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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 01.04.2008
Aktenzeichen: 2 K 1452/2007
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

2 K 1452/2007

Umsatzsteuer 2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 01.04.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Streitig ist nur noch, ob das Finanzamt zutreffend steuerpflichtige Anzahlungen bzw. Abschlagszahlungen in 2004 angenommen hat.

Die Klägerin ist eine am 25.11.2002 gegründete GmbH, die Immobilien vermittelte. Alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin war A. B. , wohnhaft in ..... C., D. Str. 28. Laut Handelsregisterauszug wurde die Gesellschaft am 04.10.2007 aufgelöst und Rechtsanwalt E. F. als Liquidator bestellt.

In den Umsatzsteuervoranmeldungen I - III/2004 beantragte die Klägerin einen Vorsteuerabzug i.H.v. ........,.. EUR, der im Wesentlichen aus Rechnungen für den Bau der "Seniorenresidenz G." resultierte. Bei einer daraufhin am 04.11.2004 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass der Vorsteuerabzug zu versagen sei, weil die geltend gemachten Vorsteuern im Zusammenhang mit steuerfreien Umsätzen aus Grundstücksveräußerungen stünden und eine Option zur Umsatzsteuerpflicht gem. § 9 UStG ausgeschlossen sei (vgl. Bericht über die Umsatzsteuersonderprüfung vom 30.11.2004).

Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ entsprechende Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für das I. und III. Kalendervierteljahr 2004. Die Klägerin legte gegen den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für das III. Kalendervierteljahr 2004 vom 16.12.2004 Einspruch ein und trug zur Begründung vor, dass sie nicht Bauherrin, sondern lediglich die mit der Errichtung der Anlage betraute Baufirma sei und ihr folglich der volle Vorsteuerabzug zustehe. Bauherr sei der Grundstückseigentümer E. F., der die Wohneinheiten umsatzsteuerfrei an private Erwerber veräußere. Aus dem mit dem Bauherrn abgeschlossenen Kooperationsvertrag vom 01.07.2003 ergebe sich, dass ihr die schlüsselfertige Erstellung des Bauvorhabens auf eigene Regie übertragen sei und der Bauherr ihr die für die Bauausführung anfallenden Materialkosten und Löhne zur Verfügung zu stellen habe. Nach Abnahme und schlüsselfertiger Herstellung der Seniorenresidenz habe sie die von ihr erbrachten Leistungen nach Einheitspreisen und unter Berücksichtigung der bereits bevorschussten Materialkosten und Löhnen abzurechnen.

Mit Bescheid vom 22.07.2005 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuervorauszahlung für das IV. Kalendervierteljahr 2004 i.H.v. ...,. EUR fest. Da die Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung die Umsatzsteuererklärung 2004 nicht einreichte, schätzte das Finanzamt in Anlehnung an die Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung vom 04.11.2004 die Besteuerungsgrundlagen und versagte insbesondere den Vorsteuerabzug. Es erließ am 01.02.2006 einen gem. § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheid und setzte die Umsatzsteuer für 2004 auf ....,.. EUR fest. Im Rahmen der Abrechnung teilte es mit, dass von der Finanzkasse bereits .....,.., EUR ausbezahlt worden seien und mithin insgesamt .....,.. EUR geschuldet würden. Die Klägerin legte sowohl gegen den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid als auch gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid Einspruch ein.

Bei einer erneuten Umsatzsteuersonderprüfung kam der Prüfer nunmehr zum Ergebnis, dass der Klägerin als der ausführenden Baufirma ein Vorsteuerabzug in Höhe von .....,.. EUR zustehe, die auf dem Baukonto eingegangenen Zahlungen in Höhe von ......,.. EUR aber gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 4 UStG steuerpflichtige Abschlagszahlungen darstellten (vgl. Bericht vom 19.09.2006).

Das Finanzamt erließ daraufhin am 06.10.2006 einen gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2004 und setzte die Umsatzsteuer nunmehr auf .....,.. EUR fest. Im Abrechnungsteil führte es aus, dass .....,.. EUR bereits von der Finanzkasse ausgezahlt worden seien, mithin insgesamt .....,.. EUR geschuldet würden. Auch hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein.

Mit Einspruchsentscheidung vom 30.07.2007 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer 2004 auf ....,.. EUR herab und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf (§ 164 Abs. 3 AO). Im Übrigen wies es die Einsprüche als unzulässig bzw. unbegründet zurück.

