlich zur Ernährung bei, waren aber von ihrer Bestimmung her den einzelnen Lebensmitteln nicht unter-, sondern beigeordnet. Eine charakterbestimmende Wirkung im Sinne von Nr. 3 Buchst. b - AV - war somit keinem der einzelnen Bestandteile, also etwa den ermäßigt besteuerten Lebensmitteln, zuzuweisen. Dies käme etwa bei einer als Fertiggericht einheitlich mit geriebenem Käse und Tomatensoße verpackten Spaghettimahlzeit in Betracht (vgl. Rondorf in Plückebaum/Malitzky, UStG-Kommentar, § 12 Abs. 2 Nr. 1 Rz. 142). Anders verhält es sich im Streitfall. Da somit die Voraussetzungen für Warenzusammenstellungen nicht vorlagen, waren die aus verschiedenen Lebensmitteln bestehenden Zusammenstellungen getrennt einzureihen (vgl. Husmann in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Anm. 64). Danach unterfielen die Getränke dem allgemeinen Steuersatz (vgl. Rondorf in Plückebaum/Malitzky, a.a.O., § 12 Abs. 2 Nr. 1 Rz. 149 f).

4. Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf die von der Finanzverwaltung zu beachtenden Vereinfachungsregelungen für Warensortimente berufen.

a) Ausnahmsweise können danach Warensortimente einheitlich dem ermäßigten Steuersatz zugeordnet werden, wenn das Entgelt hierfür nicht mehr als 20 EUR beträgt, der Anteil der Waren mit dem ermäßigten Steuersatz mehr als 90% beträgt und wenn sich das Warensortiment ohne vorheriges Umpacken zur direkten Abgabe an Endverbraucher eignet (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 12 Rz 50 m.w.N. zur Verwaltungsregelung und Husmann in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Anm. 65).

Die für die Beurteilung des Streitfalls maßgeblichen Verwaltungsregelungen, die von der Klägerin angeführt werden, sind auch rückwirkend auf die hier streitigen Besteuerungszeiträume anzuwenden (vgl. BMF-Schreiben IV B 7-S 7220-46/04 vom 05.08.2004, BStBl I 2004, 638 ff, Tz 11 bis 14; BMF-Schreiben IV A 5-S 7220-23/05 vom 09.05.2005, BStBl I 2005, 674 und BMF-Schreiben IV A 5-S 7220-27/06 vom 21.03.2006, BStBl I 2006, 286; vgl. Rondorf in Plückebaum/Malitzky, a.a.O., § 12 Abs. 2 Nr. 1 Rz. 154 ff).

b) Jedoch kommt im Streitfall auch diese Regelung für die Lieferungen der Verpflegungspakete der Klägerin nicht in Betracht, weil die Lebensmittelzusammenstellungen nicht so aufgemacht waren, dass sie sich ohne vorheriges Umpacken zur weiteren Abgabe an einen Endverbraucher eigneten. Denn die im Rahmen der Liefervereinbarung mit der Bezirksregierung zusammengestellten Lebensmitteleinheiten waren ausschließlich für die Realverpflegung der Asylbewerber gedacht und damit nur für diese zur Zubereitung der benötigten Mahlzeiten verwendbar, nicht jedoch als Endverbrauchsprodukte im Sinne der Verwaltungsregelungen. Zudem hatten die gelieferten Lebensmittel bestimmte Vorgaben des Sozialministeriums und der Bezirksregierung zu erfüllen. Auch wenn damit nicht umfassend auf die Zusammenstellung der einzelnen Lebensmittelartikel Einfluß genommen wurde, die Klägerin also in der Auswahl verschiedener Produkte frei war, so hatte sie sich gleichwohl an die in dem Liefervertrag vorgegebenen Zusammenstellungen und Anforderungen zu halten. Die Anwendung der Vereinfachungsregelung war somit ausgeschlossen.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe sieht das Gericht ab und verweist auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung (vgl. § 105 Abs. 5 FGO).

Die Klage konnte somit unter keinem Gesichtspunkt erfolgreich sein. Die Klägerin hat als der unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen (§§ 135 Abs.1, 143 Abs. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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