Die Klägerin hat am 05.09.2007 Klage erhoben und sinngemäß beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 06.10.2006 und den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 06.06.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.07.2007 aufzuheben, soweit darin eine Beschwer enthalten ist.

Die Klage wegen Umsatzsteuer 2005 hat die Klägerin aufgrund des Hinweises des Gerichts, dass die Steuerfestsetzung 2005 noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, in der mündlichen Verhandlung am 01.04.2008 zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 24.10.2007 hat die Berichterstatterin des Senats die Klägerin unter Fristsetzung zum 20.11.2007 gem. §§ 65 Abs. 1 und 2, 79b Abs. 1 FGO aufgefordert, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen und die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren sie sich beschwert fühlt. Eine Äußerung erfolgte nicht.

In dem Parallelverfahren 2 K 1176/2007 hat die Klägerin Folgendes vorgetragen:

Aufgrund der Feststellungen einer Umsatzsteuersonderprüfung habe das Finanzamt mit Bescheid vom 01.02.2006 die Umsatzsteuer für 2004 auf ....,.. EUR festgesetzt und die bereits ausgezahlten Vorsteuern in Höhe von .....,.. EUR zurückgefordert. Sie sei zur Zahlung aber nicht verpflichtet, da das Finanzamt mit dem Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 06.10.2006 ihr Recht auf Vorsteuerabzug anerkannt habe. Allerdings sei auch diese Umsatzsteuerfestsetzung dem Grunde und der Höhe nach unrichtig, denn das Finanzamt habe private Kaufpreiszahlungen an den Grundstückseigentümer und Bauherrn F. als Abschlagszahlungen an sie behandelt.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erklärt:

Die von den Käufern laut Kaufvertrag an sie zu zahlenden Kaufpreise hätten auch einen Grundstücksanteil beinhaltet. Die Kaufpreisanteile für Grund- und Boden seien mit der ersten Rate i.H.v. 30% abgegolten worden und stünden dem Grundstückseigentümer F. persönlich zu. Im Übrigen leite sie aus der gesamten vertraglichen Gestaltung und insbesondere dem Kooperationsvertrag ab, dass die ihr zugeflossenen Gelder keine Abschlagszahlungen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes darstellten. Sie weise darauf hin, dass sie die Einspruchsentscheidung vom 30.07.2007 bislang nur in Abschrift mit Schreiben des Finanzgerichts Nürnberg vom 03.08.2007, zugegangen am 06.08.2007, erhalten habe.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es im Wesentlichen vor:

Nach dem Kooperationsvertrag sei die Klägerin verpflichtet gewesen, die "Seniorenresidenz G." im Rahmen einer Werklieferung schlüsselfertig zu erstellen. Die dazu erforderlichen Mittel seien vom Auftraggeber zur Verfügung zu stellen. Auf dem Konto der Klägerin bei der H.Bank., Kontonummer xxxxxx, seien im Jahr 2004 ......,.. EUR brutto aus Kaufpreisteilzahlungen verschiedener Erwerber eingegangen, deren weitere Verwendung von der Klägerin nicht nachgewiesen worden sei. Ihre Darstellung, die Zahlungen auf das Baukonto entfielen teilweise auf den verkauften Grund und Boden, sei nicht belegt und widerspreche im Übrigen auch dem Kooperationsvertrag. Die Beträge seien deshalb in voller Höhe als Abschlags- bzw. Vorauszahlungen gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 4 UStG zu behandeln. Die Klägerin sei mehrmals aufgefordert worden, ihre Einsprüche durch geeignete Unterlagen zu begründen. Sie sei jedoch ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, insbesondere sei die Umsatzsteuererklärung für 2004 bisher nicht beim Finanzamt eingereicht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg, denn sie ist unbegründet.

1. Gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt bei Übermittlung im Inland am dritten Tag nach Aufgabe der Sendung zur Post als bekannt gegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO).

Im Streitfall ist die Einspruchsentscheidung laut Absendevermerk am 30.07.2007 vom Finanzamt zur Post gegeben worden. Die Einspruchsentscheidung gilt damit als bekannt gegeben am 02.08.2007. Damit endet die Klagefrist gem. § 54 Abs. 2 FGO, § 222 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 03.09.2007 (Montag). Die am 05.09.2007 (Mittwoch) erhobene Klage wäre in diesem Fall wegen Verfristung unzulässig. Der Klägervertreter macht jedoch geltend, er habe erst am 06.08.2007 durch Schreiben des Finanzgerichts vom 03.08.2007 von der Einspruchsentscheidung Kenntnis erlangt.

Wird der Zugang bestritten, obliegt dem Finanzamt der volle Beweis über den Zugang des Steuerbescheids. Dieser Beweis kann auf Indizien gestützt und im Wege der freien Beweiswürdigung geführt werden. Der BFH hat es aber ausdrücklich abgelehnt, in den Fällen des Zugangsnachweises nach § 122 Abs.2 AO einen sog. Anscheinsbeweis, der auf einen typischen, nicht aber auf den tatsächlichen Geschehensablauf abstellt, genügen zu lassen (vgl. BFH-Urteil vom 3. März 1993 II R 11/90, BFH/NV 1994, 141 und BFH-Beschluß vom 28. Januar 1993 X B 80/92, BFH/NV 1994, 108).

Dem Klägervertreter war die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 30.07.2007 durch das Finanzamt im Postwege nicht nachzuweisen. Spätestens aber mit Übergabe der Einspruchsentscheidung in der Sitzung am 01.04.2008 ist der Klägerin dieses Schriftstück wirksam bekannt gegeben worden. Damit wurde der Umsatzsteuerbescheid vom 06.10.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.07.2007 zum Gegenstand des Klageverfahrens (§ 68 FGO).

2. Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG entsteht die Steuer nach vereinbarten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 4 UStG).

Laut Muster-Kaufvertrag waren die Kaufpreiszahlungen entsprechend dem Baufortschritt auf einem Konto bei der H. Bank., Kontonummer xxxx, Bankleitzahl yyyyy zu überweisen. Wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, handelt es sich hierbei um ein Konto der Klägerin, für das er eine Kontovollmacht besitzt. Mit Vereinnahmung der Kaufpreisraten durch die Klägerin ist die Steuer bei ihr als Unternehmerin entstanden, denn die Zahlungen sind Teil des geschuldeten Entgelts für die schlüsselfertige Erstellung der einzelnen Wohnungen der Seniorenresidenz. Soweit die Klägerin vorträgt, dass die von den Käufern zu zahlenden Kaufpreisraten auch Grundstücksanteile enthielten, die dem Bauherrn und Grundstückseigentümer F. zustünden, und diese mit der ersten Rate in Höhe von 30% abgegolten seien, sind trotz gerichtlicher Aufforderung keine Nachweise vorgelegt worden. Die Klägerin trägt aber die Darlegungs- und Feststellungslast für die sie begünstigenden Umstände, in diesem Fall für die Steuerfreiheit eines Teils der Leistungen gem. § 4 Nr. 9a UStG und wem die Leistungen zuzurechnen sind. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, ob, wann und in welcher Höhe der Grundstücksanteil in den Kaufpreisraten enthalten ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann insbesondere nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass die auf den Grundstücksanteil entfallenden Zahlungen bereits in 2004 vereinnahmt worden sind.

Die im Kooperationsvertrag getroffene Regelung, der Bauherr habe die für die Bauausführung anfallenden Materialkosten und Löhne zur Verfügung zu stellen, die Schlussrechnung solle dagegen erst nach Fertigstellung und Abnahme des gesamten Bauvorhabens erfolgen, diente nach Auffassung des Gerichts lediglich dazu, die frühzeitige Entstehung der Umsatzsteuer zu verhindern und damit einen Zinsvorteil bis zur schlüsselfertigen Herstellung des Bauwerks zu erlangen. Der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer kann aber nicht abweichend von § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG vereinbart werden (Wagner in Sölch/Ringleb, UStG-Kommentar, § 13, Rz. 43). Durch die Anzahlungs- bzw. Vorauszahlungsbesteuerung soll der Zinsvorteil beseitigt werden, den der leistende Unternehmer bei Vereinnahmung des Entgelts oder Teilentgelts im Rahmen eines steuerpflichtigen Umsatzes vor Ausführung der Leistung hätte (Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG-Kommentar, § 13, Rz. 155).

Das Finanzamt hat die auf das Baukonto der Klägerin geflossenen Zahlungen mit ......,..EUR brutto (......,.. EUR netto) festgestellt. Die Höhe der Zahlungen hat die Klägerin nicht bestritten. Sie erscheinen unter Berücksichtigung der geltend gemachten und anerkannten Vorsteuern in Höhe von .....,.. EUR, die Zahlungen an Handwerker und sonstige Unternehmer in Höhe von ......,..EUR entsprechen, auch möglich und zutreffend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